Bundessozialgericht, Urteil vom 14.09.2010, Az. B 7 AL 21/09 R

7. Senat | REWIS RS 2010, 3423

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Kurzarbeitergeldanspruch - Kurzarbeit Null - erheblicher Arbeitsausfall - Bindungswirkung des Anerkennungsbescheids nach § 173 Abs 3 SGB 3 bei fehlender Aufhebung - keine Umdeutung des Ablehnungsbescheides)


Leitsatz

Zur Frage der Bindungswirkung eines Bescheids, mit dem die Bundesagentur für Arbeit einen erheblichen Arbeitsausfall für die spätere Gewährung von Kurzarbeitergeld im Voraus anerkannt hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. November 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Zahlung von Kurzarbeitergeld ([X.]) für die [X.] bis zum 31.3.2003 für 63 Arbeitnehmer.

2

           

Die [X.] in Gründung ([X.]) betrieb seit 1.12.2002 als Rechtsnachfolgerin der [X.], über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, ein Kaufhaus in [X.] Am 5.12.2002 schlossen die [X.] [X.] und der [X.]etriebsrat eine [X.]etriebsvereinbarung über die vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit mit folgendem Wortlaut:

        

"Vereinbarung

        

1.In den [X.]etriebsstätten H straße 83 und H straße 75 in [X.] wird mit Wirkung vom 1.01.2003 Kurzarbeit eingeführt. Die mitarbeiterindividuelle Arbeitszeit wird auf 0 Stunden zurückgeführt.

2.Die Mitarbeiter werden innerhalb der vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeiten an Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb der jeweiligen [X.]etriebsstätte teilnehmen und währenddessen die Verkaufsbereitschaft der [X.]etriebsstätten aufrecht erhalten.

3.Die Kurzarbeit wird beendet am 31.3.2003.

4.…"   

3

Am 11.12.2002 zeigte die [X.] [X.] der [X.]eklagten unter Vorlage der [X.]etriebsvereinbarung einen Arbeitsausfall für den Zeitraum von Januar bis März 2003 an, der sämtliche 77 Mitarbeiter betreffe. Die regelmäßige Arbeitszeit sei auf 0 Stunden wöchentlich reduziert. Ergänzend erklärte sie, dass die nachhaltige Existenzsicherung des Unternehmens und die Erhaltung der Arbeitsplätze nur durch die Aufrechterhaltung der wirtschaftlich nicht tragfähigen Weiterbetreibung während der Übergangsphase von Januar bis März 2003 sicherzustellen sei. Die [X.]eklagte erkannte die in §§ 170 und 171 Sozialgesetzbuch Drittes [X.]uch - Arbeitsförderung - ([X.][X.] III) genannten Voraussetzungen für die Gewährung von [X.] an. [X.] werde deshalb den von dem [X.] betroffenen Arbeitnehmern ab [X.] für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen bis 31.3.2003 bewilligt (bestandskräftiger [X.]escheid vom 30.12.2002). In der [X.] bis zum 31.3.2003 wurde der Geschäftsbetrieb des Kaufhauses aufrechterhalten. Es war montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr und samstags von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Die am 6.2.2003 und 15.4.2003 bei der [X.]eklagten eingegangenen Anträge der [X.] [X.] bzw der Klägerin, 63 (von 80) namentlich benannten Arbeitnehmern [X.] zu zahlen, lehnte die [X.]eklagte mit der [X.]egründung ab, es habe im Zeitraum von Januar bis März 2003 kein erheblicher Arbeitsausfall vorgelegen. Von einer freiwilligen Arbeitsbereitschaft der im Antrag genannten Arbeitnehmer sei nicht auszugehen ([X.]escheid vom 11.6.2003; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Während das Sozialgericht ([X.]) [X.] die Klage abgewiesen hat (Urteil vom [X.]), hat das [X.] ([X.]) [X.] das Urteil des [X.] sowie den [X.]escheid der [X.]eklagten vom 11.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben und die [X.]eklagte verurteilt, "der Klägerin für den Zeitraum vom [X.] bis zum 31.3.2003 [X.] in Höhe von 118 585,74 Euro zu gewähren" (Urteil vom 15.11.2007). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die [X.]eklagte habe den Anspruch der Klägerin bindend mit [X.]escheid vom 30.12.2002 dem Grunde nach anerkannt. Der [X.]escheid könne nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes [X.]uch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.][X.] X) zurückgenommen oder aufgehoben werden. Da weder eine Rücknahme noch eine Aufhebung erfolgt sei, müsse sich die [X.]eklagte daran festhalten lassen, [X.] ausgehend von den ihr bekannten und auch zutreffenden Tatsachen dem Grunde nach bewilligt zu haben. Es spreche zudem einiges dafür, dass die Arbeitnehmer, wie es aus der Anzeige über den Arbeitsausfall auch hervorgehe, im streitigen Zeitraum freiwillig für die Klägerin tätig gewesen seien, keinem Direktionsrecht unterlegen sowie die Fortführung des [X.]etriebs in Eigenregie organisiert und hierdurch den Geschäftsbetrieb der Klägerin aufrechterhalten hätten, ohne einen [X.] zu erwerben.

5

Mit ihrer Revision rügt die [X.]eklagte ua eine Verletzung des § 173 Abs 3 [X.][X.] III und des § 169 Nr 1 [X.][X.] III. Der Anspruch auf [X.] scheitere daran, dass kein erheblicher Arbeitsausfall mit [X.] (§ 169 Nr 1 [X.][X.] III) vorliege. Das [X.] habe nach der Rechtsprechung des [X.]undessozialgerichts ([X.][X.]) auch ohne Aufhebung oder Rücknahme des Anerkennungsbescheids vom 30.12.2002 abgelehnt werden können (§ 173 Abs 3 [X.][X.] III).

6

Die [X.]eklagte beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die [X.]erufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen.

7

Die Klägerin und der [X.]eigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie halten die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des [X.] und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung sowie, falls diese vorliegen, zu der Höhe des für die [X.] bis 31.3.2003 für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu zahlenden [X.].

Gegenstand des Verfahrens, das die [X.]lägerin, Gesamtrechtsnachfolgerin der [X.] (vgl [X.], 129, 137 und 140), als Prozessstandschafterin von 63 ihrer Arbeitnehmer führt (vgl dazu [X.], 181, 183 = [X.] zu § 144 SGG Da 11; [X.] 38, 94, 95 f = [X.] 1500 § 75 [X.] f; BSG [X.] 4-4300 § 323 [X.] Rd[X.]1; [X.] 4-4300 § 175 [X.] Rd[X.]0), ohne dass deren Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG notwendig wäre (BSG [X.] 4-4300 § 323 [X.] Rd[X.]1; [X.] 4-4300 § 175 [X.] Rd[X.]0), ist der [X.] vom 11.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung von [X.] für den [X.]raum vom [X.] bis 31.3.2003 abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich die [X.]lägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG iVm Abs 4, § 56 SGG).

Nach § 169 [X.] (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung <[X.]> vom [X.] - [X.] 594 -, erhalten hat) haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.], wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit [X.] vorliegt ([X.]), die betrieblichen ([X.]) sowie die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind ([X.]) und der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt (heute: [X.]) angezeigt worden ist ([X.] 4).

Es ist in der Sache zweifelhaft, ob bei der gewählten Form der [X.]urzarbeit ("[X.]urzarbeit Null") überhaupt ein erheblicher Arbeitsausfall ([X.]) angenommen werden kann. [X.]urzarbeit ist die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit (BAG AP [X.]70 zu § 611 BGB Gratifikation). Dies kann jedenfalls in der Weise geschehen, dass während des [X.]-[X.]raums die tägliche Arbeitszeit reduziert wird oder der Arbeitnehmer in diesem [X.]raum blockweise arbeitet, also in [X.] nicht gearbeitet wird. Wird die betriebliche regelmäßige Arbeitszeit allerdings in einer Weise "verkürzt", dass überhaupt keine Arbeit mehr zu leisten ist ("[X.]urzarbeit Null"), führt dies zum Wegfall der Arbeitsleistung für den gesamten [X.]raum (BAG AP [X.]70 zu § 611 BGB Gratifikation). Schon nach allgemeinem Begriffsverständnis wäre dies aber keine "[X.]urzarbeit" mehr, sondern eine "Nichtarbeit". Insoweit könnte uU nicht von einem "erheblichen" Arbeitsausfall gesprochen werden, weil auch der Begriff des erheblichen [X.] bei sachgerechter Auslegung von einer "Restarbeitszeit" ausgehen könnte, während bei sog "[X.]urzarbeit Null" überhaupt keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestehen soll ([X.] 121, 257 ff), der Betrieb in der Regel also vorübergehend vollständig geschlossen wird. Sinn und Zweck der Vorschriften über die [X.]urzarbeit (nur teilweise Übernahme des [X.] auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler), ihre Struktur sowie die vom Gesetzgeber gewählten Formulierungen zeigen möglicherweise, dass sog "[X.]urzarbeit Null" - ob dies bei dem früheren Struktur-[X.] (§ 175 [X.] aF) oder dem Transfer-[X.] (§ 216b [X.]) anders zu sehen ist, bedürfte weiterer Überlegungen - nicht als zulässige Variante der [X.]urzarbeit im Sinne der Vorschriften über das [X.] gewollt war, wenn man einmal die arbeitsrechtliche Zulässigkeit voraussetzt. Hieran ändert auch § 24 Abs 3 [X.] nichts, wonach das Versicherungspflichtverhältnis während eines [X.] mit [X.] im Sinne der Vorschriften über das [X.] fortbesteht. Die Regelung setzt nicht zwingend die Zulässigkeit von "[X.]urzarbeit Null" voraus.

"[X.]urzarbeit Null" wurde insbesondere in den neuen Bundesländern nach der [X.] (bis 1992) in erheblichem Umfang eingesetzt, um [X.] Härten in Betrieben zu überbrücken, die keine Aufträge mehr hatten, aber noch nicht geschlossen waren bzw noch nicht wieder produzieren konnten, obwohl vorab klar war, dass die Verringerung des [X.] eines Unternehmens (in der Regel) nicht nur temporär war. Je nachdem, ob während dieser [X.] Arbeiten im Betrieb durchgeführt wurden, eine Fortbildung stattfand oder der Bezieher tatsächlich ohne Beschäftigung war, entsprach diese Sonderform der [X.]urzarbeit in ihrer erwarteten Wirkung mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Fortbildung und Umschulung oder Arbeitslosigkeit (Eichler/[X.], Die aktive Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern, [X.], www.alexandria.unisg.ch/export/DL/15074.pdf). Instrumente wie "[X.]urzarbeit Null" hatten dabei im Grunde keine arbeitsmarktpolitische Funktion, sondern dienten vorrangig der statistischen Verringerung der Arbeitslosenzahl und der sozialpolitischen Abfederung.

Die mit der "[X.]urzarbeit Null" verbundene Problematik ist von der Rechtsprechung bislang allerdings nicht erörtert worden. Ihre [X.]onstruktion ist - soweit ersichtlich - mehr oder minder hingenommen worden, sei es, weil "[X.]urzarbeit Null" als denkbare Form der [X.]urzarbeit insbesondere in der [X.] nach der [X.] arbeitsmarkt- oder sozialpolitisch sinnvoll erschien. Lediglich der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 10.3.1994 ([X.] 74, 96, 99 = [X.] 3-4100 § 112 [X.]7 S 74) die Frage aufgeworfen, ob bei "[X.]urzarbeit Null" überhaupt noch ein Beschäftigungsverhältnis besteht, konnte diese im Ergebnis aber offen lassen.

Die Problematik wird vorliegend dadurch verschärft, dass bei Auslegung der Betriebsvereinbarung nach ihrem objektiven Inhalt (s dazu nur [X.]reitner in [X.]üttner, [X.] 2010, [X.] 126 Betriebsvereinbarung, Rd[X.] 8 mwN zur Rechtsprechung des [X.]) erheblicher Arbeitsausfall möglicherweise deshalb nicht vorliegt, weil die Arbeitnehmer verpflichtet waren, die Verkaufsbereitschaft der Betriebsstätten aufrechtzuerhalten, und dies auch geschehen ist, selbst wenn formal die Arbeitszeit auf "null Stunden" reduziert wurde. Zweifelhaft wird damit auch, ob die Arbeitnehmer rechtlich von einem [X.] von mehr als 10 % ihres [X.] (§ 170 Abs 1 [X.] 4 [X.] in der Normfassung des [X.] zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 21.7.1999 - [X.] 1648) betroffen waren. Insoweit wäre die Wirksamkeit der Vereinbarung eines völligen [X.]s trotz Arbeitsleistung zumindest nicht unproblematisch, weil die Betriebsvereinbarung im Ergebnis nur das Entfallen von Arbeitsentgelt bei fortbestehender Arbeitsleistung regeln sollte (offen bleibt insoweit nur, in welchem Umfang Arbeit noch zu leisten war).

Der Senat muss die Frage, ob ein erheblicher Arbeitsausfall mit [X.] auch bei sog "[X.]urzarbeit Null" allgemein oder in der vorliegenden Form möglich ist, auch vorliegend nicht abschließend beantworten; denn die Beklagte hat neben den betrieblichen Voraussetzungen (§ 169 [X.], § 171 [X.] in der Normfassung des [X.]) einen erheblichen Arbeitsausfall mit [X.] iS von § 169 [X.], § 170 [X.] bindend (§ 77 SGG) durch den [X.] vom 30.12.2002 anerkannt. Dies ergibt sich aus den Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens für die Gewährung von [X.]. Dieses ist zweistufig ausgestaltet. Nach § 173 Abs 3 [X.] (in der Normfassung des [X.]) erteilt die [X.] dem den Arbeitsausfall [X.] (Arbeitgeber oder Betriebsvertretung) unverzüglich einen schriftlichen [X.] ([X.]) darüber, ob auf Grund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG [X.] 4100 § 64 [X.] 5 S 13 f). Dieser [X.] enthält neben der gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Elementenfeststellung (zur im Übrigen unzulässigen Elementenfeststellung vgl [X.] in [X.] Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 Rd[X.]1 mwN) außerdem formal die "Zusicherung", dass bei Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen (§ 172 [X.]) und ordnungsgemäßer Antragstellung (§§ 323, 325 [X.]) [X.] für die Dauer des [X.] bzw die Höchstdauer (§ 177 [X.]) gezahlt wird ([X.] 67, 11, 18 = [X.] 3-4100 § 63 [X.] S 8 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 173 Rd[X.]6, Stand Dezember 2004). Dem Anerkennungsverfahren schließt sich dann erst das Leistungsverfahren an, in dem in der zweiten Stufe jeweils für [X.]räume, die durch den Leistungsantrag (§ 323 Abs 2 [X.]) bestimmt werden, das den Arbeitnehmern zustehende [X.] bewilligt wird (§§ 177 ff [X.]; BSG [X.] 4-4300 § 175 [X.] Rd[X.]0 mwN).

Eine gerichtliche Überprüfung der mit [X.] vom 30.12.2002 anerkannten Voraussetzungen ist ausgeschlossen. Als verselbständigter Teil einer Entscheidung, durch die Leistungen bewilligt werden, wird die Anerkennung wie [X.] gemäß § 77 SGG bindend mit der Folge, dass sich die Beklagte grundsätzlich an die im [X.] getroffenen Regelungen halten muss; sie kann die Anerkennung nur ändern, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist. Die Beklagte hat den [X.] aber weder zurückgenommen noch aufgehoben, was erforderlich gewesen wäre.

Dagegen spricht nicht die Entscheidung des Senats vom [X.] ([X.] 4100 § 66 [X.] S 3 f). Hier hatte der Senat eine Bindung durch den [X.] für betriebliche Voraussetzungen abgelehnt, soweit es sich um künftig eintretende Tatsachen handelt. Die im [X.] liegende "Zusicherung" solle danach nur gelten, wenn die erwarteten Tatsachen auch einträten. Geschehe das nicht und seien daher die betrieblichen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben, sei [X.] zu versagen, ohne dass es der ("vielfach tunlichen") Aufhebung des [X.]s bedürfe. Diese Rechtsprechung beruht auf der zutreffenden Überlegung, dass der [X.] nach § 173 Abs 3 [X.] (nur) auf Grund der "vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen" und möglichst schnell erteilt werden soll. Dementsprechend heißt es auch in der Gesetzesbegründung zu § 173 Abs 3 [X.], dass die Grundlage des [X.]s entfalle, wenn sich im nachhinein die Unrichtigkeit der vorgetragenen tatsächlichen Verhältnisse herausstelle (BT-Drucks 13/4941 S 185).

Ob die Rechtsprechung zur Bindungswirkung des [X.]s aufrechterhalten werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Allerdings spricht gegen die vom Senat angenommene Zusicherung (§ 34 [X.]), dass die entsprechende Verfügung unter der konkludenten auflösenden Bedingung stünde, dass sich nachträglich die Unrichtigkeit der glaubhaft gemachten Tatsachen in einem Umfang herausstellt, der die Voraussetzungen des § 170 und/oder des § 171 [X.] entfallen lässt ([X.] in [X.], [X.], § 173 Rd[X.] 73, Stand Dezember 2000). Insoweit würde es sich um eine reine Rechtsbedingung handeln, wofür auch der Wortlaut des [X.]s spricht, wonach [X.] "für die [X.] des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen" geleistet werde. Eine solche (Rechts-)Bedingung ist jedenfalls keine Nebenbestimmung iS des § 32 Abs 2 [X.] iVm Abs 1 [X.] ([X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 32 Rd[X.]4; [X.] aaO), weil sie nicht aufschiebend oder auflösend ein zukünftiges ungewisses Ereignis voraussetzt, dessen Eintritt die durch die Nebenbestimmung verfügte Rechtsfolge nach sich zieht; Erklärungen unter dieser Bedingung sind nach dem [X.] (vgl dazu grundlegend [X.] 67, 104, 110 mwN = [X.] 3-1300 § 32 [X.] S 11 f) dann gerade keine Zusicherung. Auf die Anerkennung der Voraussetzungen der §§ 170, 171 [X.] kann sie sich bei einer entsprechenden Auslegung jedoch nicht beziehen.

Im Ergebnis kann die Frage, ob die aufgezeigte Rechtsprechung zu modifizieren ist, aber dahingestellt bleiben. Treten die erwarteten Tatsachen entsprechend der Anzeige ein, kommt nämlich auch nach dieser Rechtsprechung eine Aufhebung oder Änderung des [X.]s allein nach den allgemeinen Regelungen über die Rücknahme oder Aufhebung eines Verwaltungsakts (§§ 45 ff [X.]) in Betracht ([X.] 67, 11, 18 f = [X.] 3-4100 § 63 [X.] S 9). Die Verfügung (Elementenfeststellung) hat jedenfalls dann Bestand, wenn die vom [X.] aufgestellten Tatsachenbehauptungen zutreffen und sich nicht ändern, während Rechtsirrtümer zu Lasten der Beklagten gehen. Ist der Beklagten bei der Subsumtion also ein Fehler dergestalt unterlaufen, dass sie die Behauptung des Vorliegens der jeweiligen Tatbestandsmerkmale der §§ 170, 171 [X.] entgegen der wahren Rechtslage für schlüssig vorgetragen ansieht, kann sie den [X.] nur unter den engeren Voraussetzungen der §§ 45 und 48 [X.] iVm § 330 [X.] aufheben; die Grundlage des [X.]s (BT-Drucks aaO) entfällt dann nicht ([X.] 67, 11, 18 f = [X.] 3-4100 § 63 [X.] S 9 f; [X.], aaO, Rd[X.] 75). So liegt der Fall hier, denn es sind keine der Anzeige widersprechenden Tatsachen eingetreten. Die [X.]lägerin hatte bei der Beklagten einen Arbeitsausfall angezeigt und in diesem Zusammenhang die Betriebsvereinbarung über die vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit für den [X.]raum von Januar bis März 2003 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die mitarbeiterindividuelle Arbeitszeit auf 0 Stunden zurückgeführt werde und die Mitarbeiter innerhalb der vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeiten die Verkaufsbereitschaft der Betriebsstätten aufrechterhalten. Aus Ziffer 2 dieser Vereinbarung ergibt sich zudem, dass alle betroffenen Mitarbeiter während der vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeiten im [X.]aufhaus (Betriebsstätte) tätig sind. Ob dies freiwillig geschah, ohne dass die betroffenen Arbeitnehmer dem Weisungsrecht der [X.]lägerin unterworfen waren, wie dies das [X.] annimmt, bedarf keiner Erörterung.

Eine Umdeutung ([X.]onversion) der Ablehnungsentscheidung in einen Rücknahme- bzw Aufhebungsbescheid nach §§ 45, 48 [X.] iVm § 330 [X.] durch den Senat scheidet aus. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsakts erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 [X.] auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (BSG [X.] 3-1300 § 48 [X.]5 S 42 f; [X.] 3-3660 § 1 [X.] S 3).

Die Voraussetzung einer [X.]onversion liegen uU schon deshalb nicht vor, weil nicht die rechtswidrige Ablehnung der Leistung (als Verwaltungsakt) für den [X.]raum Januar bis März 2003 in einen anderen Verwaltungsakt (Aufhebung oder Rücknahme des [X.]s) umgedeutet werden müsste, wie dies der Gesetzeswortlaut voraussetzt, sondern nur eine zusätzliche Verfügung (= Verwaltungsakt) erforderlich wäre: die Rücknahme nach § 45 [X.] (wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit) bzw Aufhebung nach § 48 [X.] (wegen Änderung der Verhältnisse nach Erlass des [X.]s). Diese [X.]onstellation wird von § 43 Abs 1 [X.] möglicherweise nicht erfasst, weil der ergangene [X.] gerade nicht umgedeutet, sondern aufrechterhalten bleiben soll und ihm nur ein legitimierender weiterer Verwaltungsakt hinzugefügt werden soll (Problem offen gelassen in BSG [X.] 1300 § 50 [X.]5 S 26 f).

Selbst wenn man von einer Zielgleichheit iS des § 43 Abs 1 [X.] zwischen dem umzudeutenden Verwaltungsakt und demjenigen, in den umgedeutet werden soll, ausginge, wäre die Umdeutung nach § 43 Abs 2 [X.] ausgeschlossen. Die Umdeutung in einen Rücknahmebescheid nach § 45 [X.] iVm § 330 [X.] oder einen Aufhebungsbescheid nach § 48 [X.] iVm § 330 [X.] mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet nämlich schon deshalb aus, weil beide "Bösgläubigkeit" oder falsche Angaben voraussetzen, was hier nicht angenommen werden kann. Die von der Beklagten geäußerte Auffassung, die [X.]lägerin habe zumindest grob fahrlässig der Beklagten gegenüber von Anfang an unrichtige Angaben gemacht bzw ihr eine später eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mitgeteilt, verkennt zum einen, dass die [X.]lägerin nach den Feststellungen des [X.] gerade keine falschen Angaben gemacht hat und zum anderen, dass es nicht auf die Bösgläubigkeit der [X.]lägerin, sondern auf die Bösgläubigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ankommt, weil die [X.]lägerin lediglich als Verfahrensstandschafterin für die betroffenen Arbeitnehmer, deren Ansprüche auf Gewährung von [X.] betroffen sind, tätig geworden ist (siehe oben). Diese müssen sich eine etwaige Bösgläubigkeit ihrer Arbeitgeberin nicht zurechnen lassen, weil sie keinen Einfluss auf ihr Verhalten haben; sie sind an dem eigentlichen Verwaltungsverfahren nicht beteiligt. Anders als bei einer Vertretung auf Grund einer Vollmacht wird ihnen die Prozessstandschaft durch den Arbeitgeber nach den gesetzlichen Regelungen über das [X.] aufgezwungen. [X.] regelt § 181 Abs 2 [X.] einen eigenen Schadensersatzanspruch der [X.] gegen den Arbeitgeber, wenn er oder eine von ihm bestellte Person durch eine der in § 45 Abs 2 Satz 3 [X.] bezeichneten Handlungen bewirkt, dass [X.] zu Unrecht geleistet worden ist. Diese Regelung geht erkennbar davon aus, dass eine Rechtsgrundlage für einen Erstattungsbescheid gegenüber den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern wegen der rechtswidrigen Zahlung von [X.] regelmäßig ausscheidet (vgl zum Ganzen: [X.] 82, 183, 195 = [X.] 3-4100 § 71 [X.] S 24 f; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2008, § 181 Rd[X.]7).

Ist danach eine Umdeutung des angegriffenen [X.]s in einen Aufhebungs- und Rücknahmebescheid nicht möglich, bleibt nur noch zu prüfen, ob die persönlichen Voraussetzungen für die Zahlung des [X.] gegeben und in welcher Höhe die Leistungen zu gewähren sind. Nach § 172 Abs 1 [X.] (in der Normfassung des [X.] vom [X.] - [X.] 3443) sind die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des [X.] eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt ([X.] Buchst a), aus zwingenden Gründen aufnimmt ([X.] Buchst b) oder im [X.] an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt ([X.] Buchst c), das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist ([X.]) und der Arbeitnehmer nicht vom [X.]-Bezug ausgeschlossen ist ([X.]).

Dabei kann der [X.]lägerin - wiederum wegen des bindenden [X.]s - nicht vorgehalten werden, die Arbeitnehmer hätten schon allein auf Grund einer möglicherweise freiwilligen Tätigkeit (Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs) nicht mehr in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden (§ 172 Abs 1 [X.] Buchst a [X.]). Hier greift vielmehr § 24 Abs 3 [X.] mit seiner Regelung über das Fortbestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ein. Zwar wird man keine Tatbestandswirkung des [X.]s annehmen können (so auch [X.] in [X.], [X.], § 24 Rd[X.] 53, Stand Juni 2006), und zwar schon deshalb, weil der [X.] nicht den einzelnen Arbeitnehmer erfasst; gleichwohl darf die Rechtslage nicht anders beurteilt werden als im [X.], wollte man dessen Zweck nicht entwerten (im Ergebnis auch [X.] aaO). Die einzelnen Arbeitnehmer, die am [X.]-Verfahren selbst nicht beteiligt sind, müssen sich ebenso wie der Arbeitgeber darauf verlassen können, dass die Umstände, die bereits bei den Voraussetzungen für einen erheblichen Arbeitsausfall zu prüfen waren, nicht bei der Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen anders bewertet werden und damit die bindende Entscheidung konterkariert wird.

Bejaht man die persönlichen Voraussetzungen, fehlen gleichwohl Feststellungen zum eigentlichen Leistungsumfang, zu dem das [X.] lediglich angibt, der Betrag von 118 585,74 [X.] sei "rechnerisch zutreffend ermittelt". Nach § 178 [X.] (in der Normfassung des [X.]) beträgt das [X.] für Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten [X.] erfüllen würden, 67 % ([X.]), für die übrigen Arbeitnehmer 60 % ([X.]) der [X.]differenz im [X.]. Die [X.]differenz regelt § 179 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Einführung des [X.] im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom [X.] - [X.] 1983). Nach dessen Abs 1 entspricht die [X.]differenz dem Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten [X.] aus dem [X.] einerseits und dem pauschalierten [X.] aus dem [X.] andererseits. Das [X.] ist das [X.], das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall und vermindert um Entgelt für Mehrarbeit in dem [X.] erzielt hätte (§ 179 Abs 1 Satz 2 [X.]). Das [X.] ist das in dem [X.] tatsächlich erzielte [X.] der Arbeitnehmer zuzüglich aller ihm zustehenden Entgeltanteile (§ 179 Abs 1 Satz 3 [X.]). Auch hier darf der [X.]lägerin - wie bei den persönlichen Voraussetzungen - nicht eine andere rechtliche Bewertung des [X.] entgegengehalten werden, weil sowohl sie als auch - und insbesondere - die Arbeitnehmer sich auf die bereits vorliegende bindende Verfügung verlassen können müssen.

Schließlich wird das [X.] beachten müssen, dass das [X.] für jeden einzelnen Arbeitnehmer, der die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, zu berechnen ist, sodass jeder anspruchsberechtigte Arbeitnehmer und das ihm zustehende [X.] gesondert im Tenor der Entscheidung aufzunehmen sind. Gegebenenfalls wird das [X.] auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 7 AL 21/09 R

14.09.2010

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Koblenz, 4. Mai 2005, Az: S 11 AL 487/03, Urteil

§ 169 Nr 1 SGB 3 vom 24.03.1997, § 169 Nr 2 SGB 3 vom 24.03.1997, § 169 Nr 4 SGB 3 vom 24.03.1997, § 170 SGB 3 vom 21.07.1999, § 172 SGB 3 vom 10.12.2001, § 173 Abs 1 SGB 3 vom 24.03.1997, § 173 Abs 3 SGB 3 vom 24.03.1997, § 178 SGB 3 vom 24.03.1997, § 179 SGB 3 vom 21.12.2000, § 24 Abs 3 SGB 3, § 32 SGB 10, § 39 SGB 10, § 43 SGB 10, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10, § 77 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.09.2010, Az. B 7 AL 21/09 R (REWIS RS 2010, 3423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3423

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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S 16 AL 196/21 (SG Landshut)

Entleihbetrieb, Unabwendbares Ereignis, Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, Anerkennungsbescheid, Leistungsantrag, Leiharbeitnehmern, Kurzarbeitergeld, kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, …


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