Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. B 11 AL 4/17 R

11. Senat | REWIS RS 2018, 7381

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Kurzarbeitergeld - erheblicher Arbeitsausfall - unabwendbares Ereignis - vorübergehender Arbeitsausfall - Liquiditätsengpass - Kreditboykott - geschäftsfelduntypisches Marktverhalten - dauerhaftes strukturelles Geschäftsproblem


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Anspruch auf [X.] sowie die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Monate Mai bis August und Oktober 2010.

2

Der klagende Verein verwaltet und vermarktet treuhänderisch acht Immobilien, die sich im Eigentum der [X.] ([X.]) befinden, und führt darüber hinaus im Fremdauftrag die Objektbetreuung für zwei weitere Wohnhäuser durch. Er beschäftigte im [X.] zunächst elf Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Unter ihnen waren drei [X.], die jeweils für bestimmte Objekte bzw für die Objektsuche für einen geplanten Zukauf zuständig waren, und zwei dem sog Bautrupp zugehörige Bauarbeiter, die Arbeiten an sämtlichen Objekten zu verrichten hatten.

3

Am [X.] zeigte der Kläger gegenüber der [X.]n einen Arbeitsausfall und die geplante Reduzierung der regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit bei fünf Arbeitnehmern von 40 Stunden auf null Stunden mit Wirkung von Mai 2010 bis voraussichtlich April 2011 an, die den am 23.4.2010 mit den drei [X.]n und zwei Mitarbeitern des Bautrupps geschlossenen Vereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit ab dem [X.] entsprach. Zu den Ursachen des [X.] gab der Kläger an, man sei von der größten internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise besonders betroffen. Die dadurch verursachte Einschränkung der Liquidität, die durch einen Bankenboykott gegen die [X.] und den Verein selbst verstärkt werde, zwinge dazu, einen geplanten Zukauf und geplante Sanierungsmaßnahmen zu verschieben.

4

Am 4.6.2010 beantragte der Kläger bei der [X.]n die Zahlung von [X.] sowie die pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die fünf Kurzarbeiter im Abrechnungsmonat Mai 2010 in Höhe von insgesamt 2436,03 [X.].

5

Die [X.] teilte dem Kläger mit, der Anzeige vom [X.] könne "nicht entsprochen werden" (Bescheid vom [X.]). Hauptgrund für den vorhandenen Arbeitsmangel sei die bereits eingeschränkte Liquidität des [X.], noch verstärkt durch einen Bankenboykott; diese sei somit nicht auf eine wirtschaftliche Situation zurückzuführen, sondern Folge einer politisch motivierten Krise. Den Leistungsantrag für den Abrechnungsmonat Mai 2010 und einen weiteren Antrag auf Leistungen in Höhe von 1699,55 [X.] für Juni 2010 lehnte die [X.] ab (Bescheide vom [X.] und [X.]). Die Widersprüche gegen diese drei Bescheide blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die vom Kläger angeführten Vermarktungs- und Liquiditätsprobleme wirtschaftliche Gründe iS des § 170 Abs 1 [X.] aF hätten und nicht dem normalen Betriebsrisiko des [X.] zuzurechnen seien. [X.] des [X.] für Juli 2010 (1764,24 [X.]) und August 2010 (3055,46 [X.]) lehnte die [X.] ebenfalls ab (Bescheide vom [X.] und [X.]).

6

Am [X.] kündigte der Kläger die Arbeitsverhältnisse mit zwei der [X.] zum [X.] und das Arbeitsverhältnis mit einem weiteren [X.] zum 30.11.2010. Auf die am 15.9.2010 vor dem [X.] ([X.] AL 488/10) erhobene Klage hob die [X.] in der mündlichen Verhandlung am 25.3.2011 nach einem Hinweis des Gerichts auf § 131 Abs 5 Satz 1 SGG den Widerspruchsbescheid vom [X.] auf und verpflichtete sich, nach Klärung noch offener Fragen einen neuen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Zwischenzeitlich hatte die [X.] weitere [X.] des [X.] für September und Oktober 2010 (1283,73 [X.] bzw 1505,61 [X.] für nunmehr zwei Beschäftigte) abgelehnt (Bescheide vom [X.] und [X.]). Widerspruch legte der Kläger nur gegen den Bescheid ein, der den Monat Oktober 2010 betraf.

7

Die Widersprüche des [X.] gegen die Bescheide vom [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] wies die [X.] (erneut) zurück (Widerspruchsbescheid vom 3.6.2011). Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil des [X.] vom 31.1.2014).

8

Im Berufungsverfahren hat das [X.] eine Aufstellung des [X.] zu den in dessen Eigentum stehenden bzw im Fremdauftrag verwalteten Immobilien mit monatlicher Auflistung der Mieteinnahmen je Objekt für die Jahre 2007 bis 2011 veranlasst, ferner Aufstellungen zu den in den Jahren 2007 bis 2009 durchgeführten Bau- und Sanierungsmaßnahmen und zum finanziellen Volumen bezüglich der einzelnen Objekte. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen hat es die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 5.12.2016). Der Arbeitsausfall mit [X.] beruhe weder auf wirtschaftlichen Gründen noch habe ein unabwendbares Ereignis vorgelegen. Aufgrund der feststellbaren äußeren Umstände sei nicht ersichtlich, dass der vom Kläger behauptete Liquiditätsengpass auf wirtschaftlichen Gründen beruht habe. Die Einnahmen für 2010 unterschieden sich nicht wesentlich von denen der Vorjahre. Soweit ein möglicher Kreditboykott durch als Kreditgeber infrage kommende Banken Grund für den Liquiditätsengpass sei, stelle dieser mangels zeitlicher Begrenzung kein unabwendbares Ereignis iS des § 170 Abs 1 [X.] 2 SGB III aF dar. Der bereits seit 2006 andauernde Boykott sei ein dauerhaftes strukturelles Geschäftsproblem des [X.], denn seit Jahren könne er sich im üblichen Kreditgeschäft der Banken nicht mehr bewegen.

9

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 170 Abs 1 [X.] 2 und Nr 2 SGB III aF geltend. Entgegen der Auffassung des [X.] könne ein anhaltender Kreditboykott durch Kreditinstitute ein unabwendbares Ereignis im Sinne der genannten Norm darstellen und einen Anspruch auf [X.] begründen, wenn es hierdurch infolge [X.] zu einem Arbeitsausfall komme. Ein solcher Boykott sei vergleichbar mit dem [X.] einer behördlichen oder behördlich anerkannten Maßnahme iS von § 170 Abs 3 Satz 2 SGB III aF und nicht als ein kontinuierlicher gesellschaftlicher Prozess des Akzeptanzverlustes eines Produktes auf dem Markt anzusehen. Unter einem Ereignis sei auch nicht nur ein zeitlich begrenztes und vorübergehendes Geschehen zu verstehen; zeitlich begrenzt und vorübergehend müsse allein der durch das Ereignis hervorgerufene Arbeitsausfall sein. Dies sei vorliegend der Fall, da im Laufe der [X.] der Kreditinstitute durch die Gewinnung von privaten Darlehensgebern ausgeglichen und damit der Liquiditätsengpass habe überwunden werden können. Entgegen der Auffassung des [X.] könne daher nicht von einem dauerhaften strukturellen Geschäftsproblem gesprochen werden.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 5. Dezember 2016 sowie des [X.] vom 31. Januar 2014 aufzuheben und die [X.] unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Juni 2010 sowie der Bescheide vom 22. Juni 2010, 6. Juli 2010, 16. August 2010, 6. September 2010 und 9. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2011 zu verurteilen, den betroffenen Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld für die Monate Mai, Juni, Juli, August und Oktober 2010 zu gewähren.

Die [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.], der in zulässiger Weise Rechte der Arbeitnehmer seines Betriebs auf [X.] im Wege der Prozessstandschaft geltend macht (vgl nur B[X.] vom [X.] - B 7 [X.] 21/09 R - [X.] 4-4300 § 173 [X.] Rd[X.]0 mwN), ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen, denn ein Anspruch auf [X.] und auf die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die betroffenen fünf Arbeitnehmer besteht nicht.

Streitgegenstand ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen zunächst der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] Durch diesen Bescheid hat die Beklagte in der Sache - trotz der gewählten Formulierung, der Anzeige nicht entsprechen zu können - die Feststellung eines [X.] und die betrieblichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf [X.] im Anerkennungsverfahren abgelehnt (sog negativer Anerkennungsbescheid); diese Feststellungen sind auf der ersten Stufe des zweistufig konzipierten Verwaltungsverfahrens zu treffen (vgl § 173 Abs 3 [X.]B III in der vom 1.1.2004 bis zum [X.] geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - [X.] 2848, nunmehr § 99 Abs 3 [X.]B III; vgl dazu B[X.] vom [X.] - B 7 [X.] 21/09 R - [X.] 4-4300 § 173 [X.] Rd[X.]6). Darüber hinaus sind Streitgegenstand die im Leistungsverfahren (der zweiten Stufe des Verwaltungsverfahrens) ergangenen Bescheide vom [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.], jeweils ebenfalls in Gestalt des [X.], mit denen die Zahlung von [X.] und die pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Mai, Juni, Juli, August und Oktober 2010 abgelehnt worden sind. Werden sowohl der negative Anerkennungsbescheid als auch ablehnende [X.] angegriffen, ist richtige Klageart allein die hier auch erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, 4 [X.]G (B[X.] vom [X.] [X.]/85 - juris Rd[X.]8 f; B[X.] vom 15.2.1990 - 7 [X.] - juris Rd[X.]5). Der Kläger begehrt die Geldleistungen für die betroffenen fünf Arbeitnehmer auch zulässigerweise dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 169 Satz 1 [X.]B III (in der vom 1.4.2006 bis [X.] geltenden Fassung des [X.] vom [X.] - [X.] 926, nunmehr § 95 [X.]B III). Hiernach haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.], wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt ([X.]), die betrieblichen ([X.]) sowie die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind ([X.]) und der Arbeitsausfall der [X.] angezeigt worden ist ([X.]). Erheblich ist ein Arbeitsausfall nach § 170 Abs 1 [X.] [X.]B III (in der vom 1.1.2009 bis 27.12.2011 geltenden Fassung des [X.] für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.12.2008 - [X.] 2940, nunmehr § 96 [X.]B III; im Folgenden: aF), wenn er auf wirtschaftlichen Gründen (Alt 1) oder einem unabwendbaren Ereignis (Alt 2) beruht.

Ergänzend zu § 170 Abs 1 [X.] Alt 1 [X.]B III aF bestimmt § 170 Abs 2 [X.]B III aF, dass ein Arbeitsausfall auch dann auf wirtschaftlichen Gründen beruht, wenn er durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung eines wirtschaftlichen Grundes ist mithin die "allgemeine wirtschaftliche Entwicklung". Der Begriff schließt deshalb alle Arbeitsausfälle ein, die sich aus der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konjunkturvorgänge, den Veränderungen des [X.] und damit aus der Teilnahme des Betriebs am Wirtschaftsleben ergeben (so bereits B[X.] vom 29.4.1998 - B 7 [X.] 102/97 R - B[X.]E 82, 124 = [X.] 3-4100 § 64 [X.], juris Rd[X.]1 ff, noch zu § 64 [X.]; B[X.] vom 15.12.2005 - B 7a [X.] 10/05 R - B[X.]E 96, 14 = [X.] 4-4300 § 170 [X.], Rd[X.]5). Ein "Beruhen" des [X.] auf solchen Gründen ist dann anzunehmen, wenn diese Gründe ursächlich im Sinne einer wesentlichen Bedingung für den Arbeitsausfall gewesen sind (vgl nur B[X.] vom 29.4.1998 - B 7 [X.] 102/97 R - B[X.]E 82, 124 = [X.] 3-4100 § 64 [X.], juris Rd[X.]1; ausführlich [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 96 [X.]B III Rd[X.] 60 ff, Stand Oktober 2016).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das [X.] ausgehend von seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 [X.]G) ohne Rechtsfehler verneint, dass hier wirtschaftliche Gründe den Arbeitsausfall wesentlich verursacht haben. Trotz der veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen infolge der Immobilienkrise in den USA hat es nach den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen keine zusätzlichen Leerstände in den verwalteten Objekten und ebenso wenig signifikante Unterschiede zwischen den Einnahmen des [X.] im Jahre 2010 und denen der Vorjahre gegeben. Ein möglicherweise eingetretener Liquiditätsengpass des [X.] im Jahre 2010 kann deshalb nicht durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt sein.

Das [X.] hat auch zutreffend erkannt, dass ein Liquiditätsengpass, wenn er tatsächlich auf einen Kreditboykott der als Kreditgeber infrage kommenden Banken zurückzuführen sein sollte, nicht als ein unabwendbares Ereignis iS des § 170 Abs 1 [X.] Alt 2 [X.]B III aF anzusehen wäre. Ein unabwendbares Ereignis liegt insbesondere vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen, dem üblichen Witterungsverlauf nicht entsprechenden Witterungsgründen beruht (§ 170 Abs 3 Satz 1 [X.]B III aF). Ein solches Ereignis ist aber auch dann anzunehmen, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind (§ 170 Abs 3 Satz 2 [X.]B III aF). Diese gesetzliche Konkretisierung des Begriffs "unabwendbares Ereignis" spricht dafür, dass es sich um ein zeitlich begrenztes, außergewöhnliches und von außen auf den Betrieb einwirkendes Geschehen handeln muss, das den Betrieb vergleichbar den äußeren Witterungsereignissen trifft (vgl B[X.] vom 15.12.2005 - B 7a [X.] 10/05 R - B[X.]E 96, 14 = [X.] 4-4300 § 170 [X.]; B[X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 3/14 R - [X.] 4-4300 § 170 [X.] Rd[X.]4).

Entgegen der Auffassung der Revision und mit dem [X.] ist ein gerade auch in zeitlicher Hinsicht begrenztes Geschehen zu verlangen (vgl B[X.] vom 15.12.2005 - B 7a [X.] 10/05 R - B[X.]E 96, 14 = [X.] 4-4300 § 170 [X.], Rd[X.]8 und B[X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 3/14 R - [X.] 4-4300 § 170 [X.] Rd[X.]4). Dies folgt schon aus dem allgemeinen Verständnis des Begriffs "Ereignis", welcher eine vom bestehenden Zustand abweichende, überraschend und plötzlich eintretende Lage beschreibt. Ein sich allmählich entwickelndes bzw sich länger hinziehendes Geschehen kann in Abgrenzung dazu nicht mehr als Ereignis angesehen werden, das einen Anspruch auf [X.] begründen kann (vgl [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 96 [X.]B III Rd[X.]9, Stand Oktober 2016; [X.] in [X.], [X.]B III nF, § 96 Rd[X.]1, Stand März 2015). Soweit die Revision auf die Beherrschbarkeit besonderer Umstände als Anspruchsvoraussetzung für das [X.] abstellen will, vermag dem im Hinblick auf das Verständnis des Begriffs "unabwendbar" möglicherweise Bedeutung zukommen (vgl - auch zur Wechselwirkung zu dem eigenständigen in § 170 Abs 1 [X.] [X.]B III aF geregelten Merkmal der "Vermeidbarkeit" - [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 96 [X.]B III Rd[X.]0, 108, Stand Oktober 2016). Dies ist jedoch nicht geeignet, das Verständnis des Begriffs "Ereignis" an sich zu relativieren.

Gestützt wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung. Unter einem "unabwendbaren Ereignis" war schon nach der Begründung des [X.] ([X.]) "jedes objektiv feststellbare Ereignis, das auch durch äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt nicht abzuwenden war" zu verstehen ([X.]/2291 [X.] zu § 59 Abs 1 [X.]). Mit [X.] als Leistung der aktiven Arbeitsförderung (vgl § 3 Abs 3 [X.] 5, Abs 4 [X.] [X.]B III) soll somit nicht das gesamte [X.] auf die Solidargemeinschaft verlagert werden, sodass eine rein innerbetriebliche Entwicklung als Ursache für den Arbeitsausfall nicht genügt (vgl B[X.] vom 15.12.2005 - B 7a [X.] 10/05 R - B[X.]E 96, 14 = [X.] 4-4300 § 170 [X.], Rd[X.]4 ff; B[X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 3/14 R - [X.] 4-4300 § 170 [X.] Rd[X.]4).

Vor diesem Hintergrund ist das vom [X.] als plausibel angesehene geschäftsfelduntypische Marktverhalten verschiedener Kreditinstitute zum Nachteil des [X.], dem trotz guter Bonität keine Geschäftskredite gewährt wurden, nicht als Ereignis iS von § 170 Abs 1 [X.] Alt 2 [X.]B III aF zu beurteilen. Denn der Kläger war nach den weiteren Feststellungen des [X.] schon seit 2006 und auch über den streitbefangenen Zeitraum im Jahre 2010 hinaus mit diesem Verhalten konfrontiert. Das von der Revision präferierte Anknüpfen an einzelne Kreditablehnungen als Ereignis wird diesem tatsächlich über Jahre andauernden Verhalten nicht gerecht. Unabhängig davon wie dieses zivilrechtlich und politisch zu bewerten ist, fehlt ihm deshalb die zeitliche Begrenzung, um als wesentliche Ursache für einen erheblichen Arbeitsausfall im Sinne der Vorschriften zum [X.] in Betracht kommen zu können.

Selbst wenn dieses langjährige Marktverhalten tatsächlich auch die Ursache für - möglicherweise sogar nur vorübergehende - Liquiditätsengpässe des [X.] gewesen sein sollte, könnten diese innerbetrieblichen Folgewirkungen ebenfalls nicht als außergewöhnliches und von außen auf den Betrieb einwirkendes Geschehen beurteilt werden. Sie wären letztlich nur Ausdruck von auf Dauer angelegten [X.] des [X.] als Akteur im Wirtschaftsleben, die dessen Risikosphäre angehören (vgl B[X.] vom 15.12.2005 - B 7a [X.] 10/05 R - B[X.]E 96, 14 = [X.] 4-4300 § 170 [X.], Rd[X.]8; zur gewissen Unschärfe dieser Abgrenzung aber auch [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 96 [X.]B III Rd[X.]4, Stand Oktober 2016). Im Spannungsverhältnis der Entlastungsziele des [X.] (dazu zuletzt B[X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 3/14 R - [X.] 4-4300 § 170 [X.] Rd[X.]6; vgl zur Funktion und zum Funktionswandel des [X.] [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, Vor § 95 [X.]B III Rd[X.] f, 33 ff, Stand Oktober 2016) zum [X.] der Unternehmen sind Unternehmer vor der Verwirklichung von Risiken, die der wirtschaftlichen Betätigung von vornherein innewohnen, aber gerade nicht durch die Zahlung von [X.] geschützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 4/17 R

21.06.2018

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Gelsenkirchen, 31. Januar 2014, Az: S 4 AL 312/11, Urteil

§ 170 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB 3 vom 21.12.2008, § 96 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. B 11 AL 4/17 R (REWIS RS 2018, 7381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7381

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