Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.10.2017, Az. 7 B 4/17

7. Senat | REWIS RS 2017, 4225

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Gegenstand

Erforderlichkeit einer Rechtsverletzung für erfolgreiche Anfechtungsklage gegen wasserrechtliche Bewilligung


Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer einer Hofstelle gegen eine der [X.]eigeladenen erteilte wasserrechtliche [X.]ewilligung zur erhöhten Entnahme von Grundwasser für den [X.]etrieb ihrer Papier- und Kartonfabrik.

2

Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung zurückgewiesen. Die [X.]ewilligung verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach der vom [X.]eklagten ordnungsgemäß durchgeführten Vorprüfung habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurft. Der Kläger könne sich nur auf einen Verstoß gegen drittschützende Vorschriften berufen. Die Voraussetzungen für die Erteilung der [X.]ewilligung lägen vor und es stünden keine Versagungsgründe entgegen. Die vom Kläger wegen der erhöhten Grundwasserentnahme befürchteten schädlichen Gewässerveränderungen seien nicht zu erwarten.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die [X.]eschwerde des [X.].

II

4

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen.

6

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in einem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (st[X.]pr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. März 2015 - 4 [X.] 29.14 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.

7

Die Frage,

ob die vom [X.]erufungsgericht vorgenommene [X.]eschränkung der Prüfung eines vom Kläger geltend gemachten Verstoßes gegen die [X.] der [X.] (2000/60/[X.]) auf eigene Rechte des [X.] eine nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]. [X.]/15, Rn. 44) unzulässige Rechtsschutzverkürzung ist, da es nach den Ausführungen des [X.] für die gerichtliche Überprüfungsverpflichtung nicht darauf ankommt, ob die europarechtliche Vorschrift dem Schutz des Einzelnen oder dem Schutz der Umwelt dient,

lässt sich anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ohne Weiteres beantworten und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision.

8

Der Kläger kann als privater Grundstückseigentümer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Aufhebung der angefochtenen wasserrechtlichen [X.]ewilligung - unbeschadet der in § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG geregelten Ausnahme - nur verlangen, soweit er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Im Einklang hiermit hat das Oberverwaltungsgericht den vom Kläger geltend gemachten Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach der Wasserrahmenrichtlinie in Form der [X.]eeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung und einer möglichen Veränderung der [X.] sowie wegen unzulässigen natur- oder landschaftsschutzrechtlichen Eingriffs mangels nachweisbarer nachteiliger Auswirkungen der bewilligten Grundwasserentnahme auf die Rechte des [X.] als für den Erfolg der Klage unbeachtlich angesehen ([X.] f.). Das steht nicht in Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben.

9

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist anerkannt, dass ein Mitgliedstaat, wenn er nach den [X.]estimmungen der [X.] und 2010/75 die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner gegen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fallen, von Voraussetzungen wie dem Erfordernis einer Verletzung von subjektiven Rechten abhängig machen kann, auch vorschreiben darf, dass die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung durch das zuständige Gericht die Verletzung eines subjektiven Rechts auf Seiten des [X.] voraussetzt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2015 - [X.]/14 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 32 ff.). Aus der von der [X.]eschwerde angeführten Entscheidung vom 8. November 2016 ([X.]/15) [[X.]:[X.]:C:2016:838] ergibt sich nichts anderes. Denn sie bezieht sich allein auf die sowohl durch Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens ([X.]) als auch unionsrechtlich zwingend vorgegebene umfassende Rügebefugnis von [X.] (siehe Rn. 59 ff.)

2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Mit der geltend gemachten Aufklärungsrüge dringt der Kläger nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es - ungeachtet der in diesem Zusammenhang vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten [X.]eweisanträge - ein weiteres Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat.

Die Entscheidung darüber, ob ein - weiteres - Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien [X.]eweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]s. Dieses Ermessen wird nur dann fehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines weiteren Gutachtens oder eines Obergutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser weiteren [X.]eweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Gutachten, auf das die behördliche Entscheidung gestützt ist, für unzutreffend hält und die Zweifel durch den Hinweis auf abweichende Gutachten fallbezogen konkretisiert sind. Vielmehr muss das [X.] zu der Überzeugung gelangen, dass die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit eines vorliegenden Gutachtens nicht gegeben sind. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Gutachten offen erkennbare Mängel enthält, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht oder es um besonders schwierige Fachfragen geht, die ein spezielles Fachwissen erfordern, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - [X.] 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 = juris Rn. 17, [X.]eschlüsse vom 12. Oktober 2010 - 6 [X.] - [X.] 448.0 § 8a [X.] Nr. 73 Rn. 5 und vom 15. Juli 2015 - 7 [X.] 23.14 - juris Rn. 13).

Derartige Mängel des bei Erlass der angefochtenen [X.]ewilligung und vom Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung - durch Verweis auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ([X.]) - zugrunde gelegten hydrogeologischen Gutachtens von [X.] vom 15. April 2011 mit Ergänzungen ([X.], [X.] ff.) und den hierzu ergangenen Einschätzungen fachkundiger Dienststellen sind von der [X.]eschwerde nicht dargelegt. Die [X.]eschwerde stellt darauf ab, dass - entgegen den vorgenannten Gutachten und Stellungnahmen - nach der von ihr vorgelegten fachgutachterlichen Stellungnahme der [X.] und [X.] vom 13. Januar 2015 kein kausaler Zusammenhang zwischen den aufgetretenen [X.]odenabsackungen und der dort praktizierten Drainagetätigkeit besteht. Die Mangelhaftigkeit der fachgutachterlichen Einschätzung, der das Oberverwaltungsgericht gefolgt ist, wird allein dadurch aber nicht dargelegt und deren Verwertbarkeit für die richterliche Überzeugungsbildung nicht erschüttert. Denn das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass die vom Kläger vorgelegte fachgutachterliche Stellungnahme ihrerseits mangelhaft ist, weil sie auf verschiedenen unzutreffenden Prämissen beruhe ([X.]). Hiergegen bringt der Kläger nichts vor.

Mit seinem Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die von ihm vorgelegten Gutachten nicht ausreichend gewürdigt und sich mit fachgutachterlichen Stellungnahmen nicht auseinandergesetzt, macht er eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatz geltend.

Ungeachtet dessen, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen auseinandergesetzt hat ([X.] ff.), sind (angebliche) Fehler der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des [X.]s, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen müssen, regelmäßig dem sachlichen Recht zuzuordnen. Verfahrensrechtliche [X.]edeutung hat der Überzeugungsgrundsatz allerdings insoweit, als er Vorgaben enthält, die die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des Gerichts als Vorgang steuern. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Hierzu gehören insbesondere die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, der Inhalt der vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Rahmen einer [X.]eweiserhebung getroffenen tatsächlichen Feststellungen. [X.]ei der Würdigung des so umschriebenen Sach- und Streitstandes darf das Gericht nicht einzelne nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse ausblenden. Es darf demnach nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehen, sondern muss die ihm vorliegenden Tatsachen umfassend würdigen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 14. Juli 2010 - 10 [X.] 7.10 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, vom 17. Mai 2011 - 8 [X.] 88.10 - juris Rn. 6, vom 28. März 2012 - 8 [X.] 76.11 - [X.] 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8 und vom 11. Juni 2014 - 5 [X.] 19.14 - juris Rn. 23 f., jeweils m.w.N.). Eine Erweiterung dieser Tatsachengrundlage, wie vom Kläger gefordert, gebietet der Überzeugungsgrundsatz indessen nicht. In dieser Hinsicht werden die Anforderungen an das gerichtliche Verfahren allein von der Sachaufklärungspflicht bestimmt ([X.], [X.]eschluss vom 19. August 2014 - 7 [X.] 12.14 - juris Rn. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

7 B 4/17

10.10.2017

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 14. Dezember 2016, Az: 13 LC 56/14, Urteil

§ 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 4 Abs 3 UmwRG, § 4 Abs 1 UmwRG, EURL 92/2011, EURL 75/2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.10.2017, Az. 7 B 4/17 (REWIS RS 2017, 4225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4225

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Referenzen
Wird zitiert von

22 ZB 22.1468

V ZR 177/17

22 ZB 20.2224

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