Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.03.2017, Az. 9 B 48/16

9. Senat | REWIS RS 2017, 14600

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Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die [X.]eschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (1.) und des Verfahrensfehlers (2.) stützt, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtsfrage nur, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der [X.]eschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

a) Die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen,

wer bei Vorliegen einer Erbengemeinschaft im Abgabenrecht in einem [X.]escheid als abgabepflichtig anzugeben ist,

ob der [X.]egriff der selbstständig tätig werdenden Person im Kommunalabgabenrecht trotz Verweisung über Art. 13 [X.] weiter zu beurteilen ist als im Steuerrecht, so dass im Kommunalabgabenrecht unter einer selbstständig tätig werdenden Person auch nicht selbstständig tätig werdende Personen, die beispielsweise Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielen, erfasst werden und

ob ein Vermieter oder Verpächter, der lediglich eine einzige Immobilie bzw. ein einziges Grundstück privat und nicht gewerblich vermietet bzw. verpachtet, einer über die private Vermögensverwaltung hinausgehenden nachhaltigen Tätigkeit zur gezielten Einnahmeerwirtschaftung nachgeht und deshalb als selbstständig Tätiger der Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterliegt,

betreffen sämtlich nicht revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

4

Zwar zieht der Verwaltungsgerichtshof zur [X.]eantwortung der ersten Frage § 122 Abs. 1 Satz 1 [X.] - eine bundesrechtliche Norm - heran, wonach ein Verwaltungsakt demjenigen [X.]eteiligten bekannt zu geben ist, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Diese Norm beansprucht aber lediglich über den landesrechtlichen [X.] in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b [X.] Geltung. Sie ist damit in das irrevisible Landesrecht inkorporiert und teilt dessen Rechtscharakter (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. Oktober 2011 - 9 [X.] - juris Rn. 5). Hiervon abgesehen geht es der [X.]eschwerde im Streitfall nicht um die Klärungsbedürftigkeit des § 122 Abs. 1 Satz 1 [X.], sondern um die der [X.]ekanntgabe vorgelagerte Frage, ob Schuldnerin eines Fremdenverkehrsbeitrags die ungeteilte Erbengemeinschaft als solche ist, was aus Sicht der Klägerin zur Folge hätte, dass der [X.]escheid alle Miterben als Adressaten hätte aufführen müssen. Diese Frage richtet sich aber ausschließlich nach Art. 6 Abs. 1 [X.], mithin einer landesrechtlichen Norm. Danach können Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdenübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt, zur Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung von den selbstständig tätigen, natürlichen und den juristischen Personen, den offenen Handelsgesellschaften und den Kommanditgesellschaften, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Vorschrift in [X.]ezug auf die erste Frage dahin ausgelegt, dass die Klägerin als [X.] durch Verpachtung einer Gaststätte Vorteile aus dem Fremdenverkehr zieht und - als natürliche Person - selbst den [X.]eitragstatbestand verwirklicht hat.

5

Auch die beiden weiteren Fragen zum [X.]egriff der selbstständigen Tätigkeit betreffen die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 [X.] und damit irrevisibles Landesrecht.

6

b) Mit den Fragen,

ob ein Abgabenschuldner, der über 20 Jahre hinweg nicht zur Abgabe herangezogen wurde, darauf vertrauen darf, dass er auch in Zukunft nicht verpflichtet ist, Abgaben zu entrichten, mithin das Umstandsmoment verwirklicht ist,

und ob das Umstandsmoment im Rahmen des [X.] der Verwirkung zurücktritt, wenn eine Abgabe von einem Abgabepflichtigen aufgrund einer fehlerhaften Rechtsanwendung seitens des [X.] über mehr als 20 Jahre nicht verlangt wird,

zeigt die [X.]eschwerde keinen abstrakten Klärungsbedarf auf. Vielmehr hält sie die Anwendung des im Rahmen der Verwirkung zu prüfenden Zeit- und [X.] (vgl. etwa [X.], Urteil vom 4. April 2012 - 8 C 9.11 - [X.] 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 55 Rn. 24) durch den Verwaltungsgerichtshof auf den vorliegenden Fall für verfehlt. Die Geltendmachung einer fehlerhaften Rechtsanwendung genügt jedoch nicht den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die [X.]egründung einer Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (stRspr, vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Hiervon unabhängig unterstellt die zweite Frage mit der Formulierung "aufgrund einer fehlerhaften Rechtsanwendung seitens des [X.]" einen Sachverhalt, von dem das [X.]erufungsgericht nicht ausgegangen ist.

7

2. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

8

Die [X.]eschwerde ist der Auffassung, das [X.]erufungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz und die [X.]egründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO verstoßen. Zur [X.]egründung führt sie an, das Gericht sei nicht auf den Vortrag der Klägerin zu § 122 Abs. 6 [X.], zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von einer nachhaltigen selbstständigen Tätigkeit sowie zur fehlenden Plausibilität des Vorteilssatzes eingegangen (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 17 ff., 19, 20 ff. und 22 ff.). Damit macht sie der Sache nach eher einen Gehörsverstoß als eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes geltend. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da beide [X.] nicht durchgreifen.

9

Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu einem bestimmten Vorbringen eines [X.]eteiligten kann noch nicht geschlossen werden, das Gericht habe dieses nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 5. Februar 1999 - 9 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Demgegenüber verlangt der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Die [X.]eweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen ([X.], [X.]eschlüsse vom 26. November 2013 - 8 [X.] 20.13 - [X.] 2014, 48 Rn. 14 und vom 9. Juni 2015 - 6 [X.] 59.14 - [X.] 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 53).

Das [X.]eschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass das [X.]erufungsgericht gegen diese Vorgaben verstoßen hat.

a) Auf die Frage der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von einer nachhaltigen selbstständigen Tätigkeit ist das [X.]erufungsgericht ausdrücklich eingegangen. Es hat hierzu allerdings eine andere Auffassung vertreten, als es die [X.]eschwerde für richtig hält. Denn es hat angenommen, dass der [X.]egriff der selbstständigen Tätigkeit im Sinne des Art. 6 [X.] weiter zu verstehen sei als im Steuerrecht und jegliche Vermietung oder Verpachtung von Räumen einschließe, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sei ([X.] Rn. 21). Hiervon ausgehend musste es sich nicht mit den von der Klägerin im Laufe des Verfahrens vorgelegten Urteilen zur Abgrenzung der gewerblichen Verpachtung von der reinen Vermögensverwaltung sowie mit der steuerrechtlichen [X.]estimmung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 14 [X.]) auseinandersetzen.

b) Auch bezüglich der Plausibilität des Vorteilssatzes liegt kein Gehörsverstoß vor, denn auch hiermit hat sich das [X.]erufungsgericht ausdrücklich befasst.

Zur [X.]egründung hat es ausgeführt: Zwar könne die Richtigkeit des Vorteilssatzes nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Pächter den festgesetzten Vorteilssatz nicht beanstandet habe. Dem Verzicht auf Einwendungen komme allerdings eine Indizwirkung zu. Auch habe der [X.]eklagte die Schätzung auf Tatsachen und Umstände gestützt, die geeignet seien, das Schätzergebnis zu tragen und plausibel zu begründen. Letzteres wird unter Angabe genauerer Zahlen näher ausgeführt, wobei das Gericht insbesondere auf die [X.] von rund 22 % und die für eine Gemeinde mit nur etwa 3 500 Einwohnern hohe Zahl an Gastronomiebetrieben und ungewöhnlich hohe Klinikdichte abstellt ([X.] Rn. 24 ff.).

Soweit die [X.]eschwerde dem [X.]erufungsgericht vorwirft, es habe bei seiner [X.]ewertung der Plausibilität unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin auf die Vielzahl geschlossener Geschäfte im Gemeindegebiet hingewiesen und bestritten habe, dass die staatliche Spielbank [X.]. und die örtliche Therme überwiegend von [X.] besucht würden; auch habe nicht darauf abgestellt werden dürfen, dass das Haus der Klägerin in zentraler Lage liege und deshalb für auswärtige [X.]esucher leicht erreichbar sei, schließlich sei das Gericht zu Unrecht von einer Indizwirkung durch den Verzicht auf Einwendungen ausgegangen, kann sie damit keinen Verfahrensfehler in Gestalt eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz belegen. Denn sie macht nicht geltend, dass das Gericht aktenwidrige Tatsachen angenommen oder gegen Denkgesetze verstoßen hat. Vielmehr hält sie die vom Gericht vorgenommene Würdigung nicht für überzeugend.

c) Auf § 122 Abs. 6 [X.] musste das Gericht nach seiner Rechtsauffassung nicht eingehen, da es nicht von einem Auseinanderfallen von [X.]ekanntgabe- und [X.] ausging ([X.] Rn. 19).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

9 B 48/16

07.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 9. Mai 2016, Az: 4 B 15.2338, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.03.2017, Az. 9 B 48/16 (REWIS RS 2017, 14600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14600

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