Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.04.2013, Az. 2 B 145/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 6597

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Gegenstand

Entschädigung und Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichheitsgesetz; Ausschlussfrist


Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Der 1979 geborene Kläger bewarb sich im Jahre 2006 um einen Ausbildungsplatz im mittleren [X.]. Diese Ausbildungsplätze waren u.a. mit der Maßgabe ausgeschrieben, dass die [X.]ewerber zum Einstellungstermin jünger als 26 Jahre alt sein mussten. [X.]ereits in seiner [X.]ewerbung wies der Kläger darauf hin, dass diese Altersbegrenzung gegen Art. 3 [X.] verstoße und eine unzulässige Diskriminierung darstelle. Die [X.]eklagte lehnt seine [X.]ewerbung mit am 13. Oktober 2006 zur Post gegebenem Schreiben ab und begründete dies mit der Überschreitung der Höchstaltersgrenze. In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass die Altersbeschränkung gegen das [X.] (A[X.]) verstoße. Mit am 22. Januar 2007 eingegangenem Schreiben vom 19. Januar 2007 machte der Kläger ihm aus § 15 A[X.] zustehende Ansprüche geltend. Die auf eine angemessene Entschädigung in Geld nach § 15 Abs. 2 A[X.] gerichtete und in der [X.]erufungsinstanz auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 A[X.] für die außergerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten erweiterte Klage ist dort ohne Erfolg geblieben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat zur [X.]egründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger zustehende Ansprüche nach dem [X.] seien mangels rechtzeitiger Geltendmachung untergegangen. Zwar habe der Kläger zunächst einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 A[X.] gehabt. Seine Ansprüche scheiterten aber an der Nichteinhaltung der materiellen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.].

4

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf ([X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.10 - NVwZ 2011, 507; st[X.]pr). Daran fehlt es hier. Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,

(1.) ob die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] im Einklang mit [X.] Gemeinschaftsrecht steht oder gegen die Richtlinie 2000/78/[X.] vom 17. November 2000 verstößt,

(2.) wann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] zu laufen beginnt, soweit nach § 68 VwGO bzw. § 126 [X.][X.]G und damit nach innerstaatlichem Recht vor Klageeinreichung ein Vorverfahren notwendig ist und diese Sachurteilsvoraussetzung deshalb obsolet wird, weil die Anspruchsgegnerin einen Klageabweisungsantrag stellt und sich zum Sachverhalt einlässt, sodass die [X.]erufung auf das fehlende Vorverfahren reine [X.] wäre,

(3.) welche Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 4 A[X.] gestellt werden, obwohl das [X.]undesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2005 eine [X.]ezifferung von Entschädigungsansprüchen nicht für notwendig gehalten hat.

6

1. [X.]ei der Frage zur Vereinbarkeit der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] mit Unionsrecht ist zwischen dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 A[X.] und dem Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 A[X.] zu unterscheiden:

7

a) [X.]ezogen auf den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 A[X.] besteht kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf. Eine Revisionszulassung zu dem Zweck, im Revisionsverfahren gemäß § 267 Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) einzuholen, kommt nicht in [X.]etracht, weil die aufgeworfene Frage insoweit bereits geklärt ist. Eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage in der Rechtsprechung eines anderen obersten [X.]undesgerichts bereits hinreichend geklärt ist und das angerufene oberste [X.]undesgericht dem folgt ([X.]eschlüsse vom 6. März 2006 - [X.]VerwG 10 [X.] 80.05 - [X.] 424.01 § 29 FlurbG Nr. 1 Rn. 5 und vom 24. Oktober 2011 - [X.]VerwG 9 [X.] 12.11 - Rn. 8). Dies ist hier der Fall.

8

Mit Urteil vom 8. Juli 2010 - [X.]. [X.]/09, [X.]ulicke - (Slg. 1010 [X.] Rn. 25 ff. m.w.N.) hat der [X.] auf eine Vorlage zur Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4 A[X.] mit Unionsrecht entschieden, dass das Primärrecht der Union und die Richtlinie 2000/78/[X.] einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, nach der bei der Einstellung wegen seines Alters Diskriminierte seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss. Es sei Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung des Verfahrens zum Schutz der dem [X.]ürger aus Unionsrecht erwachsenen Rechte zu bestimmen; allerdings dürften diese Verfahren nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei vergleichbaren Klagen mit ähnlichem Gegenstand und Rechtsgrund, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürften die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).

9

Auf der Grundlage dieser [X.]-Rechtsprechung hat das [X.]undesarbeitsgericht die Vereinbarkeit der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] mit Unionsrecht bezüglich des Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 A[X.] bejaht (Urteile vom 24. September 2009 - 8 [X.] - [X.], 387 Rn. 40 ff., vom 15. März 2012 - 8 [X.] - [X.], 901 Rn. 29 ff. mit fortentwickelter [X.]egründung und vom 21. Juni 2012 - [X.] - NJW 2013, 555 Rn. 20 ff.). Es hat eine Reihe von arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Klagen und Ansprüchen geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es keinen Anspruch auf Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens wegen des sog. Inklusionsinteresses gibt; insoweit handele es sich bei dem Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 A[X.] um einen neuartigen, im nationalen Recht bislang nicht ausgestalteten Anspruch.

Die [X.]eschwerde zeigt keinen Grund auf, die Rechtsprechung in Frage zu stellen. Der beschließende Senat tritt ihr bei. Sie ist mit [X.]lick auf den Streitfall lediglich dahin zu ergänzen, dass es auch im [X.]ereich des [X.]eamtenrechts keinen vergleichbaren Anspruch gibt, der auf Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens wegen des sog. Inklusionsinteresses gerichtet ist. Namentlich der insoweit in [X.]etracht zu ziehende Schadenersatzanspruch wegen Verletzung des aus Art. 33 Abs. 2 [X.] folgenden beamtenrechtlichen [X.]ewerbungsverfahrensanspruchs ist in Zielrichtung und Anspruchsvoraussetzungen anders strukturiert als der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 A[X.] und deshalb mit diesem nicht vergleichbar. Während ersterer eine schuldhafte Verletzung des [X.]ewerbungsverfahrensanspruchs fordert, die für die Nichteinstellung bzw. Nichtbeförderung kausal gewesen sein muss und die ausgeschlossen ist, wenn der [X.]eamte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (vgl. Urteil vom 26. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 A 7.09 - [X.]VerwGE 141, 361 Rn. 15 m.w.N.), kommt es beim Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 A[X.] auf keine dieser Voraussetzungen an.

b) [X.]ezüglich des Schadensersatzanspruchs aus § 15 Abs. 1 A[X.] genügt die [X.]eschwerde bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die [X.]eschwerdebegründung enthält keine gesonderten Ausführungen zur Verneinung dieses Schadensersatzanspruchs durch das Oberverwaltungsgericht. Sie knüpft ausschließlich an die Ausführungen des [X.] zum Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 A[X.] an. Es fehlt an jeder Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit für den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 A[X.] Abweichendes gilt und ob und inwieweit die für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 A[X.] ergangene Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts zur Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] auf den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 A[X.] übertragbar ist. Mangels näherer Darlegungen der [X.]eschwerde beschränkt sich der Senat insoweit auf den Hinweis, dass in der Sache bei der gebotenen Äquivalenzprüfung zu berücksichtigen wäre, dass auch der [X.]eamte oder [X.]eamtenbewerber schnell handeln muss, wenn er sich die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches wegen Verletzung des [X.]ewerbungsverfahrensanspruchs oder vergleichbarer Schadensersatzansprüche offenhalten will (vgl. Urteile vom 25. Februar 2010 - [X.]VerwG 2 C 22.09 - [X.]VerwGE 136, 140 <142 ff.> = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 [X.] Nr. 45 und vom 26. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 A 7.09 - [X.]VerwGE 141, 361 <363 ff.>). Er muss nämlich - in der Regel vorläufigen - Rechtsschutz in Anspruch nehmen, um seiner Schadensabwendungspflicht aus § 839 Abs. 3 [X.]G[X.] zu genügen und dies regelmäßig in noch kürzerer Frist als in zwei Monaten.

2. Die außerdem als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, wann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 A[X.] zu laufen beginnt, soweit nach § 68 VwGO bzw. § 126 [X.][X.]G und damit nach innerstaatlichem Recht vor Klageeinreichung ein Vorverfahren notwendig ist und diese Sachurteilsvoraussetzung deshalb obsolet wird, weil die Anspruchsgegnerin einen Klageabweisungsantrag stellt und sich zum Sachverhalt einlässt, sodass die [X.]erufung auf das fehlende Vorverfahren reine [X.] wäre, lässt sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten: Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 A[X.] beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 A[X.] im Falle einer [X.]ewerbung mit dem Zugang der Ablehnung bzw. mit dem - sofern er später liegt - Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der behaupteten Diskriminierung (vgl. zu Letzterem [X.], Urteil vom 8. Juli 2010 a.a.[X.] Rn. 41; [X.]AG, Urteil vom 15. März 2012 a.a.[X.] Rn. 56). Es kommt also für den Fristbeginn nicht darauf an, ob ein Widerspruchsverfahren gegen die versagte [X.]erücksichtigung der [X.]ewerbung durchzuführen ist oder nicht. Das Gesetz knüpft unabhängig hiervon allein an den Zugang der Ablehnung bzw. die Kenntnis der Diskriminierung an.

3. Die schließlich als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, welche Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 4 A[X.] gestellt werden, obwohl das [X.]undesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2005 - 9 [X.] - ([X.]AGE 113, 361) eine [X.]ezifferung von Entschädigungsansprüchen nicht für notwendig gehalten habe, ist nicht entscheidungserheblich.

§ 15 Abs. 4 Satz 1 A[X.] verlangt die schriftliche Geltendmachung der Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 A[X.] innerhalb der Zweimonatsfrist. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts (Urteil vom 27. Januar 2011 - 8 [X.] - NJW 2011, 2070 ff. Rn. 23) gefordert, dass der Entschädigungsanspruch nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angegeben werden muss. Die [X.]eschwerdebegründung stellt darauf ab, dass das klägerische Schreiben vom 23. November 2006 die Geltendmachung aller Ansprüche nach dem A[X.] enthalte. Das Oberverwaltungsgericht hat aber in der Vertiefung der Widerspruchsbegründung im Schreiben des [X.] vom 23. November 2006 lediglich eine Verfolgung des Primäranspruchs auf Einstellung gesehen und angenommen, dass der [X.]eklagte diesem Schreiben nicht habe entnehmen können, dass der Kläger (auch) Sekundäransprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 A[X.] verfolge. Diese Feststellung ist bindend, weil sie nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen ist. Dass aber die Geltendmachung eines Sekundäranspruchs nicht konkludent in der Verfolgung des Primäranspruchs enthalten ist, wird durch die genannte Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts zur Entbehrlichkeit der [X.]ezifferung des Anspruchs nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

Meta

2 B 145/11

16.04.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 1. September 2011, Az: 2 A 203/10, Urteil

§ 15 Abs 1 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 15 Abs 4 AGG, EGRL 78/2000

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.04.2013, Az. 2 B 145/11 (REWIS RS 2013, 6597)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6597

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Referenzen
Wird zitiert von

11 U 6/13

Zitiert

8 AZR 37/11

8 AZR 580/09

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