Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2023, Az. 5 StR 145/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5681

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Gegenstand

Wiedereinsetzungsantrag und Verschuldenszurechnung bei Dritteinziehung


Leitsatz

Bei einer Dritteinziehung nach § 73b StGB ist dem Einziehungsbeteiligten im Rahmen einer Wiedereinsetzung entsprechend dem allgemeinen Grundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden seines anwaltlichen Vertreters zuzurechnen.

Tenor

1. Der Antrag der [X.], ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2022 zu gewähren, wird verworfen.

2. Die Revision der [X.] gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen die [X.] die Einziehung „von [X.]“ in Höhe von 357.000 Euro angeordnet, davon in Höhe von 35.000 Euro in Gesamtschuldnerschaft mit einer weiteren, nicht revidierenden [X.]n.

2

1. [X.]er von der [X.]n wegen Versäumung der Frist zur Begründung ihres Rechtsmittels gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg, da kein Fall einer unverschuldeten Fristversäumung im Sinne des § 44 Satz 1 [X.] vorliegt.

3

a) [X.]ie [X.]ision der [X.]n wurde nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 [X.] begründet. Bei Verkündung des Urteils des [X.]s im Hauptverhandlungstermin vom 13. [X.]ezember 2022 war für die [X.] kein Vertreter anwesend. Mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 20. [X.]ezember 2022 zeigte der Rechtsanwalt der [X.]n unter Vollmachtsvorlage deren Vertretung an und legte für sie [X.]ision gegen das Urteil ein. Ihm wurde das Urteil am 25. Januar 2023 zugestellt, womit für die [X.] die [X.] zu laufen begann (§ 430 Abs. 4 Satz 1 [X.], vgl. hierzu [X.], [X.], 27. Aufl., § 430 Rn. 25). [X.]ie Frist zur Begründung der [X.]ision endete mithin einen Monat nach dem Ende dieser Frist, folglich mit dem Ablauf des 1. März 2023 (§ 341 Abs. 1, § 345 Abs. 1 Satz 1 iVm § 43 Abs. 1 [X.]). Eine [X.]isionsbegründung ging jedoch erst am 6. März 2023 zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag beim [X.] ein.

4

b) Eine fristgerechte Begründung der [X.]ision wurde durch den anwaltlichen Vertreter der [X.]n schuldhaft versäumt.

5

[X.]ieser hat zu einem von ihm unerkannt misslungenen Versuch der elektronischen Übermittlung seines Begründungsschriftsatzes vom 10. Februar 2023 angegeben, dass er an diesem Tag die Versendung über das elektronische Anwaltspostfach durch Klicken des Buttons „Senden“ initiiert habe und hierauf automatisch ein [X.] erstellt und in seiner elektronischen Handakte verzeichnet worden sei. [X.]em [X.] sei jedoch „erst durch manuelles Aufrufen zu entnehmen“ gewesen, dass die Nachricht tatsächlich nicht versandt worden sei. Im beigefügten „Prüfprotokoll“ vom 10. Februar 2023 wird als Empfänger der Nachricht das [X.] Kiel genannt. Unter den Rubriken „[X.]“, „Zugegangen“ und „[X.]“ weist es jedoch jeweils keinen Eintrag auf.

6

Ausweislich dieses Vortrags hat es der anwaltliche Vertreter der [X.]n unterlassen, nach Auslösung des elektronischen Versendungsvorgangs den Inhalt des [X.] einzusehen. [X.]ies hätte jedoch zu seinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten gehört, so dass ein schuldhaftes Versäumnis vorliegt. [X.]enn dem Protokoll wäre angesichts der fehlenden Einträge zu entnehmen gewesen, dass der Schriftsatz nicht beim Empfänger angekommen ist. [X.]ie vom Gericht zu erteilende Eingangsbestätigung nach § 32 Abs. 5 Satz 2 [X.] soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen [X.]okuments erforderlich sind. [X.]aher darf von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes an das Gericht nicht ausgegangen werden, wenn in der Eingangsbestätigung in der Nachrichtenansicht der beA-Webanwendung oder in der [X.] in dem Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und als [X.] „erfolgreich“ angezeigt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2022 – [X.], NJW 2022, 3715 mwN zur parallelen Norm nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO). [X.]ies entspricht inhaltlich den auch schon für einen Versand per Telefax angenommenen Sorgfaltsanforderungen (vgl. nur [X.], Festschrift für [X.], 2006, [X.], 287: [X.]ie Pflicht zur Ausgangskontrolle endet erst, wenn feststeht, dass der Schriftsatz tatsächlich übermittelt worden ist).

7

c) Für das Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters hat die [X.] einzustehen.

8

aa) Eine solche Zurechnung findet im Strafverfahren zwar nicht durchgehend statt. Eine Ausnahme ist jedoch nur zugunsten des Beschuldigten anerkannt und dies auch nur, soweit er sich gegen den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch zur Wehr setzt.

9

So ist es den Strafgerichten regelmäßig verwehrt, dem Beschuldigten Versäumnisse des Verteidigers zuzurechnen, wenn zu prüfen ist, ob ihn an einer Fristversäumung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein Verschulden trifft (vgl. [X.], [X.] vom 13. April 1994 – 2 BvR 2107/93, NJW 1994, 1856, Rn. 10). [X.]enn der in allen übrigen Verfahrensordnungen geltende (vgl. BayObLG, Beschluss vom 16. Januar 1970 – [X.], BayObLGSt 1970, 9, 17 für § 232 Abs. 2 ZPO a.F.), allgemeine Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO, wonach das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der [X.] gleichsteht, ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwar grundsätzlich vereinbar, da er sich aus Gründen der Rechtssicherheit als einem wesentlichen Element der Rechtsstaatlichkeit und damit einem Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes rechtfertigt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81, [X.]E 60, 253, Rn. 52 ff.). Anderes gilt jedoch dort, wo dies zu schlechterdings unerträglichen Ergebnissen führen würde, was das [X.] für das Strafverfahren bejaht hat, soweit dort strafgerichtliche Verurteilungen mit dem ihnen eigentümlichen rechtlichen Unwerturteil inmitten stehen. [X.]enn der Staat tritt dem Beschuldigten dort mit einem Strafanspruch gegenüber; dies beinhaltet die bewusste Verhängung der schärfsten Sanktion der Rechtsordnung zur Wiederherstellung verletzten Rechts und zur Behauptung ihrer Unverbrüchlichkeit (vgl. [X.] aaO Rn. 149, 152).

[X.]ieses Privileg kommt dem Beschuldigten jedoch nur zugute, soweit er sich mit einem Rechtsbehelf gegen den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch wendet, welche sich besonders einschneidend auf Ehre, Freiheit, Familie, Beruf und damit sein gesamtes Leben auswirken können (vgl. [X.], Beschluss vom 11. [X.]ezember 1981 – 2 [X.], [X.]St 30, 309). Bei anderweitigen Rechtsbehelfen muss dagegen auch er für das Verschulden seines Vertreters einstehen. [X.]as betrifft etwa die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 3 [X.], da diese in ihrem Wesen und ihren Auswirkungen Schuldtiteln über Geldforderungen vergleichbar ist, so dass § 85 Abs. 2 ZPO jedenfalls seinem allgemeinen Rechtsgedanken nach angewendet wird ([X.], Beschluss vom 6. Mai 1975 – 5 [X.], [X.]St 26, 126; zu weiteren Fällen einer Zurechnung gegenüber dem Beschuldigten vgl. [X.]/[X.], [X.], 66. Aufl., § 44 Rn. 19).

Erst recht zulasten des Vertretenen geht ein Verschulden des Vertreters bei anderen Verfahrensbeteiligten im Strafprozess, auch dies gestützt auf § 85 Abs. 2 ZPO. [X.]as gilt jedenfalls für Nebenkläger (grundlegend BayObLG, Beschluss vom 16. Januar 1970 – [X.], BayObLGSt 1970, 9; [X.], Beschlüsse vom 28. April 2016 – 4 StR 474/15, [X.], 214; vom 16. Januar 2023 – 5 StR 509/22), für Privatkläger ([X.], Beschluss vom 8. Februar 1993 – 1 [X.] - 100/92, NJW 1993, 1344) und für Antragsteller im [X.] ([X.], Beschluss vom 26. August 1988 – 1 [X.], [X.], 79; [X.], Beschluss vom 11. November 1997 – [X.], [X.], 143).

bb) Auch für den hier vorliegenden Fall eines [X.]n, der einer [X.]ritteinziehung nach § 73b StGB ausgesetzt ist, findet § 85 Abs. 2 ZPO seinem Gedanken nach Anwendung (so bereits [X.], Beschluss vom 13. September 1982 – (4) [X.] (75/82), [X.] 1983, 127; [X.], Beschluss vom 25. Mai 2000 – 1 Ws 286/00, [X.], 335; vgl. zudem [X.], Beschluss vom 8. Januar 2013 – 3 - 48/12 ([X.]), NJW 2013, 626; aus dem Schrifttum [X.]/[X.] aaO; KK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 44 Rn. 34; aA MüKo-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 44 Rn. 60; [X.], [X.], 27. Aufl., § 434 Rn. 21). [X.]ie Erstreckung dieses allgemeinen Grundsatzes entspricht den gesetzgeberischen Zielen der Gewährleistung von Rechtssicherheit und einer möglichst einheitlichen Handhabung in den Verfahrensordnungen (vgl. hierzu nur [X.], Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81, [X.]E 60, 253, Rn. 154 ff.). [X.]emgegenüber besteht kein Anlass für eine Ausnahme, wie sie allein für den sich gegen eine Bestrafung wendenden Beschuldigten gilt. Für eine solche sprechen weder das Fehlen einer Verweisung auf § 85 Abs. 2 ZPO noch die Eigenart der Einziehung von [X.] als Verfahrensgegenstand und ebenso wenig die gesetzliche Ausgestaltung der prozessualen Position des [X.]n. Im Einzelnen:

(1) [X.]ass § 85 Abs. 2 ZPO in der Strafprozessordnung keine ausdrückliche Entsprechung findet und – entgegen allen anderen öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnungen – aus ihr auch nicht auf diese Norm verwiesen wird, spricht nicht gegen eine Anwendung des dort normierten allgemeinen Grundsatzes. [X.]enn es deutet nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Wiedereinsetzung im Strafverfahren generell einen Sonderweg beschreiten wollte.

Er war vielmehr bestrebt, auch die dort geltenden materiellen Anforderungen an bereits bestehende Wiedereinsetzungsvorschriften anderer Verfahrensordnungen anzupassen. So hat er § 44 Satz 1 [X.] durch Art. 1 Nr. 8 des [X.] des Strafverfahrensrechts (1. [X.]) vom 9. [X.]ezember 1974 ([X.]) dahin geändert, dass Wiedereinsetzung nicht mehr allein dann zu gewähren ist, wenn der Antragsteller durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist gehindert worden ist, sondern bereits dann, wenn die Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden des Antragstellers beruht. Mit dieser bis heute geltenden Vorgabe hat der Gesetzgeber „im Interesse einer stärkeren Vereinheitlichung der gerichtlichen Verfahren“ den bereits in der Verwaltungs-, der Sozial- und der Finanzgerichtsordnung sowie im Verfahren nach § 23 [X.] geltenden Verschuldensmaßstab in die Strafprozessordnung übernommen, dessen Einfügung auch in die Zivilprozessordnung seinerzeit bereits vorgesehen war (vgl. BT-[X.]rucks. 7/551, S. 58).

Fälle einer von einem Prozessvertreter zu vertretenden Fristversäumnis sind in der Gesetzesbegründung nur insoweit thematisiert worden, als „entsprechend der Rechtsprechung“ das „Verschulden des Verteidigers außer Betracht zu bleiben“ habe, soweit den Antragsteller selbst kein Mitverschulden treffe. [X.]amit hat der Gesetzgeber auf die bereits etablierte höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug genommen, der zufolge die schuldhafte Fristversäumnis des Verteidigers für den Angeklagten einen „unabwendbaren Zufall“ im Sinne des § 44 [X.] a.F. bedeutete, und die sich hierzu nicht nur auf das besondere Schutzbedürfnis des um „Ehre und Freiheit“ kämpfenden Angeklagten (hierzu BayObLG, Beschluss vom 16. Januar 1970 – [X.], BayObLGSt 1970, 9, 17 f.) sondern auch darauf stützte, dass in der Strafprozessordnung eine dem § 232 Abs. 2 ZPO a.F. (dem jetzigen § 85 Abs. 2 ZPO) entsprechende Vorschrift fehlt ([X.], Beschluss vom 7. April 1936 – 1 [X.] 1033/35, [X.]St 70, 186, 191; an diese Entscheidung anknüpfend [X.], Beschluss vom 25. Mai 1960 – 4 [X.], [X.]St 14, 306).

Bei der Frage der Zurechnung des Verschuldens eines Vertreters hatte der Gesetzgeber damit allein den sich gegen Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch verteidigenden Angeklagten als dem zentralen Subjekt des Strafprozesses in der für diese Verfahrensordnung charakteristischen Rolle vor Augen. Für ihn hat er den inzwischen auch verfassungsgerichtlich bekräftigten ([X.], Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81, [X.]E 60, 253, Rn. 149, 152) Zurechnungsausschluss gebilligt. Hieraus erklärt sich das Schweigen des Gesetzgebers zu einem Verweis auf § 85 Abs. 2 ZPO. [X.]ieses lässt folglich nicht darauf schließen, dass der dortige, sonst in allen Verfahrensordnungen bestehende Grundsatz im Strafverfahren selbst für Nebenentscheidungen und Nebenbeteiligte keine Relevanz haben soll. [X.]as gilt umso mehr, als die Rechtsprechung zum Zeitpunkt des 1. [X.] bereits begonnen hatte, den Gedanken des § 85 Abs. 2 ZPO auch auf Akteure des Strafverfahrens anzuwenden (vgl. nur zum Nebenkläger BayObLG, Beschluss vom 16. Januar 1970 – [X.], BayObLGSt 1970, 9).

(2) Bei der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB handelt es sich nicht um einen Prozessgegenstand, der gemäß den durch das [X.] aus der Verfahrensgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gezogenen Folgerungen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81, [X.]E 60, 253, Rn. 149, 152) eine [X.]urchbrechung des in § 85 Abs. 2 ZPO normierten Grundsatzes gebieten würde.

[X.]ie Vermögensabschöpfung ist keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter. Auch mit der Reform durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872) wollte der Gesetzgeber deren quasi-kondiktionellen Charakter nicht in Frage stellen (vgl. BT-[X.]rucks. 18/9525, [X.], 62; BT-[X.]rucks. 18/11640, [X.]). Sein Ziel war es, die Parallelen zum Zivil-, insbesondere zum Bereicherungsrecht zu stärken, indem er die dortigen Regelungen zum Ausgangspunkt der Ausgestaltung der Vermögensabschöpfung nahm ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2021 – 2 BvL 8/19, [X.]E 156, 354, Rn. 106, 117).

[X.]ass eine Einziehung gleichwohl mit einem erheblichen, vor allem wirtschaftlichen Eingriff verbunden sein kann, genügt nicht, um sie vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einer Strafe gleichzustellen. [X.]enn hierfür ist nicht das bloße Ausmaß der Berührung persönlicher Interessen und Rechtspositionen maßgeblich, welches bei gerichtlichen Entscheidungen aus allen Verfahrensordnungen ein hohes sein kann, sondern das allein einem Strafausspruch innewohnende rechtliche Unwerturteil (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81, [X.]E 60, 253, Rn. 152). Soweit demgegenüber im Schrifttum eine Gleichsetzung strafrechtlicher Nebenentscheidungen mit einer Strafe deshalb für geboten erachtet wird, weil diese einerseits für den Angeklagten „oftmals schwerer wiegen als die Strafe selbst“ und andererseits Geldstrafen in ihrer Bedeutung zunähmen (so [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 44 Rn. 62), wird dabei verkannt, dass Geldstrafen öffentliche Kriminalstrafen sind (LK/Grube, StGB, 13. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 40 bis 43, Rn. 20) und damit schuldvergeltende strafrechtliche Sanktionen, die hierin weit über eine bloße Vermögenseinbuße hinausgehen, während mit Nebenentscheidungen regelmäßig – jedenfalls bei der Einziehung nach §§ 73 – 73c StGB – kein Unwerturteil und kein Strafcharakter verbunden ist.

Ebenso wenig spielt für die Frage der Verschuldenszurechnung eine Rolle, ob der Verfahrensgegenstand einem adäquaten Ausgleich durch eine Schadenersatzleistung des anwaltlichen Vertreters zugänglich wäre (so aber [X.]/[X.] aaO Rn. 61; MüKo-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 44 Rn. 55; [X.] NJW 1976, 941). Ohnehin wird eine solche Restitution bei [X.] vielfach, bei Einziehung eines Geldbetrags sogar stets möglich sein. Wo dies ausscheidet, tritt aber lediglich ein allen nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten eigener Effekt ein, der letztlich eine tatsächliche Grenze des materiellen Schadensersatzrechts markiert und grundsätzlich hinzunehmen ist (vgl. [X.] aaO Rn. 148 f. zum Asylverfahren mwN; [X.], Beschluss vom 8. Mai 1973 – 2 BvL 5/72, [X.]E 35, 41 zu Kindschaftssachen).

(3) [X.]ass § 427 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Bestimmung der prozessualen Position des [X.]n und § 428 [X.] zur Möglichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt weitgehend auf die für den Angeklagten geltenden Vorschriften verweisen, steht der Zurechnung des Verschuldens eines prozessualen Vertreters ebenfalls nicht entgegen (aA [X.], [X.], 27. Aufl., § 434 Rn. 21). Hiermit wird nicht etwa einem vergleichbar hohen Schutzbedürfnis Rechnung getragen (vgl. auch SSW-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 427 Rn. 1). Vielmehr wollte der Gesetzgeber auf diese Weise lediglich sicherstellen, dass dem [X.]n die prozessualen Rechte zustehen, die zur Abwehr der gegen ihn gerichteten [X.] erforderlich sind, zum Beispiel das Frage- oder Beweisantragsrecht. Ihm war bewusst, dass der [X.] gleichwohl nicht mit dem Vorwurf einer Straftat konfrontiert, sondern lediglich einer [X.] Maßnahme ausgesetzt ist, die gerade keinen Strafcharakter hat. [X.]er Gesetzgeber hat angesichts dieser gesetzestechnischen Lösung deshalb eigens betont, dass die Stellung des [X.]n trotzdem eher mit der eines Beklagten im Zivilprozess als mit der eines Angeklagten vergleichbar sei (vgl. BT-[X.]rucks. 18/9525, S. 89).

Soweit der [X.] demgegenüber ausgesprochen hat, dass die Einziehung als hoheitliche Eingriffsmaßnahme mit der [X.]urchsetzung von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen im [X.] zwischen Privatleuten im Zivilprozess nicht vergleichbar ist ([X.], Beschluss vom 14. November 2018 – 3 [X.], [X.], 187, Rn. 16), geschah dies allein um darzulegen, warum die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten nicht dazu führt, dass die [X.] gegen den Insolvenzverwalter als [X.] kraft Amtes zu richten wäre. Gerade wegen ihrer auch in dieser Entscheidung hervorgehobenen „[X.] Rechtsnatur“ war hierzu darauf hinzuweisen, dass die Einziehung als strafrechtliche Nebenfolge im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB gleichwohl dem strafrechtlichen Erkenntnis vorbehalten ist ([X.] aaO Rn. 15 f.).

(4) Ob das Verschulden eines Vertreters auch zuzurechnen wäre in Fällen, in denen sich der [X.] einer Einziehung nach den §§ 74a, 74b StGB, gegebenenfalls in Verbindung mit § 74e StGB, ausgesetzt sieht (vgl. zu den Fallgruppen einer [X.]ritteinziehung nach den §§ 74 ff. StGB SSW-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 424 Rn. 4), bedarf hier nicht der Entscheidung. [X.]as gilt namentlich, soweit die dort normierten Maßnahmen auch in den Fällen, in denen sie sich gegen nicht tatbeteiligte [X.]ritte richten, repressiven Charakter aufweisen (vgl. [X.], StGB, 70. Aufl., § 74a Rn. 4).

2. [X.]a die Frist zur Begründung des Rechtsmittels (§ 43 Abs. 1, § 345 Abs. 1 Satz 1 [X.]) danach nicht eingehalten worden ist, ist die [X.]ision gemäß § 349 Abs. 1 [X.] als unzulässig zu verwerfen.

3. [X.]ie [X.]ision hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg gehabt (vgl. Antragsschrift des [X.]).

[X.]     

      

[X.]     

      

Resch 

      

von Häfen     

      

Werner     

      

Meta

5 StR 145/23

04.07.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kiel, 13. Dezember 2022, Az: 6 KLs 545 Js 4904/19

§ 44 S 1 StPO, § 73b StGB, § 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2023, Az. 5 StR 145/23 (REWIS RS 2023, 5681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5681

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