Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. 28 W (pat) 117/10

28. Senat | REWIS RS 2012, 7873

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „LYKOS (Wort-Bild-Marke) / LYTTOS“ – klangliche Verwechslungsgefahr – klangliche Wiedergabe der Marke auf dem Lebensmittelsektor


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 40 706

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] und Schell

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Widersprechende hat gegen die am 4. Januar 2008 veröffentlichte Eintragung der am 24. April 2007 angemeldeten, für

2

3

geschützten Marke Nr. 307 40 706

Abbildung

4

Widerspruch eingelegt aus ihrer am 21. [X.] angemeldeten und seit 13. Januar 2004 u. a. für

5

6

eingetragenen Marke Nr. 303 54 048

7

[X.][X.]OS.

8

Die Markenstelle für [X.]lasse 31 des [X.] hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2008 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und die hiergegen eingelegte Erinnerung der Markeninhaberin mit weiterem Beschluss vom 23. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Nachdem alle Waren der angegriffenen Marke entweder ausdrücklich auch im [X.] aufgeführt sind oder zumindest unter einen dort enthaltenen Oberbegriff fallen, sei hinsichtlich sämtlicher beanspruchter Waren von Identität auszugehen. Den bei dieser Ausgangslage zur Vermeidung von Verwechslung erforderlichen, sehr deutlichen Abstand halte die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke nicht ein, wobei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von durchschnittlicher [X.]ennzeichnungskraft auszugehen sei. Beide Marken seien klanglich hochgradig ähnlich und in der Regel reiche bereits die hinreichende [X.]bereinstimmung in klanglicher Hinsichten für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus. Die jeweils zweisilbigen Markenwörter wiesen nicht nur den gemeinsamen Anlaut "[X.]-", sondern auch die gemeinsame Endung "[X.]" auf. Die [X.]onsonanten in der Wortmitte, mögen sie auch in der Widerspruchsmarke verdoppelt sein ("[X.]"), stellten jeweils harte [X.] dar, so dass auch durch sie der jeweilige klangliche Gesamteindruck nicht deutlich in eine andere Richtung gelenkt werden könne. Vielmehr seien die Wörter "[X.][X.]" und "[X.][X.]OS" selbst bei deutlicher Sprechweise nicht mit der erforderlichen Sicherheit auseinander zu halten. Die hochgradige klangliche Ähnlichkeit werde auch nicht durch einen unterschiedlichen Sinngehalt ausgeschlossen, weil die wenigsten Verbraucher "[X.][X.]" als Name der [X.] Antike bzw. Mythologie kennen würden und beiden Bezeichnungen ein Bezug zu [X.] entnommen werde, wodurch die Verwechslungsgefahr eher noch erhöht werde.

9

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie meint, dass die Vergleichsmarken keine klangliche Ähnlichkeit aufwiesen, weil sie infolge der verschiedenen Binnenkonsonanten ohne Mühe unterschieden werden könnten. Im Geschäftsleben trete der Fall einer bloß mündlichen Wiedergabe der hier zu beurteilenden Marken dabei ohnehin nur selten auf. In schriftbildlicher Hinsicht wichen beide Marken sehr stark voneinander ab. Schließlich sei auch zu beachten, dass beide Beteiligten nur an ein Fachpublikum, nicht aber an Endkunden verkaufen würden.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.]lasse 31 des [X.] vom 16. Dezember 2008 und 23. August 2010 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke im Einzelnen entgegen und ist insbesondere der Ansicht, dass beide Marken wegen der identischen Wortanfänge und -enden sowie der gleichen Wortlänge hochgradig ähnlich seien.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Die Widersprechende hat hierbei angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist gegeben, so dass die Markenstelle insoweit zu Recht deren Löschung angeordnet hat.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der [X.]ennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen die vorgenannten [X.]omponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer [X.]omponente durch den größeren Grad einer anderen [X.]omponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. [X.] GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - [X.]; [X.] 1999, 236, 239 [Rz. 19] - [X.]/[X.]; [X.], 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - [X.] plc; [X.], 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/[X.]; [X.], 318, 319 [Rz. 21] - [X.]/Autec).

Im vorliegenden Fall ist, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat und was auch die Markeninhaberin nicht in Abrede stellt, von einer durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Identität der jeweils beanspruchten Waren auszugehen. ach der oben genannten Wechselwirkungstheorie des [X.] insofern eine Verwechslungsgefahr nur zu verneinen, wenn die sich gegenüberstehenden Marken entweder unähnlich oder nur in einem sehr entfernten Grad ähnlich wären.

Die Ähnlichkeit der Marken ist dabei danach zu bestimmen, inwieweit ihre [X.]bereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 605 – [X.]; [X.], 943, 944 – SAT.2) die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. [X.] GRUR 2006, 413, 414 [Rz. 19] -

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist bei der Prüfung, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken geht, der Grad ihrer Ähnlichkeit im Bild, im [X.]lang und in der Bedeutung im Rahmen einer umfassenden Beurteilung zu bestimmen sowie unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu bewerten, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist (vgl. [X.] GRUR Int. 1999, 734, 736 [Rz. 27] -

Der Anwendung der vorgenannten Grundsätze des [X.] steht dabei nicht entgegen, dass sie allein zu Art. 8 Abs. 1 [X.] ergangen sind. Da Art. 4 Abs. 1 [X.]ichtl, der durch § 9 [X.] in [X.] Recht umgesetzt worden ist, mit der vorgenannten Vorschrift wortidentisch ist, liegt es auf der Hand, die vom [X.] entwickelten Grundsätze auch auf nationale Marken anzuwenden (vgl. [X.], 235, 236 -

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze scheiden bei den vorliegend zu beurteilenden Marken, selbst wenn bei der angegriffenen Bildmarke nur deren Wortbestandteil „[X.][X.]“ der Beurteilung zugrunde gelegt wird, visuelle und begriffliche Ähnlichkeiten aus.

In visueller Hinsicht scheiden nach dem Gesamteindruck beider Marken Ähnlichkeiten schon deshalb aus, weil die bildlichen Elemente der jüngeren Marke in der Widerspruchsmarke, bei der es sich um eine reine Wortmarke handelt, keine Entsprechung haben. Aber selbst wenn der Prüfung der optischen Ähnlichkeit nur das Wortelement der jüngeren Marke unter der Annahme, dass sie auch bei der optischen Wahrnehmung allein von diesem geprägt würde, zugrunde gelegt würde, ergäben sich keine visuellen Ähnlichkeiten. Zwar findet sich der Unterschied zwischen beiden Zeichen jeweils nur in der Wortmitte, die allerdings wegen der [X.]ürze beider Markenwörter selbst bei flüchtiger Wahrnehmung nicht unbeachtet bleibt. Bereits die graphische Wiedergabe der beiden die Marken unterscheidenden [X.]onsonanten „[X.]“ und „T“ ist dabei derart verschieden, dass der Verkehr keine Mühe hat, beide Zeichen selbst bei ihrer ungenauen Erinnerung ohne Mühe auseinander zu halten. Hinzu kommt, dass vorliegend der [X.]onsonant „T“ in der älteren Marke noch verdoppelt ist, was ihr einen deutlich von der jüngeren Marke zu unterscheidenden visuellen Eindruck vermittelt, den der Verbraucher ohne Weiteres in Erinnerung behält und damit von der angegriffenen Marke, in der sich [X.] nicht findet, unterscheiden kann.

http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=%CE%BB%CF%85%CF%84% CF%8C%CF%82&in=el&kbd=el&l=deel). Der jeweilige Begriffsinhalt der beiden Marken weist damit selbst für den eher geringen Teil des von ihnen angesprochenen Publikums - bei dem es sich wegen der Art der beanspruchten Waren um alle inländischen Verbraucher handelt -, denen alt- oder neu[X.] Begriffe bekannt sind, keinerlei Berührungspunkte auf.

Damit kann ein für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hinreichender geringer Grad der Markenähnlichkeit nur aus der klanglichen Ähnlichkeit beider Marken hergeleitet werden.

Ob und unter welchen Bedingungen im Rahmen der umfassenden Beurteilung des Grades der Zeichenähnlichkeit eine klangliche Ähnlichkeit für sich geeignet sein kann, die Verwechslungsgefahr zu begründen, hängt nach den zugrunde zu legenden Vorgaben des [X.] zunächst davon ab, welche Bedeutung der klanglichen Wiedergabe der Marken auf dem jeweils einschlägigen Warensektor zukommt. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist die Würdigung einer etwaigen klanglichen Ähnlichkeit nur einer der relevanten Umstände im Rahmen der umfassenden Beurteilung. Folglich lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass notwendig immer dann Verwechslungsgefahr vorläge, wenn nur eine klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen besteht ([X.], [X.], Urteil vom 13.9.2007, [X.]/06 [Rz. 35, 35]).

Auf dem hier zu betrachtenden Lebensmittelsektor spielt die klangliche Wiedergabe von Marken für sämtliche Vergleichswaren eine relevante Rolle. Hinsichtlich einzelner Waren der jüngeren Marke ( z. B. „Fisch;

Die ausgeprägte klangliche Ähnlichkeit der beiden sich gegenüberstehenden Markenwörter begründet somit angesichts der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der dargestellten Warenlage hinsichtlich aller Vergleichswaren eine relevante Verwechslungsgefahr. Hierfür spricht bereits, dass die Anfangssilbe beider Marken in klanglicher Hinsicht jeweils identisch ausgesprochen wird. Diese durch die Anfangsbuchstaben „[X.]“ gebildete Silbe mit dem in ihr enthaltenen Vokal „[X.]“, der vom - hier allein relevanten - Durchschnittsverbraucher entsprechend der bestehenden Ausspracheregeln üblicherweise wie ein „[X.]“ wiedergegeben (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Aussprache_der_[X.]_Sprache) wird, wirkt dabei für den [X.] Durchschnittsverbraucher untypisch, weil entsprechende [X.] Begriffe, soweit es sich hierbei nicht wie „[X.]“, „[X.]“ oder „Lychee“ um Fremdworte handelt, nicht existieren. Die beiden Schlusssilben „[X.]“ bzw. „[X.]OS“ enthalten zwar unterschiedliche [X.]onsonanten, die jedoch angesichts der weitgehenden [X.]bereinstimmungen die klangliche Ähnlichkeit beider Markenwörter nicht überwinden können.

Die Beschwerde der Markeninhaberin war somit zurückzuweisen.

Da Gründe für eine [X.]ostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, verbleibt es  dabei, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen [X.]osten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 [X.]) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 [X.]). Vielmehr war allein darüber zu befinden, ob im konkreten Einzelfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere des [X.]  die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen einer rechtserheblichen Verwechslungsgefahr zwischen den konkreten gegenüberstehenden Marken vorlagen.

Meta

28 W (pat) 117/10

22.03.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. 28 W (pat) 117/10 (REWIS RS 2012, 7873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7873

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

25 W (pat) 22/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdesache/Löschungsverfahren – "Neurovan(Zeichen)/ Neurexan(Unionsmarke))" – Verwechslungsgefahr


26 W (pat) 49/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren - "AQUITAS/Aquintus" – teilweise schriftbildliche Verwechslungsgefahr -


25 W (pat) 11/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "REPAMUN (Wort-Bild-Marke)/RAPAMUNE" – zur Kennzeichnungskraft – zum Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise - Waren- …


30 W (pat) 565/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdesache – „BlueStick (Wortmarke)/ bluechip (Unionsmarke/Wort-/Bildmarke)“ - Verwechslungsgefahr


29 W (pat) 537/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "qonsense (Wort-Bild-Marke)/conlance" – Warenidentität und -ähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft - unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 2065/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.