Bundessozialgericht, Urteil vom 04.07.2013, Az. B 2 U 5/12 R

2. Senat | REWIS RS 2013, 4429

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Übergangsrecht - ehemalige DDR - Arbeitsunfall gem § 1150 Abs 2 S 2 RVO - Lehrling - gesellschaftliche Tätigkeit - Lehrvertrag: Verpflichtung zur Teilnahme an vormilitärischer Ausbildung - Lager der Gesellschaft für Sport und Technik)


Leitsatz

1. Ein Unfall bei der Betätigung auf einer Kampfbahn bei der vormilitärischen Ausbildung in einem Lager der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR ist kein Arbeitsunfall im Sinne des Dritten Buches der RVO.

2. Der fehlende Zusammenhang zwischen dieser Verrichtung und dem grundsätzlich versicherten Lehrverhältnis ist auch nicht dadurch hergestellt worden, dass der Lehrling im Lehrvertrag verpflichtet wurde, an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2011 aufgehoben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2007 zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein Unfall, den der Kläger während der Teilnahme an einem Lager der [X.] ([X.]) erlitt, als Arbeitsunfall festzustellen ist.

2

Der Kläger war Lehrling für den Beruf des Werkzeugmachers bei dem [X.] in M. Er nahm im Juni 1987 an einem Lager der [X.] in [X.] ([X.]) teil. Am [X.] erlitt er dort einen Unfall, als er auf der [X.] von einem Balken sprang und sich beim Aufkommen auf dem Boden den Innenmeniskus des rechten Knies verletzte. Der Kläger wurde wegen des Unfalls in der medizinischen Einrichtung des Lagers in [X.] behandelt. In seinem Sozialversicherungsausweis wurde durch die zentrale Betriebsgewerkschaftsleitung des [X.] ein Arbeitsunfall mit der Kennzeichnung "[X.]" (für "Gesellschaftliche Tätigkeit") eingetragen. Die [X.] erkannte mit Schreiben vom 25.5.1988 einen "Schadenersatzanspruch" des [X.] wegen der ärztlichen Behandlung im Lager der [X.] dem Grunde nach an.

3

Der Kläger zeigte der Beigeladenen mit dem am 18.1.2006 eingegangenen Schreiben den Unfall vom [X.] an und beantragte, diesen als Arbeitsunfall festzustellen. Die Beigeladene leitete den Fall an die Beklagte weiter, da es sich um einen Fall nach § 1 Abs 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11.4.1973 (GBl <[X.]> I 199; im [X.]) handele, für den die Beklagte der zuständige Träger sei. Die Beklagte übernahm das Verwaltungsverfahren. Auf ihre Anfrage machte der Kläger geltend, er sei durch Lehrvertrag zur Teilnahme an dem Lager der [X.] verpflichtet gewesen. Er legte den Lehrvertrag vom 5.12.1985 vor, der im Abschnitt "Grundlegende Rechte und Pflichten des Betriebs und des Lehrlings" folgenden Absatz enthält: "Der Lehrling ist verpflichtet, während des [X.] an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen, sich militärpolitische und militärfachliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen bzw. an den Maßnahmen der Zivilverteidigung mitzuwirken."

4

Die Beklagte lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 25.10.2006). Die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Unfalls aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht erfüllt. Einer Anerkennung stehe § 1150 Abs 2 Satz 2 [X.] 1 [X.] entgegen. Auch bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen dem Lehrberuf und der Ausbildung bei der [X.]. Der Widerspruch des [X.] blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.1.2007).

5

Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 26.9.2007 abgewiesen. Zwar sei der Unfall, wie es sich aus dem Sozialversicherungsausweis ergebe, als solcher im Sinne der [X.] anerkannt worden. Der Unfall sei einem bundesrechtlich zuständigen Träger der Unfallversicherung aber erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden. Ein Anspruch auf Feststellung als Arbeitsunfall bestehe nicht, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des [X.] der [X.] handele.

6

Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] mit Urteil vom 1.12.2011 das Urteil des [X.] aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom [X.] ein Arbeitsunfall im Sinne des [X.] der [X.] sei, für den die Beklagte zuständig sei. Zwar sei der Unfall einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden. Der Kläger habe aber den Unfall bei einer Tätigkeit aufgrund seines [X.] erlitten (§ 539 Abs 1 [X.] 1 iVm § 548 Abs 1 Satz 1 [X.]). Zwischen dem Verhalten zum Unfallzeitpunkt und dem Beschäftigungsverhältnis habe ein sachlicher Zusammenhang bestanden, weil die Pflicht zum Erwerb militärischer Erkenntnisse zum Gegenstand des [X.] zwischen dem Betrieb und dem Kläger gemacht worden sei. Zwar diene die Teilnahme an einem Lager der [X.] der vormilitärischen Ausbildung, dies ändere aber nichts daran, dass der Kläger Pflichten aus dem Lehrvertrag erfüllt habe.

7

Die Beklagte rügt mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision eine Verletzung des § 215 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII iVm § 1150 Abs 2 Satz 2 [X.] 1 [X.]. Der Unfall sei nach dem Recht der [X.] nicht anzuerkennen, denn die Anerkennung in der [X.] beruhe auf § 1 Abs 1 [X.]. Danach sei der Unfall "wie ein Arbeitsunfall" zu behandeln. Bei der Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung habe es sich folglich - auch nach dem Recht der [X.] - nicht um eine Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 [X.] 1 [X.] gehandelt. Der Kläger sei nicht wie ein Lehrling tätig geworden. Vielmehr begründe die Kennzeichnung "[X.]" die gegenteilige Vermutung. Das Überwinden einer Hindernisbahn sei nicht als Ausübung der Beschäftigung im Ausbildungsverhältnis anzusehen. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten zum Unfallzeitpunkt und dem Ausbildungsverhältnis. Die vormilitärische Ausbildung in dem Lager in [X.] stelle keine für die betriebliche Ausbildung wesentliche Handlung dar. Auch wenn der Betrieb Lehrlinge für die Ausbildung bei der [X.] freistelle, sei Ziel der Betätigung bei der [X.] nicht das Bestehen der Ausbildungsprüfung, sondern die Erhöhung der Wehrbereitschaft und -fähigkeit gewesen. Die [X.] schütze aber nach § 539 Abs 1 [X.] 1 nur Tätigkeiten des Versicherten im Rahmen seiner Berufsausbildung. Dazu gehöre nicht der Erwerb von militärischen Kenntnissen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2007 zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass die Beigeladene für den Arbeitsunfall der zuständige Versicherungsträger ist.

9

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] habe zu Recht entschieden, dass er aufgrund seiner Beschäftigung als Lehrling einen Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 539 Abs 1 [X.] 1 [X.] erlitten habe. Dass zwischen der Betätigung für die [X.] und dem Ausbildungsverhältnis kein Zusammenhang bestehe sei "völlig abwegig" und stehe in Widerspruch zu den damals herrschenden Verhältnissen einschließlich des Ausbildungsverhältnisses des [X.].

Die Beigeladene beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2011 aufzuheben, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2007 zurückzuweisen, hilfsweise, den Hilfsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Die Ausnahmeregelung des § 1150 Abs 2 Satz 2 [X.] 1 [X.] greife nicht durch, weil der Unfall nach dem Dritten Buch der [X.] nicht zu entschädigen sei. Als Teilnehmer einer vormilitärischen Ausbildung im Rahmen eines Lagers der [X.] wäre der Kläger nach dem Recht des [X.] der [X.] nicht unfallversichert gewesen. Ein innerer Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit als Lehrling bestehe nicht.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Berufung des [X.] zurückzuweisen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des in der ehemaligen [X.] am [X.] erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 iVm § 539 Abs 1 [X.] [X.]. Es handelt sich nicht um einen von der Beklagten, der Beigeladenen oder einem anderen Unfallversicherungsträger zu entschädigenden Arbeitsunfall. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 215 Abs 1 Satz 1 [X.] sind für die Übernahme der vor dem [X.] eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs 2 und 3 [X.] in der am Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden. Der Anspruch des [X.] richtet sich daher nach § 1150 Abs 2 [X.] in der am 31.12.1996 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25.7.1991 ([X.] 1606, 1688), denn der geltend gemachte Unfall ist vor dem [X.] im Beitrittsgebiet eingetreten. § 215 Abs 1 Sätze 2 und 3 [X.] in der Fassung des [X.] ([X.] 2130) schließen die Anwendung des § 1150 Abs 2 Satz 2 [X.] [X.] in diesem Fall nicht aus, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht bei der [X.] der [X.] im Wehrdienst stand.

Nach § 1150 Abs 2 Satz 1 [X.] sind die vor dem [X.] in der ehemaligen [X.] eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des [X.] der [X.] anzuerkennen, wenn diese Unfälle oder Krankheiten vor dem [X.] eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren. Dies gilt nach § 1150 Abs 2 Satz 2 [X.] [X.] nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1.1.1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der [X.] nicht zu entschädigen wären (vgl Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks 12/405 [X.] Buchst b sowie [X.] zu § 1150 [X.]; [X.] vom 19.12.2000 - B 2 U 8/00 R - [X.] 3-2200 § 1150 [X.] 4; [X.] vom 4.12.2001 - B 2 U 35/00 R - [X.] 3-8440 [X.] 50 [X.] S 2 f; [X.] vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - [X.], 149 = [X.] 4-5670 Anl 1 [X.] 2402 [X.]).

Der Unfall des [X.] ist vor dem [X.] eingetreten. Unerheblich ist hier zunächst, dass der Arbeitsunfall gemäß § 1 Abs 1 ErwVO einem Unfall nach dem Recht der ehemaligen [X.] (§ 220 Abs 1 und 3 Arbeitsgesetzbuch der [X.]) gleichgestellt war (hierzu [X.] vom [X.] - [X.] 4-2700 § 2 [X.]3 Rd[X.] 31). Denn der Unfall ist einem ab 1.1.1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Juni 2006 und damit nach dem 31.12.1993 bekannt geworden. Wie die Beklagte und die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, gilt die Fiktion des § 1150 Abs 2 Satz 1 [X.] gemäß dessen Abs 2 Satz 2 [X.] daher nur, wenn der Unfall nach dem Dritten Buch der [X.] als Arbeitsunfall anzuerkennen wäre (zu den Voraussetzungen sogleich unter 1.), was aber hier nicht der Fall ist (vgl unter 2.).

1. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 [X.] war ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 [X.] genannten und danach versicherten Tätigkeiten erlitt. Nach § 539 Abs 1 [X.] [X.] waren in der Unfallversicherung Personen gegen Arbeitsunfälle versichert gewesen, die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder [X.] beschäftigt waren. Wesentliches Merkmal eines [X.] iS des § 539 Abs 1 [X.] [X.] ist die Betätigung zum Erwerb von beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten in persönlicher Abhängigkeit gegenüber einem Ausbildungsbetrieb, die sich vornehmlich in der Eingliederung in einen Betrieb äußert, womit in aller Regel ein Direktionsrecht des für die Ausbildung Verantwortlichen verbunden ist. Hierfür ist kennzeichnend, dass der Lehrling seine Tätigkeit im Wesentlichen nicht frei gestalten kann, sondern allgemein einem [X.], Dauer, Ort und Art der Lehre umfassenden Weisungsrecht unterliegt (vgl zur Beschäftigung [X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423 mwN).

Weiter erfordert das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, dass das konkrete Verhalten (die Verrichtung), bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit (rechtlich wertend) zuzurechnen ist (vgl zum Recht der [X.]: [X.] vom 28.6.1988 - 2 [X.] 60/87 - [X.], 273, 274 = [X.] 2200 § 548 [X.] 92). Zwischen der Verrichtung zum [X.]punkt des Unfalls und der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit, hier Ausbildung in einem Lehrverhältnis, muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen. Dieser sog innere oder sachliche Zusammenhang rechtfertigt es, das fragliche Verhalten zum Unfallzeitpunkt der kraft Gesetzes versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere oder sachliche Zusammenhang ist - auch für Unfälle nach dem Recht der [X.] - wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (noch zum Recht der [X.]: [X.] vom 30.4.1985 - 2 [X.] 24/84 - [X.], 76, 77 = [X.] 2200 § 548 [X.] 70; [X.] vom 20.1.1987 - 2 [X.] 27/86 - [X.], 127, 128 = [X.] 2200 § 548 [X.] 84; bereits zu § 1150 [X.]: [X.] vom 20.2.2001 - B 2 U 11/00 R - [X.] 2001, 1086; Juris Rd[X.]7). Wenn der erkennende Senat neuerdings den Aspekt in den Vordergrund rückt, dass die konkrete Betätigung nach dem Schutzbereich des [X.] zu den versicherten Tätigkeiten gehören muss ([X.] vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 45, Juris Rd[X.] 20; dazu auch [X.] vom [X.] - [X.], 52 = [X.] 4-2700 § 2 [X.] 21), so ist hiermit keine inhaltliche Änderung gegenüber den soeben aufgezeigten früheren Formulierungen verbunden.

2. Der Unfall des [X.], der in einem Lehrverhältnis mit dem [X.] in [X.] stand und daher grundsätzlich nach § 539 Abs 1 [X.] [X.] versichert war, ereignete sich nach den bindenden Feststellungen des [X.] am [X.] in einem Lager der [X.] in [X.] Dort betätigte sich der Kläger bei der vormilitärischen Ausbildung auf einer Kampfbahn und verletzte sich beim Aufkommen nach einem Sprung am rechten Knie.

Die konkret durchgeführte Verrichtung des [X.] auf der Kampfbahn im Lager der [X.] stand nicht in einem sachlichen oder inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Lehrling beim [X.] in [X.] Mit der Teilnahme am Lager der [X.] erfüllte er keine Aufgaben oder Pflichten aufgrund seines [X.] in oder für diesen Betrieb ([X.] vom [X.] - [X.], 37 = [X.] 4-2700 § 2 [X.] 20, Rd[X.] 28).

Das Überwinden einer Kampfbahn stellt keine Handlung dar, die einen Bezug zu einer Lehre oder Berufsausbildung hat. Die unmittelbar zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit diente vielmehr der vormilitärischen Ausbildung, die in der damaligen [X.] von der [X.] organisiert wurde. Ausweislich der [X.] [X.] über die [X.] vom 10.9.1968 ([X.] 779) sowie des Statuts der [X.] vom 11.4.1964 ([X.] 553) war die [X.] eine [X.] Massenorganisation, deren Hauptaufgabe im System der [X.]n Wehrerziehung darin bestand, die [X.] im vorwehrpflichtigen Alter auf den Wehrdienst in den bewaffneten Kräften der [X.] vorzubereiten und wehrsportliche Aktivitäten anzubieten. Diese Organisation war nach den so beschriebenen Aufgaben nicht in die Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten für den Lehrberuf einbezogen. Es handelte sich vielmehr um eine Organisation, die vormilitärische Ausbildungs- und wehrsportliche Ertüchtigung für Jugendliche durchführte. Die [X.] sollten im Rahmen einer Grund- und sich anschließenden Spezialausbildung den Umgang mit Waffen und [X.]geräten erlernen und militärisch relevantes Wissen erwerben sowie technischen Sportarten nachgehen [X.], Frust und Freude - Die zwei Seiten der [X.], 2002; [X.], Im Dienste der Staatspartei, 1. Aufl 1994, [X.], 356, 358 ff; [X.], [X.]? [X.] und Gesellschaft in der [X.], 2008, [X.] ff). Die [X.] sollte vor allem der gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung technisch und sportlich interessierter Jugendlicher dienen, die dazu erforderlichen technischen Mittel (Motorräder, Flugzeuge, Funkgeräte) zur Verfügung stellen und technische Sportarten und dazugehörige Sportförderung und Wettkämpfe, wie Motor- und Schießsportarten pflegen bzw. veranstalten. Ab 1974 wurde für Jugendliche in der [X.] die Teilnahme an den Angeboten der [X.] praktisch zur Pflicht gemacht. Ohne die Teilnahme konnte die berufliche Bildung kaum aufgenommen oder abgeschlossen werden. Das Ziel war es, Jugendliche und Erwachsene wehrsportlich auszubilden und ihnen technische Kenntnisse zu vermitteln, die beim [X.] gebraucht wurden. Die [X.] galt als "Schule des Soldaten von morgen" und trug zur Militarisierung der [X.] ([X.]; [X.] #Massenorganisationen).

Die Betätigung des [X.] auf der Kampfbahn in [X.] ist keine Verrichtung, während der er nach [X.], Dauer, Ort oder Art der Betätigung in persönlicher Abhängigkeit oder im Rahmen des Direktionsrechts des Ausbildungsbetriebs ([X.] in [X.]) tätig geworden ist. Die konkret durchgeführte Verrichtung bei der [X.] diente nicht dem Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten für den Lehrberuf. Der Kläger war während seiner [X.] im Lager der [X.] auch nicht in die betriebliche Organisation des VEB eingegliedert. Vielmehr unterstützte der Betrieb nur durch Freistellung des [X.] von den Pflichten des [X.] dessen Betätigung im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung, ohne dass diese dem [X.] oder dem Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten für den Lehrberuf zu dienen bestimmt war (vgl schon [X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423; Juris Rd[X.]9 ff). Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb die Lehrlingsvergütung weitergezahlt haben sollte. Durch den Besuch des Trainingslagers erfüllte der Kläger - ebenso wie alle anderen [X.] der [X.] in dem entsprechenden Alter - seine allgemeine Pflicht, an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen.

Der fehlende innere Zusammenhang zwischen der konkret verrichteten und der im [X.] angeführten Tätigkeit wird auch nicht dadurch hergestellt, dass der Kläger durch einen Passus im Ausbildungsvertrag verpflichtet wurde, an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Zwar sind Personen, die eine Verrichtung vornehmen, mit der sie eine objektiv bestehende Haupt- und Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis - hier Lehrverhältnis - erfüllen ([X.] vom [X.] - [X.], 37 = [X.] 4-2700 § 2 [X.] 20, Rd[X.] 28), Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 [X.] [X.] bzw § 539 Abs 1 [X.] [X.]. Die Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung in der [X.] war aber gesellschaftlich üblich, nach anderen Angaben sogar verpflichtend. Bei Nichtteilnahme drohten einem [X.], unabhängig davon, ob er in einem Lehrverhältnis stand oder die [X.] absolvierte, Sanktionen. Mangels Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung konnte es zur vorzeitigen Beendigung von Lehre oder Schulausbildung kommen. Eine solche Maßnahme gilt nach Bundesrecht als "politische Verfolgung" im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet ([X.] vom 1.7.1997, [X.] 1625; dazu [X.] vom 27.8.2012 - 3 PKH 5/12, 3 PKH 5/12 < 3 B 18/12 >).

Der Inhalt des [X.] stellt sich deshalb nicht als Vereinbarung über eine vertraglich erst zu begründende Rechtspflicht des Lehrlings dar, sondern als bloß deklaratorische Wiederholung der allgemein bestehenden Pflicht oder zumindest der gesellschaftlichen Notwendigkeit zur Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung. Die bloß deklaratorische Wiederholung einer gesetzlichen Pflicht oder gesellschaftlichen Notwendigkeit in einem Lehrvertrag ist aber nicht geeignet, den Schutzzweck des [X.] des § 539 Abs 1 [X.] [X.] dahingehend zu erweitern, dass auch die Betätigung im Rahmen einer allgemein bestehenden Dienstpflicht oder gesellschaftlichen Verpflichtung dem Schutz des [X.]es des § 539 Abs 1 [X.] [X.] unterfällt (so im Ergebnis auch [X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423; Bayerisches [X.] vom 1.12.1993 - L 1 U 142/89; ähnlich [X.] Berlin-Brandenburg vom [X.]/09).

Nach Maßstäben des Bundesrechts ist die Betätigung des [X.] am ehesten mit derjenigen eines früheren Wehrpflichtigen vergleichbar, der seine Ausbildung für die Ableistung von Wehrdienst oder Wehrübung unterbricht. Gesundheitsschäden, die Dienstleistende im Rahmen eines solchen Dienstes erleiden, werden im Bundesrecht ggf nach Maßgabe des [X.] anerkannt und entschädigt. Sie sind aber nach Bundesrecht keine Unfälle, die im Rahmen des Versicherungsschutzes bei betrieblicher Berufsausbildung (§ 539 Abs 1 [X.] [X.]; jetzt: § 2 Abs 1 [X.] [X.]) versichert wären. Der Unfall war auch im Recht der [X.] kein Arbeitsunfall iS des § 220 Abs 1 und 3 Arbeitsgesetzbuch der [X.], sondern einem solchen nach § 1 Abs 1 ErwVO lediglich gleichgestellt.

Auch wenn die für das Unfallgeschehen maßgeblichen Verhältnisse in der ehemaligen [X.] zugrunde zu legen wären, die von denen im Geltungsbereich der [X.] abweichen( [X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423), wäre danach (nur) zu berücksichtigen, dass in dem staatlichen System der ehemaligen [X.] eine enge Verzahnung zwischen Wehrerziehung und vormilitärischer Ausbildung/Wehrsport einerseits und Schul-/Berufsausbildung andererseits bestand (dazu auch Bayerisches [X.] vom 1.12.1993 - L 1 U 142/89). Auf Sachverhalte, die dem Versicherungsschutz nach dem Dritten Buch der [X.] wesensfremd sind, kann der Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nach § 539 Abs 1 [X.] [X.] dennoch nicht erweitert werden (vgl für das Fremdrentenrecht [X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423).

Auch die vom [X.] zum versicherten Betriebssport entwickelten Grundsätze (grundlegend [X.] vom 28.11.1961 - 2 [X.] 130/59 - [X.]E 16, 1 ff = [X.] [X.] 49 zu § 542 [X.]; [X.] vom [X.] - B 2 U 29/08 R - Juris Rd[X.]2) führen zu keinem anderen Ergebnis. Die vormilitärische Ausbildung diente nicht der Gesunderhaltung des [X.] oder der Wiederherstellung seiner Arbeitskraft, zumal die Betätigung im Rahmen der [X.] nicht auf Angehörige des Lehr- und Ausbildungsbetriebs beschränkt war. Für die Anerkennung eines unfallversicherten [X.] muss die sportliche Betätigung dem Ausgleich für die Belastung durch die versicherte Tätigkeit dienen. Die Teilnahme am allgemeinen vormilitärischen oder militärischen Dienst oder Wettkampf oder an Veranstaltungen zur Wehrertüchtigung entspricht dem nicht ([X.] vom 17.10.1990 - 2 [X.] 3/90 - [X.] 1991, 423).

Nach allem war auf die Revision der Beklagten das Urteil des [X.] aufzuheben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 2 U 5/12 R

04.07.2013

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Stendal, 26. September 2007, Az: S 6 U 9/07, Urteil

§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 215 Abs 1 SGB 7, § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, § 548 Abs 1 S 1 RVO, § 1150 Abs 2 S 1 RVO, § 1150 Abs 2 S 2 Nr 1 RVO, § 220 AGB DDR, § 1 Abs 1 UVErwV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.07.2013, Az. B 2 U 5/12 R (REWIS RS 2013, 4429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4429


Verfahrensgang

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Az. B 2 U 5/12 R

Bundessozialgericht, B 2 U 5/12 R, 04.07.2013.


Az. 6 U 9/07

Oberlandesgericht Köln, 6 U 9/07, 09.11.2007.


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