Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 159/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5420

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 159/02

Verkündet am:

19. Januar 2005

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2005

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 12. April 2002 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Karls-ruhe vom 2. November 2001 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der [X.] eine höhere Zusatzrente für Witwer mit Wirkung ab 1. Januar 2001.

Seine 1949 geborene, am 1. Juli 2000 verstorbene Ehefrau war im öffentlichen Dienst tätig und bei der beklagten Versorgungsanstalt versi-chert. Seit 1. August 2000 bezieht der Kläger eine Versorgungsrente für Witwer von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-- 3 -

buchst. [X.] ihrer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des [X.] maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes aufgrund der Beschäftigung der Ehefrau des [X.] Umlagezahlungen an die Beklagte geleistet hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente der Ehefrau des [X.] zugrunde zu legen wären, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Dementsprechend hat die Beklagte von den Monaten, die die Ehefrau des [X.] in der [X.] zurückgelegt hat, zunächst die Monate abgezogen, in denen ihr damaliger Arbeitgeber Umlagen an die Beklagte gezahlt hat; aus der Hälfte der verbleibenden Monate sowie den Umla-gemonaten setzt sich danach die gesamtversorgungsfähige [X.].

Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der der Ehefrau des [X.] zustehenden gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatzversorgung le-diglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in dieser vollen Berück-sichtigung der gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen Anrechnung von Vordienstzeiten einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341).
- 4 -

Der Kläger hat daher - neben einem weiteren Klagebegehren, wel-ches nach Klageabweisung durch das Amtsgericht nicht mehr Gegen-stand der Rechtsmittelverfahren geworden ist - beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab 1. Januar 2001 eine Versor-gungsrente für Witwer auf der Grundlage einer auch sämtliche Vor-dienstzeiten seiner verstorbenen Ehefrau voll berücksichtigenden [X.] zu gewähren, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung in [X.] trete.

Das Amtsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, das [X.] die hiergegen von der [X.] geführte Berufung zurückgewie-sen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage insge-samt abzuweisen, weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die zitierte Entscheidung des [X.]s und hält deshalb die in § 42 Abs. 2 [X.] a.F. vorgesehene Halbanrechnung als eine der richterlichen In-haltskontrolle unterliegende Bestimmung im Rahmen Allgemeiner Ge-schäftsbedingungen gemäß §§ 242 BGB, 9 [X.] für unwirksam. Die Beklagte sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung verpflichtet, die Vordienstzeiten bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit in vollem Umfang zu berücksichtigen, solange die Beklagte auch die - 5 -

vollen Ansprüche aus der gesetzlichen Rente auf die zu zahlende [X.].

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie der Senat be-reits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - [X.], 183) entschieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 1 und 2 der Neufassung werden - auch für versorgungsrentenbe-rechtigte Hinterbliebene - die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der [X.] an jährlich zum 1. Juli um 1% erhöht. Die vom Kläger geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwer-de einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Er-höhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt [X.], nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerde-führerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfas-sungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-buchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, - 6 -

eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewis-sen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Be-schwerdeführerin zu, wie das [X.] feststellt.

Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Ver-lauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark [X.] Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des [X.] allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rah-men der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Die Entscheidung bezieht sich aber nicht auf Ren-- 7 -

tenberechtigungen, die - wie hier - bereits vor dem 1. Januar 2001 ent-standen sind.

Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz ver-fassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und [X.] im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Ge-nerationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten bzw. deren Hinterbliebene im Revisions-verfahren diese Annahme des [X.]s mittels stati-stischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachver-ständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in Bezug auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das [X.] unerheblich. Der Kläger bezieht seit 1. August 2000 eine Versorgungsrente für Witwer von der [X.]. Für ihn ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versi-- 8 -

chertengenerationen hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdefüh-rerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Personen, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 [X.] sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch ein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB liegt nicht vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des [X.]s zur Ungleichbehand-lung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkt zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff. und [X.], [X.], 1226, 1230 ff.). Denn mit dem [X.] ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer kompli-zierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung haben Personen, die bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden sind, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine an-- 9 -

dere, die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermei-dende Regelung zu treffen ist.

e) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der von der [X.] in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Renten ist generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitz-standsrente, die er nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Rente nach neuem Sat-zungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentli-chen Dienstes berechnet wird, ist von ihm weder dargetan noch ersicht-lich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfas-sungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie etwa dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch in der Übergangszeit nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.

f) Entgegen der Ansicht des [X.] haben sich die [X.] schließlich auch nicht durch die Vereinbarung, eine bundesge-richtliche Entscheidung zugunsten einer höheren als der in der Über-gangsregelung der neuen Satzung vorgesehenen Rente zugunsten aller davon Betroffenen umzusetzen, darauf verständigt, die Entscheidung über Halb- oder Vollanrechnung den Gerichten vorzubehalten. Damit - 10 -

wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß einer solchen Entscheidung sogar rückwirkend Folge geleistet werden soll.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 159/02

19.01.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 159/02 (REWIS RS 2005, 5420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5420

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