Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 441/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1635

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 441/02 Verkündet am: 15. September 2004 Fritz, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 29. November
2002 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 30. April 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der [X.] eine höhere Zusatzrente mit Wir-kung ab 1. Januar 2001.

Er ist 1943 geboren und war wegen seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der beklagten Versorgungsanstalt versichert. Seit 3. April 1997 [X.] der Kläger eine monatliche Zusatzversorgungsrente von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] ihrer Satzung (im [X.] -

den: [X.]) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des [X.] maßgeben-den Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der [X.], von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umla-gezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten [X.] beigetragen hat, darüber hinaus andere [X.]en, die (über die Umlage-monate hinaus) der gesetzlichen Rente des [X.] zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Dementsprechend hat die Beklagte von den Monaten, die der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung zu-rückgelegt hat, zunächst die Monate abgezogen, in denen sein Arbeitgeber [X.] an die Beklagte gezahlt hat; aus der Hälfte der verbleibenden Monate sowie den [X.] setzt sich danach die gesamtversorgungsfähige [X.] zusammen.

Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berech-nung der [X.] grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Klä-ger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in [X.] vollen Berücksichtigung der gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen [X.] von Vordienstzeiten einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341).

Der Kläger hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflich-tet sei, ab 1. Januar 2001 eine [X.] für Versicherte auf der [X.] einer gesamtversorgungsfähigen [X.] von 507 Monaten zu gewähren. - 4 -

Die Vorinstanzen haben der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Beklagte die geforderte Rente längstens bis zu dem [X.]punkt zu zahlen habe, in dem im Rahmen einer Satzungsreform zu den Vordienstzeiten eine neue geänderte Regelung wirksam werde. Mit der Revision verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die zitierte Entscheidung des [X.]s und hält deshalb die in § 42 Abs. 2 [X.] a.F. vor-gesehene Halbanrechnung als eine der richterlichen Inhaltskontrolle unterlie-gende Bestimmung im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß §§ 242 BGB, 9 [X.] für unwirksam. Die Beklagte sei aufgrund einer ergän-zenden Vertragsauslegung verpflichtet, die Vordienstzeiten bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen [X.] in vollem Umfang zu berücksichtigen, [X.] die Beklagte auch die vollen Ansprüche aus der gesetzlichen Rente auf die zu zahlende [X.].

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie der [X.] bereits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - VersR 2004, 183) ent-schieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neu-- 5 -

fassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsren-ten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom [X.] an erhöht. Die vom Kläger ge-forderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgese-hen.

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der [X.] er-hielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksam-keit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte, nicht zur Entscheidung ange-nommen. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversor-gung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von [X.]en vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst andererseits gewandt hatte, hat das [X.] die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-buchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" fest-gestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der Satzungsgeber sei [X.] der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei. Das treffe auf die Rent-nergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das [X.] feststellt.

Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeit-- 6 -

arbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten er-worbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen wer-den. Zu diesem [X.]punkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer [X.] gezwungen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den [X.] der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die angegriffene Halbanrechnung nach Auf-fassung des [X.]s nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Be-denken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbio-graphie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das Bundesver-fassungsgericht davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn ab-geschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten im Revisionsverfahren diese Annahme des [X.] 7 -

sungsgerichts mittels statistischen Materials und unter Berufung auf ein einzu-holendes Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in [X.] auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das [X.] unerheblich. Der Kläger bezieht bereits seit 3. April 1997 eine Zusatzrente von der [X.]. Für ihn und für die Generation, der er angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den [X.] Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengenerationen hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am [X.] vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren [X.]) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachtei-ligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der [X.] folgt dem [X.] darin, daß die Anwen-dung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Be-rechnung der [X.] für solche Versicherte, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundes-verfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung be-troffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkt zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfas-sungsgericht ist der [X.] der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung - 8 -

eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Un-gleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Ge-neralisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten be-treffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des [X.] hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, die Un-gleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

e) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Nach unwidersprochenem Vortrag der [X.]n ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu lei-stenden [X.]n generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträ-gen aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitz-standsrente, die er nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im [X.] schlechter stehe als Berechtigte, deren [X.] nach neuem [X.]srecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist von ihm weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom [X.] gesehene - 9 -

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie etwa dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.

[X.] [X.] [X.]

[X.]

Dr. [X.]

Meta

IV ZR 441/02

15.09.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 441/02 (REWIS RS 2004, 1635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1635

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