Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. VI ZR 128/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 399

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:191217UVIZR128.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

19. Dezember 2017

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 254 Abs. 1
F
a)
Handeln die Schädiger als Mittäter oder Gehilfen, sind im Rahmen der [X.] eines Mitverschuldens des Geschädigten gemäß § 254 BGB ihre Verur-sachungs-
und Schuldbeiträge in einer Gesamtschau dem Beitrag des [X.] gegenüberzustellen (Fortführung von [X.], Urteil vom 16. Juni 1959 -
VI [X.], [X.], 203, 206; im [X.] an [X.], Versäum-nisurteil vom 10. November 2016 -
III ZR 235/15, [X.]Z 213, 1 Rn. 46).
b)
Bei einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB und direktem Schädigungsvorsatz kommt die anspruchsmindernde Be-rücksichtigung eines fahrlässigen Verhaltens des Geschädigten nicht in Be-tracht (Fortführung von [X.], Versäumnisurteil vom 10. November 2016 -
III
ZR 235/15, [X.]Z 213, 1 Rn. 42; Urteil vom 9.
Oktober 1991 -
VIII
ZR 19/91, [X.], 310, 311).
[X.], Urteil vom 19. Dezember 2017 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]
-

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
26. September 2017 durch den Vorsitzenden [X.], die Richte-rinnen Dr. Oehler, [X.] und [X.] und [X.] Allgayer
für Recht erkannt:

I.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 17. März 2016 im Kosten-punkt
und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkam-mer des [X.] vom 19. Juni 2015 teilweise ab-geändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 95.824,02

Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.] seit 29. Juli 2009 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II.
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 76
% und die Beklagte zu 24
%.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

-

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Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen ihrer Mitwirkung an der Veräuße-rung von Kapitallebensversicherungsverträgen auf Schadensersatz in [X.].
Unter der Geschäftsbezeichnung "U. GbR"
kauften
[X.] und [X.] an. Die vereinbarten Kaufpreise lagen über den Rück-kaufswerten der Versicherer. Anschließend erwarb
die Beklagte regelmäßig unter der Geschäftsbezeichnung "Pfandkredithaus B."
von [X.] sowie
U. B. die zuvor angekauften sowie gekündigten
Lebensversicherungen und zog die [X.] bei den Versicherungsunternehmen ein. Den Kaufpreis in Höhe von etwa 59 bis 86 % der [X.] zahlte sie in bar an [X.] Eine dauerhafte Gewinnerzielung war
für [X.] und U. B.
mit dem Geschäftsmodell nicht mög-lich. Die Verkäufer
erhielten die vereinbarten Kaufpreise nicht vollständig.
[X.] und U.
B. verstarben während des gegen sie geführten Strafverfahrens. Weitere Beteiligte wurden wegen Betruges verurteilt. Das Strafverfahren gegen die [X.] wurde gemäß § 153a StPO eingestellt.
Die Klägerin verkaufte an die "U.
GbR", für deren "Direktion B."
[X.] auf-trat, neun Kapitallebensversicherungen. Der vereinbarte Kaufpreis lag um 15
% über dem Rückkaufswert der Versicherer. Die [X.] kündigten teilweise [X.]
selbst und teilweise die Klägerin auf deren [X.]. Außerdem unterzeichnete die Klägerin auf Veranlassung von [X.] Abtre-tungserklärungen bezüglich aller Rechte und Ansprüche aus den [X.], teilweise mit Auszahlungsanweisungen an die Versicherer zu Gunsten der Beklagten. Am selben Tag erwarb die Beklagte von [X.] und einer weiteren Person die Lebensversicherungen zu einem sofort bar zu zahlenden Kaufpreis
unter dem Rückkaufswert. Die Klägerin erhielt die Rückkaufswerte aus drei Versicherungen unmittelbar an sich ausgezahlt, da sich die Versicherer 1
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weigerten, an die Beklagte zu zahlen. Außerdem leistete [X.] zwei Teilzahlun-gen an die Klägerin.
Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz (in Höhe der
Differenz zwischen dem
vereinbarten Kaufpreis und den erhaltenen Zahlungen) gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte teilweise zur Zahlung von Schadensersatz (in Höhe der Hälfte der zuletzt als negatives Interesse geltend gemachten Differenz zwischen den [X.] und den erhaltenen Zahlungen) verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Im Revisionsverfahren verfolgen die Klägerin dieses Begehren und die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:
A.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage unter Berücksichti-gung eines Mitverschuldens der Klägerin in hälftiger Höhe begründet.
Der Klägerin stünden Schadensersatzansprüche zu, weil die Beklagte Beihilfe zu einem Betrug der [X.] zu Lasten der Klägerin geleistet habe. Nach den Feststellungen des gegen weitere Beteiligte ergangenen
Strafurteils habe [X.] ein Geschäftsmodell unterhalten, das einem Schneeballsystem entspre-che. Die erhaltenen Zahlungen habe [X.] überwiegend ihren privaten Zwecken zugeführt, nur in geringen Teilbeträgen seien auch Zahlungen an die [X.] Versicherungsnehmer erfolgt. Das im Strafurteil beschriebene Ge-schäftsmodell entspreche in allen Details ihrem Vorgehen im vorliegenden Fall. Bei zusammenfassender Würdigung aller den Streitfall auszeichnenden Um-stände sei der [X.] davon überzeugt, dass die Beklagte durch ihren Tatbeitrag 4
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den Betrug der [X.] gefördert, nämlich in bewusstem und gewolltem Zusam-menwirken mit dieser gehandelt habe. Nur mit Unterstützung der [X.] das Geschäftsmodell funktionieren können. Aus den mit der Klägerin ge-schlossenen Kaufverträgen habe sich kein finanzieller Vorteil erreichen lassen, da sich infolge Kündigung der Versicherungsverträge nur noch die [X.] realisieren ließen, welchen die diese übersteigenden Kaufpreisansprüche gegenüber ständen. Es habe sich nicht um ein wirtschaftlich schlüssiges Kon-zept gehandelt. Erst durch die Barzahlungen der Beklagten sei [X.] in die Lage versetzt worden, Geld zu vereinnahmen, der privaten Verwendung zuzuführen und allenfalls offenkundig der Beruhigung der Kunden dienende geringfügige Teilzahlungen auf die Kaufpreisforderungen zu leisten.
Der Klägerin sei allerdings ein erhebliches, ihren Anspruch minderndes Mitverschulden vorzuwerfen. Zwar trete in der Regel ein nur fahrlässiges Mit-verschulden des Geschädigten hinter einem vorsätzlichen Handeln des [X.], insbesondere auch in Betrugsfällen, zurück. Dies gelte aber nicht, wenn der Geschädigte sich besonders leichtfertig verhalten und die in eigenen Ange-legenheiten gebotene Vorsicht in erheblichem Maße außer [X.] gelassen habe. Auch dem geschäftlich unerfahrenen Versicherungsnehmer einer Lebensversi-cherung müsse sich geradezu aufdrängen, dass der Verkauf zu einem Betrag deutlich über dem Rückkaufswert unter gleichzeitigem Ausspruch der Kündi-gung zu einem wirtschaftlich sinnlosen Geschäft werde. Der verkaufende [X.] müsse sich notwendig Gedanken darüber machen, woraus sich das Gewinnversprechen seines Käufers finanzieren solle. Neben der Gleichzeitigkeit von Verkauf und Kündigung trete im Streitfall noch die Beson-derheit hinzu, dass der Klägerin, wiederum noch an demselben Tage, Erklärun-gen zur Abtretung des aus der Lebensversicherung bestehenden Anspruchs nebst Auszahlungsanweisungen vorgelegt worden seien zu Gunsten eines ihr Unbekannten. Die eigenen Erklärungen der Klägerin bestätigten diese [X.]
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gungen. Sie gebe an, sich in der Folgezeit gefragt zu haben, wie es sein könne, dass die Versicherungen überhaupt hätten gekündigt werden müssen. Indem die Klägerin sich über sämtliche offenkundigen Bedenken hinweggesetzt habe, treffe sie der Vorwurf eines besonders leichtfertigen Verhaltens.

B.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Revision der Beklagten hat kei-nen Erfolg.

I.
Die Revisionen sind zulässig.
Bei einer uneingeschränkten Zulassung der Revision in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils kann sich aus dessen Entscheidungsgründen eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels ergeben, sofern sich eine solche mit der erforderlichen
Eindeutigkeit entnehmen lässt ([X.], Urteil vom 2. Mai 2017 -
VI [X.], [X.], 959 Rn. 16; [X.], Urteil vom 10. Mai 2017 -
VIII ZR 292/15, [X.], 410
Rn. 15 jeweils
mwN).
Dies ist hier nicht der Fall.
Im Entscheidungstenor
hat das Berufungsge-richt die Revision ohne Beschränkung zugelassen. In den Urteilsgründen hat es lediglich ausgeführt, dass dies "im Hinblick auf die in Parallelverfahren ergan-genen Entscheidungen"
eines anderen Zivilsenats
desselben Gerichts erfolgt sei.
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II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die tatrichterliche Würdi-gung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte der [X.]
P. zu deren Betrug zum Nachteil der Klägerin vorsätzlich Hilfe leistete (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB bzw. § 830 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB).
1.
Die Voraussetzungen einer Hilfeleistung in
diesem Sinne richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Danach verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens
in groben Zügen den Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen aus-zuführen oder sie als
fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein [X.] festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützte und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war. Eine Haftung ist nur bei vorsätzlicher Beteiligung an einem fremden [X.] gegeben ([X.], Beschluss vom 30. September
2014 -
VI ZR 567/13, juris Rn.
4; Urteile vom 10.
Juli 2012 -
VI [X.], [X.]Z 194, 26 Rn. 15; vom 15.
Mai
2012 -
VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 17). [X.] Vorsatz reicht für die subjektive Tatseite der Beihilfe aus. Der Vorsatz eines Gehilfen muss sich auf die Ausfüh-rung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten ([X.], Beschlüsse vom 28. Februar 2012 -
3 [X.], [X.], 302; vom 8. November 2011 -
3
StR 310/11, [X.], 264; vom 20. Januar 2011 -
3 [X.], [X.], 399, 400; vom 12. Juli 2000 -
1 [X.], [X.], 382; Urteil vom 18. April 1996 -
1 [X.], [X.]St 42, 135, 137).
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Der Vorsatz enthält ein "Wissens-"
und ein "Wollenselement". Der [X.] muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt oder vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Um-stände jedenfalls für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Es genügt dage-gen nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und sich dem Handelnden hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situati-on ist lediglich ein [X.] gerechtfertigt ([X.], Urteile vom 15.
Oktober 2013 -
VI [X.], NJW 2014,
1380 Rn. 12; vom 14. Mai 2013
-
VI [X.], [X.]Z 197, 225 Rn. 17; vom 20. Dezember 2011 -
VI [X.], NJW-RR 2012, 404 Rn. 10).
2.
Von diesen an einen
Gehilfenvorsatz zu stellenden Anforderungen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, indem es diese seiner Prüfung aus-drücklich und zutreffend vorangestellt hat. Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten hat es der folgenden Begründung nicht -
auch nicht verdeckt -
einen Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde gelegt. Vielmehr hat es sich die Über-zeugung gebildet, dass die Beklagte durch ihren Tatbeitrag den Betrug der [X.]
P. gefördert, "nämlich in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit die-ser gehandelt
hat." Die Beklagte vermöge sich "nicht mit Erfolg mit der Behaup-tung zu entlasten, dass sie über die Vertragsbeziehung der [X.]
P. zur Klägerin und die dort getroffenen Absprachen, so insbesondere über die Höhe des Kaufpreises, keine Kenntnis gehabt habe". Die Begründung nur eines Fahrläs-sigkeitsvorwurfs ergibt sich auch nicht aus der Formulierung, dass die Beklagte "in allen in Frage kommenden Alternativen unzweifelhaft wissen musste", dass [X.]
P. betrügerisch zu Lasten der Versicherungsnehmer vorging. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt, sollte mit dieser Formulierung nicht ausgedrückt werden, was die Beklagte bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, sondern, dass es -
wie im Wei-13
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teren begründet wird -
ohne Zweifel so sein muss, dass sie die maßgeblichen Umstände kannte.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das [X.]. Dieses kann lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteile vom 20. Dezember 2011 -
VI [X.], [X.], 454 Rn. 13; vom 19. Ok-tober 2010 -
VI [X.], [X.], 223 Rn. 10; vom 6. Juli 2010 -
VI [X.], [X.], 1220 Rn. 14; [X.], Urteil vom 26. Oktober 2004 -
XI ZR 211/03, [X.], 1301 Rn. 9).
Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung auf die von der Revision der Beklagten nicht angegriffenen Fest-stellungen gestützt,
dass die Beklagte und [X.] in einer auf den Ankauf frem-der Lebensversicherungen gegen sofortige [X.] gerichteten ständi-gen Geschäftsbeziehung standen und die Beklagte wusste, dass sie von [X.] bereits gekündigte Lebensversicherungen kaufte und
die von ihr an [X.] ge-zahlten Kaufpreise erheblich unter den ihr bekannten [X.]n lagen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kannte die Beklagte zwar nicht die Kaufpreise, die [X.] bzw. die U. GbR mit den Versicherungsnehmern ver-einbart hatte. [X.] hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass es insoweit nur drei denkbare Varianten gab: Der vereinbarte Kaufpreis entsprach entweder genau dem Rückkaufwert oder er lag darüber oder [X.]. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine irrtümliche Annahme der Beklagten dahingehend ausgeschlossen hat, 15
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-

dass die Versicherungsnehmer die gekündigten Lebensversicherungen zu ei-nem Kaufpreis unter dem Rückkaufwert anboten (Variante 2). In der Tat ließe
sich nicht erklären, weshalb die Versicherungsnehmer, etwa bei dringendem Bargeldbedarf, sich nicht wenigstens den Rückkaufwert dadurch sicherten, dass sie diesen nach Kündigung selbst einzogen. [X.] ist ferner die Würdigung des Berufungsgerichts, dass für den -
hier tatsächlich gegebenen -
Fall, dass die den Versicherungsnehmern versprochenen Kaufpreise über dem Rückkaufwert lagen (Variante 1), der damit versprochene Gewinn
angesichts der
von der Beklagten an [X.] gezahlten erheblich unter dem Rückkaufwert liegenden Kaufpreise
nicht erzielt werden konnte. In dieser Variante war somit klar, dass [X.] die
Kaufpreise
von vornherein nicht in der versprochenen Höhe zahlen konnte oder wollte. Dasselbe gilt
auch für Variante 3, also den Fall, dass die
den Versicherungsnehmern versprochenen
Kaufpreise
dem Rückkaufwert entsprachen. Auch hier war klar, dass [X.]
mit den unter den
[X.]n
liegenden Kaufpreiszahlungen
seitens der Beklagten ihr Versprechen gegen-über den Versicherungsnehmern nicht erfüllen konnte. Auf die Begründung des Berufungsgerichts, dass es in diesem Fall für die Versicherungsnehmer zudem (wirtschaftlich) nicht sinnvoll war, [X.] überhaupt gegen Zahlung einer Provisi-on einzuschalten, anstatt den Rückkaufwert selbst einzuziehen, kommt es in dieser Variante im Ergebnis nicht an.
Weitere denkbare Varianten sind weder von der Revision der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Schließlich ist es entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten
nicht widersprüchlich oder
zumindest begründungsbedürftig, dass das [X.] jeweils unter Hinweis auf die wirtschaftliche Sinnlosigkeit des von [X.] und U. B. betriebenen Geschäftsmodells von [X.]
bei der Beklagten von (zumindest) bedingtem Vorsatz und bei der Klägerin (nur) von Leichtfertigkeit ausgegangen ist. Diese differenzierte Bewertung erklärt sich zwanglos schon
dadurch, dass die Klägerin nur die sie selbst betreffenden Umstände kannte, 17
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wohingegen die Beklagte wegen ihrer ständigen Geschäftsbeziehung mit [X.] Kenntnisse über den Umfang der Geschäfte
und insbesondere die verdachts-begründenden Umstände ihrer eigenen Beteiligung (Ankauf von [X.] gegen Barzahlungen in Höhe deutlich unter den
[X.]) hatte.

III.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Die Anrechnung eines schadensmindernden Mitverschuldens der Kläge-rin
hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Klage ist -
wie von der Klägerin in der Hauptsache noch begehrt -

n-sen begründet.
1. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle in Betracht kommenden Umstände voll-ständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwä-gungen zugrunde gelegt hat ([X.], Urteile vom 28. April 2015 -
VI [X.], NJW-RR 2015, 1056 Rn. 10; vom 23. November 2010 -
VI [X.], NJW-RR 2011, 347 Rn. 29 jeweils
mwN).
2. Dem vorsätzlich handelnden Schädiger ist es in der Regel verwehrt, sich auf ein fahrlässiges
mitwirkendes Verhalten des Geschädigten zu berufen ([X.], Urteile vom 23. November 2010 -
VI [X.], NJW-RR 2011, 347 Rn. 31; vom 5. März 2002
-
VI [X.], NJW 2002, 1643, 1646; vom 6. [X.] -
VI ZR 60/82, NJW 1984, 921, 922; [X.], Urteile vom 10. No-vember 2016 -
III ZR 235/15, [X.]Z 213, 1
Rn. 41, vom 21. Mai 1987 -
III ZR 25/86, NJW
1988, 129, 130 mwN). Dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos. 18
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Vielmehr ist stets darauf abzustellen, ob es nach den Gegebenheiten des [X.] Einzelfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gerechtfertigt ist, dass der Schaden teilweise bei dem nur fahrlässig an der Schadensentste-hung mitwirkenden Geschädigten belassen wird ([X.], Urteile vom 23. No-vember 2010 -
VI [X.], NJW-RR 2011, 347 Rn. 31; vom 5. März 2002 -
VI [X.], NJW 2002, 1643, 1646; vom 8. Juli 1986 -
VI [X.], [X.]Z 98, 148, 158 f.; [X.], Versäumnisurteil vom 10. November 2016 -
III ZR 235/15, [X.]Z 213, 1
Rn. 41
jeweils
mwN).

Jedoch kommt bei einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbin-dung mit § 263 Abs. 1 StGB und direktem Schädigungsvorsatz die anspruchs-mindernde Berücksichtigung eines fahrlässigen Verhaltens des Geschädigten nicht in Betracht
(vgl. zu § 826 BGB [X.], Versäumnisurteil vom 10. November 2016 -
III ZR 235/15, [X.]Z 213, 1 Rn. 42; Urteil vom 9. Oktober 1991 -
VIII ZR 19/91, [X.], 310, 311). Dies gilt bereits dann, wenn ein (Mit-) Täter oder Gehilfe mit zumindest direktem Vorsatz handelte. Denn die Verursachungs-
und Schuldbeiträge von Mittätern oder Gehilfen sind in einer Gesamtschau dem [X.] des Geschädigten gegenüberzustellen ([X.], Versäumnisurteil vom 10.
November 2016 -
III ZR 235/15, [X.]Z 213, 1
Rn. 46
mAnm Ekken-ga/Schirrmacher, [X.], 299, 301; Looschelders, [X.] [1999], S. 619 f.; zur Mittäterschaft [X.], Ur-teil vom 16. Juni 1959 -
VI [X.], [X.], 203, 206).
3. So liegt es hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts. Ein schadensminderndes
Mitverschulden der Klägerin
kann schon
deshalb nicht berücksichtigt werden, weil
jedenfalls die Haupttäterin [X.] zumindest mit di-rektem Vorsatz handelte. Dies ergibt sich bereits aus der Feststellung des [X.]s, wonach [X.] ein einem "Schneeballsystem"
entsprechendes Geschäftsmodell betrieb
(siehe weiter zu Schaden und Schädigungsvorsatz bei 22
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sog. Schneeballsystemen [X.], Beschluss vom 18. Februar 2009 -
1 StR 731/08, [X.]St 53, 199 Rn. 17 f.; Urteil vom 24. März 2016 -
2 StR 36/15, [X.], 404
Rn. 23, 25 mwN).

I[X.]
Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben, soweit das [X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung kann der [X.] selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Galke
Oehler
Roloff

[X.]
Allgayer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.06.2015 -
3 O 25/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.03.2016 -
7 U 149/15 -

24

Meta

VI ZR 128/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. VI ZR 128/16 (REWIS RS 2017, 399)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 399

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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