Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2010, Az. VIII ZR 209/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1598

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[X.] [X.] ZR 209/08
vom 9. November 2010 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. November 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterinnen [X.] und [X.] sowie [X.] [X.] beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 20. Juni 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 128.155,14 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die [X.]en sind Handelsvertreter für Zulieferer der Automobilindustrie. Die Klägerin begehrt von der [X.] Provisionszahlung in Form der hälftigen Abgabe der von der [X.] verdienten Provisionen aus bestimmten Ge-schäften. 1 Die Klägerin verfügt über enge Kontakte zu den Herstellerfirmen [X.]und [X.], die Beklagte unter anderem zu den Herstellerfirmen G.
M. und [X.]
. Am 25. März 1992 schlossen die [X.]en unter Wahl des [X.] Rechts ein "Agreement of Cooperation". Hierin vereinbarten sie in § 6.2 die hälftige Provisionsteilung für den Fall, dass die Beklagte Geschäfte 2 - 3 - zwischen den Herstellern [X.]oder V.

und eigenen Vertragspartnern ver-mittelt oder Vertragspartner der [X.] aufgrund Vermittlungstätigkeit der [X.] Produkte an Dritte liefern, die Designentwicklungen der Hersteller [X.]oder [X.] enthalten. 3 Zu den von der [X.] vertretenen Unternehmen gehörten die Zulie-fererbetriebe G. F.

AG und [X.]. Die [X.]AG [X.] und Achsschenkel, der Zulieferer [X.]. Die Beklagte ist durch - rechtskräftiges - erstinstanzliches Teilurteil vom 26. März 2004 zur Erteilung eines auf diese Produkte bezogenen Buchauszugs für die [X.] vom 1. Januar 1996 bis zum 25. März 2000 verurteilt worden, da das Gericht die Behauptung der Klägerin, die Produkte enthielten [X.], auf der Grundlage eines eingeholten [X.] für erwiesen hielt. 4 In dem daraufhin erstellten Buchauszug hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe Verkäufe der streitigen Produkte weder vermittelt noch hierfür Provisionen erhalten. Die Klägerin hält diese Angaben für falsch und hat mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2005 ihren Antrag unabhängig von dem ihr durch die Beklagte erteilten Buchauszug beziffert. Sie hat vorgetragen, in der [X.] vom 1. Januar 1996 bis zum 25. März 2000 habe der Automobilzulieferer [X.]eine im Einzelnen (nach Jahr, Autohersteller und Fahrzeugmodell) [X.] von Motorblöcken zu einem Einzelpreis von je 100 • geliefert. Im gleichen [X.]raum habe die Automobilzulieferin [X.]AG eine im Einzelnen (s.o.) aufgegliederte Anzahl an Pleuelstangen und Achsschenkeln zu einem Preis von 3,08 • bzw. 13,05 • je Satz geliefert. Die Lieferung dieser Teile, die auf [X.] zurückgingen, sei durch die Beklagte vermittelt worden, die dafür 3 % Provision auf den Listenpreis erhalten habe. Zum Beweis für ihren 5 - 4 - - von der [X.] umfassend bestrittenen - Vortrag hat sie sich auf das [X.] diverser Personen berufen, die als Mitarbeiter bei [X.], bei der G.

F. AG, bei S.

und bei der [X.] tätig sind. 6 Grundlage der klägerischen Berechnung ist eine als Anlage [X.] vorge-legte Studie der [X.], die die Produktionszahlen einzelner Kraft-fahrzeuge, geordnet nach Hersteller, Herstellungsort, verwandter Modellplatt-form, Modell, Hubraum und Zylinder auflistet. Informationen zu Lieferungen und Preisen von einzelnen Bauteilen enthält die Studie jedoch ebenso wenig wie Angaben darüber, ob und gegebenenfalls welche Geschäfte die Beklagte ver-mittelt und welche Provision sie dafür bekommen hat. Bezüglich der von ihr ge-nannten Lieferpreise hat die Klägerin sich darauf berufen, es handele sich um die Angebotspreise der jeweiligen Automobilzulieferer. Der von ihr zugrunde gelegte Provisionssatz von 3 % sei der übliche Provisionssatz, den die Beklagte auch mit anderen Automobilzulieferern regelmäßig vereinbart habe. Die Klägerin hat auf der Basis des von ihr dargestellten Sachverhalts den von ihr beanspruchten Provisionsanteil von 50 % berechnet und in erster In-stanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 2.664.990,25 • zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das [X.] hat den [X.] ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, soweit Provisionsansprüche für die [X.] vom 1. Januar 2000 bis zum 25. März 2000 in Höhe von 128.155,14 • zuzüglich Zinsen abgewiesen wurden. Das Berufungs-gericht hat die Berufung durch Urteil vom 20. Juni 2008 - ebenfalls ohne Be-weisaufnahme - zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. 7 - 5 - I[X.] 8 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg. 9 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: 10 Der Vortrag der Klägerin sei zwar an sich hinreichend konkret, um den [X.] schlüssig zu begründen. Die Klägerin habe durch ihre Behaup-tung, die Beklagte habe für die Vermittlung von Zubehörteilen, die eine Design-entwicklung von [X.]enthielten, Provisionen im genannten Umfang verdient, die notwendigen Einzelheiten vorgetragen. Allerdings seien die [X.] der Klägerin für den von der [X.] bestrittenen Vortrag unzulässig, da es sich erkennbar um "Behauptungen ins Blaue" hinein handele. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie ihre Behauptungen allein auf die Auskunft der Glo-bal Insight Inc. zu stützen vermöge, da die Auskünfte der [X.] ihr nicht weitergeholfen hätten. Diese Auskunft der [X.] stelle aber nur eine allgemein zugängliche Produktionsliste dar. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sämtliche der von der Klägerin behaupteten Fahrzeuge mit Motor-blöcken, Pleuelstangen und Achsschenkeln der Zulieferer [X.]und G.

F. AG ausgestattet worden seien, die Beklagte diese Geschäfte ver-mittelt und dafür eine Provision in Höhe von 3 % des Listenpreises der [X.] erhalten habe, gebe es nicht. Vielmehr sei ersichtlich, dass der Vortrag und insbesondere der Beweisantritt der Klägerin nur erfolgt seien, um die Rich-tigkeit des Buchauszugs der [X.] vom 8. August 2004 überprüfen zu [X.] und durch die Beweisaufnahme möglicherweise konkrete Einzelheiten zu erfahren. - 6 - 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. 11 12 Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise, indem es dem von der Klägerin angebotenen Beweis für ihre Behauptung, die Beklagte habe im [X.] für die Vermittlung von Lieferverträgen über Zubehörteile, die auf eine [X.]entwicklung zurückgingen, im einzelnen dargestellte [X.] erhalten, nicht nachgegangen ist. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Re-levanz des Verfahrensfehlers ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ([X.], [X.], 671, 672; [X.], Beschluss vom 12. Juni 2008 - [X.], juris Rn. 5; Urteil vom 2. April 2009 - [X.], [X.] 2009, 410 Rn. 23 mwN; Senatsbeschluss vom 11. Mai 2010 - [X.] ZR 212/07, juris Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall, denn es handelte sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. 13 aa) [X.], die darauf zielen, erst aufgrund der Beweisaufnahme die zur Konkretisierung des [X.] benötigten eigentlichen beweis-erheblichen Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die sodann behauptet, unter Beweis gestellt und damit zur Grundlage neuen Vortrags gemacht werden [X.], sind unzulässig ([X.], Urteil vom 4. März 1991 - [X.], NJW-RR 1991, 888 unter [X.]). Vorliegend ist diese Fallgestaltung allerdings nicht ge-geben. Die Klägerin hat die behaupteten entscheidungserheblichen Tatsachen 14 - 7 - (Vorhandensein und Höhe der Provisionseinkünfte der [X.] für die [X.] von im einzelnen benannten Geschäften über konkret angegebene [X.], die auf einem [X.]-Design beruhen) unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellt sich dieser Sachvortrag als richtig heraus, so steht fest, dass der Anspruch der Klägerin besteht (vgl. [X.], Urteil vom 4. März 1991 - [X.], aaO). [X.]) Dem Erfordernis einer Beweisaufnahme steht auch nicht entgegen, dass Grundlage der klägerischen Behauptung eine Vermutung ist. Häufig muss eine [X.] Tatsachen behaupten, über die sie eine genaue Kenntnis nicht ha-ben kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder mög-lich hält. Von Rechts wegen ist sie grundsätzlich nicht gehindert, solche Be-hauptungen in den Prozess einzuführen und eine Beweisaufnahme darüber zu erwirken. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist ([X.], Urteil vom 27. Mai 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 337 unter [X.] mwN). 15 Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Will-kürvorwurf rechtfertigen können ([X.], Urteil vom 27. Mai 2003 - [X.], aaO mwN). Derartiges zeigt die Beklagte nicht auf. Im Gegenteil ist unstreitig, dass die Firmen [X.] und F.

W. zu den Auftraggebern der [X.] gehören. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass die Firma G. F.

Pleuelstangen und Achsschenkel und der Zulieferer [X.] produziert haben. Angesichts des eingeholten Sach-verständigengutachtens ([X.] ff.) erscheint es nahe liegend, dass [X.] die Pleuelstangen für den [X.] 3.0 t des Fahrzeugtyps [X.]9-5 und die Achsschenkel des Fahrzeugtyps S.
9-3, die sich durch eine Veränderung 16 - 8 - der Gussform auszeichnen, auf eine [X.]entwicklung zurückgehen und insoweit einen Provisionsteilhabeanspruch der Klägerin begründen können. Die als Anlage [X.] vorgelegte Studie der [X.] enthält Produktions-zahlen der genannten Fahrzeugtypen. Angesichts dieser Umstände ist die An-nahme eines willkürlichen Vortrags nicht gerechtfertigt. 17 b) Damit hat das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der Kläge-rin auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt. Das Berufungsurteil beruht auf dieser Grundrechtsverletzung. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Erhebung der angebotenen Beweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 420 O 13/02 - O[X.], Entscheidung vom 20.06.2008 - 11 U 22/07 -

Meta

VIII ZR 209/08

09.11.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2010, Az. VIII ZR 209/08 (REWIS RS 2010, 1598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1598

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