Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2006, Az. XI ZB 14/06

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1442

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[X.] [X.] vom 10. Oktober 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ ZPO § 519 Abs. 2 Zur Auslegung der Berufungsschrift bei falscher Bezeichnung des [X.].

[X.], Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - [X.]

LG München I
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] und [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] am 10. Oktober 2006 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerden des [X.] zu 1) und der Beklagten wird der Beschluss des 19. Zivilse-nats des [X.] vom 21. März 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten und über die Kosten des [X.] an das [X.] zu-rückverwiesen. [X.]: 228.353,03 •
Gründe: [X.] Das [X.] hat mit Urteil vom 12. Oktober 2005, zugestellt am 25. November 2005, der Zahlungsklage der Klägerin gegen die [X.] Aktiengesellschaft, deren Vorstand der [X.] 1 - 3 - zu 1) ist, in vollem Umfang von 228.353,03 • zuzüglich Zinsen stattge-geben. Am 20. Dezember 2005 ist eine Berufungsschrift des [X.]n Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Berufungsgericht ein-gegangen; eine Ablichtung des vollständigen Urteils des [X.]s soll beigefügt gewesen sein. Der Text der Berufungsschrift lautet aus-zugsweise: "In Sachen U. E. , –, Kläger und Berufungskläger, –, gegen M. eG, –, Beklagte und Berufungsbeklagte, –, wegen Forderung, Aktenzeichen erstinstanzlich [X.] München I, Geschäftszeichen: 29 O 1037/05 [X.]: 228.353,03 •
lege ich hiermit namens des [X.] und [X.] gegen das am 12.10.2005 verkündete und am 25.11.2005 zugestellte Endurteil des [X.]s München I, [X.].: 29 O 1037/05 Berufung ein." Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2005 beantragte der [X.] Prozessbevollmächtigte der Beklagten "in Sachen [X.]gegen [X.]" die Verlängerung der [X.]. Am 18. Januar 2006 bat er um Berichtigung des Rubrums dahin, dass bei der 2 - 4 - Beklagtenpartei die Parteibezeichnung "D.

AG, vertreten durch den Vorstand [X.]" laute. Zugleich legte er für diese vorsorglich nochmals Be-rufung ein, verbunden mit dem Antrag, gegen die Versäumung der Beru-fungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Beschluss vom 21. März 2006 hat das Berufungsgericht die Berufung des [X.] zu 1) als unzulässig verworfen sowie den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung des [X.] zu 1) könne nicht als Berufung der Beklagten ausgelegt werden. Zwar sei zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass der Berufungsschrift eine Abschrift des angefochtenen Urteils beigelegen habe. Im Hinblick auf eine beim Berufungsgericht am 3. November 2005 eingelegte Berufung des [X.] zu 1), mit der er sich in einem Parallelverfahren gegen die Abweisung seiner gegen die Kläge-rin des vorliegenden Rechtsstreits gerichteten [X.] durch ein Urteil des [X.]s T.

vom 6. Oktober 2005 [X.]-dete, verblieben aber Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers, weil eine irrtümliche Wiederholung der Berufungseinlegung des [X.]s zu 1) gegen dieses Urteil nicht ausgeschlossen wer-den könne. Aufgrund dessen seien die Berufung des Rechtsbeschwerde-führers zu 1) mangels Beschwer und die Berufung der Beklagten infolge Fristversäumung unzulässig. Gegen diesen Beschluss [X.]den sich die beiden [X.]. 3 - 5 - I[X.] 4 Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. 5 1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde des [X.] ist zulässig, weil zur Sicherung [X.] einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der ange-fochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschut-zes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschwe-ren (vgl. dazu [X.] 74, 228, 234; [X.] NJW 2005, 814, 815; [X.]Z 151, 221, 227). Indem das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2.) davon ausgegangen ist, dass nicht die im Verfahren vor dem [X.] unter-legene Beklagte, sondern der durch das Urteil erster Instanz nicht be-schwerte und bis dahin an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Rechtsbe-schwerdeführer zu 1) Berufungskläger sei, hat es der Beklagten den Zu-gang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt. 6 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. 7 a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge [X.] - 6 - forderungen zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nur entsprochen, [X.]n bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für [X.] und gegen [X.] das Rechtsmittel eingelegt werden soll (Senat, Beschluss vom 22. No-vember 2005 - [X.] ZB 43/04, NJW-RR 2006, 284 m.w.Nachw.). Da mit der Berufung ein neuer Verfahrensabschnitt vor einem anderen Gericht [X.] wird, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung ei-nes geordneten Verfahrenablaufs die Parteien des [X.] und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verstän-diger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein ([X.], Ur-teil vom 15. November 2001 - [X.], [X.]Report 2002, 655 m.w.Nachw.). Dabei ist die erforderliche Klarheit über den Rechtsmittel-führer nicht allein aus dessen ausdrücklicher Bezeichnung zu erzielen. Sie kann vielmehr - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterla-gen gewonnen werden (Senat, Beschluss vom 22. November 2005, aaO). b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die fristgerecht eingegangene Beru-fung nicht von der Beklagten eingelegt worden ist. 9 Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der am 20. Dezember 2005 eingegangenen Berufungsschrift eine [X.] - 7 - schrift des angefochtenen Urteils beigefügt war. Dann bestand aber kein Anlass zu Zweifeln, dass die Beklagte Berufungsklägerin sein sollte. Dem steht nicht entgegen, dass als solche in der Berufungsschrift der [X.] zu 1) bezeichnet war und zusätzlich die [X.] in erster Instanz vertauscht waren. Unter Berücksichtigung des-sen, dass die Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil mit den [X.] Angaben des Aktenzeichens, des [X.] und des [X.]es sowie mit derselben Kurzbezeichnung "wegen Forde-rung" anführte und im beigefügten Urteil des [X.]s die D.

AG als einzi-ge und voll verurteilte Beklagte ausgewiesen war, während der [X.] zu 1) - bis auf seine Stellung als Vorstand der [X.] - an dem Rechtsstreit nicht beteiligt war, konnten für das Berufungs-gericht und die Klägerin aus damaliger Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der [X.] zu 1) bei der Beru-fungseinlegung versehentlich anstelle der Beklagten als Berufungskläger benannt worden war. Dass auch der innerhalb der Berufungsfrist einge-gangene Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 22. Dezember 2005 die falsche Rubrumsbezeichnung enthielt, ist [X.], weil es sich hierbei - wie sich auch an der Beifügung der Beru-fungsschrift zeigt - um einen offensichtlichen Folgefehler handelt.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben sich auch keine vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers daraus, dass vor demselben Senat ein Rechtsmittelverfahren zwischen dem [X.] zu 1) als Kläger und Berufungskläger und der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits als Beklagter und Beru-fungsbeklagter anhängig war. Bis auf die - allerdings einen gewichtigen, 11 - 8 - aber eben nicht ausschlaggebenden Umstand darstellende - Parteibe-zeichnung wies die Berufungsschrift keinen Bezug zu diesem Verfahren auf; die dortige Berufung richtete sich gegen das Urteil eines anderen [X.]s mit einem anderen Aktenzeichen, einem anderen Be-schwerdewert und einer anderen Kurzbezeichnung des Streitgegen-stands ("wegen [X.]" statt "wegen Forderung"). Zudem waren die Berufung bereits am 3. November 2005 eingelegt [X.] und anhand der Aktenlage - eigene Feststellungen hat das [X.] nicht getroffen - keine Gründe ersichtlich, weshalb der [X.] zu 1) seine Berufung ca. 6 Wochen später, d.h. deutlich nach Ablauf der Berufungsfrist, wiederholen sollte.
c) Deshalb musste die Auslegung der am 20. Dezember 2005 frist-gerecht eingegangenen Berufungsschrift zum Ergebnis führen, dass die Beklagte als Berufungsklägerin anzusehen war. Das Berufungsgericht durfte die mit Schriftsatz vom 18. Januar 2006 vorsorglich eingelegte nochmalige Berufung deshalb nicht als unzulässig verwerfen, sondern musste sie als gegenstandslos ansehen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Mai 2000 - [X.], NJW-RR 2000, 1661, 1662). Daraus folgt 12 - 9 - zugleich, dass der [X.] zu 1) keine Berufung einge-legt hat, so dass eine solche auch nicht auf seine Kosten als unzulässig verworfen werden durfte. [X.] [X.] Ellenberger [X.] Grüneberg Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.10.2005 - 29 O 1037/05 - [X.], Entscheidung vom 21.03.2006 - 19 U 5776/05 + 19 U 2459/06 -

Meta

XI ZB 14/06

10.10.2006

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2006, Az. XI ZB 14/06 (REWIS RS 2006, 1442)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1442

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