Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2006, Az. XII ZR 97/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 444

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 6. Dezember 2006 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in Sachen Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 133 [X.], 157 Gi Zur Auslegung der schriftsätzlich erklärten Bereitschaft, sich einer außergericht-lichen [X.] zu unterziehen, als rechtlich bindende [X.]. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2006 - [X.]/04 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und Dose für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 6. Mai 2004 wird, soweit sie noch Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist (Hauptantrag), auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger hatte mit Jugendamtsurkunde vom 16. Januar 1984 aner-kannt, Vater des am 12. September 1983 geborenen [X.]n zu 2 zu sein. Mit dessen Mutter, der [X.]n zu 1, war er zu keinem Zeitpunkt verheiratet. 1 Inzwischen bezweifelt der Kläger seine biologische Vaterschaft und be-gehrt mit seiner am 28. August 2003 zugestellten Klage in erster Linie, die [X.] entsprechend einer von ihnen widerrufenen Einverständniserklärung vom 29. November 2001 zu verurteilen, "einen Vaterschaftstest nach den aner-kannten Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen, welcher darstellt, ob der Kläger der Vater des [X.]n zu 2 ist oder nicht". Hilfsweise begehrt er mit seiner insoweit nur gegen den [X.]n zu 2 erhobenen Klage, festzustellen, dass er nicht dessen Vater sei. 2 - 3 - Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.], dessen Entscheidung in [X.], 1987 veröffentlicht ist, hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des [X.], mit der er sein Begehren weiterverfolgt. 3 4 Der Senat hat das Revisionsverfahren, soweit es den Hilfsantrag betrifft, gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt. Entscheidungsgründe: Die Revision, deren Gegenstand nach Prozesstrennung hier nur noch der Hauptantrag ist, hat keinen Erfolg. 5 [X.] Die Berufung des [X.] ist zulässig. Insbesondere konnte der Kläger sie zum [X.] einlegen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob für die Entscheidung über den Hauptantrag die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig gewesen wäre, gegen dessen Entscheidung dann Be-rufung zum [X.] hätte eingelegt werden müssen (vgl. [X.] FamRZ 1978, 835, 836). Denn weil hier im ersten Rechtszug das [X.] ent-schieden hat, ergibt sich die Rechtsmittelzuständigkeit des [X.]s aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 a [X.] (formelle Anknüpfung). Zur Entscheidung über das Rechtsmittel war folglich auch der Familiensenat des [X.]s berufen (vgl. Musielak/[X.] aaO § 119 [X.] Rdn. 9 f.). 6 - 4 - I[X.] 7 Die Ansicht des Berufungsgerichts, die [X.]n seien ungeachtet ihrer Erklärung, zur Mitwirkung an einer Vaterschaftsbegutachtung bereit zu sein, hierzu nicht verpflichtet, hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der [X.] zumindest im Ergebnis stand. 8 1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht eine gesetzliche Verpflich-tung der [X.]n, eine Vaterschaftsbegutachtung "durchzuführen". Eine ge-setzliche Pflicht, genetisches Material des eigenen Körpers bereitzustellen, ei-nem Sachverständigen zu übergeben und diesen mit einer Abstammungsfest-stellung zu beauftragen, kennt das [X.] Recht nicht. Selbst wenn man den Klageantrag in sinnvoller Weise dahin auslegt, dass lediglich die Duldung der Entnahme und Untersuchung solchen Materials begehrt wird, ergibt sich hier nichts anderes. Eine solche Duldungspflicht besteht nach § 372 a Abs. 1 ZPO erst, wenn und soweit dies im Rahmen einer gerichtlichen Beweisanordnung erforderlich und dem Betroffenen und seinen in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen zumutbar ist. Eine solche gerichtliche Beweisanord-nung ist hier nicht getroffen worden. 2. Es bedarf hier auch keiner Entscheidung über die vom [X.] letztlich offen gelassene Frage, ob es überhaupt möglich ist, sich durch Rechtsgeschäft, sei es durch Vertrag mit oder ohne nachfolgendes deklaratori-sches Anerkenntnis oder gegebenenfalls auch durch konstitutives Anerkennt-nis, zur Mitwirkung an einer Vaterschaftsfeststellung oder zur Duldung der [X.] erforderlichen Maßnahmen wirksam zu verpflichten. 9 Gegen die Wirksamkeit einer solchen Verpflichtung spricht allerdings, dass höchstpersönliche, der freien Selbstbestimmung vorbehaltene Verhal-tensweisen unter Umständen schon ihrem Wesen nach einer rechtsgeschäftli-10 - 5 - chen Bindung entzogen sind, zumindest aber als unwiderrufliche Selbstbindung gegen die guten Sitten verstoßen können (vgl. [X.]/[X.] [2003] § 138 Rdn. 464; Soergel/Hefermehl [X.]. § 138 Rdn. 21; [X.], Urteil vom 17. April 1986 - [X.] - FamRZ 1986, 773, 775: Unverbindlichkeit der Zusage der Einnahme empfängnisverhütender Mittel). 11 Andererseits hat das [X.] nicht in Frage gestellt, dass eine freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen auch in Gestalt der Eingehung einer vertraglichen Verpflichtung oder Obliegenheit erfolgen kann, solche Informationen seinem Vertragspartner mitzuteilen oder Dritte zu derarti-gen Mitteilungen zu ermächtigen. Es hat dies damit begründet, der Vertrag sei das maßgebliche Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortli-chen Handelns in Beziehung zu anderen. Der in ihm zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse in der Regel auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren habe ([X.], [X.] vom 23. Oktober 2006 - 1 BvR 2027/02 - [juris], zur [X.] bestimmt). 3. Ebenfalls kann hier offen bleiben, ob die seine Entscheidung tragende Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, eine gegebenenfalls wirksame rechtliche Verpflichtung zur [X.] persönlicher genetischer Informationen sei [X.] frei widerruflich, weil ein auch für die Zukunft bindender Verzicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht möglich sei. 12 4. Das Berufungsgericht hat nämlich wegen dieser Rechtsauffassung von einer Auslegung der Einverständniserklärung vom 29. November 2001 ab-gesehen und den Vertragscharakter dieser Abrede unterstellt. Das Revisions-gericht kann diese Auslegung daher selbst vornehmen, da hierzu weitere Fest-stellungen nicht erforderlich sind (vgl. [X.] 65, 107, 112; 109,19, 22). Diese 13 - 6 - Auslegung ergibt, dass die Erklärung vom 29. November 2001, wie vom [X.] zutreffend erkannt, lediglich eine Absichtserklärung im Sinne der An-kündigung eines künftigen tatsächlichen Verhaltens darstellte, weil die [X.] sich nicht in rechtsgeschäftlich bindender Weise verpflichten wollten und der Kläger dies auch nicht so verstehen durfte. 14 a) Der vorgerichtliche Schriftsatz der späteren erst- und zweitinstanzli-chen Prozessbevollmächtigten der [X.]n vom 29. November 2001, mit dem sie zunächst die Vertretung (nur) des bereits volljährigen späteren [X.]n zu 2 anzeigte, nahm "für unseren Mandanten" Stellung zu einer schriftsätzlichen Anfrage des späteren Prozessbevollmächtigten des [X.], ob die [X.]n zur Durchführung einer Blutgruppenanalyse "bereit" seien, und beantwortete sie zunächst dahingehend, der [X.] zu 2 sei nicht bereit, (vorab) seine Blut-gruppe bekannt zu geben. Schon aus dem Wortlaut dieser Anfrage ist ersichtlich, dass der Kläger weder auf Abschluss eines [X.] noch eine selbständige Verpflich-tungserklärung der [X.]n begehrte. 15 b) Der nächste Absatz des Schriftsatzes vom 29. November 2001, des-sen weiterer Inhalt sich im Übrigen nur mit der zur Höhe streitigen Unterhalts-verpflichtung des [X.] gegenüber dem [X.]n zu 2 befasst, lautet wie folgt: 16 "Wenn Ihr Mandant Interesse an der Feststellung der Vaterschaft hat, wird sich unser Mandant selbstverständlich nicht sträuben. Sowohl er als auch Frau [X.] [= [X.] zu 1] erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass ein Sachverständigengutachten über die Vaterschaft eingeholt wird. Unser Mandant und seine Mutter werden sich auch allen erforderlichen ärztlichen [X.] - 7 - tersuchungen unterziehen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Ihre [X.] die Kosten des Gutachtens übernimmt." 18 Auch dem Wortlaut dieser Erklärung lässt sich kein Hinweis auf ein Ver-tragsangebot oder ein konstitutives Schuldanerkenntnis entnehmen, mit dem eine rechtliche Verpflichtung eingegangen werden sollte. Sie enthält lediglich die Wiedergabe der Erklärung, dass die [X.]n mit dem vom Kläger beab-sichtigten weiteren Vorgehen ausdrücklich einverstanden sind, und die tatsäch-liche Ankündigung der hierfür erforderlichen Mitwirkung. Auch die Bekräftigung durch das Wort "ausdrücklich" ist nicht geeignet, aus einer solchen tatsächli-chen Ankündigung eine rechtliche Verpflichtung entstehen zu lassen. Dies gilt um so mehr, als die Prozessbevollmächtigte der [X.]n [X.] nicht etwa als eigene Erklärung im Namen des [X.]n zu 2, dessen Vertretung sie anzeigte, und zugleich auch im Namen der [X.]n zu 1 abgab, von der ebenfalls bevollmächtigt zu sein sie nicht einmal behauptet hat. Die den Schriftsatz einleitende ausdrückliche Anzeige, die Interessen des [X.]n zu 2 zu vertreten, mit dem weiteren Hinweis, dessen Vollmacht sei in der Anlage beigefügt, war vielmehr auch vom Kläger nur so zu verstehen, dass eine Vollmacht der [X.]n zu 1 (noch) nicht vorlag. Dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigte der [X.]n die Einverständniserklärung selbst, und zwar namens der [X.]n zu 1 als vollmachtlose Vertreterin, abgeben wollte und dies nur ungenau formuliert hat. Eine derartige Vorwegnahme der Erklärung einer [X.] durch eine Rechtsan-wältin, die von dieser [X.] nicht mandatiert ist, wäre selbst dann ungewöhn-lich, wenn der [X.] zu 2 ihr zuvor versichert haben sollte, auch die [X.] zu 1 habe ihr Einverständnis mit einer [X.] erklärt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dieser Erklärung zugleich eine rechtlich bindende 19 - 8 - Verpflichtung von offensichtlich erheblicher, auch statusrechtlicher Tragweite hätte begründet werden sollen. 20 c) Erweist sich diese Passage im Schriftsatz vom 29. November 2001 somit aber lediglich als Mitteilung einer früher geäußerten Bereitschaft beider [X.]n, ohne dass zugleich die näheren Umstände dieser Äußerung (Zeit-punkt, Schriftlichkeit, Erklärungsempfänger) genannt werden, konnte und durfte der Kläger darin kein konstitutives Anerkenntnis einer rechtlichen Verpflichtung erblicken. Nichts anderes gilt, wenn die in diesem Schriftsatz zur [X.] abgegebene Bekundung, "die Angelegenheit" einvernehmlich regeln zu wollen, auch auf die Frage der [X.] bezogen wird. Auch im Fal-le eines erstrebten, aber noch zu erzielenden Einvernehmens über alle zu re-gelnden Fragen liegt es eher fern, eine Erklärung, hinsichtlich eines Einzelpunk-tes zu einem bestimmten künftigen Verhalten bereit zu sein, nicht als Bekun-dung einer bloßen Absicht, sondern bereits als endgültige und sogleich rechts-verbindliche einseitige Vorausverpflichtung zu verstehen. 21 - 9 - Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] gegen die Abwei-sung seines [X.] daher zu Recht zurückgewiesen. 22 Hahne [X.] [X.] Wagenitz Dose
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 28.10.2003 - 307 F 177/03 - [X.], Entscheidung vom 06.05.2004 - 14 UF 235/03 -

Meta

XII ZR 97/04

06.12.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2006, Az. XII ZR 97/04 (REWIS RS 2006, 444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 444

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14 UF 235/03

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