Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2016, Az. III ZR 171/15

III. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17325

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:210116UIIIZR171.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 171/15

Verkündet am:

21. Januar 2016

P e l l o w s k i

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar
2016
durch [X.] [X.] und die
Richter [X.], [X.], Dr. Remmert
und
Reiter

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 29. April 2015 wird [X.].

Der Kläger hat die Kosten des
Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt den
beklagten
Notar aus Amtshaftung auf Schadens-ersatz in Anspruch.

Die I.

mbH und die I.

KG planten, einen größeren Altbaukomplex in M.

zu sanieren und die sanierten Wohnungen als Eigentumswohnun-gen zu verkaufen. In diesem Zusammenhang entwickelte der Beklagte den Entwurf eines notariellen Angebots zum Abschluss eines [X.]. Darin bietet der Käufer den vorgenannten Gesellschaften an, mit ihm
ei-nen
in dem Entwurf wiedergegebenen Kaufvertrag abzuschließen.
Weiter heißt es in dem Angebotsentwurf:
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"soll das Angebot weiter gelten, bis es von dem Käufer gegenüber dem

-
Notar

S.

[= Beklagter]

nachstehend [X.] genannt, widerrufen wird. Der Widerruf muss durch eingeschriebenen Brief erfolgen. Der [X.] ist vom [X.] zur Entgegennahme des Widerrufs bevollmächtigt worden.

Der Kaufvertrag kommt bereits dadurch zustande, dass der Verkäufer vor dem [X.] eine Annahmeerklärung beurkunden lässt.
Der Zugang der Annahmeerklärung ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn diese "dem-nächst"
dem Käufer zugeht."

Am 29. Mai
2006 beurkundete der Notar T.

in M.

das Angebot des [X.] zum Abschluss eines [X.] entspre-chend dem vorgenannten Entwurf. In die Leerstelle wurde eingetragen, dass der
Käufer an das Angebot bis zum 4. Juli
2006 gebunden ist. Der Kaufpreis Am 10. August 2006
beurkundete der Beklagte die Annahme des Angebots durch die Verkäufer. Der Kaufvertrag wurde durchgeführt.
Der
Kläger
wurde Eigentümer der Wohnung.

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 29. Januar 2014 in einem Rechtsstreit gegen die Rechtsnachfolgerin der I.

mbH

gab der Kläger folgende Erklärung ab:

"Wenn im August 2006 der Notar gesagt hätte, die Erklärung sei noch nicht hinreichend, um Eigentümer zu werden, ich müsse die Erklärung nochmals abgeben, so hätte ich dies wahrscheinlich gemacht, wenn sich an den Argumenten, die für den Kauf sprachen, nichts geändert hätte. In meinen persönlichen Verhältnissen gab es jedenfalls keine Änderung."

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4

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Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 68.274,36

ie Übertragung der Ei-gentumswohnung
sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ausgleich des Weiteren mit dem Erwerb und der Finanzierung der Wohnung zusammenhängenden Vermögensschadens. Er vertritt
die Auffassung, der [X.] hätte
ihn
vor Beurkundung der Annahmeerklärung darauf hinweisen müssen, dass das Kaufangebot bereits erloschen sei und die Annahme der Verkäufer ein neues Angebot darstelle, das er, der Kläger, seinerseits hätte an-nehmen müssen, damit ein wirksamer Kaufvertrag zustande komme. Er [X.], bei einem entsprechenden Hinweis hätte er
von dem Kauf
Abstand genommen.

Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die
Haf-tung des Notars scheitere bereits daran, dass er nicht schuldhaft nach § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] gehandelt habe. Aufgrund der vom Kläger
im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 29. Januar 2014
in dem Rechtsstreit gegen den Verkäufer abgegebenen Erklärung
sei überdies davon auszugehen,
dass
ihm kein kausaler Schaden entstanden sei.

Das [X.] hat die Berufung des
[X.] zurückgewiesen. Hierge-gen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

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I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe gegen den [X.]n ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zu. Zur Begründung werde zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils dargelegten zutreffen-den Erwägungen des [X.]s Bezug genommen. Ergänzend gelte [X.]:

Der Beklagte habe nicht gegen seine aus § 4, § 17 Abs.
2 [X.], § 14 Abs. 2 [X.] folgenden [X.] verstoßen, indem er die Annahme des Antrags des [X.] beurkundet sowie den Vertrag vollzogen und den Klä-ger nicht darauf hingewiesen habe, dass dessen Kaufvertragsangebot unwirk-sam gewesen sei. Zwar habe der [X.] mit Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 (V
[X.], NJW 2013, 3434) entschieden, dass Klauseln in [X.], wonach das Angebot des Käufers unbefristet fortbestehe
und vom Verkäufer jederzeit angenommen werden könne, auch dann mit § 308 Nr. 1 AGB unvereinbar seien, wenn das
Angebot nicht bindend, sondern widerruflich sei. Dies sei
für den Beklagten jedoch im Zeitpunkt
der Beurkundung nach dem seinerzeitigen Stand von Rechtsprechung und Literatur nicht erkennbar
gewesen.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
Zwar mag der Beklagte eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Hinweis-
und Beleh-rungspflicht (§ 17 Abs. 1 [X.], § 14 Abs. 1 Satz 2
[X.])
fahrlässig
verletzt haben
(vgl. hierzu in zwei
Parallelsachen
Senat, Urteile vom 21.
Januar 2016
-
III ZR 159/15, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, und [X.]). 9
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-

Jedoch ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass eine schuldhafte Pflicht-verletzung des Beklagten jedenfalls nicht kausal für einen Schaden des [X.] geworden ist:

1.
Nach den im Berufungsurteil teilweise wiedergegebenen und im Übrigen in Bezug genommenen Feststellungen des [X.]s hat sich der Kläger in seiner persönlichen Anhörung vom 29. Januar 2014 in einem
von ihm
vor dem [X.] M.

geführten Rechtsstreit gegen die Rechtsnachfolgerin der I.

mbH in Bezug auf den vorliegend
betroffenen
Wohnungskauf dahingehend geäußert, er hätte die Erklärung wahrscheinlich
nochmals abgegeben, wenn im August 2006 der Notar gesagt hätte, die Erklärung sei noch nicht hinreichend, um [X.] zu werden, er müsse die Erklärung nochmals abgeben, und wenn sich an den Argumenten für den Kauf nichts geändert hätte; in seinen persönlichen Verhältnissen habe es keine Änderung gegeben.

Das [X.] ist auf der Grundlage dieser Angaben des [X.] da-von ausgegangen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Kläger nach Ablauf der Annahmefrist und zum Zeitpunkt der Annahmeerklärung durch den Verkäufer nicht immer noch an der Durchführung des Vertrags interessiert gewesen wäre, so dass aus diesem Grund dem Kläger kein kausaler Schaden entstanden sei (S.
7 f
des Urteils des [X.]s).

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, dem Klä-ger stehe gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus § 19 [X.] zu, nach § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch auf die
vorgenannten,
aus seiner Sicht zutreffenden Erwägungen des Urteils des [X.]s, die es in den Gründen des Berufungsurteils ausdrücklich wiedergegeben hat, Bezug genommen (S.
3, 12
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5 des Berufungsurteils). Es hat die Klageabweisung mithin nicht nur auf einen fehlenden schuldhaften Verstoß des Beklagten gegen die ihm obliegenden [X.] [X.] gestützt, sondern -
selbständig tragend -
auch auf die fehlende Kausalität einer etwaigen Amtspflichtverletzung des Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden.

Die Revision greift weder die Feststellungen noch die Rechtsausführun-gen der Vorinstanzen
zur fehlenden Kausalität an. Sie beschränkt sich auf die Rüge, Land-
und [X.]
hätten zu Unrecht eine schuldhafte Amts-pflichtverletzung durch den Beklagten verneint.

2.
a) Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden eine Amtspflichtverlet-zung zur Folge hat, ist in den Blick zu nehmen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen hätte (Senat, Urteil vom 10. Juli 2008 -
III ZR 292/07, [X.], 1753 Rn. 14 mwN; [X.]
in Ganter/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 3.
Aufl., Rn. 2185). Die erforderliche Feststellung dieses Ursachenzusammen-hangs gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, so dass dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO
zugute kommt ([X.] aaO mwN; Wöst-mann aaO).

b) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Be-weisaufnahme
nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungs-gericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt hat. 15
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8

-

Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozess-stoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze-
und Erfahrungssätze verstößt (z.B. Senat, Urteil vom 10. November 2011 -
III ZR 81/11, [X.], 2353 Rn. 16 mwN; [X.], Urteile vom 24. Juni 2008 -
VI [X.], [X.], 2910 Rn. 18 und vom 19.
April 2005 -
VI ZR 175/04, [X.], 945; MüKoZPO/[X.], 4.
Aufl., §
559 Rn. 8 f). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Be-weiswürdigung, die -
wie hier -
nach § 287 ZPO vorzunehmen ist ([X.], Urteile vom 24.
Juni 2008 aaO und vom 19. April 2005 aaO; [X.], 4.
Aufl., §
287 Rn. 35; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 287 Rn. 8).

c) Nach diesem Maßstab erweist sich die Wertung der Vorinstanzen als fehlerfrei. Aus ihren -
von der Revision nicht angegriffenen -
Feststellungen
ergibt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im maßgebli-chen Zeitraum
angesichts der Unwirksamkeit seines ursprünglichen Angebots vom 29. Mai 2006 nach Ablauf der bis zum 4. Juli 2006 währenden [X.] (vgl. hierzu [X.], Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 -
V [X.], NJW 2013, 3434 Rn. 13 ff) ein erneutes Angebot zum Abschluss des [X.] abgegeben hätte mit der Folge, dass zwischen ihm und den [X.] ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen wäre.
Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem [X.] M.

am 29.
Januar 2014 sinngemäß bekundet, in seinen persönlichen Verhältnissen habe es im August 2006 seit der Beurkundung seines Kaufangebots am 29. Mai 2006 keine Änderung gegeben;
er hätte "die Erklärung", d.h. sein notarielles Angebot vom 29. Mai 2006,
wahrscheinlich erneut abgegeben, wenn ihm im August 2006 der Notar gesagt hätte, er müsse dies tun, um Eigentümer zu werden, und wenn sich an den Argumenten, die für den Kauf gesprochen hätten, nichts geändert hätte. Für eine solche Änderung der aus Sicht des [X.] für einen Kauf [X.]
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chenden Argumente im Zeitraum vom 29. Mai 2006 bis
August 2006 ist nichts ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist
die Würdigung der Vorinstanzen, es sei kein kausaler Schaden entstanden, weil das Interesse des [X.] an dem Er-werb der Eigentumswohnung auch nach dem Ablauf der Annahmefrist [X.] habe, rechtlich möglich. Sie verstößt auch
nicht gegen Denkgesetze
und Erfahrungssätze. Anhaltspunkte, dass sich das [X.] und das Ober-landesgericht mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen nicht umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt haben, bringt die Revision nicht vor und sind auch sonst auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts und Parteivortrags nicht ersichtlich.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert

Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.12.2014 -
10 O 2127/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.04.2015 -
5 U 10/15 -

Meta

III ZR 171/15

21.01.2016

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2016, Az. III ZR 171/15 (REWIS RS 2016, 17325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17325

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III ZR 159/15

III ZR 160/15

III ZR 81/11

V ZR 10/12

5 U 10/15

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