Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2018, Az. 1 BvR 552/17

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2018, 4215

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Nichtvorlage an den EuGH begründet keinen grundrechtlichen Nachteil, wenn keine Aussicht auf Klärung der unionsrechtlichen Frage im Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 Abs 3 AEUV) besteht


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist von einem Massenentlassungsverfahren betroffen. Ihre Kündigungsschutzklage blieb - soweit hier von Bedeutung - ohne Erfolg. Sie rügt mit der Verfassungsbeschwerde insbesondere eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das [X.] habe - wie das [X.] in einem parallelen Verfahren - den Gerichtshof der [X.] fragen müssen, wie die Richtlinie 98/59/[X.] des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ([X.]. Nr. L 225 vom 12. August 1998, [X.]) zu verstehen sei, um im Rahmen des § 17 [X.] entscheiden zu können, welche Auskünfte ein konzernabhängiger Arbeitgeber dem Betriebsrat erteilen und worüber er diesen unterrichten müsse, um eine Beratung über die Vermeidung von Entlassungen oder die Abmilderung der Folgen zu ermöglichen. Desgleichen habe das [X.] im Wege der Vorlage nach Art. 267 A[X.]V klären müssen, wie in arbeitsgerichtlichen Verfahren die Darlegungslasten in einem solchen Streit um Massenentlassungen in einem Konzern verteilt seien.

II.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt sind. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchst. a, b [X.]; vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Im vorliegenden Verfahren hätte eine Vorlage zur Klärung der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu keinem anderen Ergebnis in der Sache geführt, da der Gerichtshof der [X.] in einem Parallelfall, der dasselbe Entlassungsverfahren betraf, bereits abgelehnt hatte, diese Fragen zu beantworten.

3

1. Der Gerichtshof der [X.] ist [X.] im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach seiner Rechtsprechung muss ein letztinstanzliches nationales Gericht der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nachkommen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (näher hierzu zuletzt [X.], Urteil des [X.] vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, Rn. 138 ff. m.w.N.).

4

2. Das [X.] hat sich als letztinstanzliches [X.] Gericht mit dem Unionsrecht befasst, aber von einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] abgesehen. Es ging davon aus, es hätten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass über die Massenentlassung tatsächlich der Konzern entschieden habe, der dann auch zu weiteren Auskünften an den Betriebsrat verpflichtet sein könne.

5

Zwar ist bislang nicht geklärt, wie weit das Unionsrecht zum Umfang der Auskunftspflicht in [X.] macht, insbesondere soweit es um [X.] geht. So verdeutlichen die Schlussanträge der Generalanwältin zur Vorlage des [X.] in parallelen Fällen, dass umfangreiche Informationen geboten sein können, die auch die betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gründe für beabsichtigte Massenentlassungen betreffen, um die Ziele der Konsultation des Arbeitgebers mit der Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich zu erreichen (vgl. Schlussanträge [X.] vom 21. Juni 2018 - [X.] u.a. -, [X.]/17 u.a., [X.]:[X.]:C:2018:482, Rn. 63 ff.).

6

Der Gerichtshof der [X.] hat für den hier konkret in Rede stehenden Sachverhalt auf die Vorlage des [X.] indes zu erkennen gegeben, dass ein Konzernverbund im Sinne der [X.]/[X.] nicht vorliege. Er hat auf die Beantwortung der weiter gestellten Fragen zur Informationstiefe und zur Verteilung der Darlegungslast verzichtet (vgl. [X.], Urteil vom 7. August 2018 - [X.] u.a. -, [X.]/17 u.a., [X.]:[X.]:[X.], Rn. 28 ff., 46). Im vorliegenden Verfahren ist deshalb davon auszugehen, dass eine Vorlage der gleichgerichteten Fragen durch das [X.] zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Die Beschwerdeführerin kann durch die unterbliebene Vorlage in diesem Fall keinen grundrechtlichen Nachteil erlitten haben.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 552/17

03.09.2018

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BAG, 22. September 2016, Az: 2 AZR 276/16, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, EGRL 59/98, § 17 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2018, Az. 1 BvR 552/17 (REWIS RS 2018, 4215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4215


Verfahrensgang

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Az. 1 BvR 552/17

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 552/17, 03.09.2018.


Az. 2 AZR 276/16

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 276/16, 22.09.2016.


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15 ZB 17.30545

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