Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, Az. 6 AZR 159/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 917

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) UNTERNEHMEN INSOLVENZRECHT INSOLVENZ GEHALT

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung - mittelbare Zuwendung


Leitsatz

Weist der spätere Insolvenzschuldner einen Dritten an, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, liegt darin im Regelfall eine inkongruente Deckung, weil die Erfüllung nicht "in der Art" erfolgt, in der sie geschuldet ist. Das gilt auch, wenn der Schuldner und der Dritte Schwesterunternehmen sind oder einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2011 - 6 [X.]/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nur noch über Lohnzahlungen an den Kläger, deren Rückerstattung der Beklagte im Wege der Widerklage unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung verlangt.

2

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 29. April 2009 auf Antrag vom 19. Januar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (Schuldnerin). Der Kläger war vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2009 bei der Schuldnerin als Polier beschäftigt. Das monatliche Entgelt von 2.500,00 Euro brutto war laut Arbeitsvertrag zum 15. des Folgemonats fällig. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin war [X.], der seit April 2008 auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.] war. Die Schuldnerin führte hauptsächlich Aufträge der [X.] aus, über deren Vermögen ebenfalls am 29. April 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Beide Unternehmen unterhielten denselben Geschäftssitz, nutzten denselben Geschäftsraum und führten Verrechnungskonten. Wechselseitige Forderungen wurden nicht ausgezahlt, sondern in der jeweiligen Buchhaltung erfasst, in das Verrechnungskonto eingestellt und intern auf ein anderes Konto umgebucht. In welchem Umfang der Kläger auch für die [X.] tätig war, ist streitig geblieben.

3

Der Kläger erhielt seit August 2008 wiederholt Lohnzahlungen von Konten der [X.], wobei die drei letzten Zahlungen mit dem ausdrücklichen Zusatz „für [X.]“ versehen waren. Die Zahlungen setzten sich wie folgt zusammen:

        

28. August 2008

755,38 €

Restlohn Juni 2008

        

11. September 2008

800,00 €

Abschlag Juli 2008

        

2. Oktober 2008

752,25 €

Restlohn Juli 2008

        

14. Oktober 2008

800,00 €

Abschlag August 2008

        

30. Oktober 2008

752,25 €

Restlohn August 2008

        

17. November 2008

800,00 €

Abschlag September 2008

        

28. November 2008

752,25 €

Restlohn September 2008

        

17. Dezember 2008

800,00 €

Abschlag Oktober 2008

        

12. Januar 2009

752,25 €

Restlohn Oktober 2008

4

Am 14. April 2010 erklärte der Beklagte die Anfechtung der ab dem 30. Oktober 2008 erfolgten Zahlungen, hinsichtlich der Zahlung vom 17. Dezember 2008 allerdings nur über einen Betrag von 600,00 Euro. Die daraufhin vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage ist im Hinblick auf die allein noch streitbefangene Widerklage des Beklagten rechtskräftig abgewiesen.

5

Der Beklagte hat geltend gemacht, die angefochtenen Lohnzahlungen bewirkten eine inkongruente Deckung iSd. § 131 Abs. 1 [X.], weil sie auf Anweisung der Schuldnerin durch einen [X.] erfolgt seien. Die weiteren Vorausaussetzungen des § 131 Abs. 1 [X.] seien ebenso wie die des § 133 Abs. 1 [X.] erfüllt. Die Inkongruenz der vom Kläger erlangten Deckung sei ein starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und für die Kenntnis des Klägers von diesem.

6

Der Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt,

        

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 3.656,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. April 2009 zu zahlen.

7

Der Kläger hat zur Begründung seines Antrags, die Widerklage abzuweisen, die Ansicht vertreten, es liege keine inkongruente Deckung vor. Lohnzahlungen durch die [X.] seien nicht unüblich gewesen. Er habe diese Zahlungen nicht als verdächtig empfunden, weil er seine Arbeitsleistungen stets erbracht habe und sogar für die [X.] tätig geworden sei. Dies gelte umso mehr, als die Schuldnerin und die [X.] einen gemeinsamen Betrieb unterhalten hätten. Der Kläger hat sich außerdem auf die Bargeschäftsausnahme des § 142 [X.] berufen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das [X.] hat das Vorliegen einer inkongruenten Deckung verneint und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des [X.] konnte die Widerklage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob [X.] erfüllt sind. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des [X.]. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

A. Das [X.] hat angenommen, die streitbefangenen Lohnzahlungen seien nicht nach § 131 Abs. 1 [X.] anfechtbar, weil der Kläger keine inkongruente Deckung erlangt habe. Die Schuldnerin und die [X.] als Dritte seien von ein und derselben Person wirtschaftlich einheitlich geführt worden. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer beider Firmen habe über die finanziellen Mittel gleichermaßen verfügt. Im Ergebnis sei alles aus „einem Topf“ entnommen worden. Deshalb liege keine mittelbare Zahlung eines [X.] vor. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit den von ihm getroffenen Feststellungen durfte das [X.] nicht davon ausgehen, dass die erlangte Deckung kongruent war.

I. Die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. [X.] gibt dem Insolvenzverwalter eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerungen der Insolvenzmasse wieder zu korrigieren. Im Interesse der Wiederherstellung des [X.] sollen bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden ([X.] 26. April 2012 - [X.]/11 - Rn. 35, [X.]Z 193, 129; 6. Oktober 2009 - [X.]/05 - Rn. 13, [X.]Z 182, 317). Weicht die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses ab, das zwischen Insolvenzgläubiger und Schuldner besteht (inkongruente Sicherung bzw. Befriedigung), erscheint der Gläubiger weniger schutzwürdig. Solche Leistungen sind im Hinblick auf die nahe bevorstehende Insolvenz besonders verdächtig (vgl. [X.] 6. Mai 2010 - IX ZR 114/08 - Rn. 5). Deshalb erleichtert § 131 [X.] bei inkongruenter Deckung die Anfechtung im Vergleich zu § 130 [X.]. Die Feststellung der [X.] erfordert den Abgleich von rechtlich geschuldetem Vorgehen und tatsächlichem Vorgehen des Schuldners. Dabei ist die materiell-rechtliche Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung iSv. § 140 Abs. 1 [X.] maßgeblich ([X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 73). Ausgehend vom dargestellten Zweck der Insolvenzanfechtung ist das Vorliegen der Kongruenz nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Kongruenz liegt bei Abweichungen von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung regelmäßig nur vor, wenn diese Abweichungen lediglich geringfügig sind und der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen entsprechen ([X.] 9. Januar 2003 - [X.]/02 - zu [X.] 1 a der Gründe).

II. Die nach § 143 Abs. 1 [X.] an die Insolvenzmasse zurückzugewährenden Werte müssen nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. [X.] können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile unter Einschaltung einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen).

1. Hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass seine Forderung in der gewählten Art durch einen [X.] erfüllt wird, liegt darin im Regelfall eine nicht unerhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg. Die Befriedigung erfolgt dann nicht „in der Art“, in der sie geschuldet ist. Weist der Schuldner einen [X.] an, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, ist eine solche mittelbare Zahlung deshalb idR dem Empfänger gegenüber als inkongruente Deckung anfechtbar. Voraussetzung ist allerdings, dass für den Empfänger (Gläubiger) erkennbar gewesen ist, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte ([X.] in HK-[X.] 6. Aufl. § 129 Rn. 28). Mittelbare Zuwendungen sind in diesen Fällen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger sie unmittelbar vom Schuldner erworben ([X.] 26. April 2012 - [X.]/11 - Rn. 9, [X.]Z 193, 129; vgl. auch 20. Januar 2011 - [X.]/10 - Rn. 17; 8. Dezember 2005 - [X.]/01 - Rn. 9).

2. Auch bei Zahlung durch einen [X.] kann jedoch eine kongruente Deckung vorliegen, wenn ein eigenes Forderungsrecht des Insolvenzgläubigers unanfechtbar begründet worden ist ([X.] 10. Mai 2007 - [X.]/05 - Rn. 8; MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 131 Rn. 35a), etwa weil die Zahlung auf einer entsprechenden dreiseitigen, [X.] getroffenen Abrede beruhte (vgl. [X.]/[X.] 13. Aufl. § 131 [X.] Rn. 8).

a) Ob inkongruente Deckung vorliegt, entscheidet sich, wie ausgeführt, danach, ob vom Inhalt des Schuldverhältnisses abgewichen wird. Bevor [X.] bejaht wird, ist es deshalb erforderlich, die geschuldete Leistung rechtlich genau zu bestimmen. Bei einem Vertrag ist maßgeblich, was die Beteiligten tatsächlich vereinbart haben, nicht jedoch, was sie hätten vereinbaren können ([X.] 2. April 1998 - IX ZR 232/96 - zu II 2 b cc der Gründe). Dies und die Übereinstimmung der Deckung mit dem Schuldinhalt sind objektiv zu beurteilen. Abweichende subjektive Vorstellungen der Beteiligten sind unerheblich (MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 131 Rn. 9).

b) Auch wenn keine ausdrückliche dreiseitige Abrede getroffen ist, kann eine solche durch eine lange Praxis stillschweigend vereinbart werden (vgl. zur Möglichkeit konkludenter Vereinbarungen [X.] in [X.] Handbuch des [X.]. 8 Rn. 32). So kann es insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zweier Unternehmen oder bei der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs der von den Arbeitnehmern und den beteiligten Unternehmen gebilligten Praxis entsprechen, dass ein Unternehmen die Buchhaltung und personelle Verwaltung auch für das andere oder die anderen Unternehmen betreibt und auch die Zahlung des Entgelts der bei einem anderen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer aus eigenen Mitteln übernimmt. In derartigen Konstellationen, die sich angesichts der Vielfalt des Arbeitslebens (vgl. die Konstellation in [X.] 23. Mai 2013 - 2 [X.] -) nicht abstrakt und abschließend festlegen lassen, die aber einem oft unabweisbaren praktischen Bedürfnis entsprechen, liegt idR jedenfalls dann kongruente Deckung vor, wenn die zugrunde liegenden Absprachen vor der Krise getroffen worden sind bzw. sich die entsprechende Praxis vor diesem Zeitpunkt herausgebildet hat. In Fällen der vorstehend geschilderten Art, in denen keine Abweichung der tatsächlichen Leistung vom ursprünglichen Pflichtenplan vorliegt, ergibt sich die insolvenzrechtliche Unverdächtigkeit der Zahlung eines [X.] nicht nur aufgrund der subjektiven Vorstellungen der Beteiligten, sondern aufgrund der getroffenen Abreden bzw. praktischen Handhabung auch bei objektiver Beurteilung eines Außenstehenden. In derartigen Fällen trifft die der Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Bewertung von Leistungen Dritter zugrunde liegende Annahme, die Leistung nicht an den Schuldner, sondern an einen der Gläubiger des Schuldners sei nicht verkehrsüblich ([X.] 9. Januar 2003 - [X.]/02 - zu [X.] 1 a der Gründe), nicht zu.

c) Für die Prüfung, ob (stillschweigende) Abreden [X.] sind, kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die Abrede getroffen wird. Wird die das ursprüngliche Schuldverhältnis abändernde Abrede im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag getroffen, kann sie keine Kongruenz herstellen. Eine solche Abrede unterliegt aufgrund ihrer [X.] der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Erfolgt die abändernde Absprache innerhalb der Dreimonatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 [X.], kann kongruente Deckung nur erzielt werden, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der neuen Vereinbarung weder zahlungsunfähig war noch der Gläubiger die benachteiligende Wirkung kannte (MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 131 Rn. 10; [X.] in [X.] Handbuch des [X.]. 8 Rn. 36). Werden abändernde Vereinbarungen vor Beginn der Dreimonatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 [X.] getroffen, ist eine dem so geänderten Anspruch entsprechende Leistung grundsätzlich kongruent. Allerdings kann die abändernde Vereinbarung ihrerseits bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 133 [X.] anfechtbar sein (vgl. [X.] 2. Februar 2006 - [X.]/02 - Rn. 40, [X.]Z 166, 125).

3. Die bloße Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs genügt - anders als der Kläger annimmt - allerdings noch nicht, um anzunehmen, die angefochtenen Zahlungen seien aufgrund einer stillschweigend getroffenen dreiseitigen Abrede erfolgt und hätten zu einer kongruenten Deckung geführt. Darum kommt es nicht darauf an, ob die Schuldnerin und die [X.] einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten haben. Ein Gemeinschaftsbetrieb lässt die arbeitsvertraglichen Beziehungen unberührt. Auch im Rahmen eines gemeinsamen Betriebs bleibt [X.] allein das Unternehmen, das den Arbeitsvertrag mit dem betroffenen Arbeitnehmer geschlossen hat. Nur diesem gegenüber stehen dem Arbeitnehmer vertragliche [X.] zu ([X.] 12. Dezember 2006 - 1 [X.] - Rn. 11). Im bloßen Erbringen der nicht geschuldeten Leistung allein liegt regelmäßig noch keine Abänderung des [X.] (vgl. für den umgekehrten Fall des Erbringens von Arbeitsleistungen für die spätere Insolvenzschuldnerin statt für den [X.] [X.] 17. Oktober 2013 - [X.] - Rn. 11; s. auch MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 131 Rn. 10). Zahlt nicht der [X.] den Lohn, sondern ein anderes am gemeinsamen Betrieb beteiligtes Unternehmen, liegt deshalb eine nicht geringfügige Abweichung zwischen materiell-rechtlich geschuldeter und tatsächlicher Leistung und damit eine inkongruente Leistung iSv. § 131 Abs. 1 [X.] vor. Erst dann, wenn über die bloße Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs hinaus zusätzlich eine dreiseitige Abrede im oben dargestellten Sinn zwischen den beteiligten Unternehmen und den Arbeitnehmern getroffen wird, wonach die [X.] nicht vom [X.], sondern einem anderen der beteiligten Unternehmen als Drittem zu erfüllen sind, kann eine kongruente Deckung in Betracht kommen.

4. Entgegen der Auffassung des [X.] fehlt es in dem Fall, dass [X.] nicht durch den [X.], sondern durch ein anderes Unternehmen erfüllt werden, nicht bereits dann an einer mittelbaren Zuwendung und damit [X.], wenn der Schuldner und der zur Zahlung angewiesene Dritte ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen unterhalten und die finanziellen Mittel aus „einem Topf“ entnehmen. Diese Rechtsauffassung widerspricht wesentlichen Grundgedanken der [X.].

a) Das [X.] Insolvenzverfahren ist rechtsträgerbezogen ausgestaltet. De lege [X.] gilt der Grundsatz „ein Rechtsträger - eine Masse“. Dieser gebietet auch anfechtungsrechtlich die sorgfältige Trennung der Vermögensmassen (Brinkmann in [X.] Handbuch des [X.]. 18 Rn. 7 f.). In Beachtung dieses Grundsatzes sind über das Vermögen der Schuldnerin und der [X.] zwei selbständige Insolvenzverfahren eröffnet worden. Soweit die materielle Zusammenführung der gesellschaftsrechtlich selbständigen Rechtsträger im Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Bildung einer einheitlichen Konzernmasse diskutiert wird, handelt es sich um eine Diskussion de lege ferenda.

b) Diesen Grundsatz der Rechtsträgerbezogenheit des [X.]n Insolvenzverfahrens hat das [X.] nicht ausreichend beachtet, soweit es die Schuldnerin und die [X.] als wirtschaftliche Einheit angesehen und daraus gefolgert hat, die streitbefangenen Zahlungen hätten eine kongruente Deckung bewirkt.

aa) Die vom [X.] befürwortete Einschränkung des Tatbestandes der [X.] bei wirtschaftlich einheitlich geführten Unternehmen führte in letzter Konsequenz zu einer erheblichen Einschränkung der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.]. Der Ansatz des [X.] beträfe neben wirtschaftlich einheitlich geführten Unternehmen wie die Schuldnerin und die [X.] auch verbundene Unternehmen iSv. § 15 AktG, Konzerne iSv. § 18 AktG und nicht zuletzt gemeinsam wirtschaftende natürliche Personen (häusliche Gemeinschaften). Das Schaffen solcher Ausnahmetatbestände im Rahmen der [X.] und Vorsatzanfechtung ist mit den gesetzgeberischen Zielen der [X.] nicht vereinbar. Der Gesetzgeber bezweckte im Interesse der Maximierung einer Verteilungsmasse gerade eine Verschärfung und Erweiterung des Insolvenzanfechtungsrechts. Deshalb wurde der Nachweis der subjektiven Tatbestandsmerkmale erleichtert, die kritische Zeit auf bis zu drei Monate vor dem Eröffnungsantrag erweitert und die Anfechtungsfrist verlängert (vgl. dazu MünchKomm[X.]/Ganter/[X.] 3. Aufl. § 1 Rn. 38 ff.; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 1 [X.] Rn. 14).

bb) Der Gesetzgeber hat die Problematik persönlich und wirtschaftlich nahestehender Personen erkannt und sich in § 138 iVm. § 130 Abs. 3, § 131 Abs. 2, § 133 Abs. 2 [X.] für eine erleichterte Anfechtung der Leistung an nahestehende Personen entschieden. Den umgekehrten Fall der Leistung mittels nahestehender Personen an Dritte hat der Gesetzgeber gerade nicht geregelt. Diesbezüglich bleibt es also bei den allgemeinen Anfechtungsregelungen der [X.].

cc) Die vom [X.] vertretene Einschränkung des Tatbestandes der [X.] bei wirtschaftlich einheitlich geführten Unternehmen birgt im Übrigen eine erhebliche Missbrauchsgefahr. Sie erlaubt dem Insolvenzschuldner die Umgehung der [X.] durch Zwischenschaltung eines verbundenen Unternehmens oder einer nahestehenden Person.

dd) Zur Annahme einer kongruenten Deckung ist deshalb auch bei eng verbundenen Unternehmen wie der Schuldnerin und der [X.] stets eine zumindest stillschweigende Abrede erforderlich, die die Zahlungspflichten eindeutig regelt.

[X.]. Die fünf Zahlungen nach dem 30. Oktober 2008, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, sind unstreitig von der [X.] auf Entgeltforderungen des [X.] gegenüber der Schuldnerin erbracht worden. Das Vorliegen ausdrücklicher oder konkludenter dreiseitiger Absprachen, nach denen die [X.] regelhaft die Zahlungen aller Arbeitnehmer der Schuldnerin oder jedenfalls des [X.] aus eigenen Mitteln übernommen habe, behauptet der Kläger nicht. Eine entsprechende Praxis ergibt sich aus den Feststellungen des [X.] nicht.

Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals das Vorliegen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses sowohl zur Schuldnerin als auch zur [X.] behauptet und daraus gefolgert hat, die [X.] habe auf eigene Schuld geleistet, hat das [X.] die für eine derartige Annahme erforderlichen Tatsachen (vgl. dazu [X.] 19. April 2012 - 2 [X.] - Rn. 16 f.) nicht festgestellt.

IV. Bei seiner Würdigung, ob die Vorsatzanfechtung nach § 133 [X.] durchgreift, hat das [X.] - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, es liege kongruente Deckung vor, konsequent - das Vorliegen einer inkongruenten Deckung nicht berücksichtigt. Die [X.] ist jedoch sowohl ein erhebliches Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ausführlich [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 56) als auch für die Kenntnis des [X.]s vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners iSd. § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. dazu [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 60). Darüber hinaus hat das [X.] die erforderliche abschließende Gesamtabwägung aller Umstände unterlassen. Deshalb kann das Urteil auch insoweit keinen Bestand haben, als es die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 [X.] verneint hat.

B. Der [X.] kann nicht abschließend in der Sache entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat keine Feststellungen zum Vorliegen der für alle [X.] erforderlichen Gläubigerbenachteiligung sowie zur Zahlungsunfähigkeit getroffen. Dies wird es unter Beachtung nachstehender Erwägungen nachzuholen haben.

I. Eine Gläubigerbenachteiligung iSv. § 129 [X.] liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch den Zugriff auf Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat und sich deswegen die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten ([X.] 26. April 2012 - [X.]/11 - Rn. 11, [X.]Z 193, 129).

1. Bei einer Zahlung des Schuldners durch Einschaltung eines [X.] ist zwischen der Anweisung auf Schuld einerseits und der Anweisung auf Kredit andererseits zu unterscheiden. Im ersten Fall tilgt der Angewiesene mit der Zahlung an den Empfänger eine eigene, gegenüber dem [X.] bestehende Verbindlichkeit. Dies führt zu einer Gläubigerbenachteiligung, weil der Schuldner mit der Zahlung an den Empfänger seine Forderung gegen den [X.] verliert und der Empfänger nicht mehr an der wechselseitigen Ausgleichshaftung der Gläubigergesamtheit teilnimmt. Liegt dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, nimmt also der Angewiesene die Zahlung an den Empfänger ohne eine Verpflichtung gegenüber dem [X.] vor, wird er infolge der Zahlung zum Gläubiger des [X.]. Es kommt lediglich zu einem [X.] ([X.] für befriedigten Gläubiger), so dass eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich ausscheidet. Die Belastung der Masse mit dem Zugriffsanspruch des [X.] wird hier durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen (vgl. [X.] 21. Juni 2012 - [X.]/11 - Rn. 12).

2. An dieser Differenzierung zwischen Zahlungen eines [X.] im Wege der Anweisung auf Schuld und im Wege der Anweisung auf Kredit ist festzuhalten. Entgegen der von der Revision im [X.] an Stellungnahmen im Schrifttum ([X.] EWiR 2011, 431; [X.] NZI 2011, 702, 705 ff.; [X.] Z[X.] 2012, 774; [X.] Z[X.] 2011, 1533, 1535 f.) vertretenen Auffassung folgt aus den Entscheidungen des [X.] vom 6. Oktober 2009 (- [X.]/05 - Rn. 15, [X.]Z 182, 317) und vom 17. März 2011 (- [X.]/08 - Rn. 17) nicht, dass dieser die Grundsätze des Beschlusses vom 16. Oktober 2008 (- [X.]/07 - Rn. 9), dh. die Differenzierung zwischen Anweisung auf Schuld und Anweisung auf Kredit bei der Feststellung der Gläubigerbenachteiligung, aufgeben wollte. Dies hat der [X.] zwischenzeitlich ausdrücklich klargestellt ([X.] 21. Juni 2012 - [X.]/11 - Rn. 12; vgl. auch den Beschluss des [X.] vom 17. April 2013 im [X.] - IX ZR 12/11 - Rn. 2).

3. Das [X.] wird festzustellen haben, ob die [X.] die Lohnzahlungen an den Kläger durch Anweisung auf Schuld erbracht hat.

II. Die streitbefangenen Zahlungen waren keine Bargeschäfte iSv. § 142 [X.], die nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung anfechtbar wären. Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und [X.] über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Fall einer inkongruenten Deckung iSv. § 131 Abs. 1 [X.] gerade fehlt ([X.] 24. Oktober 2013 - 6 [X.] - Rn. 38 mwN).

C. Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    M. Geyer    

        

    Steinbrück    

                 

Meta

6 AZR 159/12

21.11.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nordhausen, 25. Januar 2011, Az: 1 Ca 651/10, Urteil

§ 131 Abs 1 InsO, § 143 Abs 1 InsO, § 133 Abs 1 InsO, § 138 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, Az. 6 AZR 159/12 (REWIS RS 2013, 917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 917

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 U 68/17

IX ZR 4/21

2 StR 353/21

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