Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2015, Az. IX ZR 215/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5604

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Gegenstand

Rückgewährklage des Insolvenzverwalters gegen den uneigennützigen Treuhänder: Gläubigerbenachteiligung bei Entgegennahme einer Überweisung des Schuldners mit anschließender Barauszahlung; Einwand eines Wegfalls der Bereicherung gegen den Wertersatzanspruch


Leitsatz

1. Liegt die anfechtbare Rechtshandlung in der Überweisung eines Guthabens des Schuldners auf das Konto eines Dritten, wird die objektive Gläubigerbenachteiligung nicht dadurch wieder rückgängig gemacht, dass der Dritte den Betrag planmäßig abhebt und dem Schuldner bar zur Verfügung stellt.

2. Ein uneigennütziger Treuhänder, der anfechtbar erlangte Gelder des Schuldners weisungsgemäß an diesen zurückzahlt, ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. April 2012, IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 30 ff).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der die Berufung zurückweisende Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 9. September 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 13. November 2009 am 29. März 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des    [X.](nachfolgend: Schuldner). Der Schuldner war Gesellschafter und Geschäftsführer einer [X.]               (nachfolgend GmbH). Diese hatte gegenüber der  [X.]erhebliche Kreditverbindlichkeiten begründet, welche die Bank nach einem negativ verlaufenen [X.] mit dem Schuldner am 2. Oktober 2006 zum 31. Oktober 2006 fällig stellte. Für diese Verbindlichkeiten hatte sich der Schuldner selbstschuldnerisch verbürgt.

2

Am 4. Oktober 2006 überwies der Schuldner einen Betrag von 5.000 € von seinem bei der [X.]geführten privaten Girokonto auf ein gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau geführtes [X.] bei der [X.]     . Von diesem Konto wurde der Betrag durch die Beklagte oder vom Schuldner selbst auf ihr privates Konto bei der S.       weitergeleitet.

3

Der Schuldner hatte zu seiner Alterssicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen. Am 20. Oktober 2006 kündigte er den Versicherungsvertrag zum 1. November 2006 und wies den Versicherer an, den Rückkaufswert von 23.559,22 € auf das Girokonto der [X.] zu zahlen. Der Betrag ging dort am 3. November 2006 ein. Diese hob - nach dem Vorbringen der [X.] - hiervon 25.000 € ab und händigte den Betrag dem Schuldner in bar aus. In gleicher Weise will sie schon zuvor mit den 5.000 € verfahren sein, die ursprünglich von dem Girokonto des Schuldners herrührten.

4

Der Kläger hält beide Leistungen an die Beklagte für anfechtbar. Seine auf §§ 133, 134 [X.] gestützte Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat gegen den Zurückweisungsbeschluss zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 [X.] scheitere an der fehlenden Unentgeltlichkeit. Aufgrund der Abrede, das Geld nach Eingang auf dem Konto der [X.] dem Kläger in bar herauszugeben, habe der Kläger als Gegenleistung einen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte aus § 667 BGB erworben. Zudem fehle es sowohl für eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 [X.] als auch für eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung zum [X.]punkt der letzten Tatsachenverhandlung. Diese sei zwar zunächst durch die Überweisung der Beträge auf das Konto der [X.] bei der S.     eingetreten. Mit der Aushändigung des Bargeldes im Oktober oder November 2006 an den Schuldner sei diese Benachteiligung aber wieder beseitigt worden. Es sei anerkannt, dass eine zunächst eingetretene Benachteiligung nachträglich dadurch wieder beseitigt werden könne, dass der [X.] den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführe, um damit die Verkürzung der [X.] ungeschehen zu machen.

II.

7

Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit (§ 134 [X.]) gegen die Beklagte ausscheidet, weil keine unentgeltliche Zuwendung des Schuldners gegeben ist. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Annahme der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 Abs. 1 [X.] nicht auf eine synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung an ([X.], Urteil vom 26. April 2012 - [X.], Z[X.] 2012, 1127 Rn. 39; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 134 Rn. 19 mwN). Die treuhänderische Übertragung von Vermögenswerten kann infolge des Rückforderungsanspruchs des Treugebers nicht als unentgeltlich betrachtet werden ([X.], Beschluss vom 23. Januar 2014 - [X.], Rn. 6 zitiert nach juris; [X.] in Kübler/Prütting/[X.], [X.], 2012, § 134 Rn. 24; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 134 Rn. 13).

III.

8

Im Übrigen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts rechtlicher Prüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung können die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.] nicht verneint werden. Nach diesen Vorschriften ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligt, wenn der Schuldner sie in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der andere Teil zur [X.] der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

9

1. Die auf Anweisung des Schuldners erfolgten Überweisungen auf das Konto der [X.] in Höhe von insgesamt 28.559,22 € haben infolge des [X.] eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 [X.] bewirkt. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten ([X.], Urteil 12. Juli 2007 - [X.], [X.], 2084 Rn. 8 mwN; vom 20. Januar 2011 - [X.], Z[X.] 2011, 421 Rn. 12; vom 17. März 2011 - [X.], Z[X.] 2011, 782 Rn. 8; vom 29. September 2011 - [X.], Z[X.] 2011, 1979 Rn. 6; vom 26. April 2012 - [X.], Z[X.] 2012, 1127 Rn. 21; vom 26. April 2012 - [X.], [X.]Z 193, 129 Rn. 11 [st.Rspr.].

a) Durch die Überweisungen an die Beklagte hat sich der Schuldner zum Nachteil seiner Gläubiger finanzieller Mittel in Höhe von 28.559,22 € entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Der zunächst noch bestehende Herausgabeanspruch des Schuldners gegen die Beklagte gemäß §§ 675, 667 BGB ist kein gleichwertiges Surrogat der abgeflossenen Zahlungsmittel. Gläubiger des Schuldners hätten das [X.] nicht wie dessen Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können, so dass ein Zugriffshindernis entstanden ist ([X.], Urteil vom 9. Dezember 1993 - [X.], [X.]Z 124, 298, 301; vom 26. April 2012, Rn. 12). Der auf Veranlassung des Schuldners unmittelbar auf das Konto der [X.] überwiesene Betrag von 23.559,22 € hätte von Gläubigern der [X.] gepfändet werden können. Er war nicht als Vermögen des Schuldners als Treugeber - etwa durch Überweisung auf ein Anderkonto, das offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten - offen ausgewiesen, sondern nicht unterscheidbar in das Vermögen der [X.] übergegangen, so dass ein Aussonderungsrecht der Gläubiger des Schuldners im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen nicht bestanden hätte (vgl. [X.], Urteil 19. November 1992 - [X.], [X.], 213, 214; vom 24. Juni 2003 - [X.], [X.]Z 155, 227, 231).

b) Diese gläubigerbenachteiligende Wirkung ist mit der Weiterleitung der Gelder auf unmittelbare Veranlassung oder jedenfalls auf Geheiß des Schuldners an die Beklagte auch hinsichtlich der 5.000 € eingetreten, die unstreitig zunächst auf das Gemeinschaftskonto der Eheleute bei der Direktbank geflossen sind. Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Vorgehensweise der [X.], diesen Betrag von ihrem privaten Konto - nach [X.] dorthin - abgehoben und an den Schuldner in bar ausgehändigt zu haben, in der damaligen wirtschaftlichen Situation des Schuldners durchaus nahegelegen habe. Der Schuldner habe sich aufgrund der Insolvenz der GmbH auch selbst in einer kritischen Lage befunden, weil er sich für die Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt habe. Deshalb habe es durchaus Sinn gemacht, drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger, insbesondere Kontopfändungen, in der Weise entgegenzuwirken, dass Gelder von seinem privaten Bankkonto auf das private Bankkonto der [X.] geleitet und ihm später durch diese in bar wieder zur Verfügung gestellt worden seien. Dies habe für ihn den Vorteil gehabt, dass die Übergabe von Bargeld für seine Gläubiger nicht in gleichem Maße wie ein Kontoguthaben oder eine Direktabhebung erkennbar gewesen sei.

Die gegen diese Würdigung gerichtete [X.] der [X.] greift nicht durch. Die Revisionserwiderung meint, durch die Überweisung auf das Gemeinschaftskonto sei keine Verschiebung im Vermögen des späteren Schuldners eingetreten, weil der Schuldner über dieses Konto einzelverfügungsberechtigt gewesen sei. Deshalb sei innerhalb seines Vermögens lediglich Buchgeld von einem Konto auf das andere transferiert worden. Die Überweisung des Geldbetrags durch die Beklagte von dem Gemeinschaftskonto auf das Girokonto der Ehefrau stelle keine Rechtshandlung des Schuldners dar.

Diese Rüge ist unberechtigt; ihr liegt ein zu enger Begriff der Rechtshandlung zu Grunde. Unter Rechtshandlung ist jede bewusste Willensbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 644 Rn. 21, ständig). Deshalb sind nach § 133 Abs. 1 [X.] auch mitwirkende Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO, § 133 Rn. 8). Durch die vom Schuldner veranlasste erste Umbuchung wurde die Beklagte entsprechend dem Plan des Schuldners in die Lage versetzt, den in dem Guthaben verkörperten Vermögenswert den Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger endgültig zu entziehen. Bereits in dem ersten Schritt liegt deshalb unter den hier gegebenen besonderen Umständen eine nachteilige Veränderung des Vermögens des Schuldners. Sollte der Schuldner selbst die Überweisung von dem gemeinsam geführten [X.] auf das Konto der [X.] bei der [X.]vorgenommen haben, läge erst recht eine Rechtshandlung des Schuldners vor.

2. Die Gläubigerbenachteiligung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch die im Oktober oder Anfang November 2006 erfolgte Rückgabe der Überweisungsbeträge in bar an den Schuldner nicht nachträglich beseitigt worden.

a) Eine zunächst eingetretene Benachteiligung kann nachträglich dadurch wieder beseitigt werden, dass der [X.] den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Dies setzt voraus, dass die entsprechende "Rückgewähr" des [X.]s eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wieder zu geben und damit die Verkürzung der [X.] ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen [X.]s handeln ([X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - [X.], [X.], 2084 Rn. 19; Beschluss vom 7. Februar 2013 - [X.], Z[X.] 2013, 670 Rn. 3; Urteil vom 4. Juli 2013 - [X.], [X.]Z 198, 77 Rn. 18; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 129 Rn. 178; Ehricke in Kübler/Prütting/[X.], [X.], 2008, § 129 Rn. 99; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 129 Rn. 257 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 15. Dezember 1994 - [X.], [X.]Z 128, 184, 190 f). Eine solche Rückführung kann etwa dann anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner zurückabgetreten wird ([X.], Beschluss vom 7. Februar 2013, aaO) oder eine erhaltene Zahlung zurückgewährt wird ([X.], Urteil vom 4. Juli 2013, aaO).

b) Im Streitfall ist die Gläubigerbenachteiligung durch den verschleierten "Umtausch" eines pfändbaren [X.] gegen das Kreditinstitut in einen für die Gläubiger nur schwer ausfindig zu machenden Bargeldbetrag nicht rückgängig gemacht, sondern vertieft worden. Ziel und Zweck der Überweisung der dem Schuldner zustehenden Geldbeträge auf das private Girokonto der [X.] war es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, den drohenden Zugriff der Gläubiger auf die Mittel des Schuldners zu erschweren und eine infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH drohende Pfändung von Konten des Schuldners leerlaufen zu lassen. Auf diese Art und Weise habe dem Schuldner Bargeld zur freien Verfügung verschafft werden sollen, welches für seine Gläubiger nicht in gleicher Weise offenkundig gewesen sei wie ein Kontoguthaben oder eine Direktabhebung durch den Schuldner selbst. Danach kann von einer Rückgewähr der beiseitegeschafften Mittel zur vorweggenommenen Befriedigung eines individuellen [X.]s aus § 143 [X.] nicht ausgegangen werden.

Mit der Rückgabe ist entsprechend dem vorgefassten Plan des Schuldners und der [X.] die mit der Umleitung der Beträge auf ein Konto der [X.] bezweckte Benachteiligung der Gläubiger erst vollendet worden. Der Schuldner hat so die Möglichkeit erhalten, über den Gesamtbetrag von 28.559,22 € ungehindert zu verfügen und seinen Gläubigern den Zugriff auf dieses Geld zu erschweren.

c) Soweit das Berufungsgericht meint, der Zugriff der Gläubiger habe sich nicht verschlechtert, weil diese nunmehr gemäß § 808 ZPO das Bargeld, das sich nun im Gewahrsam des Schuldners befunden habe, durch den Gerichtsvollzieher hätten pfänden lassen können, rechtfertigt auch diese Überlegung nicht die Annahme, die Gläubigerbenachteiligung sei nachträglich wieder entfallen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollte nicht offenkundig werden, dass der Schuldner erhebliche Beträge aus der Kündigung einer Lebensversicherung erhalten hatte. An diesen [X.] hat sich durch die Rückgabe in bar nichts geändert. Um Pfändungen durch den Gerichtsvollzieher bewirken zu können, hätten die Gläubiger erst einmal wissen müssen, welche Verdeckungshandlungen der Schuldner mit Hilfe der [X.] vorgenommen hatte und wann und wie es zur Rückgabe der Beträge an den Schuldner gekommen ist. Erst dann hätten sie überhaupt die Möglichkeit gehabt, erfolgreich einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen, sofern das Bargeld tatsächlich noch vorhanden gewesen wäre. Mit freiwilligen Auskünften des Schuldners oder der [X.] über den Verbleib der Beträge war in Ansehung des Gebarens der Beteiligten nicht zu rechnen. Auch dies spricht dagegen, von einer Rückgewähr auszugehen, welche eindeutig zu dem Zweck zu erfolgen hat, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wieder zufließen zu lassen und damit die Verkürzung der [X.] ungeschehen zu machen.

3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 [X.] getroffen. Auf der Grundlage des im Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellenden Klagevorbringens liegen sowohl ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch eine entsprechende Kenntnis der [X.] vor.

a) Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 [X.]) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der (drohend) zahlungsunfähig ist und seine (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz ([X.], Urteil vom 13. April 2006 - [X.], [X.]Z 167, 190, Rn. 14 mwN; vom 26. April 2012 - [X.], [X.]Z 193, 129 Rn. 17 mwN). In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen ([X.], Urteil vom 27. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 75, 83 f).

Der Schuldner hat den Auftrag an die [X.]       (jetzt: [X.], § 675f BGB), einen Betrag von 5.000 € auf das Gemeinschaftskonto der Eheleute zu überweisen, und die Kündigung seiner Lebensversicherung mit der Anweisung, die Auszahlung auf das Girokonto seiner Ehefrau bei der [X.]        vorzunehmen, kurze [X.] nach dem negativ verlaufenden Kreditgespräch bei der  [X.]getätigt. Wegen der von ihm eingegangenen selbstschuldnerischen Bürgschaft für die ungedeckten Geschäftsschulden, welche die  [X.] im Oktober 2006 auf über 500.000 € bezifferte, war ihm seine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit zum [X.]punkt seiner Rechtshandlungen bekannt. Mit der Umleitung der Geldbeträge auf ein Konto der [X.] unter der Auflage, ihm die Beträge in bar wiederzugeben, wollte er unter Einschaltung der [X.] ersichtlich eine Benachteiligung der Gläubiger erreichen, deren Zugriff auf sein Vermögen erschwert werden sollte.

b) Der Gesamtplan des Schuldners, den Zugriff der Gläubiger auf sein Vermögen zu erschweren, wurde auf der Grundlage des Klagevorbringens auch von der [X.] erkannt.

Kennt der [X.] die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder ist er über einen gegen den Schuldner gestellten Eröffnungsantrag unterrichtet, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der [X.] zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde ([X.], Urteil vom 26. April 2012, aaO Rn. 20 mwN). Nach dem für das Revisionsverfahren zu Gunsten des [X.] zu unterstellenden Sachverhalt war der [X.] noch vor dem Insolvenzantrag sowohl die Zahlungsunfähigkeit der GmbH als auch die Tatsache, dass bei der Insolvenz der GmbH nicht nur das Unternehmen betroffen war, sondern auch das gemeinsame Einfamilienhaus der Eheleute zur [X.] gehörte, dass privat von ihr und dem Schuldner gewährte Darlehen verloren waren und dieser für die [X.] persönlich haftete, bekannt. Danach kannte sie die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Dass es Sinn und Zweck der Überweisung der Beträge auf ihr Konto und Rückgabe in bar an den Schuldner war, den Zugriff der Gläubiger des Schuldners zu erschweren, war ihr aufgrund des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Schuldner ohnehin bekannt. Einen anderen Zweck als die Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger konnte die Vorgehensweise der Eheleute nicht haben.

IV.

Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 522 Abs. 3, § 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

V.

In dem neuen Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht insbesondere die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] zu prüfen haben. Falls diese vorliegen, ist die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 [X.] zur Zahlung von 28.559,22 € an den Kläger verpflichtet.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die ihr überlassenen Geldmittel an den Schuldner weitergeleitet. Dies entlastet sie nicht. Ist der [X.] nicht in der Lage, der ihn nach § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] treffenden Verpflichtung nachzukommen, hat er nach § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB Wertersatz zu leisten. Gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] gilt der Mangel des rechtlichen Grundes als von Anfang an bekannt, so dass die Beklagte als [X.]in wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen und so zu behandeln ist, als wäre der [X.] gegen ihn im [X.]punkt der Vornahme der angefochtenen Handlung (§ 140 [X.]) rechtshängig geworden ([X.], Urteil vom 1. Februar 2007 - [X.], [X.]Z 171, 38 Rn. 14; vom 13. Dezember 2007 - [X.], [X.], 449 Rn. 7; vom 26. April 2012 - [X.], [X.]Z 193, 125 Rn. 31).

2. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, aus der Entgegennahme der Gelder des Schuldners und der Weiterleitung als uneigennützige Treuhänderin keinen eigenen Vorteil gezogen zu haben. Die vom Senat zum uneigennützigen Treuhänder als [X.] entwickelten Rechtsgrundsätze (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2012 - [X.], [X.]Z 193, 129 Rn. 31 bis 35) gelten unabhängig davon, ob dieser die auf ihn vom Schuldner übertragenen [X.] an einen [X.] weitergeleitet hat oder ob er dabei behilflich war, sie auf andere Weise, etwa durch eine verdeckte Rückführung an den Schuldner, beiseite zu schaffen. Diese rechtliche Bewertung ist mit Rücksicht auf den Zweck der Insolvenzanfechtung, im Interesse der Wiederherstellung des [X.] bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen ([X.], Urteil vom 16. November 2007 - [X.], [X.]Z 174, 228 Rn. 29; vom 26. April 2012, aaO Rn. 35), allein sachgerecht. Versagte der Wertersatzanspruch gegen einen uneigennützigen Treuhänder, könnte der Schuldner durch Einsatz einer solchen Person, sein Vermögen verheimlichen und Beiseite schaffen, indem er es zunächst auf einen Treuhänder überträgt und sich sodann unter möglichst undurchsichtigen und unkontrollierbaren Umständen wieder zurückgewähren lässt. Er hätte damit die Möglichkeit, die der Gläubigergleichbehandlung verpflichtete Insolvenzanfechtung auf einfachstem Wege zu unterlaufen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1993 - [X.], [X.]Z 124, 298, 303 f; vom 26. April 2012, aaO). Es wäre ein widersinniges Ergebnis, wenn eine als Treuhänder eingesetzte Person ihm vor Verfahrenseröffnung von dem Schuldner zwecks Vereitelung eines Zugriffs vorübergehend übertragene Vermögenswerte vor oder nach Verfahrenseröffnung ohne Anfechtungsrisiko heimlich zurückgewähren könnte (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1993, aaO S. 303). Damit würden sogar Fälle eines kollusiven Zusammenwirkens von Schuldner und Treuhänder allgemein der Anfechtung entzogen.

[X.]                     Vill                          Lohmann

                Pape                    Möhring

Meta

IX ZR 215/13

10.09.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 9. September 2013, Az: 6 U 38/12

§ 129 Abs 1 InsO, § 133 Abs 1 InsO, § 143 Abs 1 S 2 InsO, § 292 Abs 1 BGB, § 818 Abs 4 BGB, § 819 Abs 1 BGB, § 989 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2015, Az. IX ZR 215/13 (REWIS RS 2015, 5604)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5604

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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