Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.08.2021, Az. B 5 R 108/21 B

5. Senat | REWIS RS 2021, 3411

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Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. April 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

[X.]er Kläger begehrt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm vom beklagten Rentenversicherungsträger ab [X.] bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Klage und Berufung gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten sind ohne Erfolg geblieben. [X.]as [X.] hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei der Kläger noch in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der [X.] und unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe ebenso wenig wie eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine atypische Leistungseinschränkung infolge Summierung einer Vielzahl von erheblichen Leistungseinschränkungen. [X.]aher sei die ausnahmsweise Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich.

2

[X.]egen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BS[X.] eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel und zudem eine [X.]ivergenz.

II

3

[X.]ie Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. [X.]er Kläger hat weder einen Verfahrensmangel ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]) noch eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 S[X.][X.] bezeichnet. [X.]ie Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 S[X.][X.] zu verwerfen.

4

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]), so müssen zur Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 S[X.][X.]) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. [X.]arüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. [X.]emäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]albsatz 2 S[X.][X.] kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 S[X.][X.] und auf eine Verletzung des § 103 S[X.][X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

[X.]iesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des [X.] nicht gerecht. Er rügt als Verfahrensmangel eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches [X.]ehör (Art 103 Abs 1 [X.][X.]), weil das [X.] sich auf die Einschätzungen der Sachverständigen [X.], [X.], [X.] und [X.] gestützt und die abweichende Beurteilung des im erstinstanzlichen Verfahren auf seine Kosten nach § 109 S[X.][X.] eingeholten [X.]utachtens des [X.] nicht berücksichtigt habe. Zwar habe das [X.] in den Entscheidungsgründen Widersprüche in den Einschätzungen von [X.] gegenüber den [X.]utachten von [X.] und [X.] dargestellt. [X.]as Berufungsgericht habe aber darauf verzichtet, die sich widersprechenden [X.]utachter anzuhören und gegebenenfalls ein weiteres [X.]utachten eines Facharztes für Arbeitsmedizin oder eines Sachverständigen für Berufskunde einzuholen, obwohl er - der Kläger - dies ausdrücklich beantragt habe. Sein rechtliches [X.]ehör sei verletzt, weil das [X.] sich aufdrängende [X.] nicht ausgeschöpft habe. [X.]as sei auch entscheidungserheblich, da nicht auszuschließen sei, dass das [X.] nach weiterer Sachaufklärung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

6

[X.]amit hat der Kläger eine [X.]ehörsverletzung nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar kann das Übergehen eines erheblichen Beweisangebots oder Beweisantrags Art 103 Abs 1 [X.][X.] verletzen, wenn dies aus [X.]ründen erfolgt, die im einschlägigen Verfahrensrecht keine Stütze finden (vgl BVerf[X.] Beschluss vom 8.12.2020 - 1 BvR 117/16 - juris Rd[X.] 12 mwN). Eine [X.]ehörsrüge, die sich auf das Unterlassen weiterer Sachaufklärung bezieht, muss im sozialgerichtlichen Verfahren aber zugleich die besonderen Anforderungen an die Rüge einer Verletzung des § 103 S[X.][X.] erfüllen (stRspr; vgl BS[X.] Beschluss vom 3.12.2012 - [X.] R 351/12 B - juris Rd[X.] 12; BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 18/19 B - juris Rd[X.] 11; BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 37/20 B - juris Rd[X.] 14, jeweils mwN). [X.]ie Beschränkungen in § 160 Abs 2 [X.] [X.]albsatz 2 S[X.][X.] hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des § 103 S[X.][X.] dürfen durch das Berufen auf eine Verletzung des rechtlichen [X.]ehörs nicht umgangen werden (vgl BS[X.] Beschluss vom [X.] R 202/10 B - juris Rd[X.] 11).

7

[X.]ementsprechend ist der Vortrag, das [X.] hätte ein weiteres [X.]utachten eines Facharztes für Arbeitsmedizin oder eines berufskundlichen Sachverständigen einholen müssen, nicht ausreichend. [X.]er Kläger gibt zwar an, er habe ein solches [X.]utachten "auch ausdrücklich beantragt". [X.]och zeigt er nicht auf, dass er dazu einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt (zu den Anforderungen vgl zB BS[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 22/19 B - juris Rd[X.] 9; BS[X.] Beschluss vom 5.2.2015 - [X.] R 372/14 B - juris Rd[X.] 12) und diesen bis zum Schluss aufrechterhalten hat (vgl dazu grundlegend BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11 mwN; BS[X.] Beschluss vom 23.6.2021 - [X.] R 69/21 B - juris Rd[X.] 11).

8

Entsprechendes gilt für den Vorhalt, das [X.] hätte "die sich widersprechenden [X.]utachter dazu anhören müssen". Soweit er damit geltend machen will, das Berufungsgericht habe sein Recht auf Befragung dieser Sachverständigen verletzt, hat er in der Beschwerdebegründung nicht dargestellt, dass er rechtzeitig einen solchen Antrag gestellt, schriftlich sachdienliche Fragen angekündigt und den Antrag bis zuletzt aufrechterhalten hat (vgl BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 18/19 B - juris Rd[X.] 12; BS[X.] Beschluss vom [X.] R 298/19 B - juris Rd[X.] 12; BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 219/20 B - juris Rd[X.] 8).

9

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beanstandet, dass das [X.] die Ausführungen des in erster Instanz nach § 109 S[X.][X.] eingeholten [X.]utachtens des Sachverständigen [X.] nicht ausreichend berücksichtigt habe, greift er im [X.] die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht an. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 S[X.][X.] ([X.]rundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) kann ein Verfahrensmangel nach der ausdrücklichen Anordnung in § 160 Abs 2 [X.] [X.]albsatz 2 S[X.][X.] jedoch von vornherein nicht gestützt werden. [X.]ie Würdigung unterschiedlicher [X.]utachtensergebnisse gehört zur Beweiswürdigung. [X.]ält das [X.]ericht eines oder einige von mehreren [X.]utachten für überzeugend, darf es sich diesen grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres [X.]utachten einholen zu müssen (stRspr, vgl BS[X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]1 Rd[X.] 8). Etwas anderes gilt nur, wenn die vorhandenen [X.]utachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des [X.]utachters geben (BS[X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - aa[X.] Rd[X.] 9; BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 20/21 B - juris Rd[X.] 7). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür benennt die Beschwerdebegründung nicht. Sie beschränkt sich lediglich darauf, mittels eines umfangreichen wörtlichen Zitats die Ausführungen des [X.] zur Beweiswürdigung wiederzugeben. [X.]amit zeigt der Kläger lediglich auf, auf welche Weise das [X.] die von ihm erkannten Widersprüche in den gutachtlichen Bewertungen aufgelöst hat.

Schließlich hat der Kläger auch nicht ausreichend dargestellt, inwiefern die Entscheidung des [X.] auf den von ihm gerügten Verfahrensmängeln beruhen kann. [X.]ie bloße Behauptung, es sei nicht auszuschließen, dass das [X.]ericht nach Anhörung der [X.]utachter oder Einholung eines [X.]bergutachtens "zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich der Beurteilung zu den Einschränkungen beim Kläger gekommen wäre", genügt hierfür nicht.

2. Auch eine [X.]ivergenz ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]) ist nicht ausreichend bezeichnet. Sie liegt vor, wenn das angefochtene Urteil seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde legt, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BS[X.], der [X.]mS[X.][X.]B oder der BVerf[X.] abweicht. [X.]arüber hinaus erfordert der Zulassungsgrund der [X.]ivergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. [X.]ass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 S[X.][X.]). [X.]ierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des [X.] auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BS[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 17; BS[X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.]1). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im [X.]rundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen [X.]ivergenz (stRspr, zB BS[X.] Beschluss vom 15.12.2020 - B 5 R 216/20 B - juris Rd[X.] 6).

[X.]as Vorbringen des [X.] entspricht diesen Erfordernissen nicht. Er entnimmt zwar aus "der Rechtsprechung des BS[X.]" - ohne Angabe einer konkreten Fundstelle - den Rechtssatz, eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege vor, "wenn auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können, wobei wenigstens zwei ungewöhnliche Leistungseinschränkungen vorhanden sein müssen". [X.]em stellt er jedoch keinen abstrakt-generellen Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung des [X.] als davon abweichend gegenüber. Vielmehr trägt er lediglich vor, das [X.] habe "irrtümlich" beim Kläger das Vorliegen einer Vielzahl erheblicher Leistungseinschränkungen verneint und sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die bestehenden Leistungseinschränkungen nicht zu einer besonderen Addierungs- und Verstärkungswirkung und damit zu ernsthaften Zweifeln an der Einsetzbarkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt führten. [X.]azu gibt er erneut mit einem umfangreichen wörtlichen Zitat die entsprechenden Ausführungen aus dem [X.]-Urteil wieder. [X.]ieraus wird allerdings ersichtlich, dass das [X.] gerade auch die Rechtssätze aus dem Urteil des BS[X.] vom 11.12.2019 ([X.] R 7/18 R - BS[X.]E 129, 274 = [X.] 4-2600 § 43 [X.]2) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. [X.]ie Rüge des [X.] erschöpft sich damit in der Behauptung, das [X.] habe die in jener Entscheidung aufgestellten [X.]rundsätze zum Prüfungsumfang "nicht erfüllt" und sei bei der Bewertung der von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. [X.]as geht über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus (vgl BS[X.] Beschluss vom [X.] R 46/20 B - juris Rd[X.] 6; BS[X.] Beschluss vom 3.3.2021 - B 5 R 282/20 B - juris Rd[X.] 5; BS[X.] Beschluss vom 28.5.2021 - [X.] R 295/20 B - juris Rd[X.] 10).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 [X.]albsatz 2 S[X.][X.]).

[X.]ie Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.][X.].

Meta

B 5 R 108/21 B

10.08.2021

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Osnabrück, 26. November 2019, Az: S 28 R 555/16

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.08.2021, Az. B 5 R 108/21 B (REWIS RS 2021, 3411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3411

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