Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.07.2017, Az. 1 B 116/17, 1 PKH 68/17, 1 B 116/17, 1 PKH 68/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 8287

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Gründe

1

A. Der Antrag des [X.] auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und [X.]eiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem [X.] ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2

[X.]. Die [X.]eschwerde, mit der allein eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

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Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 [X.] 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.] keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 [X.] 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

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Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.] ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen. Im Ergebnis unterschiedliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 [X.] 249.03 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der [X.]eweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier [X.]eweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

6

2. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt. Aus den oben erläuterten Unterschieden zwischen [X.]erufung und Revision ergibt sich, dass die Revision entgegen der Auffassung des [X.] nicht schon deshalb wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen ist, weil das [X.]erufungsgericht seinerseits die [X.]erufung aus diesem Grund zugelassen hat.

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Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigt der Kläger nicht auf. Die [X.]eschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"wie verfassungskonform zu entscheiden ist, wenn eine Gefährdung des Asylantragstellers bei seiner Rückkehr nach [X.] zwar letzten Endes schlüssig und belastbar nicht zu beweisen ist, aber auch nicht auszuschließen ist".

8

Ein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf hinsichtlich dieser Frage ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich. Die im Asylverfahren anzuwendenden Prognosemaßstäbe und [X.]eweislastgrundsätze ergeben sich z.T. bereits aus der Richtlinie 2011/95/[X.] und sind jedenfalls in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt (vgl. etwa [X.]VerwG, Urteile vom 5. November 1991 - 9 [X.] 118.90 - [X.]VerwGE 89, 162 <169>; vom 1. Juni 2011 - 10 [X.] 25.10 - [X.]VerwGE 140, 22 Rn. 22 und vom 20. Februar 2013 - 10 [X.] 23.12 - [X.]VerwGE 146, 67 Rn. 32). Danach gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bzw. des "real risk". [X.] - zu denen der Kläger nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht gehört - kommt die [X.]eweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/[X.] zugute. Kann nicht festgestellt werden, dass einem Asylbewerber Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in [X.]etracht. [X.] Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde mit dem bloßen Hinweis auf den grundgesetzlichen Schutz von Menschenwürde und körperlicher Unversehrtheit nicht auf.

9

Mit der weiteren [X.]egründung wendet sich der Kläger im Gewand der Grundsatzrüge gegen die Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]. Damit kann er die Zulassung der Revision nicht erreichen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 116/17, 1 PKH 68/17, 1 B 116/17, 1 PKH 68/17

11.07.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PKH

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 21. Mai 2017, Az: 2 A 180/17, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.07.2017, Az. 1 B 116/17, 1 PKH 68/17, 1 B 116/17, 1 PKH 68/17 (REWIS RS 2017, 8287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8287

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2 BvR 31/14

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