Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2015, Az. VII ZR 70/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7287

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Gegenstand

Werkmangel bei Pflasterarbeiten: Verwendung eines vom Leistungsverzeichnis abweichenden Kieses; Unverhältnismäßigkeit einer Mängelbeseitigung


Tenor

Den Beschwerden der Beklagten zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 21. März 2014 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 125.658,23 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin macht gegenüber den [X.] Mängelansprüche aus abgetretenem Recht geltend.

2

Anfang 2006 beauftragte die [X.] die Beklagte zu 1 mit der Errichtung der Außenanlagen an einem Supermarkt. Gegenstand der Auftragserteilung war unter anderem die Anlage eines Parkplatzes mit gepflasterten Stellflächen und Fahrspuren. Die Vertragsparteien vereinbarten die Anwendung der [X.]/B.

3

Die [X.] beauftragte außerdem die Beklagte zu 2 mit den Planungsarbeiten sowie mit der Bauleitung für das genannte Bauvorhaben.

4

Im Rahmen der Pflasterarbeiten verwendete die Beklagte zu 1 anstelle des im Leistungsverzeichnis vorgesehenen [X.] der Körnung 0/5 einen Kies der Körnung 2/5, das heißt einen Kies ohne besonders feinkörnige Anteile mit einem Durchmesser unterhalb von 2 mm.

5

Am 15. Mai 2006 nahm die [X.] das Werk der [X.] zu 1 ab. Mit notariell beurkundetem [X.] verkaufte die [X.] das betreffende Objekt an die Klägerin. Gleichzeitig trat die [X.] alle Gewährleistungsansprüche an die Klägerin ab.

6

[X.] zeigten sich im Bereich der Pflasterarbeiten, vor allem an den besonders belasteten Stellen (Fahrspuren), [X.] unter anderem in Form loser Pflastersteine.

7

Eine umfassende Mangelbeseitigung nahm die Beklagte zu 1 auch nach erfolgter Mangelrüge und Fristsetzung seitens der Klägerin nicht vor.

8

Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit zunächst die Beklagte zu 1 auf Kostenvorschuss und die Beklagte zu 2 auf Schadensersatz in Anspruch genommen und außerdem die Feststellung der Ersatzpflicht beider Beklagter hinsichtlich weitergehender Aufwendungen und Schäden begehrt. Während des laufenden Verfahrens hat sie im Jahr 2011 die Fahrspuren, nicht hingegen die Stellplätze, durch einen Drittunternehmer sanieren und außerdem [X.] durchführen lassen. Hierdurch entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 71.921,94 € netto.

9

Nach Klageänderung und teilweiser Klagerücknahme begehrt die Klägerin von den [X.] den Ausgleich der im Rahmen der Sanierung tatsächlich getätigten Aufwendungen (71.921,94 €), die Erstattung der für ein Privatgutachten aufgewandten Kosten (2.064,30 €) und Ersatz der Nettokosten für die noch nicht vorgenommene Sanierung der Stellplätze (55.419 €).

Das [X.] hat der Klage gegen die Beklagte zu 1 nach Beweisaufnahme in Höhe von 125.658,23 € nebst Zinsen stattgegeben sowie die Beklagte zu 1 zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.080,50 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen dieses Urteil des [X.]s haben sowohl die Beklagte zu 1 als auch die Klägerin Berufung eingelegt.

Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der [X.] zu 1 bestätigt und die Beklagte zu 2 im gleichen Umfang wie die Beklagte zu 1 als Gesamtschuldnerin zusammen mit dieser verurteilt.

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden der [X.] zu 1 und 2.

II.

Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus, beide [X.] hafteten gesamtschuldnerisch der Klägerin auf Schadensersatz in der vom [X.] allein gegenüber der [X.] zu 1 zuerkannten Höhe. Der Klägerin stehe insoweit gegenüber beiden [X.] ein werkvertraglicher Schadensersatzanspruch zu.

Zutreffend habe das [X.] festgestellt, dass das von der [X.] zu 1 erstellte Werk mangelhaft sei. Darüber hinaus sei auch eine Haftung der [X.] zu 2 anzunehmen, da diese trotz Kenntnis des von ihr eingesetzten Bauleiters davon, dass die Beklagte zu 1 ein anderes als das von ihr im Leistungsverzeichnis ausgeschriebene Sand-Kies-Gemisch verwandt habe, nicht für eine vertragsgemäße Ausführung der geschuldeten Leistung gesorgt habe.

Das Werk der [X.] zu 1 sei mangelhaft gewesen, da sie im Rahmen der Pflasterarbeiten anders als vertraglich vereinbart Kies mit einer Körnung 2/5 statt einer Körnung 0/5 verwandt habe. Das Berufungsgericht teile die Auffassung des [X.]s, dass diese Abweichung der tatsächlichen Ist- Beschaffenheit von der geschuldeten Soll-Beschaffenheit einen Sachmangel begründe, ohne dass es weiter darauf ankomme, ob die tatsächlich ausgeführte Leistung möglicherweise wirtschaftlich oder technisch besser sei als die vereinbarte oder ob es sich um eine wesentliche oder unwesentliche Abweichung von der vereinbarten Leistung handele. Vorliegend hätten sich an der durch die von der [X.] zu 1 vorgenommene Abweichung betroffenen Fläche gravierende Fehler gezeigt, so dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass beide Materialien in gleicher Weise für den angestrebten Verwendungszweck geeignet gewesen seien.

Dass die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche im vorliegenden Fall ausnahmsweise treuwidrig wäre, könne nicht festgestellt werden. Tatsachen, die hierfür sprechen könnten, seien weder von den [X.] vorgetragen worden noch sonst aus den Umständen ersichtlich.

Auch die Beklagte zu 2 hafte in gleicher Höhe wie die Beklagte zu 1 und gesamtschuldnerisch mit dieser, da sie in Kenntnis aller Umstände zugestimmt habe, dass ein nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprechendes Material zur Pflasterbettung eingebaut worden sei.

Für die beiden [X.] gelte, dass der von ihnen zu leistende Schadensersatz nicht unverhältnismäßig sei. Soweit die Beklagte zu 1 geltend mache, dass nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nur kleinere Teilflächen nachzuarbeiten seien, berücksichtige sie nicht, dass die Fahrbahnen bereits saniert seien, was einen Betrag von 71.921,94 € gekostet habe. Bezüglich der [X.] könne der Klägerin nicht angesonnen werden, abzuwarten, bis die [X.] jeweils in Erscheinung träten, um die Sanierung dann stückweise durchzuführen.

III.

Die Beschwerde der [X.] zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu deren Nachteil entschieden worden ist, und im Umfang dieser Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, § 544 Abs. 7 ZPO. Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch der [X.] zu 1 auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art. 103 Abs. 1 GG.

1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt einen Mangel des Werks der [X.] zu 1 wegen der Verwendung von Kies der Körnung 2/5 statt des im [X.] vereinbarten [X.] der Körnung 0/5 angenommen. Ferner hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass keine nachträgliche Änderung dieser Beschaffenheitsvereinbarung erfolgt ist. Die in diesem Zusammenhang von der [X.] zu 1 erhobenen [X.] hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO. Ein Sachmangel liegt nach § 633 Abs. 2 Satz 1 [X.] - und Entsprechendes gilt für § 13 Nr. 1 [X.]/B (2002) - auch dann vor, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit des Werks führt (vgl. [X.]/[X.], ibr-online- Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 28. Juli 2015, § 633 [X.] Rn. 40 und 45; BeckOGK/[X.], [X.], Stand: 3. November 2014, § 633 Rn. 98). Eine Einschränkung des Fehlerbegriffs, wie sie in § 633 Abs. 1 letzter Halbsatz [X.] a. F. enthalten ist, ist in § 633 Abs. 2 Satz 1 [X.] entfallen. Wirkt sich eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, kann dies zwar die Prüfung veranlassen, ob Mängelansprüchen des Bestellers der Einwand entgegensteht, der [X.] sei unverhältnismäßig (so schon [X.], Urteil vom 1. August 2013 - [X.], [X.]Z 198, 150 Rn. 15 zu § 633 Abs. 2 [X.] a.F.). An dem Vorliegen eines Mangels in derartigen Fällen ändert dies allerdings nichts.

2. Indes beruht die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der von der [X.] zu 1 zu leistende Schadensersatz nicht unverhältnismäßig sei, auf einer Verletzung des Anspruchs der [X.] zu 1 auf rechtliches Gehör.

a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf [X.] des [X.] zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2014 - [X.], juris Rn. 6; Beschluss vom 16. März 2011 - [X.], [X.], 300 Rn. 3; Beschluss vom 6. Februar 2013 - [X.]/11, [X.], 1046 Rn. 11 - Variable Bildmarke; [X.], NJW 2009, 1584 Rn. 14 m.w.N.). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2014 - [X.], [X.], 338 Rn. 4 m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall eine Verletzung des Anspruchs der [X.] zu 1 auf rechtliches Gehör vor. Die Beklagte zu 1 hat behauptet, Ursache für die aufgetretenen, von der Klägerin gerügten [X.] sei allein das Unterlassen einer der [X.] obliegenden späteren Nachsandung. Darin liegt zugleich die Behauptung, dass die Verwendung des [X.] mit der Körnung 2/5 statt des vereinbarten [X.] mit der Körnung 0/5 für die aufgetretenen, von der Klägerin gerügten [X.] nicht ursächlich gewesen sei und sich damit nicht nachteilig ausgewirkt habe. In der Sache macht sie damit geltend, dass mangels nachteiliger Auswirkungen des allein in der vertraglichen Abweichung begründeten Mangels der Beseitigungsaufwand unverhältnismäßig sei (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2012 - [X.], [X.], 81 Rn. 11 f. = NZBau 2013, 370; [X.]/[X.], ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 28. Juli 2015, § 633 [X.] Rn. 53 i.V.m. Rn. 40). Für diesen erheblichen Einwand hat die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1 (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2001 - [X.], [X.], 613, 617, juris Rn. 50 = NZBau 2002, 338; [X.]/[X.], ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 28. Juli 2015, § 633 [X.] Rn. 40) [X.] angeboten. Dem Berufungsurteil ist eine Verbescheidung des genannten Vorbringens nicht zu entnehmen.

c) Der genannte Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des [X.] gelangt wäre, wenn es das übergangene Vorbringen der [X.] zu 1 berücksichtigt und den hierzu angebotenen [X.] erhoben hätte.

IV.

Die Beschwerde der [X.] zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision führt ebenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu deren Nachteil entschieden worden ist, und im Umfang dieser Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, § 544 Abs. 7 ZPO. Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch der [X.] zu 2 auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art. 103 Abs. 1 GG.

1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht - wie im Prozessrechtsverhältnis zur [X.] zu 1 - im Ausgangspunkt einen Mangel des Werks der [X.] zu 1 wegen der Verwendung von Kies der Körnung 2/5 statt des im [X.] vereinbarten [X.] der Körnung 0/5 angenommen. Ferner hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass keine nachträgliche Änderung dieser Beschaffenheitsvereinbarung erfolgt ist. Des Weiteren hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der [X.] zu 2 eine Vertragspflichtverletzung im Rahmen der Bauüberwachung zur Last fällt, weil ihr Bauleiter B. in Kenntnis aller Umstände zugestimmt hat, dass ein nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprechendes Material zur Pflasterbettung eingebaut wurde. Die in diesem Zusammenhang von der [X.] zu 2 erhobenen [X.] hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

2. Indes beruht die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der von der [X.] zu 2 zu leistende Schadensersatz nicht unverhältnismäßig sei, auf einer Verletzung des Anspruchs der [X.] zu 2 auf rechtliches Gehör.

a) Die Beklagte zu 2 hat für ihre Behauptung, dass der eingetretene Schaden nicht auf eine mangelhafte Leistung der [X.] zu 1, sondern auf das Unterlassen einer der [X.] obliegenden Nachsorge (regelmäßiges späteres Nachsanden) zurückzuführen sei und dass die Schäden auch dann aufgetreten wären, wenn vereinbarungsgemäßes Bettungsmaterial eingebracht worden wäre, [X.] angeboten (Schriftsatz vom 13. März 2013, Seite 5 f.). Dieses unter Beweis gestellte Vorbringen, mit dem zugleich behauptet wird, die im Rahmen der Bauüberwachung erfolgte Zustimmung zur Verwendung von Kies der Körnung 2/5 sei für die aufgetretenen [X.] an den Fahrbahnspuren und [X.] nicht ursächlich, ist im Hinblick auf den Einwand der Unverhältnismäßigkeit des [X.]s erheblich (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2012 - [X.], [X.], 81 Rn. 11 f. = NZBau 2013, 370; [X.]/[X.], ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 28. Juli 2015, § 633 [X.] Rn. 53 i.V.m. Rn. 40). Dem Berufungsurteil ist eine Verbescheidung des genannten, unter [X.] gestellten Vorbringens nicht zu entnehmen.

b) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des [X.] gelangt wäre, wenn es das übergangene Vorbringen der [X.] zu 2 berücksichtigt und den hierzu angebotenen [X.] erhoben hätte.

[X.]                           Graßnack

              [X.]

Meta

VII ZR 70/14

30.07.2015

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 21. März 2014, Az: 10 U 16/13

§ 633 Abs 2 S 1 BGB, § 13 Nr 1 VOB B 2002, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2015, Az. VII ZR 70/14 (REWIS RS 2015, 7287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7287

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