9. Senat | REWIS RS 2023, 6398
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Patentbeschwerdesache – „Kettenblattabdeckung“ - Zur Frage der nachträglichen Einbeziehung eines durch ein erteiltes Patent offenbarten Gegenstandes in ein Patent im Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren – Zur Frage der Schutzbereichserweiterung – Keine Patentfähigkeit – Keine erfinderische Tätigkeit
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 10 2014 002 433
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.]auf die mündliche Verhandlung am 8. Mai 2023 unter Mitwirkung des Richters [X.]als Vorsitzenden sowie der Richterin [X.]und der Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. [X.]und Dipl.-Ing. Univ. Sexlinger beschlossen:
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Auf die am 20. Februar 2014 beim [X.]unter Inanspruchnahme der [X.]Priorität [X.]20131000015870 vom 27. Februar 2013 eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
Kettenblattabdeckung
am 16. Juni 2016 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent ist von der [X.]am 14. März 2017 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende hat dabei den [X.]des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG geltend gemacht.
Die [X.]des [X.]hat das Patent 10 2014 002 433 daraufhin mit einem am Ende der mündlichen Anhörung vom 21. Mai 2019 verkündeten Beschluss widerrufen.
Sie hat den Widerruf damit begründet, dass der [X.]der mangelnden Patentfähigkeit vorliege, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber einer vorbenutzten [X.]sei, welche von der Firma [X.]ab dem [X.]hergestellt wurde und zu deren Beleg die Einsprechende die Fotographien [X.]zusammen mit ihrem Einspruchsschriftsatz eingereicht hatte. Der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 der beiden Hilfsanträge, mit denen die Patentinhaberin ihr Patentbegehren im Einspruchsverfahren hilfsweise verteidigte, möge der vorbenutzten [X.]gegenüber zwar neu sein, er beruhe jedoch jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit in Zusammenschau des Inhalts der Druckschrift D4, der [X.]5 941 333 A mit der Vorbenutzung D2.
Gegen diesen Beschluss, der von der Patentinhaberin laut [X.]am 24. September 2019 zugestellt worden ist, richtet sich die beim [X.]am 30. September 2019 eingegangene Beschwerde der Patentinhaberin, die diese mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 begründet. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der Beschluss der [X.]sei fehlerhaft und das angegriffene Patent sei bereits in der erteilten Fassung, jedenfalls einer der der eingereichten [X.]bis 5 patentfähig.
Die Einsprechende ist der Beschwerde der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 entgegengetreten und hat ihre Argumentation mit Schriftsatz vom 4. August 2020 dargelegt.
Nach ihrer Ansicht sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der [X.]wie auch nicht neu gegenüber jeweils dem Inhalt der Druckschriften
D1: EP 2 562 071 A1 und
D3: [X.]4 453 924 A.
Er beruhe darüber hinaus nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Inhalte der [X.]oder [X.]bzw. der [X.]mit dem Inhalt der Druckschrift [X.]Die Druckschrift [X.]sei auch diesbezüglich zu berücksichtigen, da die in Anspruch genommene Priorität des Streitpatents, wie auch schon im Einspruchsverfahren vor dem [X.]vorgetragen, nicht wirksam sei, denn nicht alle Merkmale des im Patent beanspruchten Gegenstandes seien den [X.]zu entnehmen. In diesem Zusammenhang reichte die Einsprechende im Einspruchsverfahren folgende Druckschriften ein:
A3: [X.]106 810 A, Veröffentlichung der prioritätsbegründenden Anmeldung, und
A4: [X.]Übersetzung der Druckschrift A3.
Die mit den [X.]1 bis 5 beanspruchten Gegenstände seien sämtlich schon unzulässig, da diese Merkmale enthielten, die nicht als erfindungswesentlich offenbart seien. Hinsichtlich der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gelte gleiches wie für den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 sei nicht neu gegenüber dem Inhalt der Druckschrift [X.]bzw. beruhe zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Inhalt der Druckschrift [X.]mit dem der Druckschrift [X.]Auch die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge 3 bis 5 beruhten zumindest im Lichte der Druckschriften D1, [X.]und [X.]bzw. der [X.]nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In seiner Einführung zur mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2023 vor dem erkennenden Senat stellte der Vorsitzende heraus, dass bei einer hilfsweisen Verteidigung auf Grundlage geänderter Anspruchsfassungen der Senat deren Zulässigkeit bzw. sämtliche Patentierungserfordernisse unabhängig vom Vorbringen der Beteiligten zu prüfen habe und den Beteiligten im Rahmen der Verhandlung die Möglichkeit zu ggf. ergänzenden Äußerungen gegeben werde. Dabei hob der Vorsitzende im Besonderen die notwendige Überprüfung der für die Hilfsanträge vorgegebenen unabhängigen Hauptansprüche hinsichtlich der [X.]einer einhergehenden Beschränkung gegenüber der erteilten Fassung und die auch hierzu gegebene Möglichkeit zur Äußerung hervor.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin und Patentinhaberin ihr Patent zuletzt im Umfang der erteilten Fassung sowie hilfsweise mit den fünf vorbenannten [X.]verteidigt und den Antrag gestellt,
den Beschluss der [X.]des [X.]vom 21. Mai 2019 aufzuheben und das Patent 10 2014 002 433 in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
Hilfsweise beantragte sie – jeweils unter unveränderter Beibehaltung der Zeichnungen und der Beschreibungsseiten – die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents in der Reihenfolge folgender Hilfsanträge:
- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019,
- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019,
- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019,
- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019,
- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 5, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019.
Die Beschwerdegegnerin und Einsprechende stellte den Antrag,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
Abdeckscheibe für das Kettenblatt (5) eines Fahrrades mit einem Elektromotor (7) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) ausgebildet ist und die Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat, mit dieser [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 lautet:
Abdeckscheibe für das auf einem [X.](8) eines Elektromotors bereits montierte Kettenblatt (5) eines Fahrrades mit einem Elektromotor (7) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) ausgebildet ist und die Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat, mit dieser [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist, so dass die [X.](2) und die mit ihr einstückig verbundene Abdeckscheibe (9) auf dem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) montierbar sind.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag 1 an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 2 lautet:
Fahrrad mit einem Elektromotor (7), einem Kettenblatt (5) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) ausgebildet ist, ferner aufweisend eine Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat und mit dieser kettenblattseitigen [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist, so dass die [X.](2) und die mit ihr einstückig verbundene Abdeckscheibe (9) auf dem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) montierbar sind.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2 an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 3 lautet:
Abdeckscheibe für das Kettenblatt (5) eines Fahrrades mit einem Elektromotor (7) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) ausgebildet ist, wobei bei dem Fahrrad je nach Fahrzustand keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und den [X.]besteht und die Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat, mit dieser [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag 3 an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 4 lautet:
Abdeckscheibe für das auf einem [X.](8) eines Elektromotors (7) bereits montierte Kettenblatt (5) eines Fahrrades mit einem Elektromotor (7) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) ausgebildet ist, wobei bei dem Fahrrad je nach Fahrzustand keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und den [X.]besteht und die Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat, mit dieser [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist, so dass die [X.](2) und die mit ihr einstückig verbundene Abdeckscheibe (9) auf dem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) montierbar sind.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag 4 an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 5 lautet:
Fahrrad mit einem Elektromotor (7), einem Kettenblatt (5) und zwei Tretkurbeln, von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) ausgebildet ist, wobei bei dem Fahrrad je nach Fahrzustand keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und den [X.]besteht ferner aufweisend eine Abdeckscheibe (9), die zumindest mittig eine Öffnung hat und mit dieser kettenblattseitigen [X.](2) an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite [X.]verbunden ist, so dass die [X.](2) und die mit ihr einstückig verbundene Abdeckscheibe (9) auf dem [X.](8) des Elektromotors (7) mit bereits montiertem Kettenblatt (5) montierbar sind.
Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag 5 an.
Zum Wortlaut der weiteren Ansprüche der jeweiligen Anspruchssätze sowie zu sonstigen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Der Einspruch war ausreichend substantiiert und ebenfalls zulässig.
2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung sowie die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1, 3 und 4 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie sind daher nicht patentfähig.
Eine Beurteilung der weiteren Patentansprüche nach dem Hauptantrag und den [X.]1, 3 und 4 bedarf es in der Folge nicht, da mit den jeweils nicht gewährbaren Patentansprüchen dem jeweiligen Antrag als Ganzes nicht stattgegeben werden kann und die Beschwerdeführerin mit der Stellung von [X.]zu erkennen gibt, in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang sie hilfsweise eine Aufrechterhaltung des Patents anstrebt (vgl. [X.]1997, 120 – elektrisches Speicherheizgerät; [X.]2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II; [X.]2017, 57 – Datengenerator).
Die Hauptansprüche in den Fassungen der [X.]und 5 bedingen eine Schutzbereichserweiterung gegenüber dem Patent in der erteilten Fassung. Da auch keine Änderungen vorgenommen werden dürfen, die den [X.]des § 22 Abs. 1 (Alternative) [X.]schaffen würden, sind die [X.]und 5 für eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents wie beantragt unzulässig.
3. Das Streitpatent betrifft gemäß Absatz [0001] der Streitpatentschrift eine Abdeckscheibe für das Kettenblatt eines Fahrrades mit einem Elektromotor.
Zum Schutz der Kleidung des Benutzers wiesen sowohl herkömmliche Fahrräder als auch Fahrräder mit elektromotorischer Unterstützung, sogenannte Elektro-Fahrräder oder Pedelecs, in der Regel entweder eine rahmenfeste Abdeckung für einen Teil der Kette und das Kettenblatt oder eine Kettenblatt-Abdeckscheibe auf, deren Durchmesser normalerweise etwas größer als der Durchmesser des Kettenblatts bzw. bei einem Kettenblattsatz des Kettenblatts mit dem größten Durchmesser sei. Die Abdeckscheibe könne aber auch so ausgebildet sein, dass sie mindestens einen Teil der mit dem Kettenblatt im Eingriff stehenden Kette vor Verschmutzung schützte und/oder verhindere, dass die Kette von dem Kettenblatt springt. Die Abdeckscheibe könne bis auf eine mittige Öffnung zum Durchtritt des Zapfens der Tretlagerwelle dabei vollflächig sein oder z. B. zur Gewichtseinsparung Ausnehmungen haben (vgl. Absatz [0002] der Streitpatentschrift).
Einer Reihe aus dem Stand der Technik bekannter Ausführungsformen, die Streitpatentschrift benennt hierbei explizit die Druckschriften [X.]5 320 583 A, [X.]20 2004 006 978 U1, JP H11-105 761 A und [X.]4 487 424 A, spricht das Streitpatent die Eignung für Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb ab, denn bei diesen Ausführungsformen bestünde je nach Fahrzustand keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und der gleichseitigen [X.]sowie der [X.]auf der gegenüberliegenden Seite (vgl. Absätze [0003] bis [0007] der Streitpatentschrift). Im Übrigen sieht die Streitpatentschrift eine unmittelbare Verbindung einer Abdeckscheibe mit dem Kettenrad mittels Schrauben als nachteilig an (vgl. Absätze [0008] und [0009] der Streitpatentschrift).
Der Erfindung liege daher gemäß Absatz [0010] der Streitpatentschrift die Aufgabe zugrunde, eine Kettenblattabdeckung zu schaffen, die im Vergleich zu den bekannten Konstruktionen weniger Teile benötige und eine geringere Montagezeit erfordere.
4. Als der mit der Lösung dieser Aufgabe betraute [X.]wird bei dem Verständnis der Erfindung sowie bei der nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau (Dipl.-Ing. (FH) oder B. Eng.) angesehen. Dieser weist eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Komponenten für Fahrräder und Elektrofahrräder auf.
5. Hauptantrag
In der erteilten Fassung erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig, denn dieser beruht ausgehend von dem Inhalt der Druckschrift [X.]nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Druckschrift [X.]stellt in diesem Zusammenhang einen zu berücksichtigenden Stand der Technik dar, da die Inanspruchnahme der Priorität der [X.]Anmeldung 20131000015870 unwirksam ist, denn Streitpatent und Voranmeldung enthalten entgegen der Forderung des § 41 PatG nicht dieselbe Erfindung.
5.1 Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (vgl. [X.]2012, 1124 - Polymerschaum I). Dies gilt auch für das Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei diese unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnung aus Sicht des von der Erfindung betroffenen Fachmanns ausgelegt wird ([X.]2007, 410, Rn. 18 f. – Kettenradanordnung; [X.]2007, 859, Rn. 13 f. – Informationsübermittlungsverfahren I). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen. Insofern erlaubt ein Ausführungsbeispiel zwar regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. [X.]2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (vgl. [X.]1999, 909 – Spannschraube). Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (BGH, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; BGH, BGHZ 112, 140, 155 f. – Befestigungsvorrichtung II; BGH, GRUR 2006, 923 Rn. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; BGH, BGHZ 182, 1 Rn. 23 - Betrieb einer Sicherungseinrichtung; BGH, GRUR 2009, 837, Rn. 15 - Bauschalungsstütze).
Zur Erleichterung von Bezugnahmen sind die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben.
[X.]Abdeckscheibe
[X.]für das Kettenblatt (5) eines Fahrrades
M1.1 mit einem Elektromotor (7) und
M1.2 zwei Tretkurbeln,
[X.]von denen die kettenblattseitige [X.](2) zur Montage auf einem [X.](8) des Elektromotors (7) ausgebildet ist
[X.]und die Abdeckscheibe (9),
[X.]die zumindest mittig eine Öffnung hat,
M2.2 mit dieser [X.](2) [X.]verbunden ist,
[X.]an deren dem Kettenblatt (5) zugewandten Seite.
Der Patentanspruch 1 ist gemäß den Merkmalen [X.]und [X.]auf eine Abdeckscheibe gerichtet, die nach dem Merkmal M2.2 mit einer [X.]verbunden ist.
Der Teilbegriff „…scheibe“ charakterisiert die Abdeckscheibe dabei als einen kreisförmigen Körper, dessen Radius um ein Vielfaches größer ist als dessen Dicke, während der Teilbegriff „Abdeck...“ den Einsatzzweck der Abdeckscheibe und damit ihre Eignung ihrer Bezeichnung folgend als Abdeckung eines Kettenblatts eines Fahrrades nach den Merkmalen [X.]bis [X.]heraushebt. Die Abdeckscheibe ist insofern geeignet und somit für den Zweck verwendbar ein Kettenblatt eines Fahrrades abzudecken, wobei das Fahrrad wiederum mit einem Elektromotor ausgebildet ist und zwei [X.]umfasst, von denen die kettenblattseitige [X.]zur Montage auf einem [X.]ausgebildet ist, der dem Elektromotor des Fahrrades zuzuordnen ist. Gemäß Absatz [0013] der Streitpatentschrift kann dies etwa auch der [X.]der Tretlagerwelle des Fahrrades sein.
Gemäß Merkmal [X.]weist die Abdeckscheibe darüber hinaus zwingend eine Öffnung auf, die mittig angeordnet ist. Hierbei schließt der Patentanspruch aber nicht aus, dass darüber hinaus weitere Öffnungen oder Aussparungen in der Abdeckscheibe vorgesehen sind, wie dies etwa das Ausführungsbeispiel in den Figuren 9 und 10 des Streitpatents offenbart und worauf bereits Absatz [0002] der Streitpatentschrift in seinem letzten Satz hinweist.
Die Verbindung der Abdeckscheibe mit der [X.]erfolgt nach dem Merkmal M2.2 [X.]und zusätzlich schraubenlos sowie gemäß Merkmal [X.]auf der Seite der Tretkurbel, die dem Kettenblatt zugewandt ist. Während der Begriff „drehfest“ noch eine Eigenschaft dieser Verbindung definiert, wonach eben eine Drehung der Abdeckscheibe gegenüber der [X.]im Falle ihrer Verbindung unterbunden ist, spezifiziert der Begriff „schraubenlos“ die besagte Verbindung nur lediglich insoweit, als dass diese gerade nicht unter Verwendung einer Schraube hergestellt werden darf bzw. hergestellt ist. Gemäß Absatz [0016] der Beschreibung des Streitpatents kann diese Verbindung so etwa durch Kleben, Punktschweißen oder durch eine Press- oder Quetschverbindung hergestellt werden.
5.2 Die Priorität der [X.]Anmeldung 20131000015870 kann vom angegriffenen Patent im Umfang des erteilten Patentanspruchs 1 nicht wirksam in Anspruch genommen werden. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 41 PatG, dass die Anmeldung des [X.]Patents - somit auch das hierauf beruhende Patent - dieselbe Erfindung wie die Voranmeldung betrifft.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, GRUR 2002, 146 - Luftverteiler; BGH, GRUR 2008, 597, 599, Rn. 17 - Betonstraßenfertiger). Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Dabei ist die [X.]der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln. Auch kann die Priorität einer Voranmeldung dann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen technischen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2014, 542 - Kommunikationskanal).
Dahingehende Feststellungen sind vorliegend nicht möglich. Vielmehr ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung in den Anmeldeunterlagen zu der [X.]Anmeldung, welche als Druckschrift [X.]veröffentlicht wurde und auf dessen [X.]Übersetzung [X.]Bezug genommen wird, nicht als zur angemeldeten Erfindung gehörend offenbart.
So ist der Druckschrift [X.]eine Abdeckscheibe (chain guard) zu entnehmen, die für das Kettenblatt (chain wheel) eines Fahrrades (bicycles) mit einem Elektromotor (electric motor) und zwei [X.](crank) ausgebildet ist, wobei von den beiden [X.]die kettenblattseitige [X.]zur Montage auf einem [X.](electric motor shaft) des Elektromotors hergerichtet ist (vgl. Druckschrift A4: Figuren 7 und 8 einschl. Bezugszeichenliste). Die Abdeckscheibe weist zumindest mittig eine Öffnung auf und ist mit einer [X.]verbunden. Dabei soll diese Verbindung die der Druckschrift [X.]zugrundeliegende Problematik lösen, wonach es als nachteilig angesehen werde, dass, wie bisher in konventionellen Systemen, die [X.]mit der Abdeckscheibe verschraubt sei (vgl. Druckschrift A4: Seite 2, 2. Absatz). Als Lösung hierfür lehrt die Druckschrift [X.](lt. A4) ausschließlich uns einzig ein Ancrimpen der Abdeckscheibe an die Tretkurbel. Anderweitige möglicherweise zu diesem Ancrimpen alternative Verbindungmöglichkeiten werden weder explizit erwähnt noch sind solche implizit mitzulesen. Auch der einzige Patentanspruch der Druckschrift [X.]richtet sich gezielt auf ein Vercrimpen der beiden Bauteile miteinander.
Die einer Erfindung zugrundeliegende Aufgabe stellt nicht bereits die Erfindung einer Anmeldung dar (vgl. auch [X.]1984, 194 – Kreiselegge). Vielmehr kommt es auf die Lösung, wenn auch unter Berücksichtigung der Aufgabe, an. Insofern begrenzt die der Druckschrift [X.](lt. A4) entnehmbare und vorstehend dargelegte Lösung den Umfang der der Druckschrift [X.](lt. A4) entnehmbaren Lehre zum technischen Handeln hierauf.
Das Merkmal M2.2 des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents greift mit der Forderung, wonach die Abdeckscheibe schraubenlos mit der [X.]verbunden ist, somit lediglich die der Voranmeldung zugrundeliegende Aufgabe auf. Gemäß Absatz [0016] der Streitpatentschrift subsumiert sie hierunter vielfältige Verbindungen wie etwa auch Punktschweißen oder Kleben und beschränkt diese somit nicht auf die einzig offenbarte Lösung der Voranmeldung und damit ihrer Erfindung, nämlich einem Vercrimpen der Abdeckscheibe an der Tretkurbel.
Die mit der Nachanmeldung, also dem Streitpatent, beanspruchte Verallgemeinerung auf jegliche schraubenlose drehfeste Verbindungen ist in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit aber so nicht mehr als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart und sie stellt sich für den Fachmann in ihrer Breite auch nicht mehr als allgemeinere technische Lehre der in der Voranmeldung allein unter Anwendung eines Vercrimpens beschriebenen Erfindung dar.
5.3 Die Abdeckscheibe nach erteiltem Patentanspruch 1 wird durch den Inhalt der Druckschrift [X.]dem Fachmann nahegelegt, vgl. § 4 PatG.
Die Druckschrift [X.]wurde am 27. Februar 2013 veröffentlicht und stellt in diesem Zusammenhang einen zu berücksichtigenden vorveröffentlichten Stand der Technik dar, da die Inanspruchnahme der Priorität der [X.]Anmeldung 20131000015870 für das Streitpatent wie vorstehend dargelegt unwirksam ist und dem Streitpatent daher der Zeitrang vom 20. Februar 2014 zuzurechnen ist.
Die Druckschrift [X.]offenbart zahlreiche Ausführungsbeispiele für Tretlageranordnungen von Fahrrädern, die einen Elektromotor 2, Kettenblätter 15 und zwei [X.]11R, 11L umfassen, von denen die kettenblattseitige [X.][X.]zur Montage auf einen [X.]der Welle 11 des Elektromotors ausgebildet ist (vgl. Figuren). Die verschiedenen Tretlageranordnungen beinhalten ferner eine Scheibe (baffle) mit einer mittigen Öffnung, die in Figur 3 etwa mit dem Bezugszeichen 16 versehen ist und zu der in Absatz [0012] ausgeführt ist, das diese dazu dient einen Nutzer vor dem Kontakt mit den Kettenblättern zu schützen.
Die [X.]erfüllt daher die vorbenannten Kriterien einer Abdeckscheibe gemäß den Merkmalen M0, [X.]bis M1.2.1, M2, [X.]und [X.]und nimmt diese bereits vorweg.
Lediglich das noch verbleibende Merkmal M2.2, wonach die Abdeckscheibe [X.]mit der [X.]verbunden ist, ist der Druckschrift [X.]zumindest explizit nicht zu entnehmen.
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung zwar gegenüber dem Inhalt der Druckschrift [X.]neu, allerdings kann das die Neuheit bedingende Merkmal M2.2 eine erfinderische Tätigkeit gegenüber der der Druckschrift [X.]entnehmbaren Lehre nicht begründen.
Denn will der Fachmann die in den Figuren 5, 7 oder 8 der Druckschrift [X.]dargestellte Tretlageranordnung nacharbeiten, so ist er vor die Aufgabe gestellt, wie er die dort jeweils vorgesehene Scheibe befestigen möchte, denn die Art der Befestigung der Scheibe in der Tretlageranordnung ist weder den Figuren zu entnehmen, noch wird dazu in der Beschreibung ausgeführt. Es liegt daher zunächst grundsätzlich in seinem konstruktiven Ermessen wie er diese Befestigung ausbildet.
Die Druckschrift [X.]selbst gibt ihm dabei mit Blick auf das in der Figur 3 dargestellte Ausführungsbeispiel bereits vor, die dortige Abdeckscheibe 16 zumindest mittelbar [X.]mit der [X.][X.]auszubilden, denn die Abdeckscheibe 16 muss hier axial auf der Welle 11, mit der auch die [X.][X.]verbunden ist, festgelegt und damit in der Folge auch [X.]mit dieser verbunden sein, da anderweitig die Abdeckscheibe sonst mit den Kettenblättern 15 bzw. der Kette 15a in Kontakt treten kann, was zu einem zu vermeidenden Schleifen der Scheibe an der Kette führen würde. Dieses Prinzip aufgreifend, liegt es für den Fachmann daher unmittelbar auf der Hand auch für die in den Figuren 5, 7 und 8 dargestellten Ausführungsbeispiele eine solche drehfeste Verbindung konstruktiv zwischen [X.]und Abdeckscheibe vorzusehen. Dabei wird er diese nach Vorgabe der Zeichnungen dort unmittelbar an der Kontaktfläche zwischen [X.]und Abdeckscheibe vorsehen, denn die Abdeckscheibe ist in diesen Ausführungsbeispielen nicht wie bei dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 neben der [X.]angeordnet, sondern die Abdeckscheibe sitzt unmittelbar auf dem Auge der Tretkurbel. Schraubverbindungen sind dafür ferner weder nötig, explizit durch die Druckschrift [X.]vorgegeben oder unmittelbar nahegelegt.
Der Fachmann kommt damit ausgehend von dem Inhalt der Druckschrift [X.]zu dem Gegenstand des erteilten [X.]1 ohne dabei erfinderisch tätig geworden zu sein.
6. Hilfsanträge
Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1, 3 und 4 beruhen gegenüber der der Druckschrift [X.]entnehmbaren Lehre ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und sind somit nicht patentfähig. Die Frage nach deren ursprünglicher Offenbarung kann in der Folge daher dahinstehen. Auf Grundlage der Hilfsanträge 1, 3 und 4 kann das Patent daher keinen Bestand haben.
Auch die [X.]und 5 der Beschwerdeführerin haben keinen Erfolg. Denn die in dem jeweiligen Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen bewirken eine Verschiebung des Schutzbereichs des Patents im Sinne des § 22 Abs. 1 PatG, die auch im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren unzulässig ist (vgl. [X.]1990, 432, 433 - Spleißkammer; [X.]1998, 901, Rn. 23 u. 26 – Polymermasse).
6.1 Hilfsantrag 1
In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist ausgehend von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung das Merkmal [X.]durch das Merkmal M1
M1
M2.2.2
Die beiden neuen Merkmale konkretisieren die Eignung der Abdeckscheibe zusammen mit der mit ihr verbundenen [X.]insoweit, als dass sie herausheben, dass die Abdeckscheibe nun zwingend dazu geeignet ist, erst nach der Montage des Kettenblatts montiert zu werden.
Die Eignung der Abdeckscheibe gemäß der Merkmale M1
Da sich somit die in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchte Abdeckscheibe nach wie vor nur durch das Merkmal M2.2 von dem Inhalt der Druckschrift [X.]unterscheidet, das Merkmal M2.2, wie zum Hauptantrag dargelegt, eine erfinderische Tätigkeit aber nicht begründen kann, folgt daraus, dass auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.2 Hilfsantrag 2
Der erteilte Patentanspruch 1 schützt eine „Abdeckscheibe“. Der Gegenstand, für den die Patentinhaberin im Weg einer geänderten Verteidigung nach Hilfsantrag 2 Schutz beantragt, ist demgegenüber ein "Fahrrad … ferner aufweisend eine Abdeckscheibe“. Der Begriff „Fahrrad“ spezifiziert insofern nicht nur eine Eignung der Abdeckscheibe für ein Fahrrad, sondern definiert, da erstgenannt und darüber hinaus dem Wortlaut folgend, die Abdeckscheibe einschließend einen sie mitumfassenden deutlich weitreichenderen Gegenstand als dieser in der erteilten Fassung beansprucht wird.
Selbst wenn ein solcher Gegenstand durch das erteilte Patent offenbart werden sollte, wird er von ihm aber, da nicht in einem Patentanspruch unter Schutz gestellt, nicht geschützt. Eine nachträgliche Einbeziehung eines solchen, vom Streitpatent nicht geschützten Gegenstands in dieses ist nicht nur im Nichtigkeitsverfahren, sondern auch im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht möglich. Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber nicht geschützt ist, kann im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren somit nicht nachträglich in das Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden. Das Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren dient insofern nicht der Gestaltung des Patents; diese Funktion ist vielmehr einzig dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen (vgl. [X.]2005, 145, Rn. 15 – elektronisches Modul).
Der Hilfsantrag 2 ist daher unzulässig.
6.3 Hilfsantrag 3
In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist ausgehend von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zusätzlich das Merkmal M1.3
M1.3
Das neue Merkmal konkretisiert die Eignung der Abdeckscheibe zusammen mit der mit ihr verbundenen [X.]insoweit, als dass es heraushebt, dass die Abdeckscheibe für ein Kettenblatt eines Fahrrads geeignet ist, bei dem je nach einem Fahrzustand keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und den [X.]besteht.
Dieses Merkmal lehrt aber auch wiederum bereits die Druckschrift D1. Denn auch dort besteht in den Ausführungsbeispielen der Figuren 5, 7 und 8 – wie zum Ausführungsbeispiel der Figur 3 im Absatz [0016] explizit erläutert –, keine drehstarre Verbindung zwischen dem Kettenblatt und den Tretkurbeln, da zwischen diesen beiden Bauteilen ein Freilauf (ratchet) 18 zwischengeschaltet ist (vgl. auch Anspruch 5), um ein unerwünschtes Antreiben der [X.]durch den Motor sicher zu unterbinden.
Da sich somit die in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beanspruchte Abdeckscheibe nach wie vor nur durch das Merkmal M2.2 von dem Inhalt der Druckschrift [X.]unterscheidet, das Merkmal M2.2, wie zum Hauptantrag dargelegt, eine erfinderische Tätigkeit aber nicht begründen kann, folgt daraus, dass auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.4 Hilfsantrag 4
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht einer Kombination der Merkmale der jeweiligen Hauptansprüche der beiden [X.]und 3.
Da eine besondere, über den bisher dargelegten Sinngehalt hinausgehende kombinatorische Wirkung der jeweils diesen [X.]separat hinzugefügten bzw. ersetzten Merkmale weder vorgetragen noch erkennbar ist, wird insoweit auf vorstehende Ausführungen verwiesen.
Auch hier unterscheidet sich die in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 beanspruchte Abdeckscheibe somit nach wie vor nur durch das Merkmal M2.2 von dem Inhalt der Druckschrift D1. Da das Merkmal M2.2 eine erfinderische Tätigkeit, wie zum Hauptantrag dargelegt, aber nicht begründen kann, folgt daraus, dass auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.5 Hilfsantrag 5
Der Patentanspruch 1 des [X.]ist wiederum auf ein Fahrrad gerichtet. Der Hilfsantrag 5 ist daher aus den gleichen Gründen wie Hilfsantrag 2 unzulässig.
7. Bei dieser Sach- und Aktenlage war die Beschwerde der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin daher insgesamt zurückzuweisen.
Meta
08.05.2023
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.05.2023, Az. 9 W (pat) 90/19 (REWIS RS 2023, 6398)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 6398
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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