Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.08.2014, Az. 2 StR 573/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3504

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revision des Nebenklägers im Strafverfahren: Wirksamkeit eines von einem unterbevollmächtigten Rechtsanwalt für den Nebenklägeranwalt unterzeichneten Revisionsbegründungsschriftsatzes


Leitsatz

1. Ein vom Nebenkläger bevollmächtigter und danach beigeordneter Rechtsanwalt kann für die bestimmenden Revisionsschriftsätze Untervollmacht erteilen.

2. Unterzeichnet ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt die von dem eigentlich mandatierten Rechtsanwalt verfasste Revisionsbegründungsschrift mit dem Zusatz "für Rechtsanwalt …", so rechtfertigt allein dieser Umstand keinen Zweifel daran, dass er sich den Inhalt der Schrift zu eigen gemacht und dafür auf Grund eigener Prüfung die Verantwortung übernommen hat (§ 390 Abs. 2 StPO).

Tenor

Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung freigesprochen. Die Nebenklage rügt mit ihrer hiergegen gerichteten und vom [X.] vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

A.

2

Die Revision der Nebenklägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht begründet.

I.

3

Die Nebenklägerin hatte nach Erhebung der Anklage Rechtsanwältin [X.]mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen bevollmächtigt. Ausweislich der Vollmachtsurkunde vom 14. Mai 2013 war die mandatierte Rechtsanwältin auch berechtigt, [X.] zu erteilen. Auf Antrag der Nebenklägerin hatte ihr das [X.] mit Beschluss vom 27. Mai 2013 gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 1 [X.] Rechtsanwältin [X.]  auch als Beistand bestellt.

4

[X.]gen das Urteil des [X.]s Aachen vom 20. Juni 2013 hat die Nebenklägerin durch Rechtsanwältin [X.]am 25. Juni 2013 Revision eingelegt. Mit einem am 26. August 2013 beim [X.] eingegangenen Schreiben wurde die Revision auch begründet. Das Schreiben trägt den Briefkopf "[X.], Rechtsanwältin" in Bürogemeinschaft mit u.a. "D.    [X.].       , Fachanwalt für Arbeitsrecht", es weist das Diktatzeichen "cg" auf und wurde von Rechtsanwalt [X.].       vor dem maschinenschriftlich angebrachten Zusatz, "für Rechtsanwältin [X.]" unterzeichnet.

5

Auf Nachfrage im Rahmen der Revisionshauptverhandlung hat Rechtsanwältin [X.]  erklärt, sie selbst habe den Schriftsatz gefertigt. Es sei üblich, dass sich alle in der Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte gegenseitig vertreten.

II.

6

Die Revisionsbegründung wurde innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 [X.] mittels einer von einem wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt "unterzeichneten Schrift" (§ 390 Abs. 2 [X.] analog) angebracht.

7

Die von der Nebenklägerin bevollmächtigte und ihr gemäß § 397a Abs. 1 [X.] beigeordnete Rechtsanwältin [X.] hat zwar die [X.] nicht selbst unterzeichnet. Eine [X.] kann aber auch von einem Rechtsanwalt, der - wie hier Rechtsanwalt [X.].    - von der Nebenklägerin weder persönlich bevollmächtigt noch ihr als Beistand bestellt wurde, wirksam angebracht werden. Dies setzt voraus, dass er hierzu vor Ablauf der genannten Monatsfrist bevollmächtigt worden ist (1.) und die [X.] unterzeichnet hat (2.). Beides ist hier der Fall.

8

1. Der unterzeichnende Rechtsanwalt [X.].      war wirksam bevollmächtigt, die Revisionsanträge und ihre Begründung anzubringen. Ihm war im Rahmen der in der Bürogemeinschaft getroffenen Vertretungsregelung von Rechtsanwältin [X.]   [X.] erteilt, wozu diese durch Vollmacht der Nebenklägerin ermächtigt war.

9

aa) Zwar kann die [X.] als solche nicht wirksam auf einen anderen Rechtsanwalt übertragen werden, denn ebenso wie die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 1 [X.] (vgl. insoweit [X.], [X.] vom 24. November 2000 - 2 BvR 813/99, [X.], 211; [X.], Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10; Beschluss vom 7. Mai 2014 - 4 [X.]; [X.]/[X.], [X.] 57. Aufl., § 142 Rn. 15) ist die Bestellung eines Beistands gemäß § 397a Abs. 1 [X.] auf die jeweils bestellte Person beschränkt; eine Übertragung im Wege der Erteilung einer [X.] ist daher nicht wirksam möglich.

bb) Zulässig ist dagegen das Tätigwerden eines anderen Rechtsanwalts, wenn dieser als allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 [X.] bestellt wurde, denn diese Bestellung erstreckt sich auch auf die Bestellung als Beistand ([X.], Beschluss vom 6. September 2000 - 3 StR 349/00; vgl. für die [X.]: [X.], Urteil vom 2. September 1975 - 1 [X.], NJW 1975, 2351; Beschluss vom 22. August 2001 - 1 [X.], [X.], 12; vgl. auch Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10). Die Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Rechtsanwalt [X.].     ist weder als von Amts wegen bestellter allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 Satz 3 [X.] tätig geworden noch hat ihn Rechtsanwältin [X.]   selbst gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 [X.] als ihren allgemeinen Vertreter bestellt. Die gegenseitige Vertretung der in ihrer Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte entsprach lediglich den dortigen Usancen.

cc) Rechtsanwältin [X.]war jedoch in Ausübung ihres [X.] berechtigt, [X.] zu erteilen, denn die Nebenklägerin hatte sie bereits am 14. Mai 2013 beauftragt, ihre Interessen zu vertreten, und im Rahmen dessen ermächtigt, die ihr erteilte Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen. Dieses durch die Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde begründete zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen der Nebenklägerin und ihrer Anwältin blieb von deren Bestellung als Beistand unberührt.

Insofern unterscheidet sich die Bestellung als Beistand gemäß § 397a Abs. 1 [X.] von der Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 141 [X.]. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt nach dem in §§ 141 Abs. 1, 143 [X.] enthaltenen Rechtsgedanken das Nichtbestehen eines [X.]es voraus. Entsprechend enthält der Antrag des Wahlverteidigers, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden ([X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 142 Rn. 7 mwN). Wird dem Antrag stattgegeben, endet das zivilrechtliche Auftrags- bzw. [X.]schäftsbesorgungsverhältnis (§§ 675 BGB) des Rechtsanwaltes, der in der Folge seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger allein auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Bestellung ausführt. Da mit dem Ende des Vertragsverhältnisses auch die erteilte Strafprozessvollmacht erlischt ([X.]/[X.] aaO), kann der Verteidiger eine [X.] nicht mehr erteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2014 - 4 StR 346/13).

Eine solche oder vergleichbare Änderung des [X.] der Tätigkeit des Rechtsanwalts ist mit dessen Bestellung als Beistand eines [X.] gemäß § 397a Abs. 1 [X.] nicht verbunden. Anders als bei der Pflichtverteidigung besteht der frühere Auftrag, den der Nebenkläger seinem Rechtsanwalt erteilt hat, nach dessen Bestellung als Beistand fort (KG, [X.], 327, 328; [X.], 160; [X.], Beschluss vom 19. August 2005 - 1 Ws 208/05; a.A. [X.], Beschluss vom 21. Juli 2006 - 1 [X.]), so dass er auch zur Erteilung einer [X.] weiterhin berechtigt ist (KG, [X.], 327). Die Bestellung zum Beistand nach § 397a Abs. 1 [X.] setzt zwar nicht voraus, dass zwischen dem Nebenklageberechtigten oder Nebenkläger und dem Rechtsanwalt ein Mandatsverhältnis besteht. Liegt allerdings ein solches vor, wird es durch die Bestellung zum Beistand nicht beendet. Denn abweichend von § 141 Abs. 1 [X.], der voraussetzt, dass der Angeklagte "noch keinen Verteidiger hat", ist es für die Bestellungsentscheidung nach § 397a Abs. 1 [X.] ohne Bedeutung, ob der Antragsteller bereits einen Rechtsanwalt mandatiert hat. Dementsprechend ist der gerichtliche Bestellungsakt auch dann nicht (entsprechend § 143 [X.]) zurückzunehmen, wenn sich der Nebenkläger selbst eines anderen oder weiteren Beistands bedient. Angesichts dessen, dass § 397a Abs. 3 Satz 2 [X.] ausdrücklich nur auf § 142 Abs. 1 [X.] verweist, ist für eine ergänzende Anwendung weiterer Vorschriften des Rechts der notwendigen Verteidigung kein Raum (vgl. KG, [X.], 47, 48; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., Nachtrag, § 397a Rn. 17).

Dem entspricht auch der unterschiedliche Zweck der Bestellung von Beistand und Verteidiger. Während die [X.] überhaupt nur auf Antrag des [X.] in Betracht kommt und sich in ihrer Wirkung darin erschöpft, dass dem Nebenkläger, der anwaltlichen Beistand hinzuzieht, im Zweifel ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse gebührt, besteht der Zweck der Pflichtverteidigung ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 [X.]) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird ([X.]E 68, 237, 254 mwN). Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist daher in den in § 140 Abs. 1, Abs. 2 [X.] bezeichneten Fällen zwingend vorgeschrieben und erfolgt auch dann, wenn der Beschuldigte eine Verteidigung überhaupt ablehnt. Dem entspricht, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 1 [X.] grundsätzlich unterbleibt bzw. eine bereits erfolgte Bestellung gemäß § 143 [X.] in der Regel zurückzunehmen ist, wenn der Beschuldigte selbst einen Wahlverteidiger beauftragt hat. [X.] und [X.] schließen sich daher schon vom Sinn und Zweck der Pflichtverteidigung her aus und sind selbst nebeneinander nur dann zulässig, wenn dafür ein unabweisbares Bedürfnis besteht.

2. Die Revisionsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 390 Abs. 2 [X.]. Sie ist von einem wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben, der trotz des der Unterzeichnung vorangestellten Zusatzes "für Rechtsanwältin …" die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat.

a) Die Revisionsanträge des [X.] und ihre Begründung können nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 390 Abs. 2 [X.] (vgl. insoweit [X.], Beschluss vom 14. Februar 1992 - 3 [X.], [X.], 1398; [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 401 Rn. 2) nur mittels einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift angebracht werden. Zweck der Regelung ist es, die Sachgerechtigkeit der [X.] zu gewährleisten und zwar im Interesse sowohl des Rechtsmittelführers, dessen Rechtsmittel nicht schon von vornherein an Formfehlern oder sonstigen Mängeln scheitern soll, wie auch der Rechtsmittelgerichte, die vor einer Überlastung durch unsachgemäßes Vorbringen Rechtsunkundiger bewahrt werden sollen ([X.], Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, [X.]St 25, 272, 273; [X.], NJW 1996, 713). Die Mitwirkung des Rechtsanwalts darf sich deshalb nicht in der bloßen Beurkundung erschöpfen. Er muss an der Revisionsbegründung zumindest gestaltend mitwirken und die Verantwortung dafür übernehmen (zu § 345 Abs. 2 [X.]: [X.], Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, [X.]St 25, 272, 274; Beschluss vom 2. November 2005 - 3 [X.], [X.], 84; Beschluss vom 2. Juli 2014 - 4 [X.]). Das Erfordernis, einen Schriftsatz zu verantworten, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Erfordernis, den Schriftsatz selbst zu verfassen ([X.], NJW 1996, 713). Unabdingbar ist nur, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt in solchen Fällen das Entworfene gründlich prüft, gegebenenfalls Änderungen vornimmt, insoweit also "gestaltend mitwirkt", und für das, was er dem [X.]richt vorlegt, die volle Verantwortung übernimmt, sich also in diesem Sinne die vorgelegte Begründung zu eigen macht (Frisch, SK-[X.], 4. Aufl., § 345 Rn. 29; vgl. auch [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 345 Rn. 21, der eine "gestaltende Mitwirkung" oder jedenfalls die Verantwortungsübernahme fordert).

Vor diesem Hintergrund ist, wenn ein Rechtsanwalt als eigentlicher Sachbearbeiter eine Rechtsmittelbegründungsschrift entwirft und dann ein anderer - bevollmächtigter - Rechtsanwalt diesen Schriftsatz unterschreibt, regelmäßig davon auszugehen, dass letzterer sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt ([X.], NJW 1996, 713; vgl. KK-[X.]ricke, [X.], 7. Aufl., § 345 Rn. 15). Dem Zweck des § 390 Abs. 2 [X.] ist damit [X.]nüge getan (zu § 345 Abs. 2 [X.]: [X.], NJW 1996, 713). Anderes kann nur gelten, wenn der Unterzeichner in dem Schriftsatz oder an anderer Stelle zum Ausdruck bringt, dass er sich von dessen Inhalt distanziert oder sich sonst aus dem Inhalt der Schrift ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung nicht übernehmen kann oder will. Letzteres ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt eine von einem Rechtsunkundigen gefertigte und offensichtlich unsinnige oder grob laienhafte Rechtsmittelbegründungsschrift unterzeichnet, ohne dabei gravierende Mängel der Schrift zu korrigieren, so dass sich schon aus dem Inhalt der [X.] selbst die Zweifel an der Mitgestaltung durch den Unterzeichner ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2005 - 3 [X.], [X.], 84, 85). Bleiben nicht zu überwindende Zweifel an der Verantwortungsübernahme des Unterzeichners, ist die Rechtsmittelbegründung formunwirksam und damit unzulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2005 - 3 StR 36/05, [X.], 132 f. [[X.]]; Beschluss vom 13. Juni 2002 - 3 [X.], [X.], 309 f.; [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., Rn. 16 mwN).

b) [X.]messen daran, wurde die [X.] den Anforderungen des § 390 Abs. 2 [X.] entsprechend unterzeichnet.

Der Inhalt der [X.] selbst zeigt keinerlei Zweifel an der Verantwortungsübernahme des unterzeichnenden Rechtsanwalts auf, handelt es sich doch um eine sachgerechte und erkennbar von einem Rechtskundigen verfasste Schrift. Aber auch die Fassung der Revisionsbegründung, insbesondere der im Schriftbild vor der handschriftlichen Unterzeichnung angebrachte Zusatz "für Rechtsanwältin …" rechtfertigt keinen solchen Zweifel (vgl. [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 345 Rn. 16; KK-[X.]ricke, [X.], 7. Aufl., § 345 Rn. 15). Ebenso wie der Rechtsanwalt, der den von einem anderen Rechtsanwalt verfassten Schriftsatz im eigenen Namen unterschreibt, sich den Inhalt des Schriftsatzes zu eigen macht und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt (vgl. [X.], NJW 1996, 713), ist nicht davon auszugehen, dass der "für" einen anderen Rechtsanwalt Unterzeichnende eine [X.] ungeprüft unterschreibt. Der bloße Zusatz "für" belegt weder, dass er sie nicht dennoch gelesen und ihren Inhalt gebilligt hat (vgl. [X.], [X.], 321, 322) noch dass er sich vom Inhalt der Schrift distanziert und dem [X.]richt gegenüber nur als Erklärungsbote auftreten wollte, wie dies etwa eine Unterzeichnung "im Auftrag" (vgl. insoweit [X.], Beschluss vom 5. November 1987 - [X.], NJW 1988, 210; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 345 Rn. 23) oder auch "für den nach Diktat verreisten Rechtsanwalt …" (vgl. [X.], [X.], 381; [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 345 Rn. 16) nahelegt. Der hier verwendete Zusatz kann vielmehr ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass der Unterzeichnende lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass er in [X.] gehandelt hat, zumal der [X.] gehalten ist, dieses Vertretungsverhältnis kenntlich zu machen (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 345 Rn. 23).

Zweifel an der Verantwortungsübernahme, die sich allein aus der Verwendung des Zusatzes "für Rechtsanwalt …" herleiten (vgl. [X.], [X.], 355; [X.], [X.], 381; zur Unterzeichnung "i.V.: [X.], [X.] 2012, 227; KG, [X.] 1987, 217; [X.], NJW 1991, 2095) beruhen demgegenüber auf Anforderungen an die Erfüllung des gesetzlichen Formerfordernisses, die sich schon durch den Zweck des § 390 Abs. 2 [X.] nicht mehr rechtfertigen lassen. Denn wurde die Revisionsbegründung - wie hier - von einer Rechtsanwältin gefertigt, ist jedenfalls dem Zweck des § 390 Abs. 2 [X.] ersichtlich [X.]nüge getan, dass nämlich im Interesse des Rechtsmittelführers und des [X.] ein sachgerechter Vortrag erfolgt. In diesem Sinne streitet auch der verfassungsrechtliche Anspruch des Betroffenen auf [X.]währung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es verbietet, den Parteien den Zugang zu ihnen in den [X.] eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.], NJW 1996, 713; [X.], [X.], 321, 322).

B.

Die Revision ist auch begründet.

I.

1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, am 19. Dezember 2004 die Nebenklägerin Am.    vergewaltigt und körperlich misshandelt zu haben. Konkret wurde ihm vorgeworfen, die Nebenklägerin in den frühen Morgenstunden des [X.] auf ihrem Heimweg aus der Diskothek "[X.]        " gepackt, an den Haaren zu seinem [X.]schlechtsteil heruntergezogen und aufgefordert zu haben, den Oralverkehr an ihm durchzuführen. Da sich die Nebenklägerin heftig gewehrt und ihm in den Penis gebissen habe, habe er sie mit dem Bauch auf einen Mauervorsprung gedrückt, ihr Hose und Slip heruntergezogen und den [X.]schlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt.

2. Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten. Die Nebenklägerin sei schon in der Diskothek an ihm körperlich interessiert gewesen, weshalb beide auf seinen Vorschlag hin auf die Herrentoilette gegangen seien. Dort hätten sie sich geküsst. Er habe die Nebenklägerin dann umgedreht und mit ihr einverständlich von hinten den vaginalen [X.]schlechtsverkehr durchgeführt. Da er Stammgast im [X.]       gewesen sei und der Schwester der Nebenklägerin zuvor seine Telefonnummer und seinen Spitznamen aufgeschrieben habe, wäre es auch ein Leichtes gewesen, ihn zu ermitteln.

Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte traf am Abend des 18. Dezember 2004 in der Diskothek "[X.]        " zunächst auf die Zeugin [X.]  , die Schwester der Nebenklägerin. Beide tanzten und unterhielten sich und die Zeugin [X.] erzählte, dass sie mit ihrer Schwester, der Nebenklägerin Am.      gekommen sei. Als die Zeugin [X.] nach Hause wollte, tauschten Sie ihre Telefonnummern aus und der Angeklagte schrieb der Zeugin seine Telefonnummer sowie seinen Spitznamen „A.   “ auf einen Bierdeckel. Die Nebenklägerin blieb noch länger im [X.]        und im Verlauf der Nacht kam es zu einem vaginalen ungeschützten [X.]schlechtsverkehr zwischen ihr und dem Angeklagten, wobei die genaueren Umstände im Unklaren blieben.

Die Nebenklägerin erstattete am nächsten Tag zusammen mit ihrer Schwester Anzeige bei der Polizei. Ihr wurde ein Abstrich entnommen und im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung wurden auf den [X.] beidseits bläulich-rote Flecken, unter dem Schlüsselbein rechts eine 4 cm lange Schramme/[X.], im Bereich der linken Ellenbogenbeuge eine 5 cm lange Schramme/[X.] und an der linken [X.] eine 8 cm lange Schramme/[X.] festgestellt.

Einige Tage später rief der Angeklagte die Zeugin [X.]  unter deren Telefonnummer an. Die Zeugin teilte ihm mit, er solle nicht mehr anrufen und legte auf. Die Nebenklägerin rief den Angeklagten unter der der Zeugin [X.]mitgeteilten Telefonnummer an, sagte jedoch nichts, als dieser sich meldete, und legte auf.

Ein DNA-Abgleich der [X.] führte am 6. Januar 2012 zu einer Treffermitteilung in Bezug auf den Angeklagten.

2. Zur Begründung des Freispruchs hat das [X.] im Wesentlichen ausgeführt:

Die Angaben der Nebenklägerin seien glaubhaft und sie selbst auch glaubwürdig. Insbesondere die zahlreichen und bei mehreren Vernehmungen konstant geschilderten Details sprächen für einen real erlebten Vorgang. Die [X.] habe sich gleichwohl nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat begangen hat, denn seine Einlassung sei ebenso glaubhaft. Er habe das [X.]schehen aus seiner Sicht plausibel detailreich und widerspruchsfrei geschildert. Seine Angaben seien mit Blick auf eine vorherige Einlassung über seinen Verteidiger ebenfalls konstant. Weder die Einlassung des Angeklagten noch die Bekundungen der Nebenklägerin seien von weiteren Beweismitteln widerlegt worden. Die bei der Nebenklägerin festgestellten Verletzungen seien ebenso mit der Version des Angeklagten vereinbar. Die Abschürfungen an den Ellenbogen könnten auch beim Abstützen in der Herrentoilette entstanden sein. Demgegenüber könnten die Abschürfungen an der Innenseite des Ellenbogens schwerlich bei dem von der Nebenklägerin geschilderten [X.]schehen entstanden sein, weil sie außerhalb der Diskothek einen Wintermantel trug. Im Übrigen sei es möglich, dass sich die Nebenklägerin diese wie andere Verletzungen im [X.]dränge der Diskothek zugezogen habe.

Der Umstand, dass der Angeklagte der Schwester der Nebenklägerin seinen Spitznamen sowie seine Telefonnummer aufgeschrieben habe, spreche für seine Version, denn hierdurch hätte er sich einem besonders hohen Entdeckungs- und Ergreifungsrisiko ausgesetzt. Auch hätte er als Stammgast der Diskothek über seinen Spitznamen ohne Weiteres dort ausfindig gemacht werden können. Durch die nach der Tat erfolgte Kontaktaufnahme zur Zeugin [X.] hätte er sich zudem einem besonders hohen Identifizierungs- und Ergreifungsrisiko ausgesetzt.

II.

Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 [X.]), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1966 - 1 [X.], [X.]St 21, 149, 151; Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende [X.]samtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 10. August 2011 - 1 [X.], [X.], 110 f.; vom 11. August 2011 - 4 [X.]; vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 und vom 8. August 2012 - 1 StR 88/12).

2. Die Beweiswürdigung ist im Hinblick auf die Einlassung des Angeklagten lückenhaft und lässt eine umfassende [X.]samtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vermissen.

Das Tatgericht hat es bereits versäumt, die Einlassungen des Angeklagten im Laufe des Ermittlungsverfahrens zu schildern, so dass das Revisionsgericht nicht nachprüfen kann, inwieweit die Angaben des Angeklagten tatsächlich konstant und mit Blick auf ihren Zeitpunkt plausibel sind. Da nicht mitgeteilt wird, ob - was nahe liegt - die Einlassung über seinen Verteidiger nach erfolgter Akteneinsicht erfolgte, kann insbesondere nicht überprüft werden, ob das [X.] auch bedenken musste, dass die Einlassungen des Angeklagten an den Ermittlungsstand angepasst gewesen sein konnten.

Das [X.] hat es zudem versäumt, sich damit auseinanderzusetzen, dass die Nebenklägerin nicht nur am Ellenbogen, sondern auch an der Schulter und am Oberschenkel verletzt war. Dass die Verletzungen in ihrer Summe bei dem vom Angeklagten in der Herrentoilette geschilderten einvernehmlichen [X.]schlechtsverkehr oder im [X.]dränge der Diskothek entstanden sind, ist eher fernliegend.

Da der Angeklagte erst aufgrund des [X.] im Januar 2012 identifiziert werden konnte, hätte es schließlich der Darlegung bedurft, weshalb die Ermittlungen nach der Anzeigeerstattung ohne Erfolg geblieben sind und ob dem Angeklagten die Gründe dafür, warum er über seinen Spitznamen "A.  ", seine Telefonnummer und seine behauptete Rolle als bekannter Stammgast der Diskothek nicht ermittelt werden konnte, bekannt waren. Der bloße Hinweis der [X.] darauf, der Angeklagte hätte ohne Weiteres ausfindig gemacht und identifiziert werden können, steht im offenen Widerspruch dazu, dass dies offenkundig nicht gelungen ist. Gründe hierfür hat das [X.] nicht genannt. So könnte etwa der Angeklagte nicht als Inhaber des von ihm angegebenen Telefonanschlusses gemeldet gewesen sein; er könnte auf polizeiliche Anrufe nicht reagiert haben oder in der Diskothek - entgegen seinen Angaben - gerade nicht als Stammgast bekannt gewesen sein. Dann aber hätte zu Gunsten des Angeklagten nicht berücksichtigt werden dürfen, dass er mit seiner Entdeckung und Ergreifung hätte rechnen müssen, zumal sich auch nicht erschließt, weshalb sich der Angeklagte durch den nach der Tat erfolgten Anruf bei der Schwester einem "besonders hohen" Entdeckungsrisiko ausgesetzt haben sollte. Das [X.] hätte diese Lücke in den [X.] schließen müssen. Auch die Wertung des Umstands als entlastend, dass der Angeklagte der Schwester der [X.]schädigten seine (angebliche) Telefonnummer mitteilte, ist nicht rechtsfehlerfrei. Das [X.] hat nicht erkennbar berücksichtigt, dass die ihm vorgeworfene Tat nach dem [X.]spräch mit der Schwester der [X.]schädigten stattfand.

Diese Darlegungs- und Erörterungsmängel sind durchgreifend. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei einer umfassenden [X.]samtschau der Einlassung des Angeklagten dieser ein geringeres [X.]wicht beigemessen und sich im Ergebnis von der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin überzeugt hätte.

3. Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass das angefochtene Urteil schon den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 [X.] an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht werden dürfte, denn vorliegend wären Feststellungen zu Werdegang, strafrechtlichen Vorbelastungen und Persönlichkeit des Angeklagten geboten gewesen, da diese für die Beurteilung des [X.] eine Rolle hätten spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 2014 - 2 StR 70/14 mwN).

Fischer                        Appl                   [X.]

                [X.]

Meta

2 StR 573/13

13.08.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 20. Juni 2013, Az: 67 KLs - 804 Js 417/12 - 16/12

§ 345 Abs 2 StPO, § 390 Abs 2 StPO, § 397a Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.08.2014, Az. 2 StR 573/13 (REWIS RS 2014, 3504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3504

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 573/13 (Bundesgerichtshof)


95 KLs 4/19 (Landgericht Aachen)


3 StR 268/16 (Bundesgerichtshof)

Revision im Sicherungsverfahren: Anforderungen an eine formgerechte Unterzeichnung einer Revisionsbegründungsschrift


2 Ws 94/20 (Oberlandesgericht Karlsruhe)


2 StR 78/14 (Bundesgerichtshof)

Versuchter Mord: Korrektur des Rücktrittshorizonts bei Flucht des Tatopfers nach der letzten Ausführungshandlung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.