Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.02.2021, Az. 2 BvR 1780/20

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2021, 8450

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahme einer mangels Rechtswegerschöpfung unzulässigen Verfassungsbeschwerde in einer Strafvollzugssache - Zu den Anforderungen der Garantie effektiven Rechtsschutzes sowie des Anspruchs auf Rechtschutzgleichheit


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft hat. Er hat es versäumt, gegen die Entscheidung des [X.] über seinen vom Gericht als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 [X.] ausgelegten Antrag eine Rechtsbeschwerde zu erheben.

2

Es spricht allerdings viel dafür, dass der Beschluss des [X.] vom 14. September 2020 der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht geworden ist.

3

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt ([X.] 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; 129, 1 <20>; stRspr) und garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. [X.] 49, 329 <340 ff.>; 84, 34 <49>; 101, 397 <407>; stRspr). Bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts sind die Gerichte verpflichtet, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen (vgl. [X.] 77, 275 <284>). Hieraus ergeben sich auch Anforderungen an die gerichtliche Würdigung des Vortrags des [X.]. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet daher zunächst den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird. Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die das vom Antragsteller erkennbar verfolgte [X.] ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, verletzt dies den Rechtsanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. [X.], 509 <513>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Januar 2017 - 2 BvR 476/16 -, Rn. 12).

4

Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG - für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG - den Anspruch auf grundsätzlich gleiche Chancen von [X.] und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich, somit auch im Hinblick auf die Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (vgl. [X.] 122, 39 <48 ff.>). Die pauschale Verweisung auf die Beratungspflicht der Behörde, gegen deren belastende Maßnahme Rechtsschutz ersucht wird, ist keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit (vgl. [X.]K 15, 438 <444>; 15, 585 <586>; 18, 10 <13>).

5

Der Beschluss des [X.] dürfte diesen Anforderungen nicht genügen. Das Gericht hat weder den Antrag nach dem erkennbaren [X.] des Beschwerdeführers, zunächst Beratungshilfe für eine Erstberatung bei einem Rechtsanwalt zu erhalten, ausgelegt noch ihn darauf hingewiesen, dass [X.] beim zuständigen Amtsgericht und nicht bei der für Anträge nach § 109 [X.] zuständigen Strafvollstreckungskammer des [X.] zu stellen sind. Die Annahme des [X.], dass der Beschwerdeführer einen mit Gerichtskosten verbundenen Hauptsacheantrag nach § 109 [X.] habe stellen wollen, ist angesichts des im [X.] vom 21. August 2020 ausdrücklich formulierten [X.] des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar.

6

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1780/20

24.02.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Koblenz, 14. September 2020, Az: 7c StVK 224/20, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, BeratHiG, §§ 109ff StVollzG, § 109 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.02.2021, Az. 2 BvR 1780/20 (REWIS RS 2021, 8450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8450

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 2000/20

2 BvR 2470/17

Zitiert

2 BvR 476/16

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