Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 45/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 3907

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 25. Oktober 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein abweichender Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung von Januar bis April 2013.

2

Der 1956 geborene, alleinstehende Kläger lebte in einer Wohnung, in der die Warmwassererzeugung durch einen elektrischen Durchlauferhitzer erfolgte. Der zu zahlende Abschlag für Strom betrug in der strittigen [X.] monatlich 57 Euro.

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte durch die von ihm herangezogene [X.] dem Kläger für den streitigen [X.]raum [X.] unter Berücksichtigung ua des pauschalierten Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung von monatlich 8,79 Euro, nicht aber eines abweichenden Bedarfs nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 Alternative 1 [X.]B II (zuletzt Bescheid vom [X.]). Der Kläger beantragte die Übernahme der Stromkosten zur Warmwassererzeugung und machte unter Darlegung der Berechnungsgrundlagen ua für Januar bis April 2013 Kosten von 45,13 Euro monatlich geltend. Der Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf den bereits bewilligten pauschalierten Mehrbedarf ab; ein hiervon abweichender Bedarf sei weder nachgewiesen noch angemessen (Bescheid vom 17.1.2013; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2013).

4

Das [X.] hat die Klage auf Gewährung von höherem [X.] unter Berücksichtigung eines abweichenden Bedarfs zur Warmwassererzeugung abgewiesen (Urteil vom 15.3.2016). Das L[X.] hat die von ihm zugelassene Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 25.10.2017): Eine abweichende Bemessung des Mehrbedarfs setze voraus, dass dieser sich mittels einer technischen Einrichtung, etwa durch einen separaten Zähler, ermitteln lasse; an einer solchen Einrichtung fehle es vorliegend jedoch.

5

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 7 [X.]B II sowie eine fehlerhafte Feststellung des Sachverhalts unter Verletzung von § 103 [X.]G. Entgegen der Ansicht des L[X.] könne ein abweichender Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung nicht bereits deshalb verneint werden, weil keine technische Einrichtung zur Erfassung des Verbrauchs des Durchlauferhitzers vorhanden sei (Hinweis auf B[X.] vom 7.12.2017 - [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 Nr 28).

6

Dem Vorbringen des [X.] ist der Antrag zu entnehmen,
die Urteile des [X.] vom 25. Oktober 2017 und des [X.] vom 15. März 2016 zu ändern und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 3. Januar 2013 und 17. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2013 zu verurteilen, ihm höheres [X.] unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 45,13 Euro monatlich von Januar bis April 2013 zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und Zurückverweisung der Sache begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zu Recht macht er geltend, dass die Anerkennung eines abweichenden höheren [X.] nicht von einer separaten Verbrauchserfassung abhängt. Inwiefern ihm deshalb höheres [X.] zusteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die den nach dem [X.] nur noch streitigen [X.]raum von Januar bis April 2013 betreffenden Bescheide des Beklagten, soweit er es durch sie abgelehnt hat, dem Kläger über den pauschalierten Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] hinaus unter Berücksichtigung eines [X.] von 45,13 Euro monatlich höheres [X.] zu zahlen. Einbezogen in das Verfahren sind danach zum einen der den beantragten Mehrbedarf ablehnende Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] und zum anderen die wegen dieses Antrags nicht bestandskräftig gewordene Bewilligungsentscheidung zuletzt durch Änderungsbescheid vom [X.], der für den streitigen [X.]raum die letzte und höchste Bewilligung regelte (vgl dazu in jüngerer [X.] nur BSG vom 1.12.2016 - [X.] AS 28/15 R - RdNr 11 mwN).

Der danach streitbefangene Anspruch auf höheres [X.] unter Berücksichtigung eines abweichenden Mehrbedarfs nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] stellt keinen eigenständigen, von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abtrennbaren Streitgegenstand dar (stRspr; siehe zuletzt [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 [X.], RdNr 10). Hingegen ist dem Vorbringen des [X.] eine Beschränkung des Streitgegenstands insoweit zu entnehmen, als die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen, was auch nach der Neufassung des [X.] zum 1.1.2011 möglich ist (BSG vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] RdNr 10).

2. Das Jobcenter des [X.] ist der richtige Beklagte. Soweit Bescheide nicht von diesem selbst, sondern von der [X.] erlassen worden sind, liegt dem weder eine abweichende Trägerschaft für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende noch eine Wahrnehmungszuständigkeit der Gemeinde zugrunde (vgl zu einer solchen BSG vom 28.10.2014 - [X.] [X.]5/13 R - [X.], 186 = [X.]-4200 § 7 [X.], RdNr 9 f). Die Gemeinde ist vom Beklagten zur Durchführung der diesem als zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a [X.] (Anlage zu § 1 der [X.]) obliegenden Aufgaben nur in dessen Namen und Auftrag herangezogen worden (§ 3 Abs 1 [X.] zur Ausführung des [X.] und des § 6b des Bundeskindergeldgesetzes vom 16.9.2004, [X.], 358; § 2 Abs 1 der Heranziehungsvereinbarung zwischen dem Landkreis und Gemeinden des Landkreises).

3. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere stand der streitbefangenen Berufungsentscheidung nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG entgegen, nachdem die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung vom [X.] zugelassen worden war.

Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höheren [X.] dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG), da mit Wahrscheinlichkeit von höheren Leistungen ausgegangen werden kann, wenn dem Klagebegehren gefolgt wird (vgl nur BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.]-4225 § 1 [X.] RdNr 10 mwN).

4. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des [X.] auf Zuerkennung von höherem [X.] von Januar bis April 2013 sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff [X.] idF, die das [X.] für den streitbefangenen [X.]raum zuletzt durch das [X.] vom [X.] ([X.]) mit Wirkung zum [X.] erhalten hat. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen [X.]punkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 14 f).

a) Die Grundvoraussetzungen, um [X.] zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.]) erfüllte der Kläger; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt.

b) Ob der Beklagte den Bedarf des [X.] - soweit hier streitbefangen - neben dem zutreffend in gesetzlicher Höhe berücksichtigten Regelbedarf (§ 20 Abs 2 Satz 1 [X.]) mit der [X.] fehlerfrei bemessen hat, vermag der Senat mangels Feststellungen des [X.] nicht zu beurteilen.

5. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten höheren [X.] bei dezentraler Versorgung ist seit dem 1.1.2011 die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs 7 [X.], sofern die Versorgung nicht Teil einer zentralen Heizung ist und deshalb insoweit § 22 Abs 1 [X.] gilt. Zur Höhe des Mehrbedarfs bestimmt § 21 Abs 7 Satz 2 [X.] für Alleinstehende wie den Kläger: "Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils … 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 …, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen [X.] nach § 22 Absatz 1 anerkannt wird" (siehe zur Vor- und Entstehungsgeschichte der Mehrbedarfsregelung und der mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Konzeption ausführlich [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 [X.], RdNr 16 ff).

6. Anspruch auf Berücksichtigung eines [X.] über die [X.] hinaus besteht hiernach, soweit die Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die [X.] nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind. Maßgebend dafür, ob ein abweichender Bedarf iS des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 Alternative 1 [X.] besteht, sind die für die dezentrale Warmwassererzeugung tatsächlich anfallenden Aufwendungen; höhere Aufwendungen zur dezentralen Warmwassererzeugung als die [X.] sind als [X.] anzuerkennen, soweit diese angemessen sind (dazu im Einzelnen [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 [X.], Rd[X.]2 ff). Diese Anerkennung eines abweichenden [X.] setzt entgegen der Auffassung des [X.] keine separate Verbrauchserfassung durch technische Einrichtungen wie zB einen Verbrauchszähler voraus, sondern erfordert grundsätzlich Ermittlungen und hierauf gestützte Feststellungen, wie der Senat nach Ergehen des angefochtenen [X.]-Urteils entschieden hat (dazu im Einzelnen BSG aaO Rd[X.]6 ff).

7. Dass eine einzelfallbezogene Ermittlung hier trotzdem entbehrlich war, vermag der Senat den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen (vgl zu einer entsprechenden Wertung bereits [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 [X.], RdNr 33 f). Das [X.] wird die gebotenen Ermittlungen im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen und hierauf gestützte Feststellungen zu treffen haben (zu in Betracht kommenden Ermittlungen vgl die Anmerkung von [X.], [X.] 2018, 567, zu [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.]-4200 § 21 [X.]).

8. Soweit mit der Revision die Verfahrensrüge unzureichender Amtsermittlung durch das [X.] geltend gemacht ist, kommt es auf diese nicht mehr eigens an, nachdem bereits die auf § 21 Abs 7 [X.] bezogene Sachrüge zur Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] führt.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 14 AS 45/17 R

12.09.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 15. März 2016, Az: S 44 AS 450/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 45/17 R (REWIS RS 2018, 3907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3907

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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