Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2016, Az. IV ZR 125/16

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4865

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Gegenstand

Private Rentenversicherung: Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung in einem Altvertrag


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 8. April 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge dreier fondsgebundener Rentenversicherungen. Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. [X.] die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 25. September 2014 und den Klageschriften vom Dezember 2014 erklärte d. [X.] zu allen drei Verträgen den Widerspruch. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] jeweils mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F.

2

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf die Verträge gelesteten Beiträge nebst Zinsen.

3

Nach Auffassung d. [X.] sind die Versicherungsverträge nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des  gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden  § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

4

II. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. [X.] habe die Prämien jeweils mit Rechtsgrund geleistet. Er sei in allen drei Fällen ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. belehrt worden und die Versicherungsverträge seien wirksam zustande gekommen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier jeweils treuwidrig, weil d. [X.] die bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss in allen drei Fällen habe verstreichen lassen und über viele Jahre die Prämien gezahlt habe.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

6

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

7

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es - bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text im jeweiligen Versicherungsschein - von der Rechtsauffassung des [X.]s Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der [X.] mit Beschluss vom 30. Juni 2015 ([X.], juris) die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits gebilligt hat.

8

Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, entschieden, dass die jeweilige Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des [X.]s d. [X.] noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der [X.] hat mit genanntem Beschluss die tatrichterliche Beurteilung desselben Berufungssenats für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt, wonach eine wortgleiche Widerspruchsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die Nennung der fristauslösenden Unterlagen im [X.] genügt und die Revision durch Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen ([X.]sbeschlüsse vom 30. Juni 2015 und 16. September 2015 - [X.], juris). Entgegen der Ansicht der Revision gibt die abweichende Beurteilung durch das [X.] Karlsruhe zu einer wortgleichen Widerspruchsbelehrung (Urteil vom 11. August 2015 - 12 U 41/15 nicht veröffentlicht) keinen Anlass zu einer Änderung der [X.]srechtsprechung. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, wird trotz Verwendung des Begriffs "Beilagen" im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Auch das hat der [X.] mittlerweile in einer gleichgelagerten Sache entschieden ([X.]sbeschlüsse vom 29. Juni 2016 und 7. September 2016 - [X.], juris). [X.] war das Berufungsgericht schließlich auch der Ansicht, die Belehrung in dem jeweiligen [X.] sei in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.

9

2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.

Ob solchermaßen nach dem [X.] geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu [X.]surteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 16 ff.; [X.], 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den [X.] scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das [X.] mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ist es d. [X.] auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.]s nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung der drei Verträge auf deren angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben [X.]surteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; [X.] aaO Rn. 42 ff.). D. [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahre 2004 jeweils ungenutzt verstreichen. D. [X.] zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, bis er dann jeweils im Jahr 2014 den Widerspruch gemäß § 5a [X.] a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den jeweiligen Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Verträge begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. [X.] auch erkennbar.

Die Anwendung der Grundsätze von [X.] und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des [X.] die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend [X.]surteil vom 10. Juni 2015 - [X.], [X.], 876 Rn. 13 f.).

Mayen                             [X.]                                      Dr. Karczewski

                 [X.]                                          Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 125/16

27.09.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 8. April 2016, Az: I-20 U 198/15

§ 5a Abs 2 S 1 VVG vom 13.07.2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2016, Az. IV ZR 125/16 (REWIS RS 2016, 4865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4865


Verfahrensgang

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Az. IV ZR 125/16

Bundesgerichtshof, IV ZR 125/16, 17.11.2016.

Bundesgerichtshof, IV ZR 125/16, 27.09.2016.


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