Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2018, Az. AnwZ (Brfg) 10/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 9812

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Gegenstand

Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig


Tenor

Auf Antrag des [X.] wird die Berufung gegen das am 18. Mai 2017 verkündete Urteil des [X.] Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] zugelassen.

Gründe

I.

1

Der 1967 geborene und später zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Kläger wurde 2007 als Mitglied der [X.] aufgenommen. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2010 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.]. Hiergegen hat der Kläger beim [X.]  Klage eingereicht. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. März 2011 an den [X.] verwiesen.

2

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. August 2011 mitgeteilt, der Kläger sei am 3. August 2011 in die Rechtsanwaltskammer M.    , die Beigeladene, aufgenommen worden. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 27. Februar 2017 mitgeteilt, der Kläger sei zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und ihr Mitglied.

3

In dem Verfahren vor dem [X.] hat der Kläger beantragt festzustellen, dass der Beschluss der [X.] vom 13. Oktober 2010, ausgefertigt am 20. Oktober 2010, gegen Art. 101 Abs.1 AEUV verstößt und gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV nichtig ist. Er hat hilfsweise beantragt, diesen Beschluss aufzuheben. Der Kläger hat des weiteren beantragt festzustellen, dass die Beklagte eine Unternehmensvereinigung im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist und dass Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Pflicht jedes Mitgliedstaates zur effektiven wettbewerbsrechtlichen Überwachung der nationalstaatlichen Rechtsanwaltskammern darin besteht, dass die Berufsausübenden die Möglichkeit haben müssen, gegen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der Rechtsanwaltskammern die "ordentlichen Gerichte, d.h. eine Gerichtsbarkeit außerhalb des Berufsstandes" anzurufen.

4

Der Kläger hat mit am selben Tag beim [X.] eingegangenem Telefaxschreiben vom 18. Mai 2017 ein [X.] gegen Rechtsanwältin [X.]    als Vorsitzende des [X.]s gestellt. Dieses Gesuch hat der [X.] vor Eintritt in die auf den 18. Mai 2017 anberaumte mündliche Verhandlung durch Beschluss vom selben Tag - unter Mitwirkung der abgelehnten [X.]in - als unzulässig verworfen.

5

Der [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

6

Der nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Es liegt ein Verfahrensmangel vor (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der [X.] durfte über das [X.] des [X.] vom 18. Mai 2017 nicht unter Mitwirkung der abgelehnten [X.]in entscheiden (§ 112c Abs. 1 [X.], § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO).

7

Die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s ist nur zulässig, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn alle [X.] eines Gerichts abgelehnt werden oder das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Dazu zählen auch nur der Verschleppung oder als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke dienende Ablehnungsgesuche ([X.], NVwZ-RR 2008, 289, 290; NJW 2007, 3771, 3772; [X.]/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 6 f. mwN). Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern. Ein gänzlich untaugliches oder rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch als Voraussetzung für eine solche Entscheidung kann nur angenommen werden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand selbst entbehrlich ist. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte [X.] nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum [X.] in eigener Sache machen ([X.], aaO S. 291).

8

Der Kläger hat sein Gesuch damit begründet, ein Herr von der Geschäftsstelle des [X.]s habe ihm - auf seinen vorherigen Terminverlegungsantrag vom 11. Mai 2018 - telefonisch mitgeteilt, dass die Vorsitzende [X.]in des [X.]s auch gerne ohne ihn verhandeln würde. Sie sei in ihrer Kanzlei und habe keine Lust, sich um den Sachverhalt selbst zu kümmern. Deshalb werde der Termin nicht verlegt und ohne ihn, den Kläger, verhandelt.

9

Ein Telefonat mit diesem Inhalt wäre geeignet gewesen, die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden [X.]in des [X.]s i.S.v. § 42 Abs. 1 ZPO zu begründen. Der Kläger hätte die von ihm behaupteten Äußerungen des Geschäftsstellenmitarbeiters dahin verstehen können, dass dieser zuvor mit der abgelehnten [X.]in Kontakt aufgenommen hatte und sich letztere dabei wie in dem [X.] wiedergegeben geäußert hatte. Jedenfalls war das auf diese Weise vom Kläger begründete [X.] nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich im vorgenannten Sinne. Der Sachverhalt hätte - im Wege der Einholung von dienstlichen Äußerungen der abgelehnten [X.]in (§ 44 Abs. 3 ZPO) und des Geschäftsstellenmitarbeiters - aufgeklärt werden müssen. Sodann hätte gemäß § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.]in über das [X.] entschieden werden müssen.

Soweit der [X.] in dem das [X.] des [X.] verwerfenden Beschluss vom 18. Mai 2017 ausführt, es erscheine unwahrscheinlich, dass sich ein Geschäftsstellenmitarbeiter derartig äußere, handelt es sich um eine inhaltliche Prüfung des geltend gemachten Ablehnungsgrundes, die - wie ausgeführt - der abgelehnten [X.]in versagt ist.

Offen bleiben kann, ob die Zulassung der Berufung auch aufgrund der weiteren vom Kläger geltend gemachten Gründe angezeigt ist.

III.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim [X.], [X.] 45a, 76133 [X.] einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung mit der Maßgabe Bezug genommen, dass auch Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der [X.], eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der [X.], die die Befähigung zum [X.]amt besitzen, zugelassen sind. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

[X.]     

        

Lohmann     

        

Remmert

        

Lauer     

        

Merk     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 10/18

02.05.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Berlin, 18. Mai 2017, Az: I AGH 18/11

§ 112c Abs 1 BRAO, § 112e S 2 BRAO, § 54 Abs 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO, § 124a Abs 4 VwGO, § 124a Abs 5 S 2 VwGO, § 42 Abs 1 ZPO, § 44 Abs 3 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2018, Az. AnwZ (Brfg) 10/18 (REWIS RS 2018, 9812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9812

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