Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2005, Az. IX ZR 241/01

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2691

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 7. Juli 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

KO § 60

Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Konkursverwalter bindet das Prozeßgericht nicht.

[X.], Urteil vom 7. Juli 2005 - [X.] - OLG Celle

LG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2005 durch [X.] [X.], die [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 16. August 2001 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von 73.834,73 DM an die [X.] und von 268.018,74 DM an den Kläger, jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Februar 1999, verurteilt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten [X.] und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Gemeinschuldnerin), das am 1. März 1993 eröffnet worden ist. Am 1. Juni 1993 hat er durch Veröffentlichung im [X.] angezeigt. Die Beklagte ist im August 1993 als eine von drei Auffanggesellschaften gegründet worden. Der Kläger verlangt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - Zahlung - 3 - von 341.853,47 DM nebst Zinsen. Die Forderung als solche ist unstreitig. Sie ergibt sich in Höhe von 268.018,74 DM aus Zahlungseingängen bei der [X.] in den Jahren 1993 bis 1995, die der Masse zustehen. In Höhe von 73.834,73 DM handelt es sich um Zahlungen der [X.]

aus den Jahren 1996 und 1997 an die Beklagte auf Forderungen, die an die [X.] abgetreten worden waren; der Kläger verlangt insoweit Zahlung an die [X.]. Die Beklagte rechnet mit Gegenforderungen in gleicher Höhe auf, die für sich genommen ebenfalls unstreitig sind. In Höhe von 152.464,45 DM betreffen sie Lieferungen und Leistungen der [X.] an die Masse vor dem 28. Oktober 1993.
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Aufrechnung wegen der ange-zeigten Masseunzulänglichkeit unzulässig ist. Die Beklagte hat sich außerdem auf eine ihrer Darstellung nach zwischen den Parteien bestehende [X.] berufen. Das [X.] hat die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang wegen der Aufrechnung abgewiesen; das Berufungsgericht hat die [X.] antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte den [X.] auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhe-bung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

- 4 - [X.]

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Aufrechnung gemäß § 55 Satz 1 Nr. 1 KO unzulässig. Die Beklagte sei den geltend gemachten Betrag nach Eröffnung des Konkursverfahrens und nach Anzeige der [X.] zur Masse schuldig geworden und habe ihre Forderung ebenfalls erst nach Eröffnung und nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erworben. Eine etwa getroffene Saldierungsvereinbarung wäre gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 55 KO nichtig ge-wesen. Zweifel an der Redlichkeit der Vorgehensweise des [X.] änderten daran nichts.

I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Vorschrift des § 55 Satz 1 Nr. 1 KO gilt - jedenfalls bei unmittel-barer Anwendung - nicht für [X.]. Mit eigenen Ansprüchen gegen die Konkursmasse kann jeder Gläubiger grundsätzlich gegen Masseforderun-gen aufrechnen ([X.] 30, 248, 250; 130, 38, 45; [X.]/[X.], [X.]. § 55 KO [X.]. 3 c aa; [X.], KO 11. Aufl. § 55 Rn. 7 g; [X.]/[X.], KO 8. Aufl. § 55 Rn. 4). Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, das eine Forderung "gegen den Gemeinschuldner" (also nicht gegen die Masse) voraussetzt ([X.] 130, 38, 41; [X.]/[X.], aaO). Zweck des § 55 KO ist es außerdem, die Masse möglichst vollständig zur gleichmäßigen Befrie-digung der Konkursgläubiger zu erhalten und eine ungerechte Benachteiligung der Konkursmasse zu verhindern ([X.], Urt. v. 6. Dezember 1990 - [X.] ZR - 5 - 44/90, [X.], 251, 252; [X.]/[X.], aaO). Insbesondere ist es dem Schuldner eines Gemeinschuldners verwehrt, eine infolge des Konkurses ent-wertete Forderung billig an sich zu bringen und zum Schaden der Konkursgläu-biger durch Aufrechnung in vollem Umfang durchzusetzen. [X.]n stehen jedoch - vom Ausnahmefall der Masseunzulänglichkeit abgesehen - vollwertige Forderungen zu, die sie auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen könnten ([X.] 130, 38, 46). Es besteht daher kein Grund, ihnen die Aufrechnung gegen [X.] zu verbieten. Im Fall der [X.] (§ 60 KO) werden die Vorschriften der §§ 53 bis 55 KO sinn-gemäß angewandt ([X.] 130, 38, 46 f; [X.] ZIP 2001, 428, 430).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht nicht geprüft, ob die [X.] in dem Zeitpunkt, in dem die beiderseitigen Forderungen einander [X.] gegenüberstanden, überhaupt unzulänglich war.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] hat der Tatrichter im Rahmen des § 60 KO die bestrittene Masseunzulänglichkeit entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu beurteilen ([X.] 147, 28, 36 ff; 154, 358, 369). [X.] und Nachweis obliegen dem Verwalter. Ob dieser seiner Darlegungslast schon durch den Hinweis auf eine Bekanntmachung im Staatsanzeiger genügt, hat der [X.] bisher offengelassen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ersetzt im [X.] gegen den [X.] die öffentliche Bekanntmachung nicht die Darlegung und den Beweis der Massearmut ([X.] 2002, 889 mit zust. [X.]. [X.], [X.], 868, 869; ebenso [X.] ZIP 1996, 1838, 1840; [X.]/[X.], [X.] 17. Aufl. § 60 [X.]. 2; a.A. [X.] ZIP 1995, 2003, 2004 mit zust. [X.]. [X.], EWiR 1996, 33). Dieser Ansicht schließt sich der [X.] an. - 6 -
aa) Die Vorschrift des § 60 KO setzt voraus, daß die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller [X.] nicht ausreicht. Es ist Aufgabe des Konkursverwalters, das Vorliegen dieser Voraussetzung im Konkursverfah-ren festzustellen und öffentlich bekanntzumachen (vgl. [X.], aaO m.w.[X.]). Daraus ergeben sich jedoch keine unmittelbaren Rechtswirkungen für von ihm geführte Rechtsstreitigkeiten. Als Begründung, die entsprechende Feststellung der Überprüfung durch das Prozeßgericht zu entziehen, reicht die Zuständigkeit des Konkursverwalters allein nicht aus. Ohne ausdrückliche ge-setzliche Anordnung, die in der Konkursordnung fehlt, kann eine Bindung des Prozeßgerichts an die im Konkursverfahren erfolgte Anzeige nicht angenom-men werden.
[X.]) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung läßt sich die Recht-sprechung des [X.]s zu § 208 [X.] ([X.] 154, 358, 360 f) nicht auf eine An-zeige der Masseunzulänglichkeit nach § 60 KO übertragen. Der [X.] hat in der genannten Entscheidung auf die Entstehungsgeschichte des § 208 [X.] und auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift abgestellt. Sie soll dem [X.] ermöglichen, die noch vorhandene Insolvenzmasse gemäß § 208 Abs. 3 [X.] auf rechtlich gesicherter Grundlage abzuwickeln. Die bindende Wirkung der Anzeige schafft Planungssicherheit; der [X.], den die Altmassegläubiger gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erleiden, ist im Interesse einer möglichst günstigen Verwertung der Masse hinzunehmen und wird durch die gegenüber der Konkursordnung verschärfte Haftung des Verwalters nach § 61 [X.] ansatzweise ausgeglichen.
Die Abwicklung eines massearmen Konkursverfahrens würde ebenfalls erleichtert, wenn die Massearmut bindend feststünde. Die Konkursordnung - 7 - kennt jedoch kein besonderes Verfahren der Abwicklung [X.]. Eine "Vorwirkung" der Insolvenzordnung hat der [X.] nur dort angenom-men, wo es an einer gesetzlichen oder richterrechtlichen Klärung der in Rede stehenden Frage fehlte, so daß der Berücksichtigung des künftigen Rechts we-der die Bindung des Richters an das geltende Gesetz noch ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine von der Regelung des neuen Rechts verschiedene Rechts-praxis entgegenstand ([X.] 134, 116, 125 f). Liegt der Neuregelung dagegen ein vom vorhergehenden Recht abweichendes Konzept zugrunde, hat der [X.] eine Vorwirkung abgelehnt ([X.] 130, 38, 43). Die Behandlung masse-armer Insolvenzverfahren in §§ 208 ff [X.] ist in bewußter Abgrenzung zur Rechtslage nach der Konkursordnung in der Auslegung durch den Bundesge-richtshof geregelt worden (Begründung des [X.] zu § 318 [X.]-RegE, [X.]). Eine Vorwirkung dieser Vorschriften kommt auch deshalb nicht in Betracht.
b) Der Kläger hat behauptet, die Masse habe schon am 1. Juni 1993 nicht zur Befriedigung aller Masseverbindlichkeiten ausgereicht. Schon das ei-gene Vorbringen des [X.] gibt jedoch Anlaß zu Zweifeln, ob er den [X.]" zutreffend verwandt hat. Der Kläger hat auf Vorhalt der [X.] eingeräumt, im [X.] 1993 für den Verkauf der Gesell-schaftsanteile an der [X.] und deren Anlagevermögen einen Betrag von 9,4 Mio. DM erhalten zu haben. Dieser Erlös habe ihm - so sein weiterer Vor-trag - ermöglicht, auf die am 28. Oktober 1993 einvernehmlich festgestellte For-derung der [X.] aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 902.464,45 DM eine Abschlagszahlung von 750.000 DM zu erbringen. Weitere Zahlungen seien "wegen der Entwicklung im weiteren Rahmen des Verfahrens" nicht möglich gewesen. Damit ist nicht zureichend dargelegt, daß und von [X.] Zeitpunkt an die Masse unzulänglich geworden ist. Die [X.] 8 - keiten am 10. August 1999, die der Kläger mit 3.037.343,06 DM beziffert hat, betreffen zu § 59 Abs. 1 Ziff. 1 KO einerseits Gerichts- und Anwaltskosten in beträchtlichem Umfang, andererseits "diverse Arbeitnehmer", "diverse Kranken-kassen" und die Arbeitsämter [X.] und [X.]; sie können [X.] nicht im Zeitraum zwischen der Eröffnung des Verfahrens am 1. März 1993 und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 1. Juni 1993 entstanden sein.

3. Da nicht feststeht, daß die Masse im Zeitpunkt der Begründung der Aufrechnungslagen unzulänglich war, kann das angefochtene Urteil keinen [X.] haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen entsprechend zu ergänzen und gegebenenfalls tauglichen Beweis anzutreten.

II[X.]

Für die erneute Verhandlung weist der [X.] auf folgende rechtlichen Gesichtspunkte hin:
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung dauert die erstmalige - rechtsfehlerfrei festgestellte - Masseunzulänglichkeit nicht zwingend an. War die Masse am 1. Juni 1993 unzulänglich, reichte sie aber zu einem späteren Zeitpunkt - etwa infolge der Zahlung von 9,4 Mio. DM - zur Begleichung aller Masseverbindlichkeiten aus, ist dies erheblich. Es kommt jeweils auf den Zeit-punkt des Entstehens der Aufrechnungslage an.
- 9 - 2. Die Frage, welcher [X.] des § 59 KO die zur Aufrechnung ge-stellten Forderungen der [X.] angehören, ist unerheblich. Hinsichtlich des Teilbetrages von 73.834,53 DM wird das Berufungsgericht im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, der für die Beklagte handelnde Zeuge [X.]habe bewußt die für die Masse bestimmten Schecks zugunsten der [X.] einge-löst, gegebenenfalls die Voraussetzungen des Aufrechnungsverbots des § 393 BGB zu prüfen haben.

3. Wenn und soweit die von der [X.] behauptete, vom [X.] aber nicht als erwiesen angesehene Saldierungsvereinbarung eine Aufrech-nung trotz eines konkursrechtlichen Aufrechnungsverbotes erlauben sollte, wä-re zu prüfen, ob sie insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam war (vgl. [X.] 150, 353, 360 f). Soweit die Aufrechnung zulässig ist, kommt es auf sie nicht an.

[X.] [X.][X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 241/01

07.07.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2005, Az. IX ZR 241/01 (REWIS RS 2005, 2691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2691

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 Sa 1233/00 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


IX ZR 191/98 (Bundesgerichtshof)


I-6 W 60/98 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


IX ZR 119/02 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 121/09 (Bundesgerichtshof)

Konkursverfahren über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft: Anspruch der Gesellschafter auf Vorlage steuerlicher Jahresabschlüsse durch den …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.