Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2015, Az. III ZR 196/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7639

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 196/14

Verkündet am:

23. Juli 2015

P e l l o w s k i

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 839 [X.]; [X.] § 28h

Zur Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs, der aus der Erteilung einer unrichtigen Auskunft (hier: der Einzugsstelle über den Fortbestand der Ren-ten-
und Arbeitslosenversicherungspflicht) hergeleitet wird, wenn ein [X.] Verfahren mit dem Ziel geführt worden ist, einen im [X.] zu jener Auskunft ergangenen belastenden Verwaltungsakt (hier: Zu-rückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld) zu
beseitigen (Fortführung von [X.], Urteile vom 6. Mai 1993 -
III ZR 2/92, [X.]Z 122, 317 und vom 12.
Oktober 2000 -
III ZR 121/99, [X.], 145).

[X.], Urteil vom 23. Juli 2015 -
III ZR 196/14 -

KG Berlin

[X.]
-

2

-

Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli
2015
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.],
Dr. Remmert
und Reiter

für Recht erkannt:

Auf die Revision des
[X.]
wird der
Beschluss
des 9. Zivilsenats des [X.]s
vom 21. Mai
2014
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Krankenkasse aus Amtshaftung
auf Schadensersatz in Anspruch. Er war seit dem 1. September 1998 als ge-schäftsführender Gesellschafter einer GmbH tätig und bei der [X.]. Die [X.] war Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbei-träge des [X.].

Mit Schreiben vom 6. November 2001 teilte die [X.] dem Kläger auf sein Schreiben vom 1. November 2001 mit, nach Überprüfung seiner geänder-ten Arbeitsbedingungen -
unter anderem wurde seine
Einlage zum Stammkapi-1
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tal auf 25.500 DM (von 50.000 DM
GmbH-Gesamtstammkapital)
erhöht -
ergä-ben sich keine Änderungen bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Er sei nach wie vor versicherungspflichtig in der Renten-
und Arbeitslosenversiche-rung. Dementsprechend wurden auch nach November 2001 für den Kläger die Beiträge zur gesetzlichen Renten-
und Arbeitslosenversicherung entrichtet.

Der Kläger kündigte das Dienstverhältnis mit der GmbH zum 1. Oktober 2004 und beantragte für die [X.] vom 2. Oktober 2004 bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 1. Januar 2005 die Zahlung von Arbeitslosengeld. Nachdem die [X.] dem Antrag mit Bescheid vom 3. [X.] zunächst stattgegeben hatte, erließ sie einen Rückforderungsbe-scheid. Diesen hob sie mit Bescheid vom 7. September 2005 auf und bewilligte das beantragte Arbeitslosengeld.

Am 30. Juli 2007 beantragte der Kläger erneut Arbeitslosengeld. Der [X.] wurde von der [X.] mit Bescheid vom 9. August 2007
zurückgewiesen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des [X.] wies die
[X.] mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 zurück.
Die ge-gen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das [X.] mit
Urteil vom 29. Oktober 2009 ab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] blieben ohne Erfolg.

Der Kläger bezieht seit
dem 1. Dezember 2008 Altersrente.

Er
hat behauptet,
er habe der [X.] seine geänderten Arbeitsbedingungen angezeigt, um eine Klärung zu erhalten, ob er gleichwohl weiterhin als Arbeitnehmer einzustufen sei. Hätte ihm die [X.] mitgeteilt, dass er als Selbständiger einzustufen sei, hätte er -
mit Einverständnis der Mit-3
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gesellschafter -
seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag angepasst und sei-nen Gesellschaftsanteil auf 23 % des Stammkapitals begrenzt, um den Arbeit-nehmerstatus zu erhalten. Infolge der fehlerhaften Auskunft der [X.]n sei ihm Arbeitslosengeld in Höhe von geleisteten Pflichtbeiträge für die [X.] der Arbeitslosigkeit ein erheblicher [X.] entstanden. Zudem sei er angesichts
der ausbleibenden Zahlungen von Arbeitslosengeld zur Sicherung seines Lebensunterhalts
gezwungen gewe-sen, seine Lebensversicherung vorzeitig zu kündigen. Hierdurch habe er einen V

Der Kläger begehrt den Ersatz des ihm entgangenen Arbeitslosengelds, des Verlusts aus der vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung und eines ihm bereits entstandenen Rentenschadens von 3.587
Er begehrt des Weiteren die Feststellung, dass die Be-h-len hat, solange
seine Berechtigung zum Bezug der Altersrente fortdauert.

Die
[X.] hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die am 27. Dezember 2011 beim [X.] eingegangene Klage ist der [X.]n am 22. März 2012 zugestellt worden. Das [X.] hat die Klage wegen Verjährung des Schadensersatzanspruchs abgewiesen. Der Klä-ger hat das landgerichtliche Urteil mit der Berufung angegriffen und geltend gemacht: Seine Ansprüche seien nicht verjährt. Er habe erst durch das Urteil des [X.] Kenntnis von den Ansprüchen gegen die [X.] erlangt. Neben der Geltendmachung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld ge-genüber der [X.] sei ihm eine Klageerhebung gegen die [X.] zur Verfolgung des Amtshaftungsanspruchs unzumutbar gewesen, 7
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weil er in beiden Prozessen widersprüchlich hätte vortragen müssen. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückgewiesen. Gegen diesen
Beschluss
richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene
Revision des
[X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]
hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des ange-fochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts
scheitert die Durchsetzung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs an der Verjährungseinrede der [X.]. Der Kläger habe bereits Ende des Jahres 2007 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB gehabt.
[X.] Kenntnis habe der Verletzte, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage erheben könne, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht habe, dass sie ihm zumutbar sei. Für die Kenntnis sei auf die Fälligkeit des ersten einklagbaren Teils des Schadens abzustellen. Der Kläger habe Ende des Jahres 2007 gewusst, dass ihm wegen der nach seiner [X.] falschen Auskunft der [X.]n bereits ein Schaden in Gestalt der vorzei-tigen Auflösung der Lebensversicherung entstanden sei und ein weiterer Scha-den drohe.

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-

Die Zumutbarkeit der Klageerhebung lasse sich nicht mit der [X.] verneinen, der Kläger habe gegen die [X.] den [X.] und gegen die [X.] den Amtshaftungsan-spruch geltend machen und hierbei in beiden Prozessen widersprüchlich vor-tragen müssen. [X.] sei die Erhebung der Amtshaftungsklage nur, wenn sich die verwaltungsgerichtliche Klage und der parallel zu führende Amts-haftungsprozess gegen dieselbe öffentlich-rechtliche
Körperschaft richteten. Die unterschiedlichen Träger der Sozialversicherung könnten insoweit nicht als die-selbe Person betrachtet werden.

[X.]

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.
Ein
-
revisionsrechtlich zu unterstellender
-
Schadensersatzanspruch des [X.] aus Amtshaftung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verjährt. Die auf
den Anspruch des [X.] anwendbare
regelmäßige Ver-jährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann nach § 199 Abs. 1 BGB kei-nesfalls
vor dem Schluss des Jahres 2009, nachdem die gegen den [X.]sbescheid der [X.] gerichtete Klage des [X.] durch Urteil des [X.] vom 29. Oktober 2009 abgewiesen worden war. Sie wurde durch die Erhebung der Klage im Jahr 2012 in vorlie-gendem Rechtsstreit gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist
und der Gläu-biger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. 12
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Die erforderliche Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis als Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist vorhanden, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist (Senat, Urteile vom 11. Januar 2007 -
III ZR 302/05, [X.]Z 170, 260 Rn. 28; vom 21. April 2005 -
III ZR 264/04, [X.], 245, 248; vom 22. Januar 2004 -
III ZR 99/03, [X.], 2026, 2027; vom 12. Oktober 2000
-
III ZR 121/99, [X.], 145, 146 und vom 6. Mai 1993 -
III ZR 2/92, [X.]Z 122, 317, 325).

a)
Besteht die Amtspflichtverletzung, wie hier, in einer dem Geschädigten günstigen Auskunft, ist es ihm regelmäßig vor Abschluss des von ihm auf der Grundlage der erhaltenen Auskunft betriebenen verwaltungsrechtlichen Verfah-rens nicht zuzumuten, eine Amtshaftungsklage zu erheben, da erst der Aus-gang des verwaltungs-
oder -
wie hier -
sozialgerichtlichen
Prozesses dem [X.] die erforderliche Kenntnis verschafft, ob überhaupt eine Amtspflicht-verletzung vorgelegen hat und ein Schaden entstanden ist (vgl. Senat, Urteile vom 21. April 2005 aaO und vom 6. Mai 1993 aaO S. 324 f; [X.]/[X.], BGB § 839 [Neubearbeitung 2013] Rn. 382). Würde man dem Geschä-digten ansinnen, parallel zu dem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sei es auch nur zur Fristwahrung, eine Amtshaftungsklage wegen der Erteilung der Auskunft
zu erheben, würde man ihm
zumuten, sich prozessual widersprüchlich zu verhalten. Er müsste
sich dann im [X.] auf den Rechts-standpunkt stellen, dass die Auskunft rechts-
und amtspflichtwidrig gewesen sei, während er im Verfahren vor den Fachgerichten von der Rechtmäßigkeit der Auskunft und der Rechtswidrigkeit des
zu ihr in Widerspruch stehenden [X.] ausgehen müsste.
In derartigen Fällen wird erst durch das [X.]
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liche Verfahren die Grundlage für die Beurteilung der Frage geschaffen, ob die Versagung des beantragten Bescheids beziehungsweise der beantragten Leis-tung rechtmäßig gewesen ist. Erst durch die Zustellung des verwaltungsgericht-lichen Urteils erlangt der Geschädigte diejenigen Kenntnisse, die es ihm zumut-bar machen, die Amtshaftungsklage wegen der amtspflichtwidrigen Auskunft zu erheben (vgl. Senat, Urteile vom 6. Mai 1993 und vom 12. Oktober 2000, je-weils aaO).

Diese Erwägungen sind vor dem Hintergrund zu verstehen, dass sich die fachgerichtliche Klage und der parallel zu führende [X.] ge-gen dieselbe öffentlich-rechtliche Körperschaft richten. Für einen Rückgriff ge-gen einen [X.] gelten sie nicht. So hat der Senat in einem Fall der [X.], bei dem es nicht um eine verwaltungsgerichtliche Klage, sondern um ei-nen [X.] zur Abwehr des -
durch eine vom Notar
fehlerhaft entworfe-ne Garantieerklärung entstandenen -
Schadens ging, entschieden, die Zumut-barkeit einer vorsorglichen Feststellungsklage gegen den beklagten Notar lasse sich nicht mit Rücksicht auf unzumutbar widersprüchliches Verhalten verneinen
(Senat, Urteil vom 22. Januar 2004 aaO).
Dem Geschädigten ist
nämlich ein unterschiedlicher prozessualer Vortrag
im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung eher zumutbar, wenn er
gegenüber zwei verschiedenen
Pro-zessgegnern erfolgt, als wenn er gegenüber demselben Prozessgegner erfolgt.

b) Das Berufungsgericht hat die
vorgenannte Senatsrechtsprechung ge-sehen und zutreffend wiedergegeben. Nach seiner Auffassung können die un-terschiedlichen Träger der Sozialversicherung nicht als ein und dieselbe Person betrachtet werden.

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-

Dem kann für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Zwar handelt es sich bei der [X.]n als Gegner im [X.] und der Bunde-sagentur für Arbeit als Gegner im sozialgerichtlichen Verfahren -
formal be-trachtet -
um zwei unterschiedliche Prozessgegner
und zwei unterschiedliche öffentlich-rechtliche Körperschaften. Dennoch kann, worauf die Revision
zu
Recht
hinweist, aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles die [X.] im Verhältnis zur [X.] nicht als "Dritte"
angesehen werden
mit der Folge, dass es dem Kläger zumutbar wäre, in dem gegen die [X.]
gerichteten [X.] anders vorzutragen als in dem ge-gen den Bescheid der
[X.] gerichteten sozialgerichtlichen Verfahren.

Die [X.] wurde, als sie mit Schreiben vom 6. November 2001 die auf die Arbeitslosen-
und Rentenversicherungspflicht des [X.] bezogene [X.] erteilte, nicht als Träger der Sozialversicherung tätig, sondern als [X.] nach § 28h Abs. 2 Satz 1 [X.]. Als solche und nicht als Träger der Krankenversicherung wird sie vom Kläger in Anspruch genommen. Die Auf-gaben der Einzugsstelle
werden in § 28h [X.] festgelegt. Nach § 28h Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die [X.] steht dabei als Einzugsstelle in einem öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnis zur [X.] als Fremdversicherungsträger. Im Rahmen des
Treuhandverhältnisses tritt
sie zwar im Außenverhältnis zum Beitragsschuldner als Anspruchsinhaberin auf.
Im [X.] bleibt jedoch die [X.] Anspruchsinhaberin, in deren Interesse die [X.] als Einzugsstelle zu handeln hat
([X.], 1 Rn. 15 mwN aus der Rechtsprechung
des BSG; [X.] in [X.] [X.] zum Sozialversicherungsrecht, § 28h
[X.] [2014] Rn. 2 mwN;
jurisPK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 28h Rn. 66).
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-

Diese "Inkassotätigkeit"
([X.] aaO)
der [X.]n für die Bundesagen-tur für Arbeit bringt die [X.] in eine solche Nähe zur [X.], dass eine allein
an die formale Parteirolle anknüpfende Sichtweise in vorliegendem Zusammenhang nicht gerechtfertigt
erscheint. Zwar handelte es sich bei der
dem Kläger erteilten
Auskunft der [X.]n nicht unmittelbar um eine Inkasso-tätigkeit. Die [X.] erteilte die Auskunft jedoch in ihrer Eigenschaft als "[X.]"
(§ 28h Abs. 2 Satz 1 [X.]) und im Hinblick darauf, dass etwaige Beiträge später auch von ihr
-
für die [X.]
-
eingezogen werden würden.

Die treuhänderische Verbundenheit der [X.]n und der Bundesagen-tur für Arbeit und die Tätigkeit der [X.]n im Aufgabenbereich der Bunde-sagentur für Arbeit stehen
mithin
einer Betrachtung der beiden öffentlich-rechtlichen
Körperschaften als voneinander verschiedene Prozessgegner des [X.] entgegen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist deshalb die Senatsrechtsprechung zur [X.]keit widersprüchlichen [X.] gegenüber derselben öffentlich-rechtlichen Körperschaft entsprechend anwendbar. Ein widersprüchlicher Prozessvortrag in gegen den [X.]
"Treuhänder"
und den öffentlich-rechtlichen
"Treugeber"
geführten Paral-lelprozessen ist dem Kläger nicht zumutbar.

2.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich -
entgegen der [X.] der [X.]
-
auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Pflichtverletzung der [X.]n nicht schon deshalb zu verneinen, weil die [X.] dem Kläger kei-21
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ne "verbindliche"
Auskunft erteilen wollte. Zwar
hat ein förmliches Anfragever-fahren nach § 7a [X.], in dem das Vorliegen einer Beschäftigung verbindlich geklärt wird, nicht stattgefunden; über einen
diesbezüglichen Antrag, der erst infolge des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ([X.]) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 für geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH zwingend zu stellen ist (§ 7a Abs. 1 Satz
2 [X.] nF), hätte im Übrigen nicht die [X.], sondern seiner-zeit die [X.] (heute: die [X.])
entscheiden müssen. Indes bedeutet
eine mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Auskunft nicht, dass diese nicht Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen des [X.] sein könnte. Nach der ständigen Recht-sprechung des Senats müssen Auskünfte, die ein Beamter erteilt, dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit entsprechend sachgerecht, das heißt
vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft ent-sprechend disponieren kann (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 2003 -
III ZR 155/02, [X.]Z 155, 354, 357 [zu "nicht rechtsverbindlich"
erteilten Rentenaus-künften] und vom 11. Oktober 2007 -
III ZR 301/06, [X.], 252 Rn. 14; [X.]/Wöstmann
aaO Rn. 150 mwN). Die mangelnde Rechtsverbindlich-keit einer Auskunft kann
daher nur
dahin
verstanden werden, dass
mit ihr
eine verbindliche Regelung des Versicherungsverhältnisses noch nicht verbunden ist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Versicherungsträger und [X.] auch die [X.] als sozialversicherungsrechtliche Einzugsstelle nach den vorstehenden Grundsätzen verpflichtet
sind, Auskünfte vollständig, eindeu-tig und
vor allem richtig zu erteilen, weil sich der Auskunftsbegehrende grund-sätzlich auf die Richtigkeit der Auskunft verlassen darf und er einen Anspruch hat, in seinem Vertrauen hierauf geschützt zu werden (Senat, Urteil vom 10. Juli 2003 aaO; [X.], 114, 121). Auch dort, wo eine Amtspflicht zur Erteilung -

12

-

der Auskunft nicht besteht, muss die Auskunft, wenn sie gleichwohl erteilt wird, diesen Erfordernissen genügen
([X.]/Wöstmann aaO).

b) Soweit die Revisionsbeklagte in Frage stellt, ob für den Kläger sein sozialversicherungsrechtlicher Status bei der Gestaltung seines Arbeitsvertrags entscheidend gewesen sei, handelt es sich um eine Würdigung, die dem Tatrichter vorbehalten bleibt.

c) Im Hinblick auf den vom Kläger in Gestalt des ihm entgangenen [X.] geltend gemachten Schaden fehlt es -
entgegen der [X.] der [X.] -
auch nicht deshalb an einem Kausalzusammen-hang, weil dem Kläger unabhängig von der Frage seines sozialversicherungs-rechtlichen Status kein Anspruch auf Zahlung
von Arbeitslosengeld ab dem 1.
August 2007 zustand.

Zwar trifft es zu, dass der Kläger innerhalb der vom 1. August 2007 an rückwärts zu berechnenden zweijährigen Rahmenfrist nicht mehr als 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (vgl. § 118 Abs.
1 Nr. 3, § 123 Satz 1, § 124 Abs. 1 [X.], jeweils in der Fassung des Art. 1 des [X.] Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003,
BGBl. [X.]). Auch ist den Urteilen des [X.]
Chemnitz vom 29. Oktober 2009
und des [X.] vom 7. April 2011 zu entnehmen, dass der Kläger einen Anspruch
auf Arbeitslosengeld ab dem 1.
August 2007 nicht aus dem Restanspruch des ab 2. Oktober 2004 mit [X.] vom 2. Dezember
2004 bewilligten Anspruchs herleiten konnte, obwohl die Frist des § 147 Abs. 2 [X.] (in der Fassung des Art. 1 des [X.] vom 24. März 1997, [X.]) noch nicht abgelau-fen war. Denn der Bewilligungsbescheid begründete nicht die -
im Rahmen des 25
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27
-

13

-

§
147 Abs. 2
[X.] aF maßgebliche -
materielle Anspruchsberechtigung (Stammrecht), sondern nur den Leistungsanspruch im engeren Sinne (Zah-lungsanspruch; vgl. BSG, [X.] 1995, 418, 419; zur Unterscheidung zwischen Stammrecht und Einzelanspruch auf Auszahlung vgl. auch [X.], 191 Rn.
21).

Maßgeblich für einen Restanspruch des [X.] nach § 147 Abs. 2 [X.] aF ist allein, ob dem Kläger am 2. Oktober 2004 ein materieller Anspruch auf Arbeitslosengeld (Stammrecht)
zustand
(zur Maßgeblichkeit des Stammrechts im Rahmen von § 147 Abs. 2 [X.] aF vgl. [X.]/[X.], [X.] zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 147 [X.] Rn. 4, 14). Ein solches Stamm-recht entstand, wenn zum vorgenannten [X.]punkt die gesetzlichen Tatbe-standsvoraussetzungen erfüllt waren, ohne dass es hierfür notwendigerweise eines [X.] bedurfte (vgl. [X.], 191 aaO). Insofern über-sieht die Revisionsbeklagte, dass das [X.] und das [X.] einen solchen Anspruch auf der Grundlage der zu [X.] [X.]punkt bestehenden Beteiligung des [X.] an der GmbH verneint ha-ben. Über ein etwaiges Stammrecht des [X.] zu diesem [X.]punkt, wenn er zuvor -
nach Erteilung einer zutreffenden
Auskunft der [X.]n -
entspre-chend seinem Vortrag den Geschäftsführeranstellungsvertrag angepasst und seinen Gesellschaftsanteil auf 23 % des Stammkapitals begrenzt hätte, wird in den vorgenannten Urteilen
naturgemäß keine Aussage
getroffen. Das Sozialge-richt hat ausgeführt, der Kläger habe aufgrund des von ihm innegehabten [X.] am Stammkapital jedenfalls eine Sperrminorität besessen,
und aus diesem Grund
ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis verneint. Nach seinen Feststellungen war nach dem Gesellschaftsvertrag für [X.] eine Mehrheit von mehr als 76 % der Stimmanteile notwendig. Mit ei-nem Gesellschaftsanteil von 23 % des Stammkapitals hätte der Kläger mithin 28
-

14

-

eine -
der Versicherungspflicht nach Auffassung des [X.] entgegen stehende -
Sperrminorität nicht erreicht. Dementsprechend hätte ihm am [X.] ein materieller Anspruch auf Arbeitslosengeld (Stammrecht) zuge-standen mit der Folge, dass am
1. August 2007 seit der Entstehung dieses An-spruchs noch nicht vier Jahre verstrichen gewesen wären und der Kläger nach § 147 Abs. 2 [X.] aF einen Restanspruch hätte geltend machen können.

3.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
ist
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), das die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu dem vom Kläger geltend [X.] -
nicht verjährten -
Anspruch nachzuholen haben wird.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert
Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.12.2012 -
36 [X.]/12 -

KG Berlin, Entscheidung vom 21.05.2014 -
9 U 60/13 -

29

Meta

III ZR 196/14

23.07.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2015, Az. III ZR 196/14 (REWIS RS 2015, 7639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7639

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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