Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2014, Az. VI R 56/12

6. Senat | REWIS RS 2014, 6879

STEUERRECHT EINKOMMENSTEUER GRUNDBESITZ FINANZGERICHT BERLIN-BRANDENBURG

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Gegenstand

Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung


Leitsatz

1. Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, kann als Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein (entgegen BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75) .

2. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob und in welchem Umfang auch die auf das öffentliche Straßenland vor dem Grundstück entfallenden Aufwendungen für den [[X.].] eines Grundstücks an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung durch den zuständigen Zweckverband als Handwerkerleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum Streitjahr geltend Fassung (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und [[X.].] (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erwarben mit Kaufvertrag vom Dezember 2001 das Grundstück [X.] in [X.] und errichteten darauf in 2002 ein Einfamilienhaus, das sie seit der Fertigstellung für eigene Wohnzwecke nutzten. Zunächst wurde das Objekt durch einen Brunnen mit Trinkwasser versorgt. Das Abwasser wurde über eine Grube entsorgt.

3

Ab 2005 schloss der zuständige Zweckverband das Grundstück an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung an. Für die Herstellung der Hausanschlüsse setzte der Zweckverband gegenüber den Klägern mit Bescheiden vom Juni 2007 Kostenersatzbeträge in Höhe von 910,21 € und 651,99 € fest, die die Kläger am 31. Juli 2007 durch Überweisung von ihrem Bankkonto beglichen. Darüber hinaus sind den Klägern Kosten für die Installation eines Wasserzählers in Höhe von 58,75 € entstanden, die ebenfalls durch Überweisung getilgt wurden.

4

Diese Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) erfolglos als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG geltend. Auch der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2012, 2208 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
das Urteil des [X.] Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012  7 K 7310/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass den Klägern für die streitigen Kosten für den Haus(wasser)anschluss (Trink- und Abwasser) die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG zu gewähren ist.

1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche [X.]inkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, [X.]rhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 €. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 [X.]StG gilt die [X.]rmäßigung nur für Arbeitskosten.

a) Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um [X.]rhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2010 VI R 4/09, [X.], 534, [X.], 909). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und [X.]igentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die [X.]rneuerung eines [X.]nbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, [X.]rhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in [X.]/[X.]/ [X.], [X.], Kommentar, § 35a Rz 25).

b) Nach allgemeiner Meinung ist nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist (vgl. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 15. Februar 2010 IV C 4-S 2296-b/07/0003, 2010/0014334, [X.], 140, [X.]. 21, ersetzt durch BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, 2014/0023765, [X.], 75, [X.]. 23). Auch Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl. BMF-Schreiben in [X.], 140, [X.]. 21, ersetzt durch BMF-Schreiben in [X.], 75, [X.]. 23) oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 35a [X.]StG Rz 21; vgl. [X.] in [X.], [X.]StG, § 35a [X.]StG Rz 86; [X.], [X.][X.] 2013, 52; BMF-Schreiben in [X.], 140 ). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der Hausanschlussleitungen (= die Verbindung des [X.] mit der Anlage des Grundstückseigentümers, vgl. § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser --AVBWasserV-- vom 20. Juni 1980, [X.], 750) gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art unternehmerisch tätig geworden ist (vgl. hierzu Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2008 V R 61/03, [X.], 176, [X.], 321; BMF-Schreiben vom 7. April 2009 IV B 8-S 7100/07/10024, 2009/0215132, [X.], 531). Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag) für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung "eigenhändig" oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden [X.] erbracht wird. Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.

c) Die Handwerkerleistung muss ferner "in" einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Hieraus wird geschlossen, dass nur handwerkliche Tätigkeiten, die in der privaten Wohnung bzw. dem [X.] geleistet werden, nicht aber solche, die "für" den Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG begünstigt sind (BMF-Schreiben in [X.], 140, [X.]. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in [X.], 75, [X.]. 15; [X.] München vom 24. Oktober 2011  7 K 2544/09, [X.] 2012, 1118).

Dieses enge Verständnis der Vorschrift greift nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch zu kurz. Denn der Begriff "im Haushalt" ist [X.] auszulegen (vgl. Kratzsch in [X.], [X.]StG, [X.] 2011, § 35a Rz 77; [X.] in [X.], [X.]StG, § 35a [X.]StG Rz 92; [X.], [X.][X.] 2013, 52; [X.], in: [X.][X.], [X.]StG, § 35a Rz D 7, [X.] 7; [X.]/[X.], [X.]StG, 32. Aufl., § 35a Rz 4).

Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 [X.]StG nicht ausnahmslos --unabhängig von den [X.]igentumsverhältnissen-- durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF-Schreiben in [X.], 140, [X.]. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in [X.], 75, [X.]. 15). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG begünstigt sein. [X.]s muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen ([X.]/[X.], [X.]StG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]StG, § 35a Rz 300 f.). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.

Zwar handelt es sich bei Hausanschlüssen (auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des [X.] verläuft) um Betriebsanlagen des [X.] (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV; Urteile des [X.] vom 7. Februar 2008 III ZR 307/05, Neue Juristische [X.] Zivilrecht --NJW-RR-- 2008, 771, und vom 1. Februar 2007 III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823). Gleichwohl ist der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verläuft, zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG zu zählen (entgegen BMF-Schreiben in [X.], 140, [X.]. 12, 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in [X.], 75, [X.]. 9, 15). Denn über diesen wird der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. [X.]in Hausanschluss stellt sich damit als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.

[X.]ntsprechende Handwerkerleistungen sind folglich nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG begünstigt ([X.]/[X.], [X.]StG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; [X.], in: [X.][X.], [X.]StG, § 35a Rz D 7, [X.] 7; Kratzsch in [X.], [X.]StG, [X.] 2011, § 35a Rz 71 f., 77; [X.] in [X.], [X.]StG, § 35a [X.]StG Rz 92; [X.], [X.][X.] 2013, 52; a.[X.] in Kirchhof, [X.]StG, 12. Aufl., § 35a Rz 7; Durst in Korn, § 35a [X.]StG Rz 41; [X.]/Görn, [X.], 1804 <1805>).

d) Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF-Schreiben in [X.], 140, [X.]. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in [X.], 75, [X.]. 15).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] die streitigen Aufwendungen der Kläger für den [X.] zu Recht in Höhe der geschätzten Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für eine Modernisierungsmaßnahme beurteilt, die den Klägern die begehrte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 [X.]StG vermitteln. Die vom [X.] erhobenen [X.]inwendungen gegen die Schätzung der Arbeitskosten greifen nicht durch. Die [X.]rkenntnis des [X.], dass die mit der Herstellung des Hausanschlusses verbundenen Tiefbauarbeiten höhere Arbeitskosten als Materialkosten nach sich gezogen hätten, diese Materialkosten jedoch nicht von gänzlich untergeordneter Bedeutung seien und die daraufhin vorgenommene Aufteilung der Gesamtkosten (60 % Arbeitskosten) begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Denn Verstöße gegen Denkgesetze oder [X.]rfahrungssätze sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit war die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Meta

VI R 56/12

20.03.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 15. August 2012, Az: 7 K 7310/10, Urteil

§ 35a Abs 2 S 2 EStG 2002, EStG VZ 2007, § 19 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2014, Az. VI R 56/12 (REWIS RS 2014, 6879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6879

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Referenzen
Wird zitiert von

1 K 1200/17

11 K 2998/16

13 K 1736/17

4 K 16/17

7 K 1356/14

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