Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.04.2020, Az. VI R 50/17

6. Senat | REWIS RS 2020, 11268

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Gegenstand

Keine begünstigte Handwerkerleistung für die Erschließung einer öffentlichen Straße


Leitsatz

NV: Die Erschließung einer öffentlichen Straße steht nicht im räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen, der auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zum Erschließungsbeitrag herangezogen wird.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 25.10.2017 - 3 K 3130/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2015) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt (§ 26a des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Sie wohnen in ihrem Eigenheim im [X.], einer zunächst unbefestigten Sandstraße.

2

Die [X.] [X.] gab Ende August 2014 den geplanten Ausbau des [X.]s bekannt. Mit "[X.]" von Mai 2015 zog die [X.] die Kläger für die Finanzierung des beitragsfähigen [X.] in Höhe von 3.267,05 € heran. Dem lag zugrunde, dass die [X.] mit dem Straßenbau begonnen hatte und deswegen gemäß §§ 127 ff., 242 Abs. 9 des [X.]augesetzbuches i.V.m. der Satzung über die Erhebung der Erschließungsbeiträge in der [X.] [X.] 50 % des voraussichtlichen [X.]eitrags als Vorausleistung erhob. Zur [X.]egründung führte die [X.] aus, der [X.] werde als Mischverkehrsfläche mit einer [X.] in einer [X.]reite von 3,50 m, einem angepflasterten [X.]ereich in einer [X.]reite von 1,20 m und Straßenbegleitgrün erstmalig grundhaft hergestellt.

3

Die Kläger zahlten den [X.]etrag im Streitjahr von ihrem gemeinsamen [X.] auf das Konto der [X.].

4

In ihren beim [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eingereichten Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr machten die Kläger neben anderen, unstreitigen Kosten in Höhe von 484,27 € die Hälfte des [X.] von 3.267,05 € als geschätzten Lohnkostenanteil, mithin 1.633,53 €, insgesamt 2.117,80 €, als Steuerermäßigung nach § 35a EStG geltend, und zwar gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG jeder der Kläger die Hälfte hiervon.

5

Das [X.] berücksichtigte jeweils nur eine Ermäßigung in Höhe von 49 € für die unstreitigen anderweitigen Aufwendungen.

6

Die Einsprüche der Kläger blieben erfolglos. Die im [X.] erhobenen Klagen wies das Finanzgericht ([X.]) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2018, 42 veröffentlichten Gründen ab.

7

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8

Sie beantragen,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2015 vom 09.08.2016 in Gestalt der [X.] vom 14.06.2017 dahingehend zu ändern, dass jeweils weitere 817 € der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG zugrunde gelegt werden.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Vorausleistung über den Erschließungsbeitrag nicht nach § 35a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG begünstigt ist.

1. Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.

a) Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (zuletzt Senatsurteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, [X.], 42, [X.], 641, Rz 12). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden (zu Beispielen s. Senatsurteil vom 20.03.2014 - VI R 56/12, [X.], 49, [X.] 2014, 882, Rz 11).

b) Da nach allgemeiner Meinung nicht erforderlich ist, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist, kann auch die öffentliche Hand steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen (Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882, für die Verlegung der Hausanschlussleitungen gegen Kostenerstattung durch einen Zweckverband --juristische Person des öffentlichen Rechts-- im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art, sowie Senatsurteile vom 06.11.2014 - VI R 1/13, [X.], 424, [X.] 2015, 481, Rz 12, und in [X.], 42, [X.], 641, Rz 13, jeweils m.w.[X.]). Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (z.B. [X.], öffentlich-rechtlicher Vertrag) erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich (a.A. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 09.11.2016 - IV C 8-S 2296-b/07/10003:008, [X.], 1213, Rz 22 Satz 3) wie der Umstand, ob diese Leistung "eigenhändig" oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden [X.] erbracht wird (Senatsurteil in [X.], 42, [X.], 641, Rz 13). Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine --wenn auch durch eine juristische Person vermittelte-- Handwerkerleistung in Anspruch.

c) Die Handwerkerleistung muss ferner "in" einem in der [X.] oder dem [X.] liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG). Dabei legt der erkennende Senat den Begriff "im Haushalt" [X.] aus (zuletzt Senatsurteil in [X.], 42, [X.], 641, Rz 14, m.w.[X.]).

Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos --unabhängig von den [X.] durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (Senatsurteil vom 20.03.2014 - VI R 55/12, [X.], 45, [X.] 2014, 880). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Senatsurteile in [X.], 45, [X.] 2014, 880; in [X.], 49, [X.] 2014, 882, und in [X.], 42, [X.], 641; BMF-Schreiben in [X.], 1213, Rz 2). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird (Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882; BMF-Schreiben in [X.], 1213, Anlage 1 "Hausanschlüsse an Ver- und Entsorgungsnetze").

2. Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, der für die Herstellung des vormals als Sandstraße vorhandenen [X.] erhobene beitragsfähige Erschließungsaufwand sei nach § 35a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG nicht begünstigt.

a) Es ist allerdings zweifelhaft, ob es sich bei den streitgegenständlichen Arbeiten um eine --wie das [X.] meint-- Modernisierungsmaßnahme i.S. des § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG handelte. Denn nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) wurde die Vorausleistung des [X.], der von den Klägern jeweils anteilig als Steuerermäßigung i.S. des § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begehrt wird, für die erstmalige grundhafte Herstellung des [X.] in Form einer Mischverkehrsfläche mit [X.] nebst angepflastertem Bereich und Straßenbegleitgrün erhoben.

b) Der erkennende Senat kann dies jedoch offenlassen. Denn jedenfalls ist die rechtliche Würdigung des [X.], die Arbeiten an der Straße seien --im Gegensatz zu solchen an einer individuellen Grundstückszufahrt ab der Abzweigung von der eigentlichen [X.] nicht grundstücks- und damit nicht haushaltsbezogen, nicht nur rechtlich möglich, sondern [X.] in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 35a Rz 7; i.E. zustimmend auch [X.]/[X.], EStG, 39. Aufl., § 35a Rz 21; a.A. [X.] Nürnberg, Urteil vom 24.06.2015 - 7 K 1356/14, E[X.] 2016, 294; Arbeitskreis Steuern und Revision im [X.] ([X.]) e.V., [X.] --DStR-- 2019, 1677; [X.], Betriebs-Berater 2017, 2209).

aa) Die Würdigung des [X.] entspricht letztlich der Sichtweise des Senats, die dieser seiner Entscheidung in [X.], 42, [X.], 641 zugrunde gelegt hat. Dort hat der Senat im Fall der ([X.] einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes zwischen den Kosten für den eigentlichen Grundstücksanschluss (= die Verbindung des öffentlichen Sammelnetzes mit der Grundstücksentwässerungsanlage, beginnend an der Abzweigstelle von der jeweiligen Sammelleitung und endend mit dem Grundstücksanschlussschacht an der Grundstücksgrenze des Anschlussgrundstücks) einerseits sowie dem öffentlichen [X.] oder Sammelnetz andererseits unterschieden und Letzteres als nicht mehr zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG zählend beurteilt (s. Senatsurteil in [X.], 42, [X.], 641, Rz 19). Insoweit fehlt es an einem [X.]en Zusammenhang der Leistung mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers, da die Zahlung für den Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes erfolgt, das --im Unterschied zum [X.] nicht nur einzelnen Grundstückseigentümern, sondern vielmehr allen Nutzern des Versorgungsnetzes zugutekommt.

bb) Dem entspricht es, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, den allgemeinen Straßenbau ebenfalls nicht mehr als eine im Haushalt des Steuerpflichtigen erbrachte Handwerkerleistung anzusehen. Denn auch Leistungen im allgemeinen Straßenbau kommen nicht nur einzelnen Grundstückseigentümern, sondern allen Nutzern zugute. Dass der Straßenbau auch für den einzelnen Grundstückseigentümer "wirtschaftlich vorteilhaft" ist, ist insoweit unerheblich.

Die Abrechnung anhand der Grundstücksfläche und einem Nutzungsfaktor ändert an der fehlenden [X.]en Beziehung zum Haushalt nichts (a.[X.] Steuern und Revision im [X.] e.V., [X.], 1677, 1679). Dies dient lediglich der Verteilung der nach Abzug des Gemeindeanteils verbleibenden Gesamtkosten auf die Beitragspflichtigen und führt insbesondere nicht dazu, dass der einzelne Anlieger für das vor seinem Grundstück verlaufende Straßenstück zahlt (hier die Kläger für den Straßenabschnitt im Bereich des [X.] ...).

cc) Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil in [X.], 45, [X.] 2014, 880. Soweit der Senat dort einen [X.]en Zusammenhang für einen (auch) auf dem öffentlichen Gehweg durchgeführten Winterdienst bejaht hat, basiert dies darauf, dass es sich insoweit um einen notwendigen Annex zur Haushaltsführung handelt, da solche Arbeiten auf dem Grundstück jeweils gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden. Damit ist die finanzielle Heranziehung des Anliegers zum Straßenbau durch eine Gemeinde nicht ansatzweise vergleichbar.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 50/17

28.04.2020

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 25. Oktober 2017, Az: 3 K 3130/17, Urteil

§ 35a Abs 3 S 1 EStG 2009, § 35a Abs 4 S 1 EStG 2009, § 35a Abs 5 S 2 EStG 2009, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.04.2020, Az. VI R 50/17 (REWIS RS 2020, 11268)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11268

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