Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.02.2018, Az. VI R 18/16

6. Senat | REWIS RS 2018, 13570

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Gegenstand

Keine begünstigte Handwerkerleistung bei Herstellung einer öffentlichen Mischwasserleitung


Leitsatz

Der von § 35a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG vorausgesetzte räumlich-funktionale Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen ist nicht gegeben, wenn für die Neuverlegung einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes ein Baukostenzuschuss erhoben wird .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. November 2015  8 K 194/15 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr (2012) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie sind je zur Hälfte Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks [X.] ... Die Kläger nutzen das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Das Abwasser wurde seit 1993 über eine Sickergrube auf dem Grundstück entsorgt.

2

Im Jahr 2011 schloss der zuständige Abwasserzweckverband ... ([X.]) das Grundstück der Kläger an die öffentliche [X.] (zentrale Kläranlage) an und forderte diese mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 auf, ihre bisher genutzte [X.] binnen sechs Monaten fachgerecht außer Betrieb zu setzen. Unter Ziffer 2 erläuterte der Bescheid:

3

Hierzu waren folgende Arbeiten notwendig:

-       

Erneuerung des bestehenden öffentlichen [X.] im Bereich der unteren Bebauung der L Straße, ab Bahnübergang bis zum Ende der Bebauung in Höhe der Grundstücke L Straße ...;

-       

Neuverlegung einer Mischwasserleitung in der L Straße zwischen der unteren und oberen Bebauung, in welcher sich das Grundstück der Kläger befindet;

-       

Inlinersanierung des bestehenden öffentlichen, u.a. unter dem Grundstück der Kläger verlaufenden [X.];

-       

Herstellen der Verbindung des sanierten [X.] und der neu verlegten Mischwasserleitung.

4

Mit Rechnung vom 29. August 2012 stellte der [X.] den Klägern für die Herstellung der Mischwasserleitung einen als Baukostenzuschuss bezeichneten Betrag in Höhe von 3.896,60 € in Rechnung, den die Kläger durch Banküberweisung beglichen und in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Handwerkerleistung i.S. des § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend machten.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Einkommensteuer 2012 ohne Berücksichtigung dieser Aufwendungen fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Der im [X.] erhobenen Klage, mit der die Kläger nunmehr die Berücksichtigung eines Betrags in Höhe von 2.338 € (geschätzter Lohnkostenanteil) begehrten, gab das Finanzgericht ([X.]) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 1952 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Das [X.] ([X.]) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, der für die Neuverlegung der öffentlichen Mischwasserleitung erhobene Baukostenzuschuss sei nach § 35a Abs. 3 Satz 1 [X.]StG begünstigt.

1. Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 [X.]StG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche [X.]inkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, [X.]rhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 [X.]StG gilt die [X.]rmäßigung nur für Arbeitskosten.

a) Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um [X.]rhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2010 VI R 4/09, [X.], 534, [X.], 909). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und [X.]igentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden (zu Beispielen s. Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 56/12, [X.], 49, [X.] 2014, 882, Rz 11).

b) Da nach allgemeiner Meinung nicht erforderlich ist, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist, kann auch die öffentliche Hand steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen (Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882, Rz 12); insbesondere dadurch, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der Hausanschlussleitungen gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art unternehmerisch tätig geworden ist (Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882, für die Verbindung des [X.] mit der Anlage des [X.] 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser vom 20. Juni 1980, [X.], 750, m.w.N.). Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag) für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich (a.A. BMF-Schreiben vom 9. November 2016 IV C 8-S 2296-b/07/10003:008, [X.], 1213, Rz 22 Satz 3) wie der Umstand, ob diese Leistung "eigenhändig" oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden [X.] erbracht wird. Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.

c) Die Handwerkerleistung muss ferner "in" einem in der [X.] oder dem [X.] liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 [X.]StG). Dabei legt der erkennende Senat den Begriff "im Haushalt" in Übereinstimmung mit der Literatur [X.] aus (Senatsurteile in [X.], 49, [X.] 2014, 882, Rz 14 f.; vom 20. März 2014 VI R 55/12, [X.], 45, [X.] 2014, 880; vom 3. September 2015 VI R 18/14, [X.], 435, [X.] 2016, 272; Senatsbeschluss vom 25. September 2017 VI B 25/17, [X.], 39; Kratzsch in Frotscher, [X.]StG, [X.] 2011, § 35a Rz 77; [X.] in [X.], [X.]StG, § 35a [X.]StG [X.]; [X.], in: [X.] [X.], [X.]StG, § 35a Rz D 7, [X.] 7; [X.]/[X.], [X.]StG, 36. Aufl., § 35a Rz 21; [X.], [X.][X.] 2013, 52).

Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 [X.]StG nicht ausnahmslos --unabhängig von den [X.]igentumsverhältnissen-- durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (Senatsurteil in [X.], 45, [X.] 2014, 880). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 3 Satz 1 [X.]StG begünstigt sein. [X.]s muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Senatsurteile in [X.], 45, [X.] 2014, 880, und in [X.], 49, [X.] 2014, 882; BMF-Schreiben in [X.], 1213, Rz 2). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird (Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882; BMF-Schreiben in [X.], 1213, Anlage 1 "Hausanschlüsse an Ver- und [X.]ntsorgungsnetze").

2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze ist das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen, der für die Neuverlegung der öffentlichen Mischwasserleitung erhobene Baukostenzuschuss sei nach § 35a Abs. 3 Satz 1 [X.]StG begünstigt.

Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) wurde der Baukostenzuschuss, der von den Klägern anteilig als Steuerermäßigung i.S. des § 35a Abs. 3 Satz 1 [X.]StG begehrt wird, für die "Neuverlegung der öffentlichen Mischwasserleitung (zwischen der unteren und oberen Bebauung)" --und nicht etwa für den eigentlichen Haus- bzw. [X.] erhoben.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 10 Abs. 1 der Allgemeinen [X.]ntsorgungsbedingungen (A[X.]B) des [X.] einschließlich der [X.]ntsorgung der Inhalte von Grundstückskläranlagen vom 1. Januar 2009. Danach ist der [X.] berechtigt, von den Grundstückseigentümern bei erstmaligem [X.] des Grundstücks an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage einen angemessenen Baukostenzuschuss zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Herstellung oder, soweit durch den erstmaligen [X.] veranlasst und über den Herstellungskosten liegend, die Veränderung der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage, an die das Grundstück angeschlossen wird, zu verlangen, soweit sie sich ausschließlich einem [X.]ntsorgungsbereich zuordnen lassen, in dem der [X.] erfolgt. Hierdurch soll der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotene besondere wirtschaftliche Vorteil abgegolten werden, soweit der Aufwand nicht auf andere Weise gedeckt wird (vgl. I.1. der Regelung der Kostenerstattung für die öffentliche Abwasserbeseitigung des [X.] vom 1. Januar 2009). Insoweit werden nur die Kosten für neu herzustellende örtliche Teile des öffentlichen Sammelnetzes berücksichtigt, soweit sie sich dem [X.]ntsorgungsbereich zuordnen lassen (vgl. I.2. der Kostenerstattungsregelung). Demgegenüber sind die Aufwendungen für die bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Herstellung und --soweit vom Grundstückseigentümer veranlasst-- die Veränderung des [X.] dem [X.] vom Grundstückseigentümer als Grundstücksanschlusskosten nach § 11 Abs. 1 A[X.]B zu erstatten.

Zwar wird der Baukostenzuschuss danach beim erstmaligen Grundstücksanschluss an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage erhoben; der Sache nach betrifft er jedoch die teilweise Abdeckung der notwendigen Kosten für die Herstellung bzw. Veränderung der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage, an die das Grundstück angeschlossen wird, d.h. das öffentliche Sammelnetz. Damit unterscheidet sich der Baukostenzuschuss von den Kosten für den eigentlichen Grundstücksanschluss (= die Verbindung des öffentlichen Sammelnetzes mit der Grundstücksentwässerungsanlage, beginnend an der Abzweigstelle von der jeweiligen Sammelleitung und endend mit dem Grundstücksanschlussschacht an der Grundstücksgrenze des [X.]grundstücks, vgl. § 2 Abs. 6 A[X.]B), deren [X.]rstattung eigenständig in § 11 A[X.]B geregelt ist. Dementsprechend hat sich das [X.] zu Unrecht auf das Senatsurteil in [X.], 49, [X.] 2014, 882 berufen, das die Aufwendungen für den Hausanschluss i.S. der Verbindung des [X.] mit der Anlage des Grundstückseigentümers als steuerbegünstigte Handwerkerleistung bejaht. Anders als der Haus- oder Grundstücksanschluss ist das öffentliche [X.] oder Sammelnetz nicht mehr zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 [X.]StG zu zählen. Insoweit fehlt es an einem [X.]en Zusammenhang der Leistung mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers, da die Zahlung für den Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes erfolgt, das --im Unterschied zum [X.] nicht nur einzelnen Grundstückseigentümern, sondern vielmehr allen Nutzern des Versorgungsnetzes zugutekommt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VI R 18/16

21.02.2018

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. November 2015, Az: 8 K 194/15, Urteil

§ 35a Abs 3 S 1 EStG 2009, § 35a Abs 4 S 1 EStG 2009, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.02.2018, Az. VI R 18/16 (REWIS RS 2018, 13570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13570

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1 K 1650/17

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