Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.11.2014, Az. VI R 1/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 1552

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER GUTACHTER HANDWERK FINANZGERICHT KÖLN

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Gegenstand

Aufwendungen für eine Dichtheitsprüfung einer Abwasserleitung als steuerbegünstigte Handwerkerleistung


Leitsatz

Die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Istzustandes, beispielsweise die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, kann ebenso Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG sein wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Dichtheitsprüfung der privaten Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

In der Einkommensteuererklärung 2010 beantragte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) für eine Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung seines privat genutzten Wohnhauses eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG in der im Streitjahr (2010) geltenden Fassung. In der entsprechenden Rechnung sind Arbeitskosten von 357,36 € ausgewiesen.

3

In dem Einkommensteuerbescheid 2010 vom 8. Mai 2012 blieben die Aufwendungen unberücksichtigt. Die Einkommensteuer wurde auf 6.160 € festgesetzt.

4

Hiergegen sowie gegen die Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung bei den Krankheitskosten richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Hinsichtlich der zumutbaren Belastung wurde das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) ruhend gestellt. Hinsichtlich der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG wies der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den Einspruch durch Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a Satz 1 [X.]) vom 14. Juni 2012 zurück. Die Dichtheitsprüfung sei wie die vom [X.] oder anderen autorisierten Fachkräften durchzuführende Sicherheitsprüfung einer Heizungsanlage im Gegensatz zu einer Wartung der Heizungsanlage mit einer Gutachtertätigkeit vergleichbar. Nach Rdnr. 12 des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 15. Februar 2010 IV C 4-S 2296-b/07/0003 ([X.], 140; ersetzt durch [X.]-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, [X.], 75, Rdnr. 22) seien Aufwendungen, bei denen eine Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe, nicht nach § 35a EStG begünstigt.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Entgegen der Auffassung des [X.] habe bei der Dichtheitsprüfung nicht die Gutachtertätigkeit im Vordergrund gestanden. Zielrichtung der Maßnahme sei die Instandhaltung der Abwasserleitung gewesen. Deshalb seien die streitgegenständlichen Aufwendungen für die Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung anzuerkennen.

6

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
das Urteil des [X.] Köln vom 18. Oktober 2012  14 K 2159/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Aufwendungen des Klägers für die Dichtheitsprüfung der Abwasserleitungen seines privat genutzten Wohnhauses als steuerermäßigende Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind.

1. Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %, höchstens um 1.200 €. Die Steuerermäßigung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Handwerkerleistung in einem in der [X.] oder dem [X.] liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG), und gilt nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG nur für Arbeitskosten.

a) Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2010 VI R 4/09, [X.], 534, [X.], 909). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines [X.]nbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und der Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in [X.]/ [X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 35a EStG Rz 27).

b) Die sachliche Begrenzung der begünstigten Maßnahme ist allein aus dem Tatbestandsmerkmal "im Haushalt" zu bestimmen (Senatsurteil vom 13. Juli 2011 VI R 61/10, [X.], 391, [X.], 232; BMF-Schreiben in [X.], 75, Rdnr. 20). Insbesondere unterscheidet das Gesetz weder nach Wortlaut noch nach Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck zwischen sachlich begünstigten und nicht begünstigten Handwerkerleistungen. § 35a Abs. 3 EStG gilt vielmehr insoweit (nicht aber räumlich, vgl. Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 56/12, [X.], 49, [X.], 882) ausnahmslos für alle handwerklichen Tätigkeiten. So ist beispielsweise nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist. Auch Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl. BMF-Schreiben in [X.], 75, Rdnr. 23) oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 35a EStG Rz 21; [X.] in [X.], EStG, § 35a EStG Rz 86; [X.], Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 52; vgl. BMF-Schreiben in [X.], 75, Rdnr. 22, 58 ).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] die Dichtheitsprüfung der Abwasserleitungen des privat genutzten Wohnhauses zu Recht als steuerbegünstigte Handwerkerleistungen i.S. des § 35a Abs. 3 EStG beurteilt. Denn die Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung diente nach den Feststellungen des [X.] der Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Hausanlage und ist damit als (vorbeugende) Erhaltungsmaßnahme zu beurteilen (vgl. Fischer in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 35a Rz 10).

a) Die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien [X.], beispielsweise die Prüfung der ordnungsgemäßen Funktion einer Anlage durch einen Handwerker, ist ebenso Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder Maßnahmen zur vorbeugenden [X.]. Dies gilt auch dann, wenn der Handwerker über den ordnungsgemäßen Istzustand eines Gewerkes/einer Anlage eine Bescheinigung "für amtliche Zwecke" erstellt. Denn durch das Ausstellen einer solchen Bescheinigung verliert eine dahingehende handwerkliche Leistung ihren Instandhaltungscharakter nicht. Denn die regelmäßige Überprüfung von Geräten und Anlagen auf deren Funktionsfähigkeit (einschließlich Dokumentation) erhöht deren Lebensdauer, sichert deren nachhaltige Nutzbarkeit, dient überdies der vorbeugenden [X.] und zählt damit zum Wesen der Instandhaltung. Das verkennt die Revision, wenn sie fordert, zwischen begünstigten Handwerkerleistungen, durch die ein Objekt in seinem Zustand beeinflusst (verändert) werde, und nicht begünstigten Leistungen eines Handwerkers (Untersuchungen und Gutachten), die lediglich dazu dienten, den aktuellen Zustand eines Objekts festzustellen, zu unterscheiden. Im Übrigen ist die Erhebung des [X.] regelmäßig Voraussetzung für eine spätere --nicht unbedingt unmittelbar zeitlich nachfolgende und u.U. durch einen anderen Handwerksbetrieb durchgeführte-- Beseitigung des Schadens oder für Maßnahmen zur vorbeugenden [X.] und insoweit ohnehin als Annex, also Nebenleistung, zu der damit einhergehenden steuerbegünstigten Handwerkerleistung ebenfalls begünstigt ([X.], in: [X.][X.], EStG, § 35a Rz D 6, Rz F 5; vgl. auch [X.] in [X.], EStG, § 35a EStG Rz 86; differenzierend Barein, a.a.[X.], § 35a EStG Rz 28).

b) Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 35a EStG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen. Denn das Gesetz unterscheidet tatbestandlich nicht zwischen steuerbegünstigten Handwerkerleistungen, die zur Bekämpfung der Schwarzarbeit/Förderung der Beschäftigung förderungsbedürftig sind, und solchen Handwerkerleistungen, die einer solchen Förderung nicht bedürfen, weil sie ohnehin oder regelmäßig nicht "ohne Rechnung" in Anspruch genommen werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung getroffen, ohne bei den materiellen und "formellen Voraussetzungen" des § 35a EStG, etwa die Einbindung eines Kreditinstituts oder einer Bank in den Zahlungsvorgang, nach für Schwarzarbeit anfälligeren oder weniger anfälligen Berufsgruppen und Tätigkeiten zu unterscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013 VI B 31/13, [X.], 1786).

Meta

VI R 1/13

06.11.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 18. Oktober 2012, Az: 14 K 2159/12, Urteil

§ 35a EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.11.2014, Az. VI R 1/13 (REWIS RS 2014, 1552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1552

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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