Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. XII ZB 104/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1086

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Gegenstand

Anspruch eines anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung


Leitsatz

1. Der Anspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung als Aufwendungsersatz für seine anwaltsspezifischen Dienste erlischt nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZB 685/11, FamRZ 2012, 1377).

2. Die Ausschlussfrist zur Geltendmachung dieses Aufwendungsersatzes beginnt mit der Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung nach § 8 RVG.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 17. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 1.954 €

Gründe

I.

1

Für die 1983 geborene Betroffene ist eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge eingerichtet und der Beteiligte zu 1 zum Betreuer bestellt worden. Im Juni 2016 verstarb der in [X.] lebende Vater der Betroffenen, der von der Betroffenen, ihrer Schwester und ihren zwei Halbbrüdern zu gleichen Teilen beerbt wurde. Zum Nachlass gehören vier in [X.] belegene Grundstücke und drei Kraftfahrzeuge. Nachdem der Betreuer dem Gericht den Entwurf für einen in [X.] zu beurkundenden Erbauseinandersetzungsvertrag vorgelegt hatte, bestellte das Amtsgericht am 5. Februar 2020 die als Rechtsanwältin tätige Beteiligte zu 2 zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin mit dem Aufgabenkreis „Genehmigung eines Erbteilungsvertrages“. Mit Schreiben vom 4. März 2020 reichte die Verfahrenspflegerin die ihr zur Einsicht überlassenen Betreuungsakten zurück, bat um die gerichtliche Bestätigung, ihre Tätigkeit nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen zu dürfen und kündigte eine Stellungnahme nach Prüfung des [X.] an. Durch Beschluss vom 27. März 2020 stellte das Amtsgericht fest, dass die Verfahrenspflegerin eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübe. Mit Schriftsatz vom 8. April 2020 teilte die Verfahrenspflegerin mit, dass sie den Vertrag aus Sicht der Betroffenen geprüft habe, und nahm zum Inhalt des [X.]. Im Laufe des Verfahrens gab die Verfahrenspflegerin mit Schriftsätzen vom 8. Oktober 2020 und vom 1. Juli 2021 weitere Stellungnahmen zu zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des [X.] ab und nahm am 9. Juli 2021 an der persönlichen Anhörung der Betroffenen durch die Betreuungsrichterin teil. Durch Beschluss vom 9. Juli 2021 genehmigte das Amtsgericht die auf Abschluss des [X.] gerichteten Erklärungen des Betreuers. Nach den Bestimmungen dieses Vertrages sollte die Betroffene eine Abfindungszahlung in Höhe von umgerechnet rund 53.000 € erhalten.

2

Mit Antrag vom 15. Juli 2021 - bei dem Amtsgericht eingegangen am 16. Juli 2021 - rechnete die Verfahrenspflegerin ihre Vergütung ausgehend von einem Gegenstandswert von 53.000 € nach anwaltlichem Gebührenrecht ab und machte dabei zuletzt noch 1.954,46 € (1,3 Geschäftsgebühr VV-[X.] Nr. 2300, Auslagenpauschale VV-[X.] Nr. 7002 und Mehrwertsteuer) geltend. Das Amtsgericht hat diesen Betrag antragsgemäß festgesetzt. Die dagegen vom Bezirksrevisor für die Staatskasse eingelegte Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Staatskasse, welche die Auffassung vertritt, dass der Anspruch der Verfahrenspflegerin auf Rechtsanwaltsvergütung erloschen sei.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die Verfahrenspflegerin einen Anspruch auf Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht habe. Diesem Anspruch stehe auch die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 [X.] aF nicht entgegen. Für den Beginn dieser Ausschlussfrist stelle § 2 Satz 1 [X.] aF zwar auf die Entstehung des Vergütungsanspruchs ab. Soweit es um die Vergütung für berufsspezifische Dienste eines Rechtsanwalts gehe, sei es aber sachgerecht, auf die Fälligkeit des Anspruchs nach § 8 [X.] abzustellen. Würde man demgegenüber auf die erste Tätigkeit des [X.] abstellen, wäre dieser gezwungen, seine Gebühren abzurechnen, obwohl diese noch nicht fällig seien und der Geschäftswert noch nicht feststehe. Diese Auslegung lasse sich auch mit dem Wortlaut des § 2 Satz 1 [X.] aF in Einklang bringen, denn sie führe dazu, dass die Frage nach dem Entstehen des [X.] im Verjährungsrecht und bei der Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 [X.] aF gleich beantwortet werde. Auch Sinn und Zweck der Ausschlussfrist widerspreche dieser Auslegung nicht. Die Ausschlussfrist solle eine effektive zeitnahe Überprüfung des von dem Anspruchsteller geltend gemachten Zeitaufwands gewährleisten und verhindern, dass Vergütungen über mehrere Jahre zu einer Höhe auflaufen, welche die Leistungsfähigkeit des Betroffenen überforderten und damit eine Einstandspflicht der Staatskasse auslösten, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betroffenen nicht gegeben wäre. Da die [X.] aber nicht auf den Zeitaufwand abstelle und zudem nur einmal anfalle, sei weder eine zeitnahe Überprüfung notwendig noch bestehe die Gefahr, dass die Leistungsfähigkeit des Betroffenen durch eine Ansammlung von [X.] überfordert werde.

5

Weil die Angelegenheit für die Verfahrenspflegerin im vorliegenden Fall nicht vor dem 9. Juli 2021 beendet gewesen sei, sei der am 16. Juli 2021 bei dem Amtsgericht eingegangene Vergütungsantrag rechtzeitig gewesen.

6

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

7

a) Auf die Vergütungsansprüche der am 5. Februar 2020 bestellten Verfahrenspflegerin für die von ihr im Zeitraum von März 2020 bis Juli 2021 entfalteten Tätigkeiten ist das bis zum 31. Dezember 2022 geltende Recht anzuwenden (§ 18 [X.]; vgl. auch [X.]/[X.] [Stand: 1. Oktober 2022] [X.] 2023 § 18 Rn. 15).

8

b) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen sind die rechtlichen Ausgangspunkte des [X.]. Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG aF erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 [X.]. Gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG aF hat er daneben Anspruch auf eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 [X.], wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB aF, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG aF zwar nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist § 1835 Abs. 3 BGB aF gleichwohl auch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser kann für seine Tätigkeit statt einer Vergütung nach Stundensätzen (§ 3 Abs. 1 und 2 [X.] entsprechend) wahlweise als Aufwendungsersatz eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung für den Betroffenen Dienste erbringt, für die ein juristischer Laie als Verfahrenspfleger vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2020 - [X.] 410/20 - FamRZ 2021, 549 Rn. 17 mwN; vgl. nunmehr § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 4 Abs. 2 [X.] und § 1877 Abs. 3 BGB entsprechend). Hat das Amtsgericht - wie hier - bereits im Zusammenhang mit der Bestellung des [X.] die Feststellung getroffen, dass dieser eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, ist diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2020 - [X.] 410/20 - FamRZ 2021, 549 Rn. 18 mwN).

9

Ebenfalls zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Anspruch des [X.] auf Rechtsanwaltsvergütung als Aufwendungsersatz erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung bei Gericht geltend gemacht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - [X.] 685/11 - FamRZ 2012, 1377 Rn. 10 mwN). Dies ergibt sich nach dem bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Recht allerdings nicht, wie das Beschwerdegericht und die Rechtsbeschwerde der Staatskasse meinen, aus der für die Zeitaufwandsvergütung nach dem [X.] maßgeblichen Regelung in § 2 [X.] aF, sondern - wegen der in § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG aF für Aufwendungsersatzansprüche des [X.] enthaltenen Verweisung auf § 1835 Abs. 1 BGB aF - aus § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF.

c) Die Frage, wann im Sinne von § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF der Anspruch des [X.] auf Rechtsanwaltsvergütung für seine anwaltsspezifischen Dienste „entsteht“ und damit die fünfzehnmonatige Ausschlussfrist zu laufen beginnt, wird indessen - wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat - in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beantwortet.

aa) Die wohl überwiegende Auffassung stellt für den Beginn der Ausschlussfrist darauf ab, dass der Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts grundsätzlich bereits dann entsteht, wenn er die gebührenpflichtige Tätigkeit vorzunehmen begonnen hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF könne es nur auf die Entstehung, nicht aber auf die Fälligkeit des anwaltlichen [X.] (vgl. § 8 Abs. 1 [X.]) oder darauf ankommen, ob der Gebührenanspruch dargelegt oder beziffert werden könne. Die berechtigten Belange des ersatzberechtigten Rechtsanwalts würden dadurch gewahrt, dass er erforderlichenfalls gemäß § 1835 Abs. 1a BGB aF eine Verlängerung der fünfzehnmonatigen Frist beantragen könne (vgl. [X.], 1664, 1665; [X.] Beschluss vom 14. April 2008 - 5 [X.]/08 - juris Rn. 9 f.; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 7. Aufl. § 277 FamFG Rn. 6; Sternal/[X.] FamFG 21. Aufl. § 277 FamFG Rn. 14; offen gelassen BayObLG FamRZ 2003, 1413, 1414).

Mit dem Beschwerdegericht will eine abweichende Auffassung für den Beginn der Ausschlussfrist auf die Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung nach § 8 [X.] abstellen. Diese Ansicht weist darauf hin, dass die Ausschlussfrist bei Anknüpfung des Fristbeginns an die erste Entfaltung der jeweiligen anwaltsspezifischen Tätigkeit oftmals schon abgelaufen sein könnte, bevor der Verfahrenspfleger überhaupt berechtigt gewesen wäre, seine noch nicht fällige [X.] geltend zu machen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Fölsch Gesamtes Kostenrecht 3. Aufl. Vergütung des Betreuers, Vormunds und [X.] Rn. 268).

bb) Die letztgenannte Ansicht trifft zu.

(1) Im anwaltlichen Gebührenrecht ist zwischen der Entstehung der Gebühren, der Fälligkeit der Gebühren und der Einforderbarkeit der Gebühren bei dem Auftraggeber zu unterscheiden. Die Gebühr entsteht, sobald der Rechtsanwalt die erste Tätigkeit ausführt, die durch die Gebühr entgolten wird; die Geschäftsgebühr nach VV-[X.] Nr. 2300 entsteht daher in der Regel mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung (vgl. [X.] Urteil vom 7. März 2019 - [X.] - NJW 2019, 1870 Rn. 9). Mehrere Gebühren in einer Angelegenheit entstehen stufenweise, sobald der jeweilige Gebührentatbestand erfüllt ist ([X.] [X.]/von [X.] [Stand 1. September 2021] § 8 Rn. 1). Die Fälligkeit der entstandenen Gebühren tritt unter den Voraussetzungen des § 8 [X.] ein; die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts werden daher erst mit der Erledigung des Auftrags oder mit der Beendigung der Angelegenheit fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der Rechtsanwalt kann die fälligen Gebühren nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] erst dann bei dem Auftraggeber einfordern, wenn er dem Auftraggeber diese in einer von ihm unterzeichneten Berechnung mitgeteilt hat.

(2) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gebietet nicht bereits der bloße Wortlaut von § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF die Beurteilung, dass es für die „Entstehung“ des Anspruchs und damit für den Beginn der Ausschlussfrist zwingend auf die (erste) Tätigkeit des Rechtsanwalts ankommen müsse, die den für seinen Vergütungsanspruch maßgeblichen Gebührentatbestand erfüllt.

Dies zeigt bereits ein Vergleich mit § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der hinsichtlich des objektiven Beginns der Regelverjährungsfrist ebenfalls auf die Entstehung des Anspruchs abstellt. Insoweit entspricht es allgemeiner Auffassung, dass ein Anspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst in dem Zeitpunkt „entstanden“ ist, in dem der Berechtigte seinen Anspruch erstmals geltend machen und notfalls Klage erheben kann (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - [X.] 56/16 - FamRZ 2017, 900 Rn. 13 mwN), was grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraussetzt (vgl. [X.] Urteil vom 8. April 2015 - [X.]/15 - NJW 2015, 1818 Rn. 22 mwN). Die Rechtsbeschwerde weist zwar im rechtlichen Ansatz zutreffend auf strukturelle Unterschiede zwischen der nur auf Einrede zu berücksichtigenden Verjährung und dem von Amts wegen zu beachtenden Erlöschenstatbestand nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF hin. Gleichwohl verdeutlicht der Blick auf § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass der Wortlaut des Gesetzes einer teleologischen Norminterpretation, welche die „Entstehung“ eines Anspruchs nicht an den ersten Zeitpunkt anknüpft, an dem alle anspruchsbegründenden Tatsachen verwirklicht worden sind, nicht zwangsläufig entgegensteht.

(3) Die Beurteilung des [X.], dass die Ausschlussfrist für den Anspruch des anwaltlichen [X.] auf Vergütung für seine berufsspezifischen Dienste erst mit der Fälligkeit seiner Vergütung nach § 8 Abs. 1 [X.] in Gang gesetzt wird, steht mit Sinn und Zweck des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF in Einklang.

Die Ausschlussfrist soll den Anspruchsberechtigten im Interesse der Staatskasse zu einer zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anhalten. Dabei bezweckt die Regelung in erster Linie, der Gefahr vorzubeugen, dass der Anspruchsberechtigte durch zu langes Zuwarten hohe Ansprüche auflaufen lässt, deren Erfüllung die Leistungsfähigkeit des Betroffenen übersteigt und die deshalb infolge von dessen Mittellosigkeit aus der Staatskasse erfüllt werden müssten (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 22 f. und 27). Zwar besteht bei dem einmalig anfallenden und der Höhe nach durch den gesetzlichen Gebührenrahmen begrenzten Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen [X.] die Gefahr eines „Auflaufens“ hoher Forderungen grundsätzlich nicht und die Staatskasse haftet für dessen Vergütungsanspruch ohnehin als Primärschuldnerin (§ 277 Abs. 5 Satz 1 FamFG aF, jetzt § 277 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Dennoch verschafft die Geltung der Ausschlussfrist der Staatskasse Rechtssicherheit dahingehend, dass nach Ablauf der Frist kein Aufwendungsersatz mehr auszuzahlen ist, und trägt auf diese Weise zur Erreichung des Ziels bei, die Belastung der Staatskasse vorhersehbar zu machen und zu beschränken (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2016 - [X.] 464/15 - FamRZ 2017, 231 Rn. 23, dort zur Vergütung des [X.]).

Mit der Ausschlussfrist geht somit eine Obliegenheit des Anspruchsberechtigten einher, seinen Ersatzanspruch zügig zu verfolgen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 23). Das Erlöschen der Ansprüche nach Ablauf der Ausschlussfrist knüpft daran an, dass es der Anspruchsteller unter Verletzung dieser Obliegenheit über einen Zeitraum von fünfzehn Monaten versäumt hat, seinen Anspruch auf Vergütung oder Aufwendungsersatz bei Gericht geltend zu machen. Von der Verletzung einer solchen Obliegenheit kann allerdings nicht ausgegangen werden, wenn und solange der Anspruchsberechtigte daran gehindert ist, seinen Anspruch geltend zu machen.

(a) Zum pauschalen Vergütungsanspruch des [X.] hat der Senat bereits entschieden, dass dieser Anspruch wegen § 9 Satz 1 [X.] aF erst nach Ablauf eines Abrechnungsquartals geltend gemacht werden kann und dass die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 [X.] aF demzufolge erst nach Ablauf dieses Zeitraums beginnt. Insoweit besteht zwischen der Entstehung des Anspruchs, welche die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 [X.] aF in Lauf setzt, und der Entstehung des Anspruchs, die den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 BGB auslöst, kein relevanter Unterschied (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2013 - [X.] 26/12 - FamRZ 2013, 871 Rn. 22; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2021 - [X.] 355/20 - FamRZ 2022, 733 Rn. 28). Demgegenüber hat der Senat zum Anspruch des [X.] auf Pauschalvergütung ausgesprochen, dass dieser Anspruch im Sinne von § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF bereits mit der ersten Tätigkeit des [X.] gemäß seiner Bestellung „entsteht“, und diese Erkenntnis unter anderem auch mit einem Hinweis darauf begründet, dass es in Bezug auf den Vergütungsanspruch des [X.] keine dem § 9 [X.] aF vergleichbare gesetzliche Regelung gibt, welche der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - etwa der Beendigung der Tätigkeit mit Abschluss des [X.] - entgegenstehen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2019 - [X.] 496/18 - juris Rn. 13).

(b) Ebenso wie § 9 [X.] aF enthält § 8 Abs. 1 [X.] eine Bestimmung des materiellen Rechts, welche die Geltendmachung des Anspruchs für einen bestimmten Zeitraum ausschließt. Das auf spezialgesetzlicher Regelung beruhende Hinausschieben der Fälligkeit des Anspruchs beeinflusst auch den Beginn der Ausschlussfrist nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF. Denn ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung wird nicht davon ausgegangen werden können, dass die Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Anspruchs zu laufen beginnen soll, ehe diese Geltendmachung ihrerseits erfolgen darf (vgl. zu § 9 [X.] aF: [X.]/[X.] 8. Aufl. § 9 [X.] Rn. 8).

Die abweichende Ansicht, wonach die Ausschlussfrist bereits mit der Entstehung der jeweiligen anwaltlichen Gebühr in Gang gesetzt werden soll, lässt erhebliche praktische Unzuträglichkeiten besorgen. Denn sie kann nicht nur dazu führen, dass für unterschiedliche Gebührentatbestände möglicherweise unterschiedliche Ausschlussfristen laufen, sondern es besteht auch die Gefahr, dass ein anwaltlicher Verfahrenspfleger, der nicht auf eine Fristverlängerung nach § 1835 Abs. 1a BGB aF angetragen hat, bei länger andauernder Tätigkeit mit seinen Gebührenansprüchen ausgeschlossen ist, bevor diese von ihm überhaupt gegenüber der Staatskasse geltend gemacht werden konnten. Eine solche Schlechterstellung des anwaltlichen [X.] gegenüber der Position des nichtanwaltlichen [X.] und des von ihm beauftragten Rechtsanwalts ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Möglichkeit, aus der Staatskasse einen Vorschuss gemäß § 9 [X.] zu verlangen, ändert an der Rechtsstellung des anwaltlichen [X.] in Bezug auf die Ausschlussfrist nichts. Denn der gewährte Vorschuss müsste zurückgezahlt werden, wenn die Gebührenansprüche des anwaltlichen [X.] wegen Ablaufs der Ausschlussfrist nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF erlöschen.

d) Das Beschwerdegericht hat daher mit Recht entschieden, dass die Gebührenansprüche der Verfahrenspflegerin nicht erloschen sind. Gegen die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsvergütung macht die Staatskasse keine Einwendungen geltend. Zwar sind dem Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen [X.] eines mittellosen Betreuten im Rahmen der Abrechnung seiner anwaltsspezifischen Dienste nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Wertgebühren nach § 49 [X.] zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2020 - [X.] 410/20 - FamRZ 2021, 549 Rn. 21 ff.). Das Beschwerdegericht hat indessen keine Feststellungen zur Mittellosigkeit der Betroffenen getroffen; eine diesbezügliche Verfahrensrüge erhebt die Staatskasse jedoch nicht.

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 104/22

01.02.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Wiesbaden, 17. Februar 2022, Az: 4 T 27/22

§ 277 Abs 1 FamFG vom 22.06.2019, § 1835 Abs 1 S 3 BGB vom 17.12.2008, § 8 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. XII ZB 104/22 (REWIS RS 2023, 1086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1086

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