Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2019, Az. 5 StR 464/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 415

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Gegenstand

Mittäterschaftliches Handeltreiben und zulässige Ermittlungsmaßnahmen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]       wird das Urteil des [X.] vom 5. April 2019

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird,

b) im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]       und die Revision des Angeklagten [X.]werden verworfen.

4. Der Angeklagte [X.] hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten – jeweils unter Freispruch im Übrigen – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, den Angeklagten [X.]zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten [X.]        zu einer solchen von drei Jahren und acht Monaten. Zudem hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, hinsichtlich des Angeklagten [X.]unter Festsetzung des [X.] eines Teils der Freiheitsstrafe, sowie die Einziehung eines Pocket-Bikes und des Betäubungsmittels angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils im Umfang der [X.] Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte [X.]wegen der Nutzung eines Pocket-Bikes im Straßenverkehr durch die Polizei angehalten. Im Hinblick auf das positive Ergebnis eines Drugwipe-Tests sollte er zur weiteren Überprüfung in die Polizeistation gebracht werden. Daraufhin übergab er dem Mitangeklagten [X.]        an dessen Haustür in [X.] verpackt 782 Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 311 Gramm Methamphetamin, das zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. [X.]        übernahm die Tüten, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, dass sich darin [X.] befand. Der Aufforderung des Polizeibeamten, die übergebenen Gegenstände vorzuzeigen, kam er nicht nach und begab sich in seine Wohnung. Erst auf erneute Aufforderung eines Polizeibeamten gab er die Tüte mit dem [X.] heraus.

3

1. Die Revision des Angeklagten [X.]        erzielt mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

4

a) Der Schuldspruch hat keinen Bestand. Insoweit hat der [X.] ausgeführt:

„Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte [X.]        die Tüte mit den Betäubungsmitteln mit der Absicht entgegen, sie für den Mitangeklagten [X.]zu lagern und den späteren gewinnbringenden Verkauf damit zu ermöglichen ([X.], 8). Letzteren wollte er „zumindest vorantreiben“ bzw. daran „mitwirken“ ([X.]). Diese Formulierungen belegen nicht, dass der Angeklagte [X.]      die Betäubungsmittel eigenständig als „[X.]“ verkaufen wollte (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juni 2015 – 3 [X.], Rdnr. 5, juris). Allenfalls könnten sie nahelegen, dass er sich an dem gewinnbringenden Verkauf der Drogen durch den Mitangeklagten [X.]beteiligen wollte.

Aber auch eine Tatbeteiligung als Mittäter wird durch diese Ausführungen nicht hinreichend belegt. Insbesondere lassen sich dem Urteil keine Feststellungen zur [X.]keit entnehmen. ([X.] Handeltreiben erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. [X.] ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Handeln des [X.] vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell bessergestellt wird ([X.], Beschluss vom 24. Februar 1994 – 4 StR 44/94, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 41). Hinsichtlich der [X.]keit sind konkrete Feststellungen im Urteil erforderlich. Die Bereitschaft des Angeklagten [X.]       , beim Absatz der Betäubungsmittel mitzuwirken, genügt dafür nicht, weil die Mitwirkung auch ausschließlich von [X.] getragen sein kann. Ebenso wenig reichen bloße Vermutungen hinsichtlich eines eigennützigen Gewinnstrebens, etwa aufgrund der Kontakte des Angeklagten ins Drogenmilieu oder aufgrund des wegen der eigenen Abhängigkeit vermeintlich erhöhten Finanzbedarfs, aus (vgl. [X.]/[X.]/[X.], BtMG, § 29, Teil 4, Rdnr. 151). Dass der Angeklagte eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten sollte oder er erhebliche über die Lagerung hinausgehende konkrete Tätigkeiten entfalten wollte, teilt das Urteil nicht mit (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Januar 2019 – 4 StR 589/18 Rdnr. 4, juris).“

5

Dem schließt sich der [X.] an.

6

Jedoch ergeben die Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten [X.]        wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Da nicht zu erwarten ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können, ändert der [X.] den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 [X.] analog). § 265 [X.] steht dem nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können, zumal ihm in der unverändert zugelassenen Anklageschrift ohnehin nur Beihilfe zum Handeltreiben vorgeworfen worden war.

7

b) Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass bei zutreffender rechtlicher Beurteilung des Geschehens eine mildere Strafe verhängt worden wäre. Dabei legen insbesondere die ungewöhnlichen Tatumstände, die kurze Zeitdauer des Besitzes und der Umstand, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, die Prüfung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 StGB nahe, den das [X.] bislang nicht erörtert hat.

8

c) Auch die [X.] hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Hierzu hat sich der [X.] folgendermaßen geäußert:

„Das [X.] hat keine Feststellungen zur voraussichtlichen Dauer der Behandlung in einer Entziehungsanstalt getroffen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, [X.], 172; [X.], StGB 66. Aufl., § 67 Rdnr. 11b). Davon durfte auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Der Sachverständige war der Auffassung, dass eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht mehr erforderlich sei, wenn die bereits begonnene Therapie nach ca. sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen wird ([X.]). Die [X.] ist dem nicht gefolgt, ohne sich hinreichend erkennbar damit auseinanderzusetzen, wie lang die weitere Behandlung nach erfolgreichem Abschluss einer Therapie in [X.]        noch erforderlich sein wird. Vorliegend kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass - sollte die weitere Behandlung nur noch über einen relativ kurzen Zeitraum erforderlich sein - die Frage des [X.] zu erörtern sein könnte.“

9

Der [X.] verschließt sich dem nicht. Er hebt die [X.] insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich widerspruchsfreie Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt zu ermöglichen.

2. Die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten [X.]ist entsprechend der Antragsschrift des [X.]s unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Der Erörterung bedarf nur die in der Revisionsbegründung vom 13. Juni 2019 durch Rechtsanwalt [X.].   erhobene Rüge einer Verletzung der §§ 136a, 94 Abs. 2, § 111b [X.] und eines hieraus resultierenden [X.]. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] entspricht (vgl. dazu [X.], Urteil vom 8. August 2018 – 2 [X.], [X.], 107). Jedenfalls ist sie unbegründet.

a) Die Revision hat hierzu vorgetragen, der Angeklagte [X.]        sei von einem Polizeibeamten zur Herausgabe der weiteren ihm von [X.]übergebenen Gegenstände mit dem unwahren Hinweis aufgefordert worden, dieser brauche seine Beutel wieder. Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung der Verwertung der Aussagen der Polizeibeamten widersprochen, da der [X.] [X.]        bei Forderung der Herausgabe der Tüten entgegen § 136a [X.] getäuscht worden sei. In Anbetracht der Täuschung habe [X.]        die Tüten auch nicht freiwillig im Sinne des § 94 Abs. 2 [X.] herausgegeben, weshalb eine – hier jedoch fehlende – Beschlagnahmeanordnung erforderlich gewesen wäre.

b) Eine Verletzung des § 136a [X.] liegt nicht vor. Zutreffend hat das [X.] die Auffassung vertreten, dass sich die Vorschrift nur auf Vernehmungen bezieht ([X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 136a [X.] Rn. 4), demgemäß auf die hier gegebene anderweitige Beschaffung von Beweismaterial keine Anwendung findet (vgl. KK-[X.]/Diemer, 8. Aufl., § 136a Rn. 6; LR-[X.]/Gleß, 26. Aufl., § 136a Rn. 16; aA MüKo-[X.]/Schuhr, § 136a Rn. 77, jeweils mwN).

c) Ob der Angeklagte [X.]        den Beutel mit dem Betäubungsmittel im Sinne des § 94 Abs. 2 [X.] „freiwillig“ herausgegeben hat oder es einer Beschlagnahme bedurft hätte, mithin die gerügte Verletzung von § 94 Abs. 2, § 111b [X.] vorliegt, kann dahinstehen (vgl. zu den Voraussetzungen der Freiwilligkeit MüKo-[X.]/[X.], § 94 Rn. 43; [X.]/[X.], aaO, § 94 Rn. 12). Denn der Angeklagte [X.]kann sich auf eine Verletzung der genannten Vorschriften gegenüber dem von dem Herausgabeverlangen betroffenen Angeklagten [X.]        nicht berufen, weil er hierdurch nicht in seinem Rechtskreis tangiert wird. Das Beschlagnahmeerfordernis bezweckt nämlich ausschließlich den Schutz des Gewahrsamsinhabers, nicht aber den der Interessen von (Mit-)Beschuldigten oder (Mit-)Angeklagten (vgl. [X.], Urteil vom 10. August 1994 – 3 StR 53/94, [X.]R [X.] § 136 Belehrung 5 [zu § 136 [X.]]; LR-[X.]/[X.], 27. Aufl., § 95 Rn. 39).

VRi[X.] Mutzbauer ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.      

        

Schneider     

        

König 

Schneider

                                   
        

Mosbacher     

        

Köhler     

        

Meta

5 StR 464/19

12.12.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 5. April 2019, Az: 414 Js 34001/18 - 14 KLs

§ 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 94 Abs 2 StPO, § 111b Abs 1 S 1 StPO, § 136a Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2019, Az. 5 StR 464/19 (REWIS RS 2019, 415)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 415

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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