Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.02.2024, Az. 29 W (pat) 532/21

29. Senat | REWIS RS 2024, 1214

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 217 396.5

hat der 29. Senat (Markenbeschwerdesenat) des [X.] am 26. Februar 2024 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters Posselt

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des [X.] vom 19. Juli 2021 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 23. Mai 2019 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 01: Katalysatoren zum [X.] von Kohlenwasserstoffen; Chemische Katalysatoren zum [X.] von Kohlenwasserstoffen; Wasserstoff; Katalysatoren zum Spalten von Kohlenwasserstoffen; Katalysatoren zur Unterdrückung von Wasserstoffemissionen; Benzen [Kohlenwasserstoff]; Chemische Katalysatoren zur Verhinderung von Kohlenwasserstoffemissionen; Kohlenwasserstoffe; Chemische Verbindungen zur Aufnahme von Kohlenwasserstoffen; Gasförmige Kohlenwasserstoffverbindungen; Gasförmige Kohlenwasserstoffe; Katalysatoren zur Unterdrückung von Kohlenwasserstoffemissionen; Kohlenwasserstoffverbindungen; Chemische Katalysatoren zur Spaltung von Kohlenwasserstoffen; Benzol [Kohlenwasserstoff]; Chemische Katalysatoren zur Verhinderung von Wasserstoffemissionen; Legierungen von Seltenerdmetallen; Chemische Erzeugnisse zum Neutralisieren von rostfreien Legierungen von Stahl, Eisen und Metallen von verschiedenen Farben; Mit Metall umhüllte [X.] für die Stahlindustrie; Metallische Beschichtungsmittel aus Karbidlegierungen zum thermischen Aufspritzen;

5

Klasse 06: Gussteile aus Blei oder Bleilegierungen; Legierungen aus Metall mit Kalzium und Aluminium; Metalllegierungen zur weiteren Bearbeitung; Legierungen aus unedlen Metallen; Nichteisenmetalllegierungen; Zink und dessen Legierungen; Magnesium und dessen Legierungen; [X.] Metalle und deren Legierungen; Legierungen aus Nichteisenmetallen; Bleche aus Metall einschließlich aus Stahllegierungen und [X.]; [X.]; Gussteile aus Metalllegierungen für [X.]; Stahllegierungen; Blei und dessen Legierungen; Legierungen für den Guss von Gegenständen; Magnesiumlegierungen; Aluminiumlegierungen mit Bauxitverstärkung; Legierungen aus Aluminium; Ferrolegierung; Aluminiumlegierungen; Chromlegierungen; Drähte aus unedlen Metalllegierungen [ausgenommen für Sicherungen]; [X.]; Versilberte Zinnlegierung; Eisenlegierungen; Rohre aus [X.]en; Zinn und dessen Legierungen; Gusslegierungen; Platten aus Metall einschließlich aus Stahllegierungen und [X.]; Metalllegierungen; [X.] und dessen Legierungen; Rohre aus Kupferlegierungen; Eisenlegierung; Aluminium und dessen Legierungen; Tantal [und seine Legierungen]; [X.]legierungen; Zusatzlegierungen für die Stahlproduktion; Stahllegierungen [roh oder teilweise bearbeitet]; Silber-Nickel-Legierung; Blei-Zinn-Legierungen; [X.]legierung; Zusatzlegierungen für die Eisenproduktion; Metallische Legierungen; Aluminiumlegierung; [X.] Metalle und deren Legierungen einschließlich rostfreier Stahl; Waren aus unedlen Metallen und deren Legierungen für [X.]; Nicht elektrischer Draht aus Stahllegierungen; [X.]en;

6

[X.]1: [X.]; Transportable Öfen; Gasbefeuerte [X.]; [X.] kombinierte Öfen zur Verwendung in der Produktion von Stahl; Kohleöfen; Öfen für die thermische Behandlung; Abzugshauben für Öfen; Vakuumöfen für edle Metalle; Öfen für die Dekontamination von Metallen; Drehrohröfen; Induktionsbrennöfen; Sinteröfen; Induktionstiegelöfen; Öfen zum Heizen; Graphitstaböfen; Öfen für die Glasherstellung; Öfen zur Altmetallrückgewinnung; Heizöfen für gewerbliche Zwecke; Durchlauflötöfen; Kühlbehälter für Öfen; Gasnachwärmöfen; Abfallverbrennungsöfen; Öfen für industrielle Zwecke; Öfen; Gekühlte Platten zur Verwendung mit Elektroöfen; Elektrische Öfen für metallurgische Zwecke; Öfen zur Abfallentsorgung; Tieföfen [für gewerbliche Zwecke]; Diffusionsöfen für industrielle Zwecke; Öfen zum Einschmelzen von Altmetallen; Schmelzöfen [für industrielle Zwecke]; Schmelzöfenauskleidungen; Hochöfen; Nachwärmöfen; Gasöfen; Öfen zur Metallrückgewinnung; Gießereiöfen; Drehrohröfen [für industrielle Zwecke]; Öfen zum Schmelzen von Metallen; Elektrische Öfen für industrielle Zwecke; Industrieschmelzöfen; Warmhalteöfen; Schmelzöfen; Verbrennungsöfen; [X.] für Industrieöfen; Industriebrennöfen; Müllverbrennungsöfen; Heizöfen [für industrielle Zwecke]; Elektrische Öfen; Durchgangsöfen; Öfen für die Elektronikindustrie; Öfen zum Verzinnen; [X.] für gewerbliche Öfen; Öfen zum [X.]; Öfen für die Verbrennung fester Brennstoffe; Heißwindöfen [für gewerbliche Zwecke]; Elektrische Öfen zur Wärmebehandlung; Öfen zum Vorwärmen der Charge; Öfen mit Kammerhaube; Feuerfeste Öfen; Öfen zum Beizen von Altmetallen; Induktionsgroßöfen; Öfen für die chemische Industrie und Glasherstellungsindustrie; Vakuumöfen für Edelmetalle; Öfen zum Beizen von Metallen; Heizapparate für Öfen; Gebläse für Schachtöfen; Wirbelschichtverbrennungsöfen; Öfen für Gasrückgewinnungszwecke; Kühlgefäße für Öfen; Öfen zur Abfallbehandlung; [X.] kombinierte Herd- und Schachtöfen zur Verwendung in der Stahlproduktion; Solaröfen; Nachbrenner als Teile von Öfen;

7

Klasse 42:  [X.]; Ingenieurdienstleistungen für den Entwurf von Konstruktionen; Ingenieurleistungen in der Energietechnologie; Erstellung von ingenieurtechnischen Berichten; Architektur- und Ingenieurdienstleistungen; Von Ingenieuren vorgenommene Bewertungen im technologischen Bereich; Ingenieurdienstleistungen für den Entwurf von Maschinen; Ingenieurdienstleistungen; Erstellung technischer Gutachten durch Ingenieure; Forschungs- und Entwicklungsdienste im Bereich Ingenieurwesen; Ingenieurtechnische Forschung; Ingenieurdienstleistungen im Maschinenbau; Ingenieurtechnische Beratung; Von Ingenieuren vorgenommene Bewertungen im wissenschaftlichen Bereich; Ingenieurleistungen für die Gasindustrie; Technische Ingenieurdienstleistungen; Ingenieurtechnische Dienstleistungen auf dem Gebiet der Erzeugung von Strom und Erdgas; Forschungsarbeiten von Ingenieuren in wissenschaftlichen Bereichen; Ingenieurarbeiten; Ingenieurleistungen zu Energieversorgungssystemen; Dienstleistungen im Bereich der ingenieurtechnischen Beratung; Durchführung von Studien von Ingenieurprojekten; Technische Projektplanung im Ingenieurwesen; Technisches Zeichnen [Ingenieursdienstleistung]; Dienstleistungen eines Ingenieurs; Forschungsarbeiten von Ingenieuren im technologischen Bereich; Ingenieurtechnische Dienstleistungen auf dem Gebiet der Umwelttechnik.

8

Mit Beschluss vom 19. Juli 2021 hat die Markenstelle für [X.]1 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 37 Abs. 1 [X.] vollständig zurückgewiesen.

9

Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich das Zeichen aus rein beschreibenden [X.] zusammensetze. So stehe „Blue“ als [X.] Bezeichnung für die Farbe „Blau“ mittlerweile für eine nachhaltige, ökologisch ausgerichtete Produktion. Der angesprochene Verkehr werde das Zeichen als Sachangabe dahingehend auffassen, dass es im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die alle einen Bezug zur Metallgewinnung aufwiesen, symbolisch für eine nachhaltige, ökologisch ausgerichtete Produktion von Metallen sowie von Ingenieur-, Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die eine solche Produktion zum Gegenstand haben, stehe. Die angesprochenen Fachkreise seien in der Lage, diesen Zusammenhang ohne analytische Betrachtung herzustellen. Die Kombination der Wortelemente gehe weder sprachlich noch inhaltlich über die beschreibende Sachaussage hinaus und begründe daher keine Unterscheidungskraft.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführerin hat zunächst darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerde lediglich gegen die Zurückweisung der oben fettgedruckten Waren und Dienstleistungen richte; sie hat ihr Verzeichnis ausdrücklich dem entsprechend eingeschränkt.

Sie meint, die Wortfolge des Zeichens weise für die verbleibenden Waren und Dienstleistungen keinen auf der Hand liegenden gedanklichen Inhalt auf. Die Waren und Dienstleistungen richteten sich vorliegend an Unternehmen, die Bedarf an metallurgischen Elektroöfen, deren Engineering und Fertigung und unmittelbar verbundenen Technologien hätten. Auch wenn die Bezeichnung „[X.]“ in die zwei Bestandteile „Blue“ und „-metals“ zerlegt würde und „blau“ als Beschreibung für eine besonders umweltfreundliche Ware bzw. Dienstleistung aufgefasst würde, erschließe sich für die hier allein noch relevanten Dienstleistungen kein Sinngehalt. Das Zeichen stelle eine unübliche Wortkombination dar und werde als kreative Neuschöpfung und Fantasiebezeichnung wahrgenommen. Daher würden die angesprochenen Verkehrskreise nicht annehmen, dass die beanspruchten Dienstleistungen speziell und nur für nachhaltige Metalle erbracht bzw. angeboten würden. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen bestehe kein Anhaltspunkt, dass das maßgebliche Publikum die Bezeichnung allein als Hinweis auf den Inhalt oder die Bestimmung der Dienstleistungen ansehe. Es liege fern, anzunehmen, dass ein Dienstleister die beanspruchten Dienstleistungen nur für ein nachhaltiges Produkt erbringe. Auch fehle eine differenzierte Beurteilung bezüglich der einzelnen Waren und Dienstleistungen durch die Markenstelle. Die Waren und Dienstleistungen stünden in keinem Zusammenhang mit blauen Metallen. Der Bedeutungsgehalt des Zeichens bleibe für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen unscharf und ohne thematische Beschränkung. Die angemeldete Marke verfüge auch als fantasievolle Wortzusammenstellung über einen eigenschöpferischen Gehalt, dem - auch wenn man einen beschreibenden Anklang der Wortbestandteile annehmen würde - nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne. Die dem Zurückweisungsbeschluss beigefügten Anlagen seien nur geeignet, die Verwendung des Begriffs “blue” in Bezug auf Nachhaltigkeit zu belegen. Jedoch sei keine der beanspruchten Waren und Dienstleistungen in den Anlagen in Bezug genommen. Ferner seien im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis keine nachhaltigen bzw. blauen Metalle und/oder dazugehörigen Dienstleistungen beansprucht. Die dem Zurückweisungsbeschluss beigefügten Anlagen datierten zudem teils weit nach dem Anmeldetag und seien daher nicht geeignet, eine beschreibende Bedeutung für den Anmeldetag zu belegen.

Nach einem gerichtlichen Hinweis des Senats vom 2. Februar 2024 hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nochmals eingeschränkt. Sie beansprucht mit der Anmeldung danach nur noch folgende Waren:

 Klasse 01: Wasserstoff; Kohlenwasserstoffe; Kohlenwasserstoffverbindungen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.]1 des [X.] vom 19. Juli 2021 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.].

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin Erfolg und führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses der Markenstelle. Im zuletzt beanspruchten Umfang stehen der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung [X.] keine Schutzhindernisse entgegen.

1.  Insbesondere verfügt das Anmeldezeichen für die nunmehr noch maßgeblichen Waren der [X.] „Wasserstoff; Kohlenwasserstoffe; Kohlenwasserstoffverbindungen“ über die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? [X.]; [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [BioID]; [X.] 2016, 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] 2018, 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] 2013,1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/[X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.] 2020, 411 Rn. 11 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.] 2018, 301 Rn. 15 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Anmeldezeichen [X.] für die hier in Rede stehenden Waren das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht entgegen.

a. Die beanspruchten Waren der [X.] richten sich an Fachkreise aus dem Energie- und Mobilitätssektor und im Bereich der metallverarbeitenden Industrie sowie an entsprechende Gewerbe- und Industriekunden. Endverbraucher, selbst als Fahrer eines wasserstoffbetriebenen Fahrzeugs, kommen als Abnehmer von „Wasserstoff“ nicht in Betracht, weil es sich bei [X.], der an einer Tankstelle erhältlich ist, um eine Ware der Klasse 4 handelt.

b. Das Anmeldezeichen setzt sich trotz Zusammenschreibung ohne weiteres erkennbar aus den [X.]n Begriffen „Blue“ und „metals“ zusammen.

aa. Das Wort „metals“ bedeutet „Metalle“ und wird nicht nur von den hier angesprochenen Fachverkehrskreisen, sondern selbst von interessierten und informierten Laien unmittelbar verstanden werden. „Metall“ ist ein chemisches Element, das sich durch charakteristischen Glanz, Undurchsichtigkeit und die Fähigkeit, Legierungen zu bilden sowie Wärme und Elektrizität zu leiten, auszeichnet (vgl. DUDEN Online).

bb. Das Adjektiv „Blue“ bezeichnet die Farbe Blau. Über seine wortsinngemäße Bedeutung als Farbangabe hinaus steht die Farbe Blau je nach Kontext aber bereits auch aufgrund der wahrgenommenen Farbe des Meeres symbolisch für Wasser als Ressource sowie für die [X.] selbst (“der blaue Planet”). Daraus ergibt sich eine für blau übliche Symbolik mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz sowie der Schonung natürlicher Ressourcen. Auf diese Symbolik hat bereits die Markenstelle verwiesen und hat diesen Gebrauch - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits weit vor dem Anmeldetag - belegt (vgl. folgende Anlagen aus dem amtlichen Verfahren: “Blue statt Grün - Farbimpulse” vom 07.09.2011, “Lexikon der Nachhaltigkeit - Wirtschaft - Blue Economy” bezogen auf den Zeitraum 2000-2015, “Thema Nachhaltigkeit stärken- Aktionskünstler macht Künzelsau blau” vom 20.11.2015). Im Werbesprachgebrauch sind seit längerer Zeit daher [X.] wie z. B. „blue economy“, „blue efficiency“ oder auch „Blaue Technologie“ verbreitet, in denen das jeweilige Nomen durch das Attribut „blue/blau“ als „umweltschonend, nachhaltig“ o. ä. bestimmt und umschrieben wird, wie die sich auf vor dem Anmeldetag beziehenden Rechercheergebnisse der Markenstelle und ergänzend des Senats zeigen (vgl. folgende Artikel: „Blue statt Grün“: „Warum umweltfreundliche Produkte heute oft mit dem Attribut „Blau“ beworben werden“; “Blue Competence » [X.] Umwelt- und Verfahrenstechnik AG” über die Initiative Blue Competence; “Blue Competence News: [X.] und Nachhaltigkeit im Maschinen- und Anlagenbau”). Speziell im Automobilbereich wird die Farbangabe „blue“ bzw. „blau“ eingesetzt, um den Verkehr in [X.] wie „[X.]“ oder auch „[X.]“ auf eine besonders umweltfreundliche Technologie mit sparsamen oder alternativen Antrieben aufmerksam zu machen ([X.], Beschluss vom 24.11.2010, 28 W (pat) 534/10 – [X.]/ [X.]). Auch Produkte werden branchenübergreifend verschiedentlich mit „blau/blue“ im Sinne von „nachhaltig produziert“ beschrieben (vgl. auch [X.], Beschluss vom 25.11.2015, 28 W (pat) 544/13 – [X.]). So ist bezüglich der beanspruchten Waren der [X.] die Verwendung der Bezeichnung “blauer Wasserstoff/blue Hydrogen“ als bilanziell CO2-neutral und damit nachhaltig hergestelltem Wasserstoff bereits vor dem Anmeldetag nachweisbar (vgl. Artikel “Blue Hydrogen – a no brainer for Europe”; “[X.]”, “[X.] veröffentlicht Studie zur Zukunft der Wasserstoffnutzung […] Die Nutzung von blauem Wasserstoff ist das Ziel [...]”). In der Kosmetikbranche werden nachhaltige Kosmetika mit „Blue-Beauty-Produkte beschrieben. Schließlich ist auch die Begriffsbildung „Blue Engineering“ als Sachhinweis auf Nachhaltigkeit im Ingenieurwesen schon vor dem Anmeldezeitpunkt zu ermitteln. Das Verständnis von „blue/blau“ im oben angeführten Sinn ergibt sich in den vorgenannten Fällen stets aus der konkreten Kombination, bei denen zwar nicht der Farbe „blau“, so jedoch den Gesichtspunkten „Umweltverträglichkeit“ bzw. „Nachhaltigkeit“ eine erhebliche Bedeutung zukommen kann (vgl. auch [X.], Beschluss vom 14.01.2021, 30 W (pat) 520/20 - SmartBlue).

c.  Der [X.]n Begriffsbildung „[X.]“ können unterschiedliche Bedeutungen zukommen.

Unmittelbar übersetzt bedeutet sie „blaue Metalle” bzw. „[X.]“. Ferner kann die angemeldete Bezeichnung als „nachhaltige bzw. nachhaltig produzierte Metalle“ aufgefasst werden. Zudem wird der Begriff „blue metal“ in der Fachsprache der Mineralogie und auch Chemie unter anderem mit „[X.]“ übersetzt und verstanden. „[X.]“ bezeichnet insofern ein Zwischenprodukt der Kupfergewinnung und ist ein anderer Name für Kupfersulfat, dies ist das Kupfersalz der Schwefelsäure. Kupfersulfat wird für eine Vielzahl von Prozessen und Reaktionen verwendet, so zum [X.], zur Herstellung von kupferhaltigen Farben, zur Kupferstichätzung, in der Medizin als zusammenziehendes Mittel, in [X.] und weiteren Anwendungen. Nicht zuletzt wird in [X.] zerkleinerter [X.]zuschlag als „Blue Metal“ bzw. „[X.]“ bezeichnet und in [X.] immer noch in großem Umfang als Eisenbahnballast, als Straßenunterbau und bei der Herstellung von Beton verwendet.

d. Wenngleich somit das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung im Sinne von „blaue Metalle” bzw. „[X.]“ dem angesprochenen Publikum keine Schwierigkeiten bereiten dürfte und auch verschiedene beschreibende Bedeutungen der Wortkombination nachweisbar sein mögen, kann gleichwohl vorliegend nicht von einem sachbezogenen Aussagegehalt der Wortbildung ausgegangen werden. Denn die Beurteilung eines Zeichens ist stets in Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen vorzunehmen ist, für die eine Eintragung begehrt wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 33 – Postkantoor).

Im Hinblick auf die allein noch beanspruchten Waren der [X.] lässt sich nicht feststellen, dass das Anmeldezeichen in einer der dargestellten Bedeutungen deren Merkmale beschreibt oder zumindest einen ohne weiteres erkennbaren engen beschreibenden Bezug hierzu aufweist. Insofern gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen kann (vgl. [X.] 2018, 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 270 Rn. 12 – Link economy; [X.] 2012, 1143 Rn. 10 – [X.]).

Bei den Waren der [X.] „Wasserstoff; Kohlenwasserstoffe; Kohlenwasserstoffverbindungen“ handelt es sich nicht um Metalle, sondern um farblose Gase, Flüssigkeiten oder Feststoffe, die insbesondere in energieintensiven Sektoren der Industrie zum Einsatz kommen, zu denen u. a. die Metallherstellung und -verarbeitung zählen.

aa. In der Bedeutung „[X.](e)“ lässt sich dem Anmeldezeichen kein sinnvoller beschreibender bzw. sachbezogener Aussagehalt entnehmen. Weder handelt es sich bei Wasserstoff noch Kohlenwasserstoff oder Kohlenwasserstoffverbindungen um [X.]. Allenfalls mag „Kupfersulfat“ als Zwischenprodukt der Kupfergewinnung die Wasserstoffherstellung beschleunigen können. Ohne erheblichen gedanklichen Aufwand kann aber [X.] in diesem Zusammenhang nicht ernsthaft als Hinweis auf ein solch beschleunigtes Herstellungsverfahren aufgefasst werden.

bb. Auch als Bezeichnung für eine bestimmte [X.] oder Bausteinart oder für „zerkleinerter [X.]zuschlag“ kommt [X.] – selbst wenn unterstellt würde, dass den inländischen Fachkreisen diese Bedeutungen bekannt sind – nicht als beschreibende Angabe für die beanspruchten Waren der [X.] in Betracht.

cc. Dass [X.] als Farbangabe im Sinne von „Blaue Metalle“ oder „blaumetall(ic)“ aufgefasst wird, ist im Zusammenhang mit den hier maßgeblichen Waren und bezüglich der Bedeutung „blaumetall(ic)“unter Berücksichtigung der Verwendung des Plurals von „-metals“ ebenfalls fernliegend. Die hier relevanten Waren der [X.] sind auch nicht unmittelbar für eine Blauchromatierung bestimmt und geeignet, so dass sich auch diesbezüglich kein sachbezogener Aussagegehalt ergibt (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 03.03.2016, 30 W (pat) 36/14 – BLUCHROME).

dd.  Schließlich beschreibt [X.] selbst in der Bedeutung „nachhaltige bzw. nachhaltig produzierte Metalle“ nicht unmittelbar Merkmale oder Eigenschaften der beanspruchten Waren der [X.], weil es sich bei „Wasserstoff; Kohlenwasserstoffe; Kohlenwasserstoffverbindungen“ nicht um Metalle handelt.

Dem steht nicht entgegen, dass es Wasserstoff auch in metallischer Form geben mag. So wird als metallischer Wasserstoff eine Hochdruckmodifikation des Wasserstoffs bezeichnet. Seine Existenz wurde zwar schon lange theoretisch vorhergesagt, ist aber bislang nur bei sehr hohen Drücken und Temperaturen experimentell nachgewiesen worden (vgl. [X.] Die freie Enzyklopädie, Stichwort: metallischer Wasserstoff, vgl. auch Artikel aus Spektrum: Das Unmögliche wird bei 577 Gigapascal möglich). Ungeachtet der Frage, ob die hier beteiligten Verkehrskreise über diese Forschung ausreichende Kenntnisse besitzen und überhaupt auch von einem handelbaren Produkt ausgehen würden, kann jedenfalls nicht ernsthaft angenommen werden, dass ein beschreibender Aussagegehalt im Sinne von „nachhaltig erzeugter metallischer Wasserstoff“ so deutlich und unmissverständlich hervortritt, dass er selbst für die hier angesprochenen Fachkreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist.

Es könnte daher allenfalls ein die Unterscheidungskraft ausschließender enger beschreibender Bezug zwischen [X.] und den hier in Rede stehenden Waren in Betracht kommen.Zwar sind die Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit von Metall und deren Produktion schon seit längerem Thema. So ist den angesprochenen Fachkreisen bekannt, dass die Metallherstellung und -verarbeitung mit einem hohen Energiebedarf und hohen Treibhausgasemissionen einhergeht, welche zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen reduziert werden müssen (vgl. Artikel: “[X.] - Strategies for improving the sustainability of structural metals” vom 24.04.2019). Ebenfalls ist den Fachkreisen geläufig, dass eine solche Reduktion durch Einsatz nachhaltiger Rohstoffe sowie verbesserte Methoden erreicht werden kann. Dabei führt der Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsgas zu einem geringeren Ausstoß von Treibhausgasen (vgl. Artikel: “Wasserstoff statt Koks und Kohle”, [X.], vom 08.10.2018). Kohlenwasserstoffe werden in der [X.] und -verarbeitenden Industrie als fossile Brennstoffe verwendet und kommen auch bei den nachhaltigeren Methoden weiter zum Einsatz.

Der Verkehr muss aber, um zu einer Sachaussage zu gelangen, im vorliegenden Warenkontext erst die Angabe „Blue“ mit nachhaltiger Produktion gleichsetzen, sodann davon ausgehen, dass bei der Produktion von Metallen die Waren der [X.] im Herstellungsverfahren zum Einsatz kommen und im Vergleich und in Abgrenzung zu früheren energieintensiveren und umweltschädlicheren Herstellungsverfahren eine bessere Ökobilanz haben. Dies setzt gedankliche Zwischenschritte voraus. Zudem werden die noch beanspruchten Produkte der [X.] nicht speziell auf bestimmte Einsatzzwecke hin produziert und angeboten. Sie weisen damit allenfalls einen entfernteren und sich erst nach einiger Überlegung erschließbaren Bezug zu den Themen „Nachhaltigkeit“ und/oder „Umweltverträglichkeit“ insoweit auf, als sie z. B. als Bestandteil von Produktionsprozessen zu einer nachhaltigen und umweltschonenden Metallherstellung beitragen können.

Der damit verbundene Erkenntnis- und Interpretationsaufwand steht aber der Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

2. Da sich nicht feststellen lässt, dass die angemeldete Bezeichnung [X.] zur Beschreibung der Merkmale der hier maßgeblichen Waren geeignet ist, unterliegt sie auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind ebenfalls nicht erkennbar.

Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.

Meta

29 W (pat) 532/21

26.02.2024

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.02.2024, Az. 29 W (pat) 532/21 (REWIS RS 2024, 1214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1214

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30 W (pat) 520/20

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