Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.01.2011, Az. 17 W (pat) 127/06

17. Senat | REWIS RS 2011, 10374

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen" – zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit - Berücksichtigung von nichttechnischen Merkmalen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 199 41 959.0-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. Dr. [X.], der Richterin [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

[X.]ie vorliegende Patentanmeldung vom Anmeldetag 3. September 1999 trägt die Bezeichnung:

2

"Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen".

3

[X.]1 (s. u.) sei ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bekannt, das zwar nicht die konkrete Maßnahme nach dem kennzeichnenden Merkmal lehre; doch jeder [X.]omputernutzer kenne eine entsprechende Situation, in der ihm eine Eingabeoption gegeben werde, und weiterhin wisse er auch, dass er jederzeit eine Hilfestellung in Form von weiteren Informationen abrufen könne, so dass derartige Maßnahmen das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen könnten.

4

[X.]egen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie hat schriftlich erläutert, sie könne dem Schluss der Prüfungsstelle, dass die beanspruchten Eingabeoptionen und dadurch abrufbare Hilfestellungen eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könnten, nicht folgen. [X.]enn anmeldungsgemäß erhalte der Nutzer eine aktive Hilfestellung, wenn er einen deaktivierten [X.]betätige: das Anbieten von Eingabeoptionen gehe über die reine Anzeige einer Nachricht, warum der [X.]nicht zu betätigen sei, hinaus; es lenke den Nutzer im Kraftfahrzeug weniger stark ab, denn er könne auf den ersten Blick sehen, warum seine Eingabe fehlgeschlagen sei, und dass der deaktivierte [X.]durch Auswahl der angebotenen Eingabeoption aktivierbar sei. Hierzu erhalte der Fachmann, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Prüfungsstelle, keinen Hinweis.

5

[X.]ie Anmelderin stellt (zuletzt mit Schriftsatz vom 21. September 2006) sinngemäß den Antrag,

6

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

7

nach Hauptantrag mit den Ansprüchen 1 und 2 vom 18. Mai 2006, [X.]n 1, 1a und 2 vom 4. Mai 2006, sowie [X.] 3 und Figur 1 wie ursprünglich eingereicht,

8

nach 1. Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1 und 2 vom 21. September 2006, im Übrigen wie Hauptantrag,

9

äußerst hilfsweise, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Hauptantrag lautet der Patentanspruch 1, hier mit einer möglichen [X.]liederung versehen:

(A) Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen in einem Kraftfahrzeug,

 (B) mittels mindestens einer Anzeigeeinheit, auf der menüabhängig Eingabeoptionen in Form von Softkeys darstellbar sind,

 ([X.]) wobei aktuell deaktivierte Softkeys optisch hervorgehoben dargestellt werden,

 ([X.]) wobei bei Betätigung eines deaktivierten Softkeys (5) eine Meldung (10) auf der Anzeigeeinheit (1) eingeblendet wird, in der die Ursache für die [X.]eaktivierung dargestellt wird,

 (E) wobei mit der Meldung (10) dem Nutzer eine Handlungsanweisung mitgeteilt wird, was der Nutzer zu tun hat, um den deaktivierten [X.] (5) zu aktivieren,

dadurch gekennzeichnet, dass

 (F) die Meldung (10) neben der Handlungsanweisung eine Eingabeoption (11,12) umfasst,

 ([X.]) wobei als Eingabeoption (11) eine Hilfestellung in Form von weiteren Informationen zur [X.]urchführung der Handlungsanweisung

 (H) oder eine Eingabeoption zur [X.]urchführung der Handlungsanweisung bereitgestellt wird,

 (I) die bei Auswahl durch den Nutzer durch das System als Eingabe erfasst wird, woraufhin die weiteren Informationen dargestellt werden oder die Handlungsanweisung durchgeführt wird.”

1. Hilfsantrag ist die Alternative nach Merkmal ([X.]) gestrichen; bei identischem Oberbegriff lautet der kennzeichnende Teil hier (wobei Merkmal (H) in Merkmal ([X.]) aufgegangen ist):

"dadurch gekennzeichnet, dass

 ([X.]) die Meldung (10) neben der Handlungsanweisung eine Eingabeoption zur [X.]urchführung der Handlungsanweisung umfasst,

 (I*) die bei Auswahl durch den Nutzer durch das System als Eingabe erfasst wird, woraufhin die Handlungsanweisung durchgeführt wird.”

Bezüglich des (einzigen) Unteranspruchs, der in Haupt- und Hilfsantrag identisch ist, wird auf die Akte verwiesen.

Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen zu schaffen, mittels dessen sich der Benutzer besser zurechtfindet (siehe geltende Seite 1a vom 4. Mai 2006, Absatz 1).

II.

[X.]ie rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist auch sonst zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg, weil die jeweiligen [X.]egenstände der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag, soweit sie ein technisches Problem mit technischen Mitteln lösen, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

1. [X.]ie vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen, so wie sie in zunehmendem Maße in Kraftfahrzeugen zu finden sind. Hierzu werden auf einer Anzeigeeinheit Eingabeoptionen in Form eines Menüs mittels sog. " Softkeys " dargestellt. [X.]er Begriff " [X.]" soll gemäß Absatz 2 der Anmeldung Bedienfelder auf der Anzeigeeinheit bezeichnen, die alphanumerisch und / oder piktogrammförmig unterlegt sind, so dass sie die dem Bedienfeld zugeordnete Funktion anzeigen; sie können durch direkte Berührung oder auch mittels eines [X.]ursors mit Enterfunktion ausgelöst werden.

[X.]abei war es nach den Ausführungen der Anmeldung bereits bekannt, dass Bedienfelder, die in einer bestimmten Betriebssituation nicht bedienbar sind (zum Beispiel bei einem Navigationssystem ein Feld zum Start der Zielführung, solange das Navigationsziel noch nicht bestimmt wurde), optisch unterschiedlich - z. B. " ausgegraut " - dargestellt werden. Wenn der Nutzer nun versucht, ein solches Bedienfeld zu betätigen, könnte er sich über die Nicht-Bedienbarkeit wundern und sich fragen, was er tun muss, um es doch betätigen zu können (siehe Anmeldung Absatz 2). Hierzu lehrte bereits der Stand der Technik, einen erklärenden Hinweis auszugeben.

Anmeldungsgemäß soll die Bedienbarkeit eines solchen [X.]-Menüsystems noch weiter vereinfacht werden, indem nicht nur ein Hinweis bzw. eine Handlungsanweisung angezeigt wird, sondern zusätzlich eine direkte Eingabemöglichkeit, deren Betätigung die Handlungsanweisung ausführt oder (als Alternative, nur gemäß Hauptantrag) die Anzeige weiterer Informationen zur [X.]urchführung der Handlungsanweisung zur Folge hat.

Fachmann , der mit der Aufgabe betraut wird, die Bedienbarkeit eines solchen [X.]-Menüsystems zu verbessern, sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur für Benutzerschnittstellen mit längerer Berufserfahrung an.

2. [X.]ie jeweiligen [X.]egenstände der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag ergaben sich für den Fachmann aus dem Stand der Technik.

2.1 Als nächstkommender Stand der Technik ist im Einvernehmen mit der Anmelderin die [X.]ruckschrift

[X.]1 [X.] 5 757 359 A

[X.]1 richtig zitiert wird, wie auch die inhaltlichen Auseinandersetzungen mit der in der [X.]1 offenbarten Lehre in der Beschwerdebegründung machen aber deutlich, dass sowohl die Prüfungsstelle wie auch die Anmelderin von der richtigen [X.]ruckschrift ausgingen.

2.2 [X.]1 beschreibt unstrittig ein Verfahren zur Benutzerführung in menügesteuerten Systemen in einem Kraftfahrzeug mittels einer berührungsempfindlichen Anzeigeeinheit (Spalte 5 Zeile 9 - 12) und Softkeys , die optisch hervorgehoben dargestellt werden, wenn sie deaktiviert sind (Figur 2 a - d, Spalte 3 Zeile 45 / 46). Bei Betätigung eines deaktivierten Softkeys ("[X.]. NO.") wird eine Meldung auf der Anzeigeeinheit eingeblendet, in der die Ursache für die [X.]eaktivierung angegeben wird (Spalte 2 Zeile 4 - 6 / Figur 2c: "[X.]"), wobei diese Meldung dem Nutzer indirekt auch eine Handlungsanweisung mitteilt, was er zu tun hätte ("stop"), um den deaktivierten [X.]zu aktivieren.

[X.]1 lehrt somit die Merkmale (A) bis (E) , d. h. den Oberbegriff der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag; da die o. g. Meldung aber offensichtlich keine Eingabeoptionen enthält, fehlen die Merkmale (F) bis (I) bzw. ([X.]) , (I*) .

2.3 Mit diesen aus der [X.]ruckschrift [X.]1 nicht entnehmbaren Merkmalen kann das Vorliegen einer erfinderische Tätigkeit jedoch nicht begründet werden.

2.3.1 Nach der geltenden Rechtsprechung (vgl. zuletzt B[X.]H, Urteil vom 26. Oktober 2010 - [X.]/07 - Wiedergabe topografischer Informationen) sind "bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit … nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen." Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (siehe B[X.]H [X.] 2005, 77 - Anbieten interaktiver Hilfe).

2.3.2 [X.]ie Anmeldung geht aus von der aus [X.]1 bekannten Anzeige einer Meldung bzw. Handlungsanweisung ("[X.]") und will das Verfahren zur Benutzerführung dadurch verbessern, dass zusätzlich (gemäß Haupt- und Hilfsantrag) eine Eingabeoption angezeigt wird, die bei Auswahl durch den Nutzer die Handlungsanweisung direkt durchführt (Merkmale (F) , (H) , (I) und ([X.]) , (I*) ), bzw. dass (nur gemäß Hauptantrag) alternativ eine Eingabeoption angezeigt wird, welche bei Auswahl durch den Nutzer eine Hilfestellung in Form von weiteren Informationen liefert (Merkmale ([X.]) , (I) ).

[X.]ie "objektive Leistung" der beanspruchten Lehre liegt somit darin, dem Nutzer ein oder zwei konkrete Eingabeoptionen anzubieten, die das weitere Vorgehen für ihn vereinfachen und es ihm ersparen, ein Bedienfeld für das gewünschte Vorgehen innerhalb der Menühierarchie des Systems selbst zu suchen (mit dem Risiko, sich dort zu verirren, siehe Anmeldung Absatz 2). [X.]aher ist es als "objektive Aufgabe" anzusehen, die Benutzerführung bei Betätigung eines deaktivierten, nicht bedienbaren Softkeys über die bloße Angabe des [X.]runds für die Nicht-Bedienbarkeit hinaus zu vereinfachen.

technisches Problem kann nur ganz allgemein das Vorsehen von " Softkeys ", also von Bedienfeldern mit Anzeige der zugeordneten Funktion, auf einem ggf. berührungsempfindlichen Bildschirm, und die Auswertung der Benutzereingabe anerkannt werden.

2.3.3 [X.]ieses technische Problem war aber bereits im Stand der Technik, beispielsweise gemäß [X.]1 , gelöst. [X.]ie genannte "objektive Aufgabe" ist offensichtlich keine technische; vielmehr geht es allein um eine "auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der [X.] zugeschnittenen [X.]estaltung der (Bedien-) Schnittstelle zwischen Mensch und technischer Einrichtung" (vgl. Senatsentscheidung [X.] 2007, 214 - Bedienoberfläche), die nicht dem Bereich der Technik zuzuordnen ist.

[X.]1 nicht entnehmbaren Merkmale (F) bis (I) bzw. ([X.]) , (I*) . welche ausschließlich die [X.]estaltung der Bedienoberfläche durch ein oder zwei zusätzliche " Softkeys " betreffen, können daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. [X.]ass sie die Lösung des technischen Problems, wie sich " Softkeys " auf einer Anzeigeeinheit darstellen lassen, und wie eine Benutzereingabe zu erfassen und auszuwerten ist, in irgendeiner Weise beeinflussen oder gar bestimmen würden, ist nicht erkennbar.

[X.]ass dabei die [X.]estaltung der Bedienoberfläche nach Hauptantrag etwas anders erfolgen soll als nach Hilfsantrag, ist für diese Beurteilung ohne Belang.

2.4 [X.]amit unterscheidet sich der [X.]egenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag wie auch nach Hilfsantrag nicht in erfinderischer Weise vom Stand der Technik, so dass beide Anspruchsfassungen keinen Bestand haben können.

Meta

17 W (pat) 127/06

18.01.2011

Bundespatentgericht 17. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.01.2011, Az. 17 W (pat) 127/06 (REWIS RS 2011, 10374)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10374

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X ZR 47/07

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