Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 1835

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Gegenstand

Schadensersatz - betrieblich veranlasstes Handeln - Haftungsbegrenzung bei grober Fahrlässigkeit


Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2009 - 10 Sa 1402/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und der Nebenintervention haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Diagnosegeräts.

2

Die Kläger betreiben als Fachärzte eine Gemeinschaftspraxis für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin. Etwa 2/3 des durchschnittlichen Umsatzes der Praxis werden mit einem Magnetresonanztomographen ([X.]) erwirtschaftet. Die Beklagte ist in der Praxis langjährig als Reinigungskraft beschäftigt, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoentgelt [X.]. 320,00 Euro. Die Nebenintervenientin ist das Versicherungsunternehmen, bei dem die Beklagte eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

3

Am Sonntag, 8. Januar 2006, besuchte die Beklagte ihre über den Praxisräumen der Kläger wohnende und mit ihr befreundete Arbeitskollegin Frau B. Bei Besuchsende nahmen die beiden Frauen auf dem Weg zur Haustür in der Praxis einen Alarmton wahr. Die Beklagte ging in die nicht verschlossenen Praxisräume, stellte fest, dass der Alarm vom [X.] ausging und wollte an der Steuereinheit des Geräts den Alarmton ausschalten. Die fest an der Wand montierte Steuereinheit besitzt fünf Schaltknöpfe, vier davon sind in blauer Farbe gehalten und mit „host standby“, „alarm silence“, „system off“ und „system on“ überschrieben. Oberhalb von diesen im Quadrat angeordneten blauen Schaltknöpfen befindet sich ein deutlich größerer roter Schaltknopf, der mit der weißen Aufschrift „magnet stop“ versehen ist. Dieser rote Schalter ist hinter einer durchsichtigen Plexiglasklappe, die vor der Betätigung des Schalters angehoben werden muss, angebracht.

4

Um den Alarm auszuschalten, drückte die Beklagte statt des hierfür vorgesehenen blauen Knopfes „alarm silence“ den roten Schaltknopf „magnet stop“ und löste hierdurch einen so genannten [X.]-Quench aus. Dabei wird das im Gerät als Kühlmittel eingesetzte Helium in wenigen Sekunden ins Freie abgeleitet, was das elektromagnetische Feld des Gerätes zusammenbrechen lässt. Die nach dieser Notabschaltung fällige Reparatur dauerte bis einschließlich Mittwoch, 11. Januar 2006, und kostete netto 30.843,01 Euro. Unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts zahlte die [X.] der Kläger für einen [X.] Schadensersatz [X.]. 10.289,34 Euro.

5

Die Kläger haben behauptet, der rote Knopf für die Notabschaltung sei zusätzlich durch zwei über dem Plexiglasdeckel angebrachte Klebestreifen gesichert gewesen, die beschriftet gewesen seien. Auf dem oberen Streifen habe „bei [X.] drücken“ und auf dem unteren habe „nicht mag stop. Es wird teuer!“ gestanden. Neben den Reparaturkosten sei ein weiterer, von der Versicherung nicht abgedeckter Nutzungsausfallschaden [X.]. 18.390,00 Euro netto entstanden. Sie haben die Auffassung vertreten, das Handeln der Beklagten, die nicht einmal im Rahmen ihrer Aufgaben mit der Reinigung des [X.] beauftragt gewesen sei, stelle sich als gröbst fahrlässig dar. Obgleich das Handeln betrieblich veranlasst gewesen sei, scheide wegen der besonders groben Fahrlässigkeit eine Haftungsprivilegierung aus. Da die Privathaftpflichtversicherung der Beklagten einstandspflichtig sei, wirke sich die Geltendmachung des vollständigen Schadensersatzanspruchs für die Beklagte nicht existenzgefährdend aus. Die Kläger seien bei Begründung des Arbeitsverhältnisses selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Beklagte über eine private Haftpflichtversicherung verfüge.

6

Soweit für die Revision von Bedeutung beantragen die Kläger,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gläubiger weitere 46.775,81 Euro nebst Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2006 zu zahlen.

7

Auf der Beklagtenseite hat die Nebenintervenientin ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, dass die Beklagte sich im angenommenen Interesse der Kläger verpflichtet gefühlt habe, den Alarmton auszuschalten. Dass sie dabei den falschen Knopf betätigt habe, sei versehentlich erfolgt, wobei sie in der Vergangenheit schon einmal einen [X.]-Alarm erfolgreich abgeschaltet habe. [X.] fahrlässig habe die Klägerin nicht gehandelt, da sie nicht einmal die Möglichkeit des eingetretenen Schadens gesehen habe. Somit scheide eine Haftung der Beklagten aus. Als Haftpflichtversicherer der Beklagten sei die Nebenintervenientin nur in dem Umfang wie die Beklagte selbst einstandspflichtig.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.920,00 Euro, dh. [X.]. sechs Bruttomonatsbezügen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte vor dem [X.] insoweit Erfolg, als weitere 1.920,00 Euro zugesprochen wurden. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger weiter den Ersatz ihres gesamten Schadens.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen den Schadensersatzanspruch der Kläger in der Höhe auf ein Bruttojahresgehalt der Beklagten begrenzt.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte habe schuldhaft ihre vertragliche wie gesetzliche Pflicht, das Eigentum der Kläger nicht zu beschädigen, verletzt. Die schädigende Handlung der Beklagten sei betrieblich veranlasst gewesen. Sie habe dabei besonders grob fahrlässig gehandelt, weil sie wahllos einen der Knöpfe auf der [X.] gedrückt habe, ohne dessen Funktion zu kennen. Das Verschulden der Beklagten beziehe sich auch auf den Schadenseintritt, weil sie sich der Einsicht verschlossen habe, dass die Handlung einen Schaden unbekannter Art zur Folge haben könnte. Trotz des hohen Verschuldensgrades beim Handeln der Beklagten komme ihr aber eine Haftungserleichterung aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zugute. In die Abwägung sei nicht nur der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, sondern auch die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten sei, einzustellen. Es könne entscheidend darauf ankommen, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände hafte die Beklagte mit einem vollen Jahresbruttoeinkommen. Dies stelle für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer eine enorme Belastung dar, was aber wegen des hohen Verschuldensgrades der Beklagten noch vertretbar sei. Eine höhere Haftung sei in Anbetracht des uneigennützigen Handelns der Beklagten, das von dem Willen getragen gewesen sei, den Klägern zu helfen, unbillig. Die von der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherung erhöhe die Haftungsobergrenze nicht.

B. Die dagegen gerichteten Angriffe der zulässigen Revision bleiben ohne Erfolg.

I. Die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner im Arbeitsverhältnis ([X.] 7. September 1995 - 8 [X.] 828/93 - [X.]E 81, 15 = [X.] [X.] § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 = EzA [X.] § 242 Auskunftspflicht Nr. 4) bewirkt für beide Parteien des arbeitsvertraglichen Schuldverhältnisses, dass ihre Verpflichtung zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 [X.]) zu einer Vielzahl von Nebenleistungspflichten wie Unterlassungs- und Handlungspflichten führt. Allgemeine Sorgfalts-, Obhuts-, Fürsorge-, Aufklärungs- und Anzeigepflichten dienen dazu, die Erbringung der Hauptleistung vorzubereiten und zu fördern, die Leistungsmöglichkeit zu erhalten und den Leistungserfolg zu sichern ([X.]/Preis 10. Aufl. § 611 [X.] Rn. 707 ff.). Die Beklagte hat, als sie statt des [X.]“ fehlerhaft den Schaltknopf „magnet stop“ drückte, ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt (§ 280 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dadurch, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch des Diagnosegeräts für die Dauer der Reparatur aufgehoben wurde, wurden die Kläger auch in ihrem absolut geschützten Rechtsgut des Eigentums durch die Handlung der Beklagten verletzt (§ 823 Abs. 1 [X.]). Da die Beklagte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig handelte und die fehlerhafte Bedienung unstreitig kausal für den entstandenen Schaden war, sind die Kläger grundsätzlich als Mitgläubiger berechtigt, von der Beklagten Schadensersatz zu verlangen (§ 432 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Anhaltspunkte für eine die Mitgläubigerschaft ausschließende Gesamtgläubigerschaft, etwa auf vertraglicher Grundlage, haben die Kläger nicht vorgetragen. Daher ist von einer gemeinsamen Empfangszuständigkeit der Kläger für den in Geld zu leistenden Schadensersatz und daher iSd. § 432 Abs. 1 Satz 1 [X.] von einer unteilbaren Leistung auszugehen ([X.]/[X.] 69. Aufl. § 432 Rn. 1).

II. Das Handeln der Beklagten war durch den Betrieb der Kläger veranlasst und geschah aufgrund des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

1. Der Begriff der betrieblich veranlassten Tätigkeit ist der gesetzlichen Regelung des § 105 Abs. 1 SGB VII entlehnt und wird von der Rechtsprechung in diesem Sinne ausgelegt ([X.]/Preis § 619a [X.] Rn. 12 unter Hinweis auf [X.] GS 27. September 1994 - [X.] (A) - [X.]E 78, 56 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 59; 18. April 2002 - 8 [X.] 348/01 - [X.]E 101, 107 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 70; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 619a [X.] Rn. 21). Als betrieblich veranlasst gelten solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehören, ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird ([X.] März 1971 - VI ZR 146/69 - [X.] RVO § 637 Nr. 6; [X.] 14. März 1974 - 2 [X.] 155/73 - [X.] RVO § 637 Nr. 8 = EzA RVO § 637 Nr. 5). Das Handeln ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im [X.] zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der [X.] nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte ([X.] 22. April 2004 - 8 [X.] 159/03 - [X.]E 110, 195 = [X.] SGB VII § 105 Nr. 3 = EzA SGB VII § 105 Nr. 4). Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei der Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn ein solches Verhalten grundsätzlich nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt ([X.] 18. April 2002 - 8 [X.] 348/01 - aaO).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das [X.] rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Handeln der Beklagten betrieblich veranlasst war. Die Beklagte handelte zwar außerhalb ihrer Arbeitszeit und nicht in direkter Verfolgung ihrer Hauptleistungspflicht, aber um ihren allgemeinen Sorgfalts- und Obhutspflichten als Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 [X.]) nachzukommen, Schaden von den Klägern abzuwenden und die Leistungsmöglichkeit der Praxis und damit auch ihren eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Die Beklagte erkannte, als sie aus der Praxis den Alarmton wahrnahm, dass sie verpflichtet war, Schaden von ihren Arbeitgebern abzuwenden und ihnen bei der Betriebsstörung zu helfen. Dass sie im Folgenden falsch handelte und ihr dabei ein Verschulden anzulasten ist, ändert nichts daran, dass zwischen der beabsichtigten Schadensverhinderung oder -minderung durch die Beklagte und dem wohl verstandenen Interesse der Kläger ein enger innerer Zusammenhang besteht, wie er für eine betrieblich veranlasste Tätigkeit typisch ist.

III. Das betrieblich veranlasste Handeln der Beklagten ist nach den Grundsätzen über die beschränkte [X.] zu beurteilen. Dies hat das [X.] rechtsfehlerfrei erkannt.

1. Nach den vom [X.] des [X.] entwickelten Grundsätzen (27. September 1994 - [X.] (A) - [X.]E 78, 56 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 59) hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen.

Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den [X.] ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere [X.], [X.], [X.] eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.

2. Die Haftung der Beklagten ist mithin entscheidend davon abhängig, welcher Verschuldensgrad ihr zur Last zu legen ist.

a) Der Begriff des Verschuldens und die einzelnen Arten des Verschuldens - leichteste, einfache oder normale und grobe Fahrlässigkeit - sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung einer „Fahrlässigkeit“ ist durch die Revision nachprüfbar ([X.] 19. März 1959 - 2 [X.] 402/55 - [X.]E 7, 290, 301 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 8 = EzA [X.] § 276 Nr. 3). Dabei steht dem Tatsachenrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, da die Feststellung der Voraussetzungen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob der Tatsachenrichter von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat ([X.] 18. April 2002 - 8 [X.] 348/01 - zu II 3 b der Gründe mwN, [X.]E 101, 107 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 70). Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei sowohl auf die pflichtverletzende Handlung als auch auf den Eintritt des Schadens beziehen ([X.] 18. Januar 2007 - 8 [X.] 250/06 - [X.] [X.] § 254 Nr. 15 = EzA [X.] 2002 § 611 [X.] Nr. 2).

b) Hinsichtlich der [X.] ist das [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte objektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet gelassen hat, was in der konkreten Situation für jedermann erkennbar gewesen ist. Der Beklagten musste klar sein, dass sie in die Bedienung des [X.] nicht eingewiesen war, über keine sonst erworbene Sachkunde verfügte und die Bedeutung der einzelnen Schaltknöpfe nicht kannte. Die wahllose Bedienung eines zumindest durch einen Plexiglasdeckel besonders gesicherten Schalters musste die Gefahr bergen, dass dadurch mehr passiert als das einfache Abschalten des Alarmtons. Die Beklagte konnte keine vernünftigen Zweifel daran hegen, dass die richtige Vorgehensweise in einer Verständigung der Kläger oder anderer für die Bedienung des Geräts kompetenter Personen gelegen hätte. Insoweit ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das [X.] für das Handeln der Beklagten ein Höchstmaß an grober Fahrlässigkeit festgestellt hat.

c) Hinsichtlich des Schadenseintritts hat das [X.] vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte [X.] geschlossen und auch insofern grobe Fahrlässigkeit angenommen. Dies ist zwar grundsätzlich zulässig ([X.] 18. Januar 2007 - 8 [X.] 250/06 - [X.] [X.] § 254 Nr. 15 = EzA [X.] 2002 § 611 [X.] Nr. 2). Der [X.] sieht aber hinsichtlich des Schadenseintritts nach den besonderen Umständen des Einzelfalls keinen Anlass, von einer „gröbsten“ Fahrlässigkeit auszugehen. Auch insoweit handelte die Beklagte grob fahrlässig, weil sie sich der aufdrängenden Erkenntnis verschloss, dass ihr Handeln einen Schaden verursachen kann, wenn sie irgendeinen Knopf, dessen Funktion sie nicht kennt, betätigt. Dass die Beklagte hinsichtlich des eingetretenen „[X.]-Quench“ ebenfalls mit „gröbster“ Fahrlässigkeit gehandelt hat, setzte allerdings voraus, dass sie nach ihren individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt hätte beachten können. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Klägerin musste damit rechnen, dass ein Schaden, womöglich ein erheblicher Schaden, eintritt und hat insofern auch diesbezüglich grob fahrlässig gehandelt. Dass sie durch Betätigen des roten Knopfes eine Notabschaltung auslöst, die einer partiellen Selbstzerstörung des Geräts gleichkommt, kann ihr ohne weiteres Vorbringen nicht unterstellt werden. Nur dann aber wäre ihr auch insoweit besonders grobe (gröbste) Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

d) Im Übrigen kann es entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung dahinstehen, ob der Beklagten vorliegend grobe oder „gröbste“ Fahrlässigkeit sowohl hinsichtlich ihres Handelns als auch des eingetretenen Schadens vorzuwerfen ist. Denn auch bei „gröbster“ Fahrlässigkeit scheiden Haftungserleichterungen für den Arbeitnehmer nicht grundsätzlich aus. Auch in der von der Revision angeführten Entscheidung des [X.]s vom 25. September 1997 (- 8 [X.] 288/96 - [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 63) wurde auf den konkret entschiedenen Einzelfall abgestellt und eine Haftungsmilderung nach den Grundsätzen der [X.] auch im Hinblick auf die Höhe des eingetretenen Schadens „im konkreten Fall“ für nicht angezeigt gehalten.

3. Rechtsfehlerfrei hat das [X.] die Haftung der Beklagten trotz der grob fahrlässigen Beschädigung des [X.] auf ein Jahresgehalt iHv. 3.840,00 Euro beschränkt.

a) Bei grober Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Entlastung des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen. Ob sie in Frage kommt und wie weit sie zu gehen hat, ist nach einer Abwägung zu entscheiden, die grundsätzlich dem Tatrichter nach Feststellung aller dafür maßgebenden Umstände obliegt (§§ 286, 287 ZPO). Auf Seiten des Arbeitnehmers müssen insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, die weiteren mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umstände und der Grad des Verschuldens in die Abwägung einbezogen werden. Auf Seiten des Arbeitgebers wird ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust um so mehr dem [X.] zuzurechnen sein, als dieser einzukalkulieren oder durch Versicherungen ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer abzudecken war ([X.] 12. Oktober 1989 - 8 [X.] 276/88 - [X.]E 63, 127 = [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97 = EzA [X.] § 611 [X.] Arbeit Nr. 23). Die Entscheidung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Eine feste, summenmäßig beschränkte Obergrenze der Haftung gibt es nicht, sie festzulegen wäre dem Gesetzgeber vorbehalten ([X.] 23. Januar 1997 - 8 [X.] 893/95 - [X.] 1998, 140).

b) Zu Recht hat das [X.] vorliegend den Grad des Verschuldens der Beklagten ebenso haftungserhöhend berücksichtigt wie die Tatsache, dass die Beklagte bei den Klägern als Reinigungskraft beschäftigt ist, was für die Verursachung eines hohen Schadens, wenigstens der eingetretenen Art, wenig gefahrgeneigt ist. Ob dagegen das Fehlverhalten der Beklagten für die Kläger kaum vorhersehbar war, wie das [X.] in seine Überlegungen einbezogen hat, begegnet gewissen Zweifeln, kann aber letztlich dahinstehen. Immerhin mussten die Kläger bei einem Gerät, das offenbar auch außerhalb der Praxisöffnungszeiten und über das Wochenende im „Stand-By-Modus“ bleiben musste, damit rechnen, dass nicht in die Bedienung des [X.] eingewiesene Kräfte mit einem Alarm oder Fehlalarm konfrontiert werden. In der Gesamtabwägung ergäbe sich allerdings bei einer anderen Auffassung gleichwohl kein anderes als das vom [X.] gefundene Ergebnis. Denn zu Recht haben die [X.] vor allem die Ursachen und Motive der Beklagten berücksichtigt, als sie handelte. Die Beklagte erkannte ihre Pflicht zum Handeln, löste die Aufgabe allerdings völlig falsch. Dieser Ausgangssituation stellt das [X.] zu Recht haftungsbegrenzend die geringe Vergütung der Beklagten gegenüber. Der eingetretene Schaden beläuft sich auf mehr als das Hundertfache eines Monatslohns der Beklagten, stellt sich mithin als ganz ungewöhnlich groß dar. Zu Recht hat das [X.] angenommen, dass bereits eine Haftungsbeschränkung auf zwölf Monatsgehälter für die Beklagte eine sehr große finanzielle Belastung darstellt, weil bei „Mini-Jobs“ regelmäßig der gesamte Verdienst zur Existenzerhaltung gebraucht wird und Reserven, Rücklagen oder Sparquoten, auf die verzichtet werden könnte, nicht bestehen. Damit hat das [X.] bei zutreffenden rechtlichen Beurteilungsmaßstäben alle wesentlichen Umstände des Sachverhalts angemessen berücksichtigt und bei der Begründung seiner Entscheidung nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen.

4. Rechtlich zutreffend hat das [X.] schließlich die von der Beklagten abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung, die vorliegend möglicherweise einstandspflichtig ist, nicht für entscheidungserheblich gehalten.

a) Ein Arbeitnehmer kann sich dann nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, etwa eine Kfz-Haftpflichtversicherung, eingreift ([X.] 25. September 1997 - 8 [X.] 288/96 - mwN, [X.] [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA [X.] § 611 [X.] Nr. 63). Bei Bestehen einer Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet hat, dass er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Dieser Grund für eine gesetzliche Pflichtversicherung überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten [X.].

b) Eine freiwillig abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung wirkt sich dagegen grundsätzlich auf die interne [X.]verteilung nicht aus. Insbesondere darf auch beim Bestehen einer solchen Privathaftpflichtversicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass das gezahlte Entgelt im Verhältnis zu dem von ihm zu tragenden Risiko unangemessen gering ist. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber vor Einstellung des Arbeitnehmers wegen der Risiken der gefahrgeneigten Tätigkeit den Abschluss einer solchen privaten Haftpflichtversicherung verlangt und zur Einstellungsbedingung gemacht hatte, erst recht, wenn dafür zusätzliche Vergütungsbestandteile vereinbart wurden ([X.] 14. Oktober 1993 - 8 [X.] 242/92 - EzA [X.] § 611 [X.] Arbeit Nr. 28). Wie bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung kann auch zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages wegen bestehender Risiken der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zwingend vereinbart werden mit der Folge, dass bei einem Schadenseintritt das Bestehen einer solchen Versicherung für Schäden im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist.

c) Dafür gibt es aber vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte, was das [X.] rechtlich zutreffend erkannt hat. Die Kläger räumen ein, das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung für beruflich verursachte Schäden nicht zur ausdrücklichen Bedingung für den Abschluss des Arbeitsvertrages gemacht zu haben. Um eine beiderseitige Geschäftsgrundlage handelte es sich unstreitig ebenfalls nicht. Die Beklagte hat zudem eine Haftpflichtversicherung für „privat“ verursachte Schäden abgeschlossen, die für das „betrieblich veranlasste“ Handeln der Klägerin bislang nur aus Kulanz einzutreten bereit ist.

5. Da der Schaden allein am [X.] fast das 10-fache eines [X.] der Beklagten beträgt, bedürfen die weiteren von den Klägern geltend gemachten Schadenspositionen keiner Erörterung.

C. Die Kläger haben nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

        

Hauck 

        

Böck   

        

Breinlinger

        
                 

Burr   

        

[X.]

                          

Meta

8 AZR 418/09

28.10.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Celle, 15. Juli 2008, Az: 1 Ca 178/08, Urteil

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 S 1 BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 276 Abs 2 BGB, § 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09 (REWIS RS 2010, 1835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1835

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

8 Sa 443/17

11 Sa 871/17

14 Sa 904/14

12 Sa 1866/12

9 Sa 1734/10

11 Ca 5388/21

17 Sa 1396/20

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