Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.07.2011, Az. 7 B 26/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 5164

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Gegenstand

Selbstbindung des BVerwG; Bindung der Vorinstanz


Gründe

I.

1

Die Klägerin, ein Unternehmen der privaten Abfallentsorgung, wandte sich gegen eine abfallrechtliche Untersagungsverfügung der [X.]eklagten, mit der ihr die Erfassung, Entsorgung und Verwertung von Altpapier aus privaten Haushaltungen im Stadtgebiet der [X.]eklagten untersagt wurde. Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab. Die [X.]erufung der Klägerin führte zur Aufhebung des [X.]escheides. [X.] öffentliche Interessen [X.]. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG stünden der Sammeltätigkeit der Klägerin nicht entgegen. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung werde nicht gefährdet. Auf die Revision der [X.]eklagten hob das [X.] (Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.]VerwG 7 C 16.08) die Entscheidung des [X.] unter Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auf.

2

Mit Urteil vom 7. Dezember 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung der Klägerin überwiegend zurückgewiesen und die Untersagungsverfügung lediglich in dem Umfang aufgehoben, als mit dieser auch Tätigkeiten über das Einsammeln von Altpapier aus privaten Haushaltungen in Altpapiertonnen sowie über regelmäßige grundstücksnahe Straßenbündelsammlungen hinaus verboten wurden. Für Abfälle der [X.] aus privaten Haushaltungen bestehe die gesetzliche Überlassungspflicht an die [X.]eklagte. Dies schließe das Aufstellen und das Leeren von [X.] im Wege des [X.] bei privaten Haushaltungen aus. Doch sei die Erfassung der [X.] über Sammelcontainer auf zentralen Plätzen oder auf Parkplätzen von Supermärkten als tradierte gewerbliche Sammlung im Sinne des Gesetzes zu verstehen und könne daher nicht untersagt werden. [X.] öffentliche Interessen stünden dieser Sammeltätigkeit nicht entgegen. Dasselbe gelte für [X.] von Altpapier.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zu gelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Klägerin.

II.

4

Die [X.]eschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

5

1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

6

a) Die von der [X.]eschwerde als rechtsgrundsätzlich erachtete Frage,

ob nach den Vorgaben der Revisionsentscheidung des [X.]s eine gewerbliche Sammlung [X.]. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nur bei [X.] Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Abfallerzeuger und Entsorgungsunternehmen sowie einer dauerhaft und in fester Struktur erfolgenden Sammeltätigkeit ausscheide oder ob bei Fehlen eines dieser beiden Aspekte im Wege der Gesamtwürdigung zu entscheiden sei, ob eine gewerbliche Sammlung vorliege,

ist nicht weiter klärungsbedürftig; sie beruht auf einer Fehlinterpretation des Urteils des erkennenden [X.]s vom 18. Juni 2009 - [X.]VerwG 7 C 16.08 - ([X.]VerwGE 134, 154 = [X.] 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 14). In diesem wird zuerst unter der von der [X.]eschwerde in [X.]ezug genommenen Randnummer 31 der Urteilsgründe die gewerbliche Sammlung [X.]. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG abgegrenzt von der Entsorgungstätigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der von diesen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG beauftragten gewerblichen Entsorgungsunternehmen. Der [X.] hat für die dem [X.] obliegende Würdigung, ob eine konkrete Entsorgungstätigkeit als "Sammlung" [X.]. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG anzusehen ist, die Orientierung an dem Vergleich mit dem (tradierten) [X.]ild des [X.] vorgegeben. Er hat dafür die "Einbeziehung der genannten Kriterien" - also die die Entsorgungsträger-Tätigkeit im Unterschied zu der tradierten gewerblichen Sammlung typischerweise kennzeichnenden vertraglichen Grundlagen und regelmäßig dauerhaften Strukturen - gefordert. Daraus wird unmissverständlich deutlich, dass die streitige Abgrenzung stets eine Gesamtwürdigung des Sachverhalts verlangt und die erwähnten beiden Kriterien - wie es das Oberverwaltungsgericht zutreffend umschrieben hat - dabei besonders "ins Gewicht fallende Aspekte" darstellen. Einer weiteren rechtsgrundsätzlichen und verallgemeinerungsfähigen Klärung ist die aufgeworfene Frage nicht zugänglich.

7

b) Die weitere als rechtsgrundsätzlich erachtete Frage,

ob auch regelmäßige, z.[X.]. monatlich wiederkehrende, haushaltsnahe Straßenbündelsammlungen von Altpapier als gewerbliche Sammlung [X.]. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zu verstehen sind,

beantwortet sich nach den obigen, in der Revisionsentscheidung des [X.]s bereits aufgezeigten Kriterien. Auch hier ist im Wege einer Gesamtwürdigung darüber zu befinden, ob wegen der Dauerhaftigkeit einer solchermaßen in festen Strukturen erfolgenden Sammeltätigkeit und der Annäherung an das tradierte [X.]ild des [X.] von einer gewerblichen Sammlung im Sinne des Gesetzes nicht mehr ausgegangen werden kann. Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts ist das Oberverwaltungsgericht zu diesem Ergebnis gekommen (vgl. UA S. 23).

8

c) Mit der weiteren als rechtsgrundsätzlich erachteten Frage nach der Vereinbarkeit einer engen Auslegung des gewerblichen Sammlungsbegriffs mit Unionsrecht wiederholt die Klägerin weitgehend ihr Vorbringen im ersten Revisionsverfahren. Der aufgeworfenen Frage kommt keine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung zu, weil sie in dem beabsichtigten (zweiten) Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Das [X.] hat diese enge Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nämlich bereits in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erachtet und sich daher auch nicht veranlasst gesehen, eine Vorabentscheidung des [X.] herbeizuführen.

9

An diese die Entscheidung vom 18. Juni 2009 tragende rechtliche [X.]eurteilung wäre das [X.] in dem angestrebten neuen Revisionsverfahren in gleicher Weise gebunden wie das Oberverwaltungsgericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist (§ 144 Abs. 6 [X.]). Diese Selbstbindung entspricht - unabhängig davon, ob sie aus einer entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 6 [X.] oder aus einem ungeschriebenen Grundsatz des Rechtsmittelrechts als eine logische Folge der [X.]indung der Vorinstanz hergeleitet wird - der ganz herrschenden Auffassung (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 6. Februar 1973 - [X.] 1/72 - [X.]VerwGE 41, 363 <367> = [X.] 310 § 144 [X.] Nr. 22; Eichberger, in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 144 Rn. 127 f. m.w.N.; [X.], in: [X.], [X.], 11. Aufl. 2000, § 144 Rn. 17; im Grundsatz ebenso [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2010, § 144 Rn. 79 f.). Es liegt auch kein Sachverhalt vor, der diese Selbstbindung des [X.]s entfallen ließe (vgl. hierzu Eichberger, a.a.[X.] Rn. 129): Weder hat sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage erheblich geändert noch ist eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich eingetreten. Abgesehen davon, dass der [X.] nicht beabsichtigt, seine unionsrechtliche [X.]eurteilung zu ändern, wäre eine solche Absicht allein nicht geeignet, das Revisionsgericht von der erfolgten Selbstbindung durch das Urteil vom 18. Juni 2009 zu lösen (so mit zutreffender [X.]egründung Eichberger, a.a.[X.] Rn. 130 unter Darstellung der vereinzelten Gegenansicht; vgl. auch Urteil vom 22. Juni 1977 - [X.]VerwG 8 C 49.76 - [X.]VerwGE 54, 116 <121 ff.> = [X.] 310 § 130 [X.] Nr. 6; [X.], Urteil vom 24. Mai 1989 - [X.]/84 - [X.]E 157, 28; a.A. [X.], a.a.[X.] Rn. 80).

2. Das angefochtene Urteil weicht nicht von der genannten Revisionsentscheidung des [X.]s ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Das Vorbringen der [X.]eschwerde genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Denn die [X.] setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 17. Dezember 2010 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 2011, 45 m.w.N., juris Rn. 15). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die [X.]eschwerde nicht auf. Ob das angefochtene Urteil - was die [X.]eschwerde in Zweifel zieht - vollumfänglich mit der Revisionsentscheidung des [X.]s in Einklang steht, mag dahinstehen. Denn das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den [X.] einer [X.] nicht (stRspr, [X.]eschluss vom 21. September 2006 - [X.]VerwG 7 [X.] - juris Rn. 7 m.w.N.).

Wollte die [X.]eschwerde mit ihrem Vorbringen allein einen Verstoß gegen § 144 Abs. 6 [X.] rügen, würde eine [X.] fehl gehen. Denn ein ausschließlich hierauf bezogener Mangel kann nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] führen (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 17. März 1994 - [X.]VerwG 3 [X.] 24.93 - [X.] 310 § 144 [X.] Nr. 57 m.w.N.), sondern ist unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zu würdigen. Mit einer in diesem Sinne zu verstehenden Verfahrensrüge könnte die [X.]eschwerde jedoch ebenfalls keinen Erfolg haben. Sie entspricht bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.], weil die [X.]eschwerde - wie bereits dargelegt - von einem falschen Verständnis der Revisionsentscheidung ausgeht und daher das Vorliegen eines Verstoßes gegen die [X.]indungswirkung bereits nicht ausreichend benannt hat.

Im Übrigen ist das Oberverwaltungsgericht der Forderung des zurückverweisenden Revisionsurteils, tatsächliche Feststellungen zu der Art der Entsorgungstätigkeit der Klägerin zu treffen, nachgekommen. Selbst wenn ihm dabei Fehler in der Sachverhaltswürdigung unterlaufen sein sollten, würde darin kein Verstoß gegen § 144 Abs. 6 [X.] liegen ([X.]eschluss vom 17. März 1994 a.a.[X.]).

3. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler - nämlich der Verletzung des Anspruchs auf [X.] (S. 10 f. der [X.]eschwerdebegründung) - im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.]. Das Oberverwaltungsgericht war als Instanzgericht nicht verpflichtet, die Streitsache dem [X.] vorzulegen (Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV). Ihm ist insoweit Ermessen eröffnet. Davon hat es in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Meta

7 B 26/11

04.07.2011

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 7. Dezember 2010, Az: 4 LB 8/09, Urteil

§ 144 Abs 6 VwGO, § 13 Abs 1 KrW-/AbfG, § 13 Abs 3 S 1 Nr 3 KrW-/AbfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.07.2011, Az. 7 B 26/11 (REWIS RS 2011, 5164)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5164


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 2639/09

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2639/09, 28.08.2014.


Az. 7 B 26/11

Bundesverwaltungsgericht, 7 B 26/11, 04.07.2011.


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