Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.02.2018, Az. 7 C 10/16

7. Senat | REWIS RS 2018, 13381

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Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Unternehmen der Abfallwirtschaft, wendet sich gegen die Untersagung der gewerblichen Sammlung von Abfällen durch den Beklagten.

2

Mit Schreiben vom 31. August 2012 zeigte die [X.] für die Klägerin bei dem Beklagten die beabsichtigte unbefristete gewerbliche Sammlung von Abfällen im Kreisgebiet an. Es sollten vom Betriebsstandort D. aus jährlich ca. 600 Tonnen Altmetalle, 380 Tonnen Papier, 1 000 Tonnen Bauschutt, 1 200 Tonnen Baumischabfälle, 800 Tonnen Grünabfälle sowie 1 100 Tonnen sonstige gemischte Abfälle in einem Hol- und Bringsystem mit täglichen Sammlungen angenommen und einer stofflichen oder thermischen Verwertung zugeführt werden.

3

Mit Bescheid vom 20. November 2012 untersagte der Beklagte der Klägerin die gewerbliche Sammlung von Altmetall, Altpapier, Grünabfällen und sonstigen gemischten Abfällen aus privaten Haushaltungen.

4

Nach Klageerhebung teilte die Klägerin dem Beklagten mit, mit den in der Sammlungsanzeige genannten gemischten Abfällen seien lediglich bei der Entrümpelung von Wohnraum typischerweise anfallende Abfälle gemeint. Diese unterfielen dem [X.] 20 03 07 nach der [X.] ([X.]), so dass es sich nicht um eine Sammlung von gemischten Siedlungsabfällen nach dem [X.] 20 03 01 handele.

5

Mit Urteil vom 9. Dezember 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Januar 2016 die Ordnungsverfügung des Beklagten aufgehoben, soweit die Sammlung von Altmetall, Altpapier und Grünabfall untersagt worden ist. Im Übrigen - bezüglich der Untersagung der Sammlung von gemischten Abfällen aus privaten Haushaltungen - hat es die Berufung zurückgewiesen.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.]; Sperrmüll gemäß [X.] [X.] 20 03 07 sei nicht vom Verbot der gewerblichen Sammlung von gemischten Abfällen erfasst. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der [X.] der Klägerin stünden überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 [X.] nicht entgegen. Das Urteil leide unter Verfahrensfehlern. Der Anschlussrevision des Beklagten tritt die Klägerin entgegen.

7

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des [X.] für das [X.] vom 26. Januar 2016 sowie das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2013 zu ändern und die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 7. November 2012 insgesamt aufzuheben,

2. die Anschlussrevision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

1. das Urteil des [X.] für das [X.] vom 26. Januar 2016 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2013 insgesamt zurückzuweisen,

2. die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil des [X.] gegen die Revision der Klägerin und führt zur Begründung seiner Anschlussrevision an, bei den in § 17 Abs. 3 Satz 3 [X.] genannten Regelbeispielen handele es sich um unwiderlegliche Vermutungen. Die vom Beklagten gewählte Erfassung der Altmetalle ermögliche eine vollständige Verwertung und stelle daher ein hochwertiges System im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.] dar. Gemeinnützige Sammlungen seien im Rahmen des § 17 Abs. 3 [X.] in die Betrachtung einzubeziehen. Da die Auswirkungen einer angezeigten Sammlung auf das System des öffentlich-rechtlichen [X.] abzuschätzen seien, könne es keine Rolle spielen, ob es sich um eine sogenannte Bestandssammlung handele. Es werde nicht berücksichtigt, welche Mengen zustande gekommen wären, wenn die gewerblichen Sammlungen nicht stattgefunden hätten. Folglich greife auch die unwiderlegliche Vermutung der Beeinträchtigung der Gebührenstabilität nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 [X.]. Der (mit der Umsetzung der Überlassungspflicht) beauftragte Dritte genieße einen absoluten Konkurrenzschutz gegenüber gewerblichen Sammlern, so dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] erfüllt seien. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig.

Nach Auffassung des Vertreters des [X.] fällt Sperrmüll nach dem [X.] 20 03 07 nicht in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.].

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ausführungen unter [X.] im Urteil vom selben Tage im Parallelverfahren - BVerwG 7 C 9.16 - verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Mangels erforderlicher Sachverhaltsfeststellungen ist die Sache in diesem Umfang an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (1.). Die zulässige Anschlussrevision des Beklagten ist unbegründet (2.).

1. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit Bundesrecht, soweit es bei der organisatorischen und personellen Wahrnehmung der Aufgaben der Abfallbehörde einerseits und des öffentlichen [X.] anderseits einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht und das Gebot des fairen Verfahrens verneint.

Ein [X.] liegt dagegen vor, soweit das [X.] als gemischten Abfall aus privaten Haushaltungen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ([X.]) ansieht, damit ausnahmslos der Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 [X.] unterwirft und der gewerblichen Sammlung entzieht. Insbesondere aus der Gesetzeshistorie und dem dort in Bezug genommenen Unionsrecht ergibt sich eine enge Auslegung des Begriffs der "gemischten Abfälle" in § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] im Sinne von "gemischten Siedlungsabfällen" des [X.] 20 03 01 nach der Anlage zu § 2 Abs. 1 der Verordnung über das [X.] vom 10. Dezember 2001 ([X.] I S. 3379, [X.] - [X.]). Das nach der Entstehungsgeschichte maßgebliche Unionsrecht deutet ebenfalls auf eine Auslegung hin, nach der [X.] nicht als gemischter Abfall der Überlassungspflicht unterliegt.

Ob die Voraussetzungen der widerleglichen Vermutung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.] nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats vorliegen, lässt sich mangels der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen durch das Oberverwaltungsgericht zu den bisherigen und weiter angezeigten [X.]n von [X.] nicht beurteilen. Da der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden kann, ist diese gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

2. Die zulässige Anschlussrevision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht wird den rechtlichen Vorgaben bei der Prüfung der Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 [X.] insoweit nicht gerecht, als er bei der Gegenüberstellung der durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erzielten [X.] der Abfallfraktionen Altpapier, Altmetall sowie Grünabfälle und der Auswirkungen hierauf durch andere Sammlungen gemeinnützige Sammlungen außer Betracht lässt und dabei auf den Zeitpunkt der vollständigen Anzeige der Sammlung abstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 [X.] 4.15 - BVerwGE 155, 336).

Das Urteil beruht indes nicht auf diesem [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Entscheidung insoweit tragend auf die Erwägung, dass die Klägerin eine bereits vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durchgeführte Sammlung fortsetzen wolle. Das steht mit Bundesrecht im Einklang. Eine Bestandssammlung kann grundsätzlich auch nicht zu einer Gefährdung der Gebührenstabilität führen (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 [X.]).

Ohne [X.] hat das Oberverwaltungsgericht schließlich eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen [X.] im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 [X.] durch ein erhebliches Erschweren oder Unterlaufen der diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe von [X.] im Wettbewerb verneint.

Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unter [X.] im Urteil vom selben Tage im Parallelverfahren - BVerwG 7 [X.] 9.16 - verwiesen.

Meta

7 C 10/16

23.02.2018

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 26. Januar 2016, Az: 20 A 318/14, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.02.2018, Az. 7 C 10/16 (REWIS RS 2018, 13381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13381

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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