Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2018, Az. VIII ZR 92/17

8. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 4614

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Gegenstand

Wohnraummietvertrag: Unangemessene Benachteiligung durch formularmäßigen Ausschluss der Kautionsverzinsung im Altvertrag


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin schloss mit den Rechtsvorgängern des Beklagten am 1. April 1966 einen Mietvertrag über eine Wohnung in [X.]. Unter § 29 ("Sonstige Vereinbarungen") ist maschinenschriftlich in den ansonsten vorgedruckten Vertragstext eingesetzt:

"Der Mieter erklärt sich bereit, einen Baukostenzuschuss in Höhe von DM 2.000,00 […] und eine Mietkaution in Höhe von DM 500,00 […] bei Vertragsabschluss zu zahlen. Beide Beträge sind unverzinslich […]."

2

Nach Beendigung des [X.] verlangte die Klägerin unter anderem die Rückzahlung des Kautionsguthabens sowie - von ihr mit 670,02 € errechnete - Zinsen aus der Kaution.

3

Die Klage ist in den Vorinstanzen im Hinblick auf die Verzinsung des Kautionsguthabens ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

II.

4

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

5

a) Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, es sei klärungsbedürftig, "ob Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] eine Vereinbarung einer Unverzinslichkeit einer Mietkaution in einem Mietvertrag aus dem [X.] zulässt, beziehungsweise, ob dieser eine Differenzierung zwischen individualvertraglicher Vereinbarung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebietet". Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.

6

Die Wertungsmaßstäbe zur Beantwortung dieser Rechtsfrage, die dahingehend zu verstehen ist, ob der formularmäßige Ausschluss der Verzinsung eines Kautionsguthabens in einem im [X.] geschlossenen Wohnraummietvertrag der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen am Prüfungsmaßstab des seit dem 1. Januar 2003 gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.] auch bei [X.] maßgeblichen § 307 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 77. Aufl., Art. 229 EG[X.] § 5 Rn. 7; [X.]/[X.]-Räntsch, [X.], 15. Aufl., Anhang EG[X.] zur Einleitung § 241 [X.], Art. 229 § 5 EG[X.] Rn. 10; siehe auch [X.], 140, 147; 118, 22, 28) standhält, lassen sich ohne Weiteres dem [X.] des Senats vom 8. Juli 1982 ([X.] 3/82, [X.], 345 ff.), den das Berufungsgericht auch gesehen und zutreffend angewandt hat, sowie der gesetzlichen Regelung des Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] und dem dazu ergangenen Urteil des Senats vom 11. März 2009 ([X.], [X.], 1673 Rn. 10) entnehmen, so dass es keiner weiteren Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf.

7

aa) Bei der Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ist im [X.] grundsätzlich auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum [X.]punkt des Vertragsschlusses abzustellen (vgl. [X.], Urteile vom 25. Juni 2014 - [X.], [X.]Z 201, 363 Rn. 31; vom 13. November 2013 - [X.], NJW 2014, 2180 Rn. 13; vom 30. März 2010 - [X.], [X.]Z 185, 133 Rn. 30; vom 4. Februar 2009 - [X.], [X.], 1491 Rn. 15, [jeweils zu § 307 [X.]]; vom 3. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 103, 117; vom 10. Juli 1990 - [X.], [X.]Z 112, 115, 118, [jeweils zu § 9 [X.]]). Hiervon ausgehend hält ein formularmäßig vereinbarter Ausschluss der Verzinsung des Kautionsguthabens in einem im [X.] abgeschlossenen Wohnraummietvertrag einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] stand.

8

(1) Der formularmäßige Ausschluss der [X.] in einem Wohnraummietvertrag aus dem [X.] stellt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil der Vermieter zu dieser [X.] zu einer Verzinsung der Kaution (noch) nicht verpflichtet war. Aus den von der Revision angeführten Instanzurteilen ([X.], [X.], 336; LG [X.]-Fürth, [X.], 158; [X.], [X.], 236; [X.], [X.], 290; [X.], [X.], 765 f.; siehe auch [X.], [X.], 515; [X.], [X.], 42 f.; [X.], Urteil vom 28. November 2012 - 23 S 34/12, juris Rn. 16 ff.) lässt sich nichts anderes herleiten, denn sie beziehen sich durchweg auf Mietverträge aus späteren Jahren.

9

(2) Wie der Senat in dem vorbezeichneten [X.] vom 8. Juli 1982 ([X.] 3/82, aaO S. 350 f.) bereits ausgeführt hat, seien die erkennbaren Erwartungen des vertragschließenden Mieters hinsichtlich der Verzinsung der Kaution möglicherweise nicht zu allen [X.]en dieselben gewesen. Bis 1968 wurde, soweit ersichtlich, die Frage der Verzinslichkeit der Kaution weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung erörtert. Erst ab 1971 mehrten sich sodann nach und nach Stimmen, die dafür eintraten, den Vermieter zu einer Verzinsung zu verpflichten. In Anbetracht dessen hat der Senat einen im Jahr 1972 geschlossenen Mietvertrag, der keine ausdrückliche Regelung zur Verzinslichkeit der Barkaution enthielt, dahingehend ausgelegt, dass der Vermieter den Kautionsbetrag zu verzinsen hat (Senatsbeschluss [[X.]] vom 8. Juli 1982 - [X.] 3/82, aaO).

Der Gesetzgeber hat die Verzinslichkeit der Mietkaution erst im Jahr 1980 angeordnet, und auch dies zunächst nur für den Teilbereich des [X.] Wohnungsbaus (§ 9 Abs. 5 WoBindG in der Fassung des [X.] 1980 vom 20. Februar 1980, [X.]l. [X.]). Für nicht preisgebundenen Wohnraum wurde erstmals durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 ([X.]l. I S. 1912) eine Verzinsungspflicht für [X.] in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt, die am 1. Januar 1983 in [X.] trat (§ 550b Abs. 2 [X.] aF; siehe [X.]. 9/2079, S. 10 f.).

(3) Da ein Vermieter von Wohnraum im [X.] rechtlich nicht zur Verzinsung der Mietkaution verpflichtet war, ist ein formularmäßiger Ausschluss der Verzinsung entgegen der Ansicht der Revision in einer solchen Fallgestaltung nicht zu beanstanden.

bb) Art. 229 § 5 EG[X.] hat an diesen Gegebenheiten nichts geändert. Nach Satz 1 dieser Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 ([X.]l. I S. 3138) sind auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das Bürgerliche Gesetzbuch und bestimmte andere Gesetze in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Für Dauerschuldverhältnisse, wie [X.], gilt dies mit der Maßgabe, dass anstelle der in Satz 1 bezeichneten Gesetze vom 1. Januar 2003 an nur das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.]). Dem geht jedoch, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist und was auch die Revision nicht in Zweifel zieht, die vom Gesetzgeber geschaffene spezielle Übergangsregel des Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] vor (vgl. Senatsurteile vom 6. April 2005 - [X.], NJW 2005, 1572 unter [X.]; vom 7. Februar 2007 - [X.], [X.], 327 Rn. 14 [jeweils zu Art. 229 § 3 Abs. 10 EG[X.]]; [X.]/[X.], aaO).

cc) Auch die Auslegung des Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] gebietet, wie durch das Urteil des Senats vom 11. März 2009 ([X.], aaO) geklärt ist, im vorliegenden Fall nicht die Zulassung der Revision.

Zwar erlegt § 551 Abs. 3 Satz 1 [X.] (in der Fassung des [X.], Vereinfachung und Reform des Mietrechts [Mietrechtsreformgesetz] vom 19. Juni 2001, [X.]l. I S. 1149) dem Vermieter die Pflicht auf, die Kaution des Mieters verzinslich anzulegen, und stehen die Zinsen aus der Kaution gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 [X.] dem Mieter zu; eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist gemäß § 551 Abs. 4 [X.] unwirksam. Diese Regelungen kommen hier aber nicht zur Geltung.

Obgleich § 551 [X.] mit Wirkung seit dem 1. September 2001 grundsätzlich auch auf zu diesem [X.]punkt bereits bestehende Mietverhältnisse anzuwenden ist (Senatsurteil vom 30. Juni 2004 - [X.], NJW 2004, 3045 unter II 1 a), gilt dies nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] nicht, wenn die Verzinsung der Kaution vor dem 1. Januar 1983 durch Vertrag ausgeschlossen worden ist. Damit bleiben - wie der Senat in dem vorbezeichneten Urteil vom 11. März 2009 ([X.], aaO) bereits ausgesprochen hat und auch die Revision nicht verkennt - Vereinbarungen, durch die eine Verzinsungspflicht vor diesem [X.]punkt wirksam ausgeschlossen worden ist, wirksam (so [X.]. 14/4553, S. 77).

Der vorliegende Fall weist keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf. Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] bestätigt, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit eines wirksam vereinbarten Ausschlusses der Verzinsung ausging. Dabei lassen - wie es auch das Berufungsgericht gesehen hat - weder der Gesetzeswortlaut der Vorschrift ("durch Vertrag ausgeschlossen"), der nicht auf Individualabreden beschränkt ist, sondern - anders als der nachträglich eingefügte Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2 EG[X.] (vgl. [X.]. 15/4134) - vorformulierte Vertragsbestimmungen einbezieht, noch die anhand der Gesetzesmaterialien belegte Zielsetzung des Gesetzgebers, wonach ein vor Einführung der Verzinsungspflicht wirksam vereinbarter vertraglicher Ausschluss der [X.] Bestand haben sollte (vgl. [X.]. 14/4553, aaO), Raum für die Annahme, dass eine zur [X.] des Vertragsschlusses wirksame formularmäßige Vereinbarung nunmehr als unwirksam zu behandeln wäre.

b) In Anbetracht dessen besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch kein Anlass für eine Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO), denn der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung zur Entwicklung weiterer höchstrichterlicher Leitsätze. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ist ebenfalls nicht gegeben, denn das Berufungsgericht setzt sich zu den oben aufgezeigten Grundsätzen nicht in Widerspruch.

2. Die Revision hat nach dem vorstehend Ausgeführten auch keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den von ihr geleisteten Kautionsbetrag nach dem Inhalt der getroffenen Kautionsabrede nicht zu.

Zwar ist - mangels näherer Feststellungen des Berufungsgerichts - revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass es sich bei § 29 des [X.] vom 1. April 1966 um eine von den Rechtsvorgängern des Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Gleichwohl hält das Berufungsurteil rechtlicher Nachprüfung stand, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der formularmäßige Ausschluss der [X.] in einem Wohnraummietvertrag aus dem [X.] wirksam war und nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 8 EG[X.] verbindlich geblieben ist, im Einklang mit den Grundsätzen des vorbezeichneten [X.]s des Senats vom 8. Juli 1982 ([X.] 3/82, aaO) und des [X.] vom 11. März 2009 ([X.], aaO) steht.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Milger     

      

Dr. [X.]     

      

Dr. Bünger

      

Kosziol     

      

Dr. [X.]     

      

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

VIII ZR 92/17

21.08.2018

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

§ 307 Abs 1 S 1 BGB, § 551 Abs 3 S 1 BGB vom 19.06.2001, § 551 Abs 4 BGB vom 19.06.2001, Art 229 § 3 Abs 8 BGBEG, MietRRefG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2018, Az. VIII ZR 92/17 (REWIS RS 2018, 4614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4614

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