Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.03.2010, Az. IX ZR 104/08

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8514

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Gegenstand

Haftung des Rechtsanwalts: Substanziierung des Bestreitens eines Schadens aus den von dem Rechtsanwalt geltend gemachten Ansprüchen auf Hausratsverteilung; Schadensersatz für den Verlust von Versorgungsausgleichsansprüchen auf Grund eines Scheidungsfolgenvergleichs


Leitsatz

1. Hat ein Rechtsanwalt in einem Scheidungsverbundverfahren bezifferte Ansprüche seines Mandanten auf Hausratsteilung geltend gemacht, kann er sich in einem später gegen ihn geführten Regressprozess nicht darauf beschränken, den Wert der Gegenstände unsubstanziiert zu bestreiten .

2. Hat ein Rechtsanwalt dem Mandanten pflichtwidrig zum Abschluss eines Vergleichs geraten, der zu einem Verlust von Versorgungsausgleichsansprüchen geführt hat, kann der Mandant lediglich die Feststellung begehren, vom Zeitpunkt der Rentenberechtigung an so gestellt zu werden, als sei dieser Betrag auf sein Versicherungskonto eingezahlt worden, wenn eine die Rente erhöhende Zahlung an den Rentenversicherungsträger nach dem Sozialversicherungsrecht nicht zulässig ist .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 33. Zivilsenats des [X.] vom 21. Mai 2008 aufgehoben. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der 25. Zivilkammer des [X.] vom 29. August 2007 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung an fortlaufend Beträge zu zahlen, die erforderlich sind, um den Kläger so zu stellen, als sei auf seinem Versicherungskonto bei der [X.] (Versicherungsnummer … mit Wirkung zum 30. Juni 2003 ein Betrag von 27.591 € eingezahlt worden.

Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3, die Kosten des [X.] die Kläger zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3 sowie die Kosten des [X.] der Kläger zu 1/5 und die Beklagten zu 4/5 zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger wurde in dem Scheidungsverfahren gegen seine Ehefrau durch die in einer Anwaltssozietät verbundenen beklagten Rechtsanwälte vertreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht schloss der Kläger am 10. Januar 2003 einen Scheidungsfolgenvergleich, durch den er sich unter weitgehendem Verzicht auf wechselseitige Ansprüche zur Zahlung von 28.000 € an seine Ehefrau verpflichtete.

2

Der Kläger meint, die Beklagten hätten ihm pflichtwidrig zum Abschluss des Vergleichs geraten. Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 74.524 € gerichtete Klage hat das [X.] abgewiesen. Auf die in Höhe eines Betrages von 33.600 € verfolgte Berufung des [X.] hat das [X.] die Beklagten zur Zahlung von 27.591 € verurteilt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat teilweise Erfolg; die Klage ist nur hinsichtlich eines Feststellungsbegehrens begründet.

I.

4

Das Berufungsgericht meint, der [X.] zu 1 sei als sachbearbeitender Anwalt, für dessen Beratungsfehler der [X.] zu 2 als Mitgesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft gesamtschuldnerisch hafte, verpflichtet gewesen, dem Kläger von dem Abschluss des Vergleichs abzuraten. Im Bewusstsein der von ihm vorprozessual gefertigten Schreiben hätte der [X.] zu 1 erkennen müssen, dass der Vergleich mit ganz überwiegenden Nachteilen für den zugewinn- und versorgungsausgleichsberechtigten Kläger verbunden gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei pflichtgemäßer Beratung den Vergleich nicht geschlossen hätte. Eine überlange, einer raschen Wiederverheiratung des [X.] entgegenstehende Verfahrensdauer sei nicht zu befürchten gewesen.

5

Durch den [X.] seien dem Kläger Nachteile in Höhe von 57.978 € entstanden, wovon 34.989 € auf einen unterbliebenen Versorgungsausgleich entfielen. Wegen durch den Vergleichsabschluss erzielter Vorteile mindere sich der Schaden im Wege des [X.] um 24.888 € auf 33.778 €. Da dem Kläger in einem weiteren Verfahren gegen die [X.]n ein aufrechenbarer Betrag von 5.499 € rechtskräftig aberkannt worden sei, belaufe sich die berechtigte Klageforderung auf 27.591 €.

II.

6

Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.

7

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.]n verpflichtet waren, dem Kläger wegen der für ihn damit verbundenen Nachteile vom Abschluss des Vergleichs abzuraten.

8

a) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. [X.] der Mandant den Abschluss eines Vergleichs, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es sich - wie im Streitfall - um einen Abfindungsvergleich handelt ([X.], [X.]. v. 13. April 2000 - [X.], [X.], 1353 f). Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der [X.] zu entbinden ([X.], 1378, 1380; [X.], 3269 f). Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene [X.] eine unangemessene Benachteiligung darstellt (Sieg in: Zugehör/[X.]/Sieg/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 718) und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen ([X.], [X.]. v. 14. Januar 1993 - [X.], NJW 1993, 1325, 1328; v. 7. Dezember 1995 - [X.], NJW-RR 1996, 567, 568; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 1724). In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem [X.] abzusehen, gefolgt wäre ([X.], [X.]. v. 14. Januar 1993, aaO S. 1329).

9

b) In Einklang mit diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu der Würdigung gelangt, die mit dem Vergleich für den Kläger verbundenen Nachteile hätten die ihm durch einen wechselseitigen Anspruchsverzicht entstandenen Vorteile so deutlich überwogen, dass der [X.] zu 1 verpflichtet gewesen sei, dem Kläger von einem [X.] abzuraten.

aa) Das Berufungsgericht hat die an die Beratung durch den [X.]n zu 1 zu stellenden Anforderungen nicht überspannt. Es hat lediglich eine überschlägige Bewertung der mit einem [X.] verbundenen Vor- und Nachteile anhand der bei einer streitigen Auseinandersetzung zu berücksichtigenden Rechnungsposten auf der Grundlage der von dem [X.]n zu 1 hinsichtlich der einzelnen Positionen selbst ermittelten Werte verlangt. Die darauf aufbauende tatrichterliche Würdigung, bereits bei dieser Betrachtungsweise hätte dem [X.]n zu 1 deutlich werden müssen, ein [X.] sei so unvorteilhaft, dass er von einem solchen hätte abraten müssen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Für den Vorwurf einer Fehlberatung ist es ohne Bedeutung, dass der nicht hinreichend berücksichtigte [X.] des [X.] keinen Zahlungsanspruch gegen die frühere Ehefrau zum Gegenstand hatte. Im Rahmen der Beratung über die Vor- und Nachteile des [X.]es musste dieser Anspruch vermögensmäßig bewertet werden. Ein tauglicher Maßstab hierfür war der Betrag, den die frühere Ehefrau des [X.] im Rahmen eines ohne den [X.] durchzuführenden Versorgungsausgleichs auf das Rentenversicherungskonto des [X.] einzuzahlen und den der [X.] zu 1 in einem Schreiben an die Gegenseite zutreffend in der Größenordnung eines [X.] von 30.000 € angegeben hatte. Die danach gegebene Pflichtwidrigkeit wird nicht durch die in anderem Zusammenhang zu erörternde (vgl. hierzu unten II 4 a) Frage berührt, in welcher Form der Rechtsanwalt für den Verlust der Durchführung des Versorgungsausgleichs Schadensersatz zu leisten hat.

2. Vergeblich beanstandet die Revision, das [X.] habe Vorbringen der [X.]n nicht berücksichtigt, wonach sich der Kläger wegen der von ihm gewünschten raschen Ehescheidung und zwecks Vermeidung weiterer [X.] Unterhaltszahlungen zum Abschluss des ihm nachteiligen Vergleichs bereit gefunden habe.

Das [X.] hat die Darstellung der [X.]n zur voraussichtlichen Dauer eines streitigen Verfahrens zur Kenntnis genommen und ausdrücklich gewürdigt. Es ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine längere Verfahrensdauer mit Rücksicht auf die möglichen Gegenstände eines [X.] nicht zu befürchten war. Ansprüche auf Ausgleich des Zugewinns und [X.] konnten nach den unbeanstandeten Ausführungen des Berufungsgerichts außerhalb des [X.] verfolgt werden. Ferner hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Ehescheidungsverfahren auch bei Einbringung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs durch die Ehefrau in das Verbundverfahren binnen weniger Wochen oder Monate beendet gewesen wäre, weil der Unterhaltsanspruch wegen der weitgehend unstreitigen Einkünfte der Eheleute keine besonderen Schwierigkeiten aufgeworfen habe. Dieser Würdigung steht die Aussage der vor dem [X.] vernommenen, mit dem Ausgangsverfahren betrauten Familienrichterin nicht entgegen, die insoweit ebenfalls größere Schwierigkeiten verneint hat. Die [X.]n wären gehalten gewesen, die Prozessführung vor dem Familiengericht auch in zeitlicher Hinsicht auf die objektiv gegebene Rechtslage einzurichten. Mithin bestand für den Kläger kein Anlass, wegen der Befürchtung einer längeren Verfahrensdauer auf den Vergleich einzugehen.

3. Das Berufungsgericht hat die dem Kläger durch den [X.] - abgesehen von dem Versorgungsausgleich - entstandenen Nachteile zutreffend mit insgesamt 22.989 € bemessen. Zu Unrecht wenden sich die [X.]n gegen die dem Kläger bezogen auf Hausrat und Maklerkosten zuerkannten Schadenspositionen.

a) Ohne Erfolg beanstanden die [X.]n, das Berufungsgericht habe im Blick auf die Werte der bei der [X.] zu berücksichtigenden Gegenstände ihr Bestreiten nicht berücksichtigt.

aa) Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO hat sich jede [X.] über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären; Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, sofern nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der [X.] hervorgeht. Die erklärungsbelastete [X.] hat - soll ihr Vortrag beachtlich sein - auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich "substantiiert" (d.h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern ([X.], [X.]. v. 11. Juni 1985 - [X.], NJW-RR 1986, 60). Ein substantiiertes Vorbringen kann also grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden ([X.] NJW 2004, 2848, 2851). Die Verpflichtung zu einem substantiierten [X.] setzt aber voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten [X.] möglich ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben ([X.], [X.]. v. 6. Oktober 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 78, 81).

bb) Dieser prozessualen Obliegenheit haben die [X.]n durch das bloß pauschale Bestreiten sämtlicher Einzelpositionen nicht genügt. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die [X.]n die von dem Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Werte im Rahmen des zuvor geführten Scheidungsverfahrens schriftsätzlich selbst als "maßvoll" bezeichnet haben. Diese Stellungnahme war zwar sicherlich auch von der damaligen Interessenlage der Wahrnehmung der Rechte des [X.] geleitet. Immerhin hat aber die Prozessvertretung den [X.]n ausweislich ihrer eigenen Darlegung umfassende Einblicke in die Vermögensverhältnisse des [X.] verschafft, die es ihnen ermöglichten, Aussagen zum Wert des Hausrats zu treffen. Vor diesem Hintergrund war von den [X.]n zu erwarten, dass sie sich zu den insoweit verfolgten Schadenspositionen jeweils substantiiert äußern (vgl. [X.], [X.]. v. 6. Oktober 1989, aaO). Sie standen infolge ihrer Vorbefassung den Geschehnissen nicht so fern, dass sie sich auf einfaches Bestreiten beschränken durften (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Juni 1985, aaO).

cc) Soweit die [X.]n beanstanden, das Berufungsgericht habe den Vortrag, ein zum Hausrat der Eheleute gehörendes Bild im Wert von 10.000 € habe aufgrund einer Schenkung im Alleineigentum der Ehefrau gestanden, nicht berücksichtigt, ist die Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO).

(1) Nach dieser Vorschrift müssen die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, in den wesentlichen Punkten genau und bestimmt angegeben werden. Um dieser Vorschrift, die der Entlastung des [X.] zu dienen bestimmt ist, zu genügen, muss die Revision mindestens auf die entsprechenden Stellen und Blattzahlen der von der [X.] vorgetragenen Schriftsätze hinweisen, welche die von ihr behaupteten und nach ihrer Meinung übergangenen Behauptungen und Beweisangebote enthalten sollen ([X.]Z 14, 205, 209 f).

(2) Die in der Revisionsbegründung enthaltenen Bezugnahmen lassen den substantiierten Vortrag einer Schenkung an die Ehefrau des [X.] nicht erkennen: Die Ausführungen der [X.]n befassen sich lediglich mit den Kosten für die Beauftragung einer Maklerin und dem Versorgungsausgleich, aber nicht dem Gemälde. Die außerdem in Bezug genommene Stellen sind entweder unergiebig oder bringen widersprüchlichen Sachvortrag, weil dort einerseits von einer Schenkung an die Ehefrau, andererseits an beide Ehegatten gesprochen wird. Da auch in dem von der Revision weiter angeführten Vorbringen nur allgemein von einer Schenkung die Rede ist, brauchte das Berufungsgericht mangels eines schlüssigen Vortrags keinen Beweis darüber zu erheben, ob das Bild der Ehefrau des [X.] geschenkt worden war.

dd) Schließlich hat das Berufungsgericht zum Ausgleich für mögliche Unsicherheiten bei der Bewertung einzelner geltend gemachter Positionen des Hausrats im Wege einer Schadensschätzung (§ 287 ZPO) zugunsten der [X.]n einen deutlichen Abschlag vorgenommen (vgl. [X.], [X.]. v. 8. November 2001 - [X.], [X.], 292, 294). Damit hat es zugleich auch dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dem Vortrag der [X.]n einzelne Gegenstände des Hausrats bereits vor der Eheschließung vorhanden gewesen bzw. zum Zeitpunkt der Scheidung nicht mehr vorhanden gewesen sein sollen.

b) Unter dem Gesichtspunkt der Maklerkosten hat das [X.] das als übergangen gerügte Vorbringen zur Weigerung der Ehefrau des [X.], sich an den Kosten der Einschaltung einer Maklerin zu beteiligen, ersichtlich zur Kenntnis genommen. Es hat jedoch in revisionsrechtlich unbedenklicher tatrichterlicher Würdigung angenommen, dass die Ehefrau nachträglich die Beauftragung der Maklerin gebilligt hat.

4. Jedoch kann der Kläger von den [X.]n nicht Zahlung in Höhe von 27.591 € verlangen. Dieser von dem Berufungsgericht zutreffend ermittelte Schadensrestbetrag betrifft nur noch den dem Kläger durch den Vergleich entgangenen Versorgungsausgleich. Der Kläger kann insoweit lediglich die im Leistungsbegehren enthaltene unbeschränkte Feststellung verlangen, dass die [X.]n verpflichtet sind, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung fortlaufend die Beträge zu bezahlen, die erforderlich sind, um ihn so zu stellen, als hätten die [X.]n am 1. Juli 2003 den Betrag von 27.591 € auf sein Versicherungskonto bezahlt.

a) Dem Kläger ist durch das Unterbleiben eines Versorgungsausgleichs ein Schaden entstanden ([X.], [X.]. v. 24. Mai 2007 - [X.], [X.], 1425, 1427 Rn. 19). Das Berufungsgericht ist ohne weitere Begründung davon ausgegangen, dieser Schaden sei durch Zahlung des für die Begründung von [X.] in der entgangenen Höhe erforderlichen Betrages auszugleichen. Eine solche Schadensberechnung kommt jedoch wegen Unmöglichkeit einer Naturalrestitution (§ 249 BGB) nicht in Betracht, sondern geschuldet wird allein Geldentschädigung nach § 251 BGB.

Im Streitfall scheidet aus Rechtsgründen ein Ersatz im Wege der Naturalrestitution aus. Die hier gegebene rechtliche Unmöglichkeit steht einer tatsächlichen Unmöglichkeit gleich ([X.]/[X.], [X.] 2005, § 251 Rn. 6; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 251 Rn. 6). Nach den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts kann das Rentenkonto des [X.] um die durch den anwaltlichen Beratungsfehler entgangenen [X.] nicht erhöht werden. In § 187 Abs. 1 [X.] werden die Fälle, in denen im Rahmen des Versorgungsausgleichs Beiträge gezahlt werden können, abschließend aufgeführt ([X.]Z 137, 11, 26; [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht/[X.], § 187 [X.] Rn. 2). Nach § 187 Abs. 1 Nr. 1 [X.] können Beiträge gezahlt werden, um [X.], die um einen Abschlag an Entgeltpunkten gemindert worden sind, ganz oder teilweise wieder aufzufüllen. Diese Vorschrift ist anwendbar, wenn eine Entscheidung des Familiengerichts zu einer solchen Minderung geführt hat ([X.]/von [X.], [X.] 3. Aufl. § 187 Rn. 6; [X.]/[X.], Handbuch der [X.] - [X.], § 187 Rn. 2). Hier hat der durch die anwaltliche Pflichtverletzung zustande gekommene Vergleich gerade umgekehrt bewirkt, dass es nicht zu einer Entscheidung des Familiengerichts gekommen ist. Auch ein Fall von § 187 Abs. 1 Nr. 2 [X.], wonach Beiträge gezahlt werden können, um aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts oder aufgrund einer vom Familiengericht genehmigten Vereinbarung [X.] zu begründen, liegt nicht vor. Die Vorschrift des § 187 Abs. 1 Nr. 3 [X.] betrifft nur den Finanzausgleich zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Träger der [X.] ([X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht/[X.], § 187 [X.] Rn. 7). Eine Begründung von [X.] im Wege des Schadensersatzes kommt daher rentenrechtlich nicht in Betracht, wenn infolge des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses versäumt wurde, zugunsten des Geschädigten durch eine Entscheidung des Familiengerichts [X.] in der ihm nach der materiellen Rechtslage zustehenden Höhe zu begründen (vgl. [X.]Z 137, 11, 26 f zu einem Amtshaftungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger wegen einer dem Familiengericht erteilten unrichtigen Auskunft).

b) Scheidet eine Naturalrestitution aus, ist zugleich ein auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gestützter Zahlungsanspruch nicht gegeben.

aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zur Schadensersatz Verpflichtete den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierbei handelt es sich um eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ([X.]Z 63, 182, 184; [X.], [X.]. v. 11. Dezember 1992 - [X.], NJW 1993, 727, 728). Wenn er von diesem Recht Gebrauch macht, ist er in der Verwendung der Ersatzleistung frei, ohne den Schadensbetrag zur Wiederherstellung verwenden zu müssen ([X.]Z 66, 239, 241; 133, 155, 158; 154, 395, 398; [X.], [X.]. v. 25. Oktober 1996 - [X.], [X.], 422, 423).

bb) Im Streitfall fehlt es bereits an den Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil weder eine Verletzung der Person noch die Beschädigung einer Sache gegeben ist. Eine entsprechende Anwendung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf andere Rechtsgutsverletzungen oder auf durch Beratungsfehler entstandene Vermögensschäden wird - soweit ersichtlich - nicht in Betracht gezogen. Mithin besteht nur ein Anspruch auf Ersatzleistung in Form von Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB oder nach Maßgabe des § 251 BGB.

c) Ist eine Herstellung nicht möglich (§ 249 Abs. 1 BGB) und mithin ein Anspruch aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gegeben, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen (§ 251 BGB). Zu ersetzen ist hierbei die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert ([X.]/[X.], aaO § 251 Rn. 3; [X.]/[X.], aaO § 251 Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. Rn. 72).

aa) Ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger eine gesicherte Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt, die einen auf das hypothetische Ende der Ehezeit (1. Juli 2003) bezogenen Wert von monatlich 162,61 € gehabt hätte. Der Vermögenswert dieser Anwartschaft ist nicht mit dem zu ihrer Erlangung erforderlichen Geldbetrag von 34.989 € zu bemessen. Eine derartige Betrachtungsweise ließe außer [X.], dass die Anwartschaft zweckgebunden gewesen wäre und für den Kläger nach dem Rentenversicherungsrecht - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Sonderfall des § 210 [X.] - keine Möglichkeit bestanden hätte, sich diesen Betrag auszahlen zu lassen oder die [X.] gegen Entgelt zu veräußern. Den in ihr verkörperten Wert hätte sich der Kläger vor Eintritt in das Rentenalter in keiner Weise zunutze machen können. Eine Schadensberechnung nach einem Vergleich mit einem ähnlichen Objekt - das könnten hier die für den Abschluss einer privaten Versicherung erforderlichen Mittel oder entsprechende Rücklagen sein - scheidet aus. Es ist unmöglich, das eigenständige System der gesetzlichen Pflichtversicherungen auf die von diesem wesensverschiedenen, dem [X.] verhafteten Systeme privater [X.] umzusetzen, was zur Bemessung der für einen solchen Ausgleich erforderlichen Aufwendungen nötig wäre ([X.]Z 87, 181, 189). Ähnlich wie bei der Einbuße eines Verlustvortrags, der gleichfalls nur zweckgebunden - zur Verrechnung mit positiven Einkünften - verwendet werden kann und bei dem ein ersatzfähiger Schaden erst entstanden ist, wenn sich der Verlust konkret ausgewirkt hat (vgl. [X.], [X.]. v. 5. Februar 2009 - [X.], [X.], 715, 718 Rn. 20), ist der Kläger daher auf die Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls angewiesen. Derzeit kann er folglich lediglich Feststellung der aus § 251 Abs. 1 BGB folgenden Ersatzpflicht beanspruchen.

bb) Dieses Ergebnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats in den Fällen, in denen eine durch einen Dritten verschuldete Verletzung des Versicherten zu einer Beitragslücke in der [X.] Rentenversicherung geführt hat. Ein sofortiger Leistungsanspruch besteht danach nur dann, wenn das Rentenversicherungsrecht dem Verletzten einen Weg zur Fortentrichtung von Beiträgen eröffnet, auf dem er in wirtschaftlich sinnvoller Weise einem späteren Rentennachteil vorbeugen kann ([X.]Z 69, 347, 348; 97, 330, 332; 101, 207, 211; 116, 260, 263). Fehlt es hieran, bleibt der Verletzte mit seinem Ausgleichsanspruch für eine Rentenverkürzung auf die konkrete Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls angewiesen ([X.]Z 87, 181, 188 f; 97, 330, 332; 101, 207, 211; 151, 210, 214). Auch der [X.] hat bei der Verkürzung von [X.] durch eine unrichtige Auskunft des Versorgungsträgers lediglich die konkrete Schadensberechnung bei Eintritt des Versicherungsfalls für möglich gehalten ([X.]Z 137, 11, 26).

cc) Vorliegend ist mithin die Verpflichtung der [X.]n auszusprechen, an den Kläger vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in die gesetzliche Rentenversicherung fortlaufend die Beträge zu bezahlen, die erforderlich sind, um ihn so zu stellen, als wäre mit Rechtskraft des [X.]eils in dem Scheidungsverbund eine entsprechende Versorgungsanwartschaft begründet worden ([X.], [X.]. v. 25. Mai 2007, aaO S. 1428 Rn. 26). Dieser Zeitpunkt ist entsprechend den Feststellungen des Berufungsgerichts auf den 1. Juli 2003 festzusetzen, weil bei Fortsetzung des streitigen Verfahrens zu diesem Zeitpunkt ein Scheidungsurteil ergangen wäre.

d) Ohne Erfolg machen die [X.]n geltend, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO Berufungsvorbringen zu [X.] Versorgungsanwartschaften des [X.], die seinen Anspruch auf Versorgungsausgleich und mithin den hier verfolgten Schadensersatzanspruch ermäßigen, außer [X.] gelassen.

aa) Es handelte sich hierbei um neuen Vortrag im Berufungsverfahren. Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass sich eine [X.] auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Erklärung die in einer Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände hilfsweise zu Eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind (vgl. [X.], [X.]. v. 8. Januar 1991 - [X.] ZR 102/90, NJW 1991, 1541, 1542; v. 3. April 2001 - [X.] ZR 203/00, NJW 2001, 2177, 2178; v. 26. Juli 2005 - [X.], [X.], 63, 65). Die Aussage der erstinstanzlich als Zeugin vernommenen, mit dem Ausgangsverfahren betrauten Familienrichterin entbehrt zu dem Punkt [X.] Versorgungsanwartschaften des [X.] jeder auch nur annäherungsweisen Konkretisierung. Neu ist jedoch Vortrag, wenn erstinstanzliches Vorbringen erstmals im Berufungsverfahren substantiiert wird ([X.]Z 159, 245, 251; 164, 330, 333).

bb) Für die Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügt nicht, dass allein das [X.]eil des [X.]s ergibt, inwieweit ein Gesichtspunkt für unerheblich gehalten wird. Vielmehr ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Zulassung des neuen Vorbringens nur dann geboten, wenn die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der [X.]en auch beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, ([X.] dafür geworden ist, dass sich [X.]vorbringen in das Berufungsverfahren verlagert ([X.], [X.]. v. 19. Februar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 927, 928; [X.], [X.]. v. 23. September 2004 - [X.]I ZR 173/03, NJW-RR 2005, 167, 168). Der unzureichende Sachvortrag der [X.]n ist nicht durch das [X.] veranlasst worden. Vielmehr haben die [X.]n zu der fraglichen Schadensposition bereits erstinstanzlich Stellung genommen, sich aber mit zusätzlichen Versorgungsanwartschaften des [X.] nicht befasst, obwohl hierzu der Vortrag des [X.] Anlass bot. Er hat bereits in seiner Anspruchsbegründung vorgetragen, [X.] aus seiner Militärzeit nicht erworben zu haben. Dies haben die [X.]n in erster Instanz nicht bestritten.

III.

Das angefochtene [X.]eil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des [X.]eils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die von dem Kläger geltend gemachten Gegenrügen ist nicht einzugehen, weil der Senat den von dem Berufungsgericht zu Gunsten des [X.] ermittelten Schadensbetrag ebenfalls zugrunde legt ([X.] NJW 1971, 168).

Ganter                                Raebel                              Kayser

                   [X.]                               Grupp

Meta

IX ZR 104/08

11.03.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 21. Mai 2008, Az: 33 U 24/07, Urteil

§ 251 Abs 1 BGB, § 187 SGB 6, § 138 Abs 3 ZPO, § 256 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.03.2010, Az. IX ZR 104/08 (REWIS RS 2010, 8514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8514


Verfahrensgang

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Az. IX ZR 104/08

Bundesgerichtshof, IX ZR 104/08, 11.03.2010.


Az. 33 U 24/07

Oberlandesgericht Hamm, 33 U 24/07, 21.05.2008.


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