Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.11.2014, Az. 7 B 27/14

7. Senat | REWIS RS 2014, 1130

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Gegenstand

Immissionsschutz; Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zu Errichtung und Betrieb einer Schweinemastanlage


Leitsatz

Zur Frage, ob Luftverunreinigungen durch Bioaerosole in der Umgebung einer Schweinemastanlage eine Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG darstellen (Rn. 16).

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens zu Errichtung und [X.]etrieb einer Schweinemastanlage.

2

Der [X.]eklagte hat mit [X.]escheid vom 17. Dezember 2009 dem [X.]eigeladenen gemäß § 4 [X.]ImSchG die Genehmigung erteilt, im Außenbereich der Klägerin eine Anlage zum Halten und zur Aufzucht von 1 602 Mastschweinen, 300 Aufzuchtferkeln, 28 Rindern und 20 Kälbern zu errichten und zu betreiben; das von der Klägerin verweigerte Einvernehmen hat er ersetzt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Ersetzung des Einvernehmens abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete [X.]erufung zurückgewiesen.

II

3

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

4

1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

5

a) Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der [X.]eweisaufnahme (§ 96 Abs. 2 VwGO). Das Gericht habe die Inaugenscheinnahme des Ortsteils [X.] nicht der [X.]erichterstatterin übertragen dürfen, sondern die Ortsbesichtigung durch sämtliche [X.] durchführen müssen.

6

Die Rüge ist unbegründet. Gemäß § 96 Abs. 2 VwGO kann das Gericht in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten [X.] [X.]eweis erheben lassen. Für die Frage, ob ein geeigneter Fall vorliegt, kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die für die [X.]eweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder [X.]erichterstatter im vorbereitenden Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 VwGO gelten ([X.]eschluss vom 21. April 1994 - [X.]VerwG 1 [X.] 14.94 - [X.] 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 3 = NJW 1994, 1975 - juris Rn. 4). Nach dieser Vorschrift kommt eine [X.]eweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder [X.]erichterstatter in [X.]etracht, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das [X.]eweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der [X.]eweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Das kann auch bei einer Ortsbesichtigung der Fall sein ([X.]eschluss vom 15. August 1997 - [X.]VerwG 4 [X.] 130.97 - [X.] 310 § 87 VwGO Nr. 9 S. 2 - juris Rn. 3). Fragen der persönlichen Würdigung spielen bei der [X.]eschreibung der örtlichen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle; die [X.]eteiligten haben es zudem in der Hand, dass in die Niederschrift alle tatsächlichen Umstände aufgenommen werden, denen sie, aus welchen Gründen auch immer, [X.]edeutung beimessen.

7

Warum ausgehend hiervon die Ortsbesichtigung für eine Übertragung auf die [X.]erichterstatterin nicht geeignet gewesen sein sollte, legt die Klägerin nicht dar. Um sich eine zutreffende Vorstellung von den Örtlichkeiten zu bilden, war der Verwaltungsgerichtshof nicht ausschließlich auf das Protokoll des [X.] angewiesen; er konnte sich auch auf die bei den Akten befindlichen Luftbilder, Karten und Pläne des Gemeindegebiets stützen ([X.], juris Rn. 55). Dass die Frage nach dem Gebietscharakter - wie die Klägerin vorträgt - zu den Kernfragen des Rechtsstreits gehört, steht der Übertragung der Ortsbesichtigung auf die [X.]erichterstatterin nicht entgegen. Wäre der Gebietscharakter nicht entscheidungserheblich, hätte für eine Ortsbesichtigung von vornherein kein Anlass bestanden.

8

b) Die Klägerin rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich im Urteil an vier Stellen ohne vorherigen Hinweis auf Feststellungen gestützt, die vom im [X.]eweisbeschluss bezeichneten [X.]eweisthema nicht umfasst und im Protokoll des [X.] nicht enthalten seien. Das Urteil stelle insoweit eine Überraschungsentscheidung dar.

9

Auch diese Rüge ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat an den von der Klägerin bezeichneten Stellen des Urteils keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der [X.]eigeladene die Auflagen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht einhalten werde ([X.], juris Rn. 68), dass das Gutachten [X.] nicht alle Geruchsquellen in der Ortslage berücksichtigt haben könnte ([X.] f., juris Rn. 73), dass 20 Tierplätze 400 bis 500 m entfernt noch wahrnehmbar sein könnten ([X.], juris Rn. 74) und dass [X.] für gewöhnlich nicht zwangsbelüftet würden ([X.], juris Rn. 76). Ergänzend hat er jeweils dargelegt, dass sich Anhaltspunkte hierfür auch im Ortstermin nicht ergeben hätten. Der Verwaltungsgerichtshof hat mithin nicht bestimmte Tatsachen positiv festgestellt, sondern lediglich dargelegt, warum kein Anlass bestand, den Einwendungen der Klägerin weiter nachzugehen. Insoweit hätte es ihr oblegen, entsprechende Anhaltspunkte darzulegen. Dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Einwänden ohne eine solche Darlegung nicht gefolgt ist, konnte sie nicht überraschen. [X.]ezogen auf die Zwangsbelüftung hat der Verwaltungsgerichtshof es nicht damit bewenden lassen, die [X.]ehauptung der Klägerin, [X.] würden für gewöhnlich nicht zwangsbelüftet, zurückzuweisen. Er hat darüber hinaus festgestellt, dass die im Gutachten [X.] angenommene Zwangsbelüftung im in Rede stehenden Stall tatsächlich vorhanden sei. Auch insoweit wäre es aber Sache der Klägerin gewesen, ihren Einwand gegen das Gutachten [X.] in tatsächlicher Hinsicht zu untermauern. Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern sie von dieser Feststellung überrascht worden sein sollte. Dass die Feststellung unrichtig sei, hat sie nicht geltend gemacht.

2. Die geltend gemachte Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem [X.]eschluss des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1996 - [X.]VerwG 4 [X.] 7.96 (juris) liegt nicht vor. Das [X.]undesverwaltungsgericht hat in diesem [X.]eschluss den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Dorfgebiet im Sinne von § 5 [X.]auNVO ein „ländliches Mischgebiet“ sei, dessen Charakter nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der zulässigen Nutzungsarten abhänge (ebenso Urteil vom 23. April 2009 - [X.]VerwG 4 CN 5.07 - [X.]VerwGE 133, 377 = [X.] 406.12 § 5 [X.]auNVO Nr. 9 Rn. 10). Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Er hat festgestellt, dass es sich bei den tierhaltenden [X.]etrieben im Ortskern um ausgesprochen stattliche Höfe mit großen Stallungen handele; ihre Grundstücksflächen dürften zusammengenommen der Fläche des von der Klägerin als Wohngebiet betrachteten [X.]ereichs entsprechen oder sie sogar übertreffen ([X.], juris Rn. 62). Einen Rechtssatz zum prozentualen Verhältnis der Nutzungsarten hat der Verwaltungsgerichtshof damit weder ausdrücklich noch inzident aufgestellt. Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die landwirtschaftliche Nutzung im hier in Rede stehenden Gebiet gegenüber der Wohnbebauung nicht von untergeordneter [X.]edeutung ist, sondern das Gebiet prägt.

3. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung.

a) Die Frage

„Kann bei der Einstufung von Gemeindeteilen als Wohn-/Mischgebiet im Sinne der §§ 3, 4, 6 [X.]auNVO bzw. als Dorfgebiet im Sinne des § 5 [X.]auNVO primär auf die auf sie einwirkenden Immissionen aus vorhandenen Anlagen abgestellt werden?“

bedarf, soweit sie sich in einem Revisionsverfahren stellen würde, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der für die Anwendung der [X.] ([X.]) maßgeblichen Einstufung der Wohnbebauung im [X.]ereich a als Wohn-/Misch- oder als Dorfgebiet davon ausgegangen, dass jedenfalls der [X.]ereich b ohne jeden Zweifel ein typisches Dorfgebiet sei. Wie weit dieses Dorfgebiet reicht, hat er in Anknüpfung an die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts zur [X.]estimmung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] (Urteil vom 26. Mai 1978 - [X.]VerwG 4 C 9.77 - [X.]VerwGE 55, 369 <380> = [X.] 406.11 § 34 Nr. 63 S. 47 f.) davon abhängig gemacht, inwieweit sich einerseits die ansässigen [X.]etriebe auf die Umgebung und andererseits die Umgebung auf die [X.]etriebe prägend auswirken. Gegen diesen Ausgangspunkt erhebt auch die Klägerin keine rechtlichen [X.]edenken. [X.]ei der Frage, ob die in Rede stehende Wohnbebauung durch die landwirtschaftlichen [X.]etriebe im Ortskern geprägt wird, hat der Verwaltungsgerichtshof wesentlich, aber nicht ausschließlich auf die Geruchsvorbelastung der Wohnbebauung abgestellt. Diese liege noch bei 14% der [X.]; eine planerische Ausweisung als Wohn- oder Mischgebiet stoße damit auf [X.]edenken ([X.], juris Rn. 58). Deutlich werde die Prägung der Wohnbebauung durch die Landwirtschaft aber auch daran, dass es sich bei der reinen Wohnnutzung um einen kleinräumigen [X.]ereich handele, der an keiner Stelle in ein ausgedehnteres Wohngebiet übergehe ([X.], juris Rn. 61). Die alteingesessenen [X.]etriebe dominierten auch heute noch optisch den [X.]ereich bis zum nördlichen Ortsrand, so dass das ganze Gebiet trotz seiner Ausdehnung seit Kriegsende den Charakter eines Dorfgebiets beibehalte.

Inwieweit dieser Ansatz einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auslösen sollte, zeigt die Klägerin nicht auf. Die für die [X.]estimmung des [X.]ebauungszusammenhangs erforderliche wertende und bewertende [X.]etrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann nach dem Sachzusammenhang, in den sie eingebettet ist, zwar nur an äußerlich erkennbare, also mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen [X.]ebauung und der übrigen [X.] anknüpfen ([X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - [X.]VerwG 4 [X.] 38.13 - juris Rn. 13). Ob innerhalb eines bestehenden - hier vom Verwaltungsgerichtshof bejahten - [X.]ebauungszusammenhangs eine Wohnbebauung von in der Nähe befindlichen landwirtschaftlichen [X.]etrieben als Dorfgebiet geprägt wird, hängt aber auch davon ab, ob und inwieweit die Wohnbebauung Immissionen ausgesetzt ist, die von den landwirtschaftlichen [X.]etrieben verursacht werden. Geprägt wird ein Grundstück nicht nur durch die in der Umgebung vorhandenen baulichen Anlagen, sondern auch durch deren Nutzung und die dadurch auf dem Grundstück verursachten Immissionen. Auch diese Prägung ist bei der [X.] zu berücksichtigen. Die [X.]augebietstypen der [X.]auNVO unterscheiden sich gerade durch ihre Störempfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit; die Gebiete werden auch durch ein gebietstypisches Immissionsniveau charakterisiert (vgl. Urteil vom 16. September 2010 - [X.]VerwG 4 C 7.10 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 212 Rn. 20).

b) Auch die Frage

„Sind [X.]ioaerosole (Keime und Endotoxine) in unmittelbarer Nähe eines Lebensmittelmarktes eine Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.]ImSchG und damit als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 [X.]auG[X.] einzustufen?“

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie bedarf, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

Dass [X.]ioaerosole grundsätzlich geeignet sind, z.[X.]. als Auslöser von Atemwegserkrankungen und Allergien nachteilig auf die Gesundheit zu wirken, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede gestellt ([X.]; juris Rn. 81). Die Eignung von einwirkenden Luftverunreinigungen im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.]ImSchG, einen Schaden herbeizuführen, genügt jedoch nicht, um [X.] gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.]ImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Die insoweit zu stellenden Anforderungen sind in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt. Der Senat hat hierzu in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 - [X.]VerwG 7 C 19.02 - [X.]VerwGE 119, 329 <332 f.> - dargelegt:

„Sie dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. Ob Umwelteinwirkungen im Einzelfall geeignet sind, Gefahren herbeizuführen, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Prüfung ([X.]VerwGE 55, 250 <253>). Eine Gefahr liegt nach der klassischen [X.]egriffsdefinition dort vor, wo 'aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden' ([X.], Urteil vom 15. Oktober 1894, PrV[X.]l 16, 125 <126>). Daran fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles [X.]esorgnispotential können Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein, sofern diese nach Art und Umfang verhältnismäßig sind. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen erfasst mithin mögliche Schäden, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte [X.] weder bejaht noch verneint werden können, weshalb noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein [X.]esorgnispotential besteht ([X.]VerwGE 72, 300 <315>). Gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, ist es Aufgabe der Vorsorge, solche Risiken unterhalb der Gefahrengrenze zu minimieren (vgl. [X.]VerwGE 69, 37 <43, 45>; [X.]eschluss vom 30. August 1996 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 406.25 § 17 [X.]ImSchG Nr. 3). Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang zwischen Umwelteinwirkungen und Schäden eine Gefahr oder ein [X.]esorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab.“.

Zum Erkenntnisstand über die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch [X.]ioaerosole hat der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung ([X.], [X.]eschluss vom 27. März 2014 - 22 Z[X.] 13.692 - juris Rn. 21; [X.], Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 - juris Rn. 88 ff.; [X.], [X.]eschluss vom 13 Juni 2013 - 2 M 16/13 - juris Rn. 12 ff.; [X.], Urteil vom 8. März 2013 - 1 L[X.] 5/12 - juris Rn. 92; [X.], [X.]eschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 [X.] 164/12 - juris Rn. 68; ebenso [X.]VerwG, Urteil vom 19. April 2012 - [X.]VerwG 4 CN 3.11 - [X.]VerwGE 143, 24 Rn. 21) festgestellt, dass der aktuelle Kenntnisstand von Umwelthygiene und Umweltmedizin keine hinreichend sicheren Aussagen über die Gefährlichkeit solcher Immissionen für Menschen zulasse. Ausbreitung und kausale Verursachungszusammenhänge seien nicht hinreichend bekannt. Es könne keine [X.] angegeben werden, oberhalb derer mit Gesundheitsschäden beim Menschen zu rechnen sei ([X.], juris Rn. 81). Diese Feststellungen hat der Kläger mit Verfahrensrügen nicht angegriffen; sie sind daher für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof eine durch [X.]ioaerosole bedingte Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.]ImSchG für die Wohnbebauung im [X.]ereich a ([X.], juris Rn. 48) verneint; das [X.]esorgnispotential von [X.]ioaerosolen sei gegenwärtig nur über das Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.]ImSchG zu berücksichtigen. Inwieweit dies ausgehend von dem dargelegten Maßstab und den getroffenen Feststellungen zu beanstanden sein sollte, legt die Klägerin nicht dar. Die Möglichkeit, dass es gemäß Nr. 4.8 der [X.] 2002 geboten sein kann, im Wege einer Sonderfallprüfung festzustellen, ob in einem [X.]eurteilungsgebiet schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof - wie sich aus der [X.]ezugnahme auf die [X.]eschlüsse des [X.] vom 14. Januar 2010 - 8 [X.] 1015/09 - juris Rn. 57 ff. und des [X.] vom 13. März 2012 - 12 [X.]/11 - juris Rn. 16 (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 13. Juni 2013 - 2 M 16/13 - juris Rn. 17) und seine Ausführungen zum hier eingehaltenen Abstand zwischen dem Vorhaben des [X.]eigeladenen und dem nächst gelegenen Wohnhaus ergibt - nicht von vornherein ausgeschlossen. In [X.]ezug auf den Lebensmittelmarkt im hierfür ausgewiesenen Sondergebiet hat er eine Sonderfallprüfung aber schon deshalb nicht in [X.]etracht gezogen, weil es der Klägerin nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben verwehrt sei, sich auf [X.]elange des [X.] zu berufen ([X.] bis 18, juris Rn. 44 bis 47). Die Klägerin habe das Sondergebiet erst nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Schweinemastanlage des [X.]eigeladenen ausgewiesen. Auf dessen Einwendung habe sie selbst dargelegt, dass es im Sondergebiet nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen kommen werde. Das Einvernehmen zu der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unter Hinweis auf eben diese Umwelteinwirkungen zu verweigern, sei widersprüchlich ([X.], juris Rn. 45). In [X.]ezug auf diese Erwägung hat die Klägerin einen Revisionszulassungsgrund nicht geltend gemacht. Auch in [X.]ezug auf das [X.] hat sie einen Revisionszulassungsgrund weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

7 B 27/14

20.11.2014

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 1. April 2014, Az: 9 A 2030/12, Urteil

§ 5 BauNVO, § 34 Abs 1 BauGB, § 34 Abs 2 BauGB, § 35 Abs 3 S 1 BauGB, § 3 Abs 4 BImSchG, § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 5 Abs 1 Nr 2 BImSchG, Nr 4.8 TA Luft

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.11.2014, Az. 7 B 27/14 (REWIS RS 2014, 1130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1130

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Referenzen
Wird zitiert von

11 C 2414/21.T

22 ZB 18.893

9 ZB 12.1377

RN 1 K 18.881

Zitiert

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