Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2011, Az. XI R 18/10

11. Senat | REWIS RS 2011, 480

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung


Leitsatz

1. NV: CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbelege anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

2. NV: Widersprüchliche Angaben über den Auslieferungsort können begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorrufen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und [X.]evisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen [X.]uxuslimousinen (PKW) und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche [X.]ieferungen nach [X.] und [X.] aus.

2

Der Kläger veräußerte die PKW [X.] ([X.]ahrgestellnummer …) zu … DM netto ([X.]echnung vom 7. Dezember 2001) und [X.] ([X.]ahrgestellnummer …) zu … € netto ([X.]echnung vom 7. Januar 2002) an die [X.]irma [X.] in M, [X.].

3

Die [X.]erkäufe kamen auf [X.]ermittlung von [X.], der in [X.] ansässig ist, zustande. Nach Angaben des [X.] holte die [X.]irma … mit Sitz in [X.] ([X.]) am 7. Dezember 2001 den PKW [X.] im [X.] bei dem Kläger ab. Im [X.] wurde die [X.]irma [X.] … mit Sitz … in [X.] ([X.]) als [X.]ieferant und nicht als Abnehmer angegeben. Der PKW Mercedes-[X.]enz C 220 [X.] soll durch die [X.]irma [X.] mit Sitz in [X.] ([X.]) am 9. Januar 2002 im [X.] beim Kläger abgeholt worden sein. Der [X.] der PKW ist in beiden [X.]ällen nicht identifiziert. [X.]ollmachten für die [X.] liegen nicht vor. Die [X.]ahlungen erfolgten per Scheck von einem [X.]ankkonto in [X.]. Nach Mitteilung der [X.] [X.]ehörden handelt es sich bei [X.] um einen "[X.]".

4

Der Kläger veräußerte darüber hinaus den PKW Mercedes-[X.]enz M[X.] 270 [X.] ([X.]ahrgestellnummer …) mit [X.]echnung vom 27. November 2002 zu … € netto an die [X.]irma [X.], [X.]. Nach Angaben des [X.] fand der telefonische Kontakt mit S statt, die für [X.] auftrat. Der [X.] des PKW, ein [X.]ahrer der Spedition [X.] [X.]mbH, legte keine [X.]ollmacht vor und versicherte auf der Empfangsbestätigung mit Unterschrift, dass der PKW nach [X.]om befördert werde, während im [X.] angegeben wurde, dass der PKW nach [X.] in [X.] verbracht werde.

5

Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilten [X.] Ermittlungsbehörden mit, es handele sich bei der [X.] um einen "[X.]" und eine Scheinfirma, deren Aufgabe lediglich darin bestanden habe, [X.]echnungen [X.] [X.]ieferanten zu akzeptieren und in [X.] [X.]echnungen an die richtigen Abnehmer der PKW zu stellen mit der Absicht, die entsprechende Umsatzsteuer in [X.] nicht anzumelden und abzuführen. Die [X.] wurde im Streitjahr 2002 durch den [X.]eschäftsführer I vertreten. Der PKW wurde am 2. Dezember 2002 beim [X.]andratsamt M auf S zugelassen und am 3. Dezember 2002 stillgelegt.

6

[X.]egen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im [X.] an den Steuerfahndungsbericht vom 7. Oktober 2005 ging der [X.]eklagte und [X.]evisionskläger (das [X.]inanzamt --[X.]A--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche [X.]ieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die [X.]escheide vom 30. Januar 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

7

Das [X.]inanzgericht ([X.][X.]) gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der [X.]inanzgerichte 2010, 1549). Es stützte sein Urteil darauf, der Kläger sei jeweils seinen Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1999 --USt[X.]-- i.[X.].m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStD[X.]---) nachgekommen. Er habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben seiner Abnehmer und der [X.]rachtführer auch bei [X.]eachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Hinsichtlich des PKW [X.] befänden sich bei den Akten das Doppel der [X.]echnung und ein [X.]. [X.]eide [X.]elege wiesen den Namen und die Anschrift des [X.] als den liefernden Unternehmer, des [X.]rachtführers und des (angeblichen) Abnehmers [X.] aus. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e USt[X.] erteilten [X.]estätigungen. Alle [X.]ahrzeuge seien tatsächlich innergemeinschaftlich verbracht worden. Der in der [X.]echnung des [X.] ausgewiesene [X.]eistungsempfänger sei auch der wirkliche [X.]ertragspartner des [X.] gewesen. [X.]ür den Kläger hätten bei [X.]eachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine [X.]erdachtsmomente bestanden. [X.]ereits der Hinweis im [X.]ericht der Steuerfahndung, [X.] habe als "[X.]" gehandelt, setze voraus, dass [X.] nach außen als Abnehmer aufgetreten sei. Soweit die [X.]elder 2 und 22 im [X.] [X.] als Absender auswiesen, liege lediglich ein [X.]ersehen des [X.]rachtführers vor.

8

Hinsichtlich der PKW Mercedes-[X.]enz C 220 [X.] und M[X.] 270 [X.] würden die Ausführungen entsprechend gelten. Der weitere vom Kläger vorgelegte [X.] (Sammeltransportbescheinigung) hinsichtlich des PKW Mercedes-[X.]enz M[X.] 270 [X.] weise darauf hin, dass insoweit nicht der Kläger eine innergemeinschaftliche [X.]ieferung ausgeführt habe, sondern möglicherweise die in der Sammeltransportbescheinigung als Absenderin ausgewiesene S.

9

[X.]ür die [X.]ieferungen im Wege der [X.]ersendung mit [X.]en liege der [X.]elegnachweis vor. Entgegen der [X.]erwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der [X.]rachtbriefe durch den [X.]ieferanten an.

Mit seiner [X.]evision rügt das [X.]A die [X.]erletzung materiellen [X.]echts. Das Urteil des [X.][X.] missachte die [X.]oraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen [X.]ieferungen sowie für die [X.]ewährung von [X.]ertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 USt[X.]. Der Unternehmer trage nach § 6a Abs. 3 USt[X.] die [X.]eweislast für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen [X.]ieferung. Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen [X.]ieferungen an [X.] sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. Darüber hinaus könnten die [X.]e nicht als [X.]ersendungsnachweise anerkannt werden, weil sie der Absender nicht unterschrieben habe. Der [X.] vom 7. Dezember 2001 enthalte in den [X.]eldern 1 und 22 ferner einen Stempelabdruck des [X.]. Auch in [X.]ezug auf die innergemeinschaftliche [X.]ieferung an [X.] sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. [X.]aut dem [X.] vom 27. November 2002 sei [X.]. Im [X.]ahmen von § 6a Abs. 1 und 3 USt[X.] und §§ 17a ff. UStD[X.] sei die [X.]utgläubigkeit unerheblich.

Das [X.]A beantragt,

das Urteil des [X.][X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die [X.]evision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.][X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der [X.] kann aufgrund der vom [X.] getroffenen [X.]eststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet.

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, [X.] UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen [X.]ällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, [X.] UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

a) [X.] und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des [X.] --EuGH-- vom 27. September 2007 [X.] --Teleos--, [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, Rz 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, [X.] und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, Rz 36; vom 27. September 2007 [X.]/05 --[X.]--, [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 34, Rz 22; vom 27. September 2007 [X.]/05 --Twoh International--, [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 39, Rz 22; vom 22. April 2010 [X.]/08, [X.]/08 --X und [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.], 418, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 [X.]/09 --R--, [X.], 15, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, [X.]). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/[X.] in der [X.]assung der Richtlinie 2000/65/[X.] vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/[X.] bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das [X.]iel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Urteil des [X.] --B[X.]H-- vom 17. [X.]ebruar 2011 [X.], [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter [X.]).

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (B[X.]H-Urteile vom 23. September 2009 [X.], [X.], 218, [X.], 243, unter [X.]; vom 18. [X.]ebruar 2009 [X.], [X.], 198, [X.], 876, unter [X.] aa, und vom 24. August 2006 [X.], [X.], 311, [X.], 340, unter [X.]). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (B[X.]H-Urteile in [X.], 198, [X.], 876, unter [X.] cc und [X.]; in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter [X.]).

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/[X.] festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil in [X.], 15, [X.], 2572, Rz 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. [X.] (B[X.]H-Urteil vom 12. Mai 2009 [X.], [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. [X.] bestehenden Nachweispflichten erfüllt (B[X.]H-Urteile in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]; in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter II.2.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte [X.]weifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (B[X.]H-Urteil in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil --[X.]-- in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 34, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache [X.] hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. [X.] aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil in [X.], 15, [X.], 2572, Leitsatz; B[X.]H-Urteil in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter II.2.c).

3. Im Streitfall ist das Urteil des [X.] aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 [X.] sowie § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG verletzt.

a) Hinsichtlich der Versendungen mit [X.]en hat das [X.] zwar zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das [X.] aber, dass derartige [X.]rachtbriefe nur als [X.] anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bezeichneten Angaben enthalten (B[X.]H-Urteil in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter II.3.a).

Wie das [X.] zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem Schreiben des [X.] ([X.]) vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508, Rz 36; ebenso Abschn. 6a.4. Abs. 3 Satz 5 des [X.]) die Beurteilung als [X.] i.S. des § 10 Abs. 1 [X.] nicht voraus, dass der Auftraggeber des [X.]rachtführers (Versender) den [X.]rachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die [X.] auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.], ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines [X.]rachtbriefs als [X.] hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des [X.], ohne Unterschrift des Auftraggebers des [X.]rachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 [X.] kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf den [X.] verzichtet (B[X.]H-Urteil in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter II.3.a).

b) Gleichwohl sind die streitigen [X.]e keine ausreichenden [X.]e.

So enthält der vom [X.] in Bezug genommene [X.] hinsichtlich des [X.]ahrzeugs [X.] [X.] ("[X.]") entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] keine Angaben zum Ausstellungstag ([X.]eld 21). Darüber hinaus bestehen begründete [X.]weifel an der Richtigkeit der Belegangaben, da der Ausstellungsort ([X.]eld 21) nicht angegeben wird. [X.]erner ist die Originalrechnung, die das Datum 7. Januar 2002 trägt, zur Bescheinigung des Empfangs mit einem Stempelaufdruck der L (M) nebst Unterschrift versehen, obwohl die Übergabe an den beauftragten [X.]rachtführer nach den Angaben im [X.] am 9. Januar 2002 in [X.] in [X.] stattfand. [X.]udem ergeben sich begründete [X.]weifel daraus, dass der Verrechnungsscheck in [X.] ausgestellt worden ist, während der Abnehmer nach den Angaben im [X.] in M ansässig sein soll.

Der vom [X.] in Bezug genommene [X.] hinsichtlich des [X.]ahrzeugs [X.] AMG ("[X.]") enthält entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] widersprüchliche Angaben zu Name und Anschrift des Unternehmers. So wurde im [X.]eld 1, in das der Absender einzutragen ist, der zunächst eingetragene Name [X.], [X.], mit einem ansonsten nicht verwendeten Stift durchgestrichen und durch die Angabe des Unternehmens des [X.] ersetzt. Es ist nicht ersichtlich, wann dies geschehen ist, insbesondere ob die Änderung nachträglich zur Manipulation vorgenommen worden ist. Begründete [X.]weifel an der Richtigkeit der Belegangaben ergeben sich entgegen der Ansicht des [X.] ferner aus dem Umstand, dass in [X.]eld 22 (Stempel des Absenders) [X.], [X.], mit Unterschrift vermerkt ist und nicht der Stempel des behaupteten Absenders …. Darüber hinaus ist im [X.]eld 4 nicht der Ort der Übernahme angegeben, sondern "[X.]".

Der vom [X.] in Bezug genommene [X.] vom 27. November 2002 hinsichtlich des [X.]ahrzeugs [X.] 270 [X.] ("[X.]") steht möglicherweise im Widerspruch zu einem weiteren [X.] (Sammeltransportbescheinigung) des [X.]rachtführers mit Ausstellungsdatum 27. November 2002 (Anlage [X.]). Dieser benennt als Lieferanten hinsichtlich dreier [X.]ahrzeuge der Marke [X.] 270 [X.] S in P. Es fehlen [X.]eststellungen, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Darüber hinaus enthält der [X.] bei Abgleich mit der Rechnung vom 27. November 2002 widersprüchliche Angaben über den Auslieferungsort [X.]" und andererseits "[X.]", eine Gemeinde in der [X.] in der Region Emilia Romagna).

c) [X.] hat das [X.] zudem eine Gutgläubigkeit des [X.] als Ersatz für die gesetzlich vorgesehenen Nachweise angenommen. Dies verletzt § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG. Auf die Beachtung kaufmännischer Sorgfalt kommt es erst bei der Prüfung des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG an.

4. [X.] ist nicht spruchreif (vgl. auch B[X.]H-Urteil in [X.], 331, [X.] 2011, 1448).

Soweit das [X.] im zweiten Rechtsgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und [X.] zwar vollständig erbracht hat, die Beleg- und Buchangaben aber inhaltlich unzutreffend sind und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist, kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte (vgl. dazu B[X.]H-Urteile in [X.], 331, [X.] 2011, 1448, unter [X.]; vom 12. Mai 2011 [X.]/10, [X.], 957, [X.] 2011, 1801, unter II.4.).

Meta

XI R 18/10

14.12.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 20. Mai 2010, Az: 12 K 190/06, Urteil

Art 21 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 28c Teil A EWGRL 388/77, § 3 Abs 1 UStG 1999, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 1999, § 6a Abs 1 UStG 1999, § 6a Abs 3 UStG 1999, § 6a Abs 4 UStG 1999, § 13a Abs 1 UStG 1999, § 18e UStG 1999, § 8 Abs 1 UStDV 1999, § 10 Abs 1 UStDV 1999, § 17a UStDV 1999, § 17c Abs 1 UStDV 1999, § 17c Abs 2 UStDV 1999, Abschn 6a.4 Abs 3 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2011, Az. XI R 18/10 (REWIS RS 2011, 480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 480

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V R 38/14 (Bundesfinanzhof)

Anforderung an den Buch- und Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen


XI R 37/12 (Bundesfinanzhof)

Belegnachweis: Hinweis auf die Steuerbefreiung einer Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen …


V R 28/10 (Bundesfinanzhof)

Innergemeinschaftliche Lieferung: Anforderungen an Versendungsbeleg - Bedeutung der Person des Abnehmers - Ausschluss der Steuerbefreiung …


XI R 8/11 (Bundesfinanzhof)

(Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung - Keine Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG bei unvollständigem …


XI R 32/09 (Bundesfinanzhof)

Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung - Unternehmereigenschaft - Änderungssperre durch Umsatzsteuer-Sonderprüfung - Erwerber bei innergemeinschaftlicher Lieferung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.