Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2011, Az. V R 28/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 9330

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Gegenstand

Innergemeinschaftliche Lieferung: Anforderungen an Versendungsbeleg - Bedeutung der Person des Abnehmers - Ausschluss der Steuerbefreiung bei Verschleierung der Identität des Abnehmers - Angabe des Bestimmungsorts im Beförderungsfall - Zuordnung der steuerbefreiten Lieferung bei innergemeinschaftlichem Reihengeschäft - Vertrauensschutz


Leitsatz

Ein CMR-Frachtbrief ist auch dann als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV anzuerkennen, wenn er nicht vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist (entgegen BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010, BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36 und entgegen Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 UStAE).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach [X.]aus. Abnehmer waren die [X.]Firmen RR, [X.]und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften [X.]Rechts handelte. [X.]und [X.]wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von [X.]vertreten, die im Inland in [X.]wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. [X.]überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das [X.](BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für [X.]und Steuerfahndung teilte die [X.]Staatsanwaltschaft mit, dass RR, [X.]und [X.]bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von [X.]und [X.]geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in [X.]ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, [X.]und [X.]erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus [X.]zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im [X.]an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des [X.]erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das [X.]zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das [X.]stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, [X.]und [X.]Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den [X.]geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach [X.]verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an [X.]und RY, bei denen Versendungen mit [X.]erfolgt seien, liege der [X.]vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des [X.]ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, [X.]und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der [X.]durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach [X.]zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des [X.]nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach [X.]Marino.

7

Das Urteil des [X.]ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das [X.]Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des [X.]in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den [X.]der inländische Ort [X.]oder nur [X.]als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den [X.]und den Ausfertigungsdaten. In den [X.]lägen keine Belegangaben vor. Das [X.]habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach [X.]gelangt seien. Bei den Lieferungen an [X.]seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen [X.]abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das [X.]allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das [X.]dabei stütze. Soweit die [X.]mangelhaft seien, komme entgegen dem [X.]auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das [X.]beantragt,

das Urteil des [X.]insoweit aufzuheben, als das [X.]Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass [X.]Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. [X.]und [X.]seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch [X.]aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte [X.]hinsichtlich der [X.]seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der [X.]Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, [X.]und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, [X.]und [X.]die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den [X.]der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das [X.]wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.]ist im Umfang des [X.]begründet. Das Urteil des [X.]ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das [X.]zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der [X.]kann aufgrund der vom [X.]getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, [X.]UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28[X.]Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.](Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.]versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, [X.]UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

a) [X.]und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der [X.]--EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, [X.]Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil [X.]in Slg. 2007, [X.]Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile [X.]in Slg. 2007, [X.]Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, [X.]Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, [X.]und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, U[X.]2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/[X.]in der Fassung der Richtlinie 2000/65/[X.]vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/[X.]bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des [X.]--BFH-- vom 23. September 2009 XI [X.]14/08, BFHE 227, 218, BSt[X.]II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V [X.]82/07, BFHE 225, 198, BSt[X.]II 2009, 876, unter [X.]aa, und vom 24. August 2006 V [X.]16/05, BFHE 215, 311, BSt[X.]II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BSt[X.]II 2009, 876, unter [X.]c[X.]und dd).

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. [X.](§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V [X.]60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; [X.]vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BSt[X.]II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28[X.]Teil A der Richtlinie 77/388/[X.]festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil [X.]in U[X.]2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der [X.]1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V [X.]65/06, BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17[X.]Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. [X.]bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die [X.]bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil [X.]in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache [X.]hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. [X.]aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil [X.]in U[X.]2011, 15, Leitsatz).

3. Im Streitfall ist das Urteil des [X.]aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 [X.]verletzt.

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit [X.]erfolgten, hat das [X.]zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das [X.]aber, dass derartige Frachtbriefe nur als [X.]anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.]bezeichneten Angaben enthalten.

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, unter [X.]muss ein [X.]nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als [X.]i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 [X.]anerkannt zu werden. Der [X.]hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.]zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, unter II.B.3.[X.]aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als [X.]anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.]bezeichneten Angaben enthalten.

Wie das [X.]zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BSt[X.]I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als [X.]i.S. des § 10 Abs. 1 [X.]nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die [X.]auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als [X.]hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 [X.]kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.]für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem [X.]verzichtet.

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

So enthalten die vom [X.]in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e [X.]keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer [X.]entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a [X.]keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CM[X.]ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit [X.]versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte [X.](Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist [X.]als Absender, [X.]als Empfänger, den Ort [X.]in [X.]sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem [X.]kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 [X.]erforderliche Angabe des [X.]nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V [X.]52/03 (BFHE 216, 367, BSt[X.]II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die [X.]Behörden ausgehen, zweifelhaft.

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das [X.]davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der [X.]Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl [X.]Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in [X.]--oder im Fall der Lieferung nach [X.]in [X.]zugelassen wurden.

4. [X.]ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, [X.]und [X.]Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des [X.]nicht eindeutig ist-- von [X.]vertreten wurden.

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und [X.]als bevollmächtigte Vertreter für R[X.]und [X.]abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), R[X.]und [X.]Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und [X.]als Vertreter abgeschlossenen Verträge [X.]waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des [X.]mit den Kunden der R[X.]und [X.]verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

b) Sollten RR, [X.]und [X.]entsprechend der Mitteilung der [X.]Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand [X.]ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des [X.]die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28[X.]Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/[X.]steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, [X.]Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, U[X.]2006, 342, Leitsatz 1).

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des [X.]ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, [X.]in U[X.]2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des [X.]an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des [X.]führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil [X.]in U[X.]2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des [X.]auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

c) Soweit das [X.]im zweiten [X.]feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und [X.]zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des [X.]gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BSt[X.]II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des [X.]der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben [X.]und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass [X.]vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils [X.]in U[X.]2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil [X.]in U[X.]2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines [X.]nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

Meta

V R 28/10

17.02.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 20. Mai 2010, Az: 12 K 247/06, Urteil

§ 3 Abs 1 UStG 1999, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 1999, § 6a Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 1999, § 17a Abs 4 S 1 UStDV 1999, § 10 Abs 1 Nr 2 UStDV 1999, § 41 AO, Art 28c Teil A Buchst a UAbs 1 EWGRL 388/77, Abschn 6a.4 Abs 3 S 5 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2011, Az. V R 28/10 (REWIS RS 2011, 9330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9330

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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1 K 1263/17

1 StR 41/09

1 StR 41/09

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