Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VII ZR 193/15

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17109

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Gegenstand

Bauvertrag: Geltendmachung von Mängelrechten vor Abnahme der Werkleistung


Leitsatz

1. Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.

2. Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. Juli 2015 aufgehoben, soweit die Berufung der Klägerin gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 25.000 € nebst Zinsen an den Beklagten zu 2 zurückgewiesen wurde.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Soweit für die Revision von Interesse macht der Beklagte zu 2 widerklagend einen Kostenvorschuss für Mängelbeseitigungsarbeiten an einer Terrasse geltend.

2

Dem liegt der Bauvertrag vom 2./4. April 2008 über Terrassen- und Maurerarbeiten zwischen den Parteien zugrunde. Die zu verwendenden Platten für die Terrassenanlage sollten mit einer Spezialimprägnierung ("Clean Top") versehen sein, zudem sollten sogenannte "Lichtpunkte" in die Pflasterung eingebaut werden.

3

Trotz dreier Nachbesserungsversuche gelang es der Klägerin nicht, die Arbeiten vertragsgerecht herzustellen. Zu einer Abnahme kam es nicht. Vielmehr lehnten die beklagten Eheleute mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 weitere Nachbesserungsversuche ab, verbunden mit dem Wunsch, das Vertragsverhältnis endgültig zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt waren von ihnen bereits 25.000 € als Abschlag gezahlt worden. Unter dem 9. Dezember 2010 übersandte die Klägerin ihre Schlussrechnung über weitere 23.796,08 €. Die Beklagten verweigerten unter Hinweis auf erhebliche Mängel, die letztlich dazu führten, dass die Terrasse mit einem Aufwand von mindestens 41.013,60 € neu verlegt werden müsse, die Zahlung.

4

Die Klägerin hat mit der Klage Zahlung von 23.796,08 € von den Beklagten als Gesamtschuldnern begehrt, hilfsweise Zug um Zug gegen Beseitigung von [X.] und Verfärbungen im Terrassenbelag. Der Beklagte zu 2 hat aus eigenem und abgetretenem Recht der Beklagten zu 1 widerklagend einen Kostenvorschuss in Höhe von 20.000 € verlangt. Für den Fall der Klageabweisung hat er Zahlung weiterer 5.000 € begehrt.

5

Das [X.] hat die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen und der Widerklage und [X.] des Beklagten zu 2 in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen mit der Begründung, höchstrichterlich sei bislang ungeklärt, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen vor Abnahme einer Werkleistung der Besteller Ansprüche aus den §§ 633 ff. BGB geltend machen könne. Die Klägerin hat gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Wider- und [X.] Revision mit dem Ziel eingelegt, die Abweisung der Widerklage zu erreichen. Den [X.] verfolgt sie in der Revision nicht mehr weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

I.

7

Das [X.]erufungsgericht ist der Auffassung, das [X.] habe zu Recht die Klage einschließlich der Hilfsanträge abgewiesen und der Widerklage und Eventualwiderklage stattgegeben.

8

Ein etwaiger Werklohnanspruch der Klägerin sei jedenfalls nicht fällig. Nach der [X.]eweisaufnahme stehe fest, dass die Werkleistung der Klägerin ganz erhebliche Mängel aufweise und das Werk trotz verschiedener Nachbesserungsversuche der Klägerin, die an sich gescheiterte [X.] gewesen seien, nicht abnahmefähig sei. Es sei nicht damit getan, Zementschleier und Verfärbungen im Terrassenbelag zu beseitigen. Vielmehr müsse die gesamte [X.] abgerissen und komplett neu verlegt werden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen weise die Terrasse zur Mitte hin eine Absackung auf; die Zuleitungen für die in den Plattenbelag eingebauten Licht-punkte (LED-Leuchten) seien nicht in [X.] (Kabelschutzrohren) verlegt, sondern in der Zementmörtelschicht. Es entspreche aber der üblichen [X.]eschaffenheit, derartige Stromleitungen in [X.] zu verlegen, bestehe doch ansonsten die Gefahr, dass beim Auswechseln einzelner Leuchten die elektrische Zuleitung reiße. Der maßgebliche Mangel betreffe aber die "[X.]. Der "[X.] sei bei den untersuchten Terrassenplatten deutlich vermindert. Dieser vertraglich geschuldete Effekt sei nachträglich nicht wieder herzustellen.

9

Es liege kein Abrechnungsverhältnis vor, bei dem es auf eine Abnahme nicht ankäme. Die Klägerin sei nach ihrem eigenen Vorbringen noch erfüllungsbereit; der [X.]eklagte zu 2 andererseits mache Schadensersatzansprüche nicht geltend.

Dem [X.]eklagten zu 2 stehe der im Wege der ([X.] geltend gemachte Anspruch auf einen Mängelbeseitigungskostenvorschuss aus § 634 Nr. 2, § 637 [X.]G[X.] zu. Zwar griffen die §§ 634 ff. [X.]G[X.] "an sich" erst ein, wenn das fertiggestellte und abgenommene Werk mangelhaft sei. Die Frage, ob ein Vorschussanspruch auch vor Abnahme bestehe, sei nicht unbestritten, werde aber für bestimmte Ausnahmefälle von einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der sich das [X.]erufungsgericht anschließe, bejaht. Einer dieser Ausnahmefälle liege vor, wenn der Unternehmer ein aus seiner Sicht fertiggestelltes und mangelfreies Werk abliefere, der [X.]esteller jedoch wegen Mängeln zu Recht die Abnahme des Werks verweigere und offensichtlich sei, dass der Unternehmer die Mängel nicht mehr beseitigen werde beziehungsweise nicht gewillt sei, die notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu ergreifen. So liege es hier; die von der Klägerin angebotene Mängelbeseitigung sei offensichtlich unzulänglich. Die [X.]eklagten beziehungsweise der [X.]eklagte zu 2 habe der Klägerin auch keine Nacherfüllungsfrist nach § 637 [X.]G[X.] setzen müssen. Die Klägerin habe unstreitig mehrfach vergeblich versucht, einen ordnungsgemäßen Terrassenbelag zu erstellen. Ihr Angebot zur [X.]eseitigung von [X.] und Verfärbungen sei ersichtlich unbehelflich.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der [X.]egründung und den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts kann der Anspruch des [X.]eklagten zu 2 auf Zahlung von insgesamt 25.000 € nicht bejaht werden.

1. Die [X.]eklagte zu 1 ist nicht Partei des Revisionsverfahrens geworden.

a) Aus der [X.]egründung des [X.]erufungsgerichts ergibt sich, dass das [X.]erufungsgericht die Revision nur im Hinblick auf die mit der [X.] geltend gemachte Forderung des [X.]eklagten zu 2, die einen rechtlich und tatsächlich abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft und auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte, zulassen wollte (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2016 - [X.] Rn. 13, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen; Urteil vom 5. Juni 2014 - [X.]/13, [X.] 2014, 671 Rn. 33; [X.]eschluss vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.], 354 Rn. 11; jeweils m.w.[X.]).

b) Der [X.] legt die Revisionsschrift in Zusammenschau mit der Revisionsbegründung dahingehend aus, dass die Klägerin Revision nur insoweit einlegen wollte, als diese durch das [X.]erufungsgericht zugelassen worden ist. Die durch die Klägerin erklärte Rücknahme der Revision gegen die [X.]eklagte zu 1 in der Revisionsbegründung vom 18. November 2015 geht damit ins Leere.

2. a) Das [X.]erufungsgericht hat zunächst rechtsfehlerfrei angenommen, dass die durch die Klägerin erstellte [X.] ganz erhebliche Mängel aufweist und deshalb nicht abnahmefähig ist. Das wird von der Revision nicht angegriffen.

b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Feststellung des [X.]erufungsgerichts, die [X.]eklagten hätten bzw. der [X.]eklagte zu 2 hätte der Klägerin keine weitere Nacherfüllungsfrist setzen müssen, da die Klägerin mehrfach vergeblich versucht habe, einen ordnungsgemäßen Terrassenbelag herzustellen, und dass ihr Angebot zur Mängelbeseitigung unbehelflich sei. Die dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision hat der [X.] geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

3. Von einem Rechtsfehler beeinflusst ist dagegen die Annahme des [X.]erufungsgerichts, der [X.]eklagte zu 2 habe einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses von 25.000 € aus § 634 Nr. 2 [X.]G[X.], § 637 Abs. 3 [X.]G[X.] für die Kosten der Mängelbeseitigung bereits vor Abnahme des Werks.

a) [X.]ei Werkverträgen, die vor Inkrafttreten des [X.] vom 26. November 2001 ([X.] I S. 3138, im Folgenden: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) geschlossen wurden, setzten die Ansprüche des [X.]estellers gemäß §§ 633 ff. [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] eine Abnahme nicht voraus. Vor der Abnahme standen diese Ansprüche und Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nebeneinander (vgl. [X.], Urteile vom 16. November 1993 - [X.], [X.], 242, 244, juris Rn. 21; vom 2. November 1995 - [X.], juris Rn. 22; vom 27. Februar 1996 - [X.], [X.]Z 132, 96, 100 f., 102 f., juris Rn. 10 und 15; vom 26. September 1996 - [X.], NJW 1997, 50, juris Rn. 12; vom 4. Dezember 1997 - [X.], [X.], 332, 334, juris Rn. 14; vom 25. Juni 2002 - [X.], juris Rn. 7; vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 852 Rn. 33 = NZ[X.]au 2016, 304).

Den Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist ebenso wenig wie den Gesetzesmaterialien (vgl. [X.]T-Drucks. 14/6040, [X.] ff.) eine ausdrückliche Aussage dazu, ab welchem Zeitpunkt die Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] Anwendung finden, zu entnehmen.

Die Frage, ob die Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] vom [X.]esteller schon vor Abnahme geltend gemacht werden können, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. zum Streitstand: [X.], Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, [X.] ff.; [X.], [X.] im [X.], 2010, [X.] ff.).

Der [X.] hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen (vgl. [X.], Urteile vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.], 1778 Rn. 28 = NZ[X.]au 2010, 768; vom 24. Februar 2011 - [X.], [X.], 1032 Rn. 17 a.E. = [X.], 310; vom 6. Juni 2013 - [X.] 355/12, NJW 2013, 3022 Rn. 16; vom 25. Februar 2016 - [X.] 49/15 Rn. 41, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Es entspricht aber der Rechtsprechung des [X.]s, dass im Grundsatz die Abnahme des Werks den maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des [X.]estellers aus § 634 [X.]G[X.] eingreifen ([X.], Urteile vom 6. Juni 2013 - [X.] 355/12, [X.]O; vom 25. Februar 2016 - [X.] 49/15, [X.]O).

b) [X.]) Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] bereits vor Abnahme bestehen. Einige wollen dabei diese Mängelrechte schon während der Herstellung gewähren (Vorwerk, [X.], 1, 10 f.; Weise, [X.], 76 f.; [X.]/[X.], Stand: 1. Juli 2016, § 4 Abs. 7 Rn. 2; [X.], NJW-RR 2011, 603, 604, juris Rn. 8). Andere knüpfen an die Fälligkeit der Werkleistung an (Kapellmann/[X.]/[X.], [X.] und [X.], 5. Aufl., § 13 VO[X.]/[X.] Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des privaten [X.]aurechts, 5. Aufl., § 15 Rn. 317 f.; Sienz, [X.], 181, 184 f.; [X.], Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, [X.] ff., 178; [X.]/Motzke/[X.], [X.]aukommentar, 2. Aufl., § 634 [X.]G[X.] Rn. 5 f.; wohl auch [X.] in [X.], [X.]G[X.], 14. Aufl., § 634 Rn. 1 mit § 633 Rn. 21 f.). Einige Stimmen im Schrifttum wollen Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] gewähren, sobald der Unternehmer das Werk hergestellt hat (MünchKomm[X.]G[X.]/[X.]usche, 6. Aufl., § 634 Rn. 3 f.; [X.] in Festschrift für [X.], 2010, [X.], 286 f.).

bb) Der überwiegende Teil der Literatur sowie der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält grundsätzlich die Abnahme für das Entstehen der Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] für erforderlich, will dem [X.]esteller diese Rechte unter bestimmten Umständen aber auch ohne Abnahme zubilligen. Eine solche Ausnahme wird etwa angenommen, wenn der Unternehmer das Werk hergestellt hat und der [X.]esteller die Abnahme wegen Mängeln zu Recht verweigert (vgl. [X.], [X.], 1504, 1509 f., juris Rn. 68 ff.; [X.], Urteil vom 22. Dezember 2015 - 4 U 26/12, juris Rn. 59 f.; [X.], [X.], 677, 684, juris Rn. 90 = NZ[X.]au 2015, 480; [X.], Urteil vom 25. Februar 2015 - 4 U 114/14, juris Rn. 96 ff.; [X.], [X.], 1861, 1863, juris Rn. 45 = NZ[X.]au 2015, 155; [X.], NZ[X.]au 2013, 306, 307; [X.]/[X.], [X.]G[X.], 76. Aufl., Vor § 633 Rn. 7; [X.]/[X.]/Drossart, Privates [X.]aurecht, 2. Aufl., § 634 [X.]G[X.] Rn. 3 f.; [X.]eckOGK/[X.], [X.]G[X.], Stand: 1. November 2016, § 634 Rn. 32 f.; [X.], [X.], 1360, 1363 f.; [X.]eckOK [X.]G[X.]/[X.], Stand: 1. Februar 2015, § 634 Rn. 3, 23; [X.]eck'scher VO[X.]/[X.]-Kommentar/[X.], 3. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 6; [X.], [X.], 1063, 1072 f.; [X.]/[X.], [X.]auvertragsrecht, 2. Aufl., § 634 Rn. 9 ff.).

cc) Andere Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung gehen hingegen davon aus, dass Mängelrechte vor Abnahme auch nach Herstellung des Werks und bei berechtigter Abnahmeverweigerung durch den [X.]esteller ausgeschlossen sind (vgl. [X.]/[X.], 2014, [X.]G[X.], § 634 Rn. 11; [X.], [X.], 319, 323 ff.; [X.], [X.] im [X.], 2010, [X.]-77; [X.], [X.] vor und nach der Abnahme im [X.] und [X.] [X.]auvertrag, 2013, [X.] ff., 218; [X.]/[X.], [X.]G[X.], 16. Aufl., § 634 Rn. 3).

c) Der [X.] entscheidet nunmehr, dass der [X.]esteller Mängelrechte nach § 634 [X.]G[X.] grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann. Soweit sich aus den Entscheidungen vom 11. Oktober 2012 ([X.] 179/11 und [X.] 180/11, [X.], 81 = NZ[X.]au 2013, 99 und juris) etwas anderes ergeben könnte, hält der [X.] daran nicht fest. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

[X.]) Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. [X.]is zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des [X.]estellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] erfüllt. Könnte der [X.]esteller bereits während der [X.] Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein. Allerdings stehen dem [X.]esteller in der [X.] Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können, wie § 323 Abs. 4 [X.]G[X.] zeigt.

bb) [X.]ereits der [X.]egriff "Nacherfüllung" in § 634 Nr. 1, § 635 [X.]G[X.] spricht dafür, dass die Rechte aus § 634 [X.]G[X.] erst nach der Herstellung zum Tragen kommen sollen. Die Erfüllung des Herstellungsanspruchs aus § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] tritt bei einer Werkleistung regelmäßig mit der Abnahme ein, § 640 Abs. 1 [X.]G[X.], so dass erst nach Abnahme von "Nacherfüllung" gesprochen werden kann.

cc) Aus dem nur für den [X.] geltenden § 635 Abs. 3 [X.]G[X.] folgt, dass zwischen dem auf Herstellung gerichteten Anspruch aus § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] und dem [X.] Unterschiede bestehen. § 635 Abs. 3 [X.]G[X.] eröffnet dem Unternehmer bei der geschuldeten Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 [X.]G[X.] weitergehende Rechte als § 275 Abs. 2 und 3 [X.]G[X.]. Herstellungsanspruch und [X.] können demnach nicht nebeneinander bestehen.

dd) Dafür, dass die Abnahme die Zäsur zwischen [X.] und der Phase darstellt, in der anstelle des Herstellungsanspruchs Mängelrechte nach § 634 [X.]G[X.] geltend gemacht werden können, spricht zum einen die Regelung in § 634a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.]G[X.], wonach die Verjährung von Mängelrechten in den meisten Fällen mit der Abnahme beginnt.

Zum anderen stellt die Abnahme auch im Übrigen eine Zäsur dar, da mit ihr die Fälligkeit des [X.] eintritt (§ 641 Abs. 1 [X.]G[X.]), die Leistungsgefahr auf den [X.]esteller übergeht (§ 644 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.]) und die [X.]eweislast für das Vorliegen von Mängeln sich umkehrt, soweit kein Vorbehalt nach § 640 Abs. 2 [X.]G[X.] erklärt wird.

ee) Die Auslegung der werkvertraglichen Vorschriften dahingehend, dass dem [X.]esteller die Mängelrechte nach § 634 [X.]G[X.] grundsätzlich erst nach Abnahme zustehen, führt zudem zu einem interessengerechten Ergebnis.

(1) Vor der Abnahme steht dem [X.]esteller der Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 634 Nr. 1 [X.]G[X.] die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel hat. Der [X.]esteller kann diesen Anspruch einklagen und, falls notwendig, im Regelfall nach § 887 ZPO vollstrecken.

Die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werks verbleibt beim Unternehmer, der Werklohn wird nicht fällig und die [X.]eweislast für das Vorliegen von Mängeln geht nicht auf den [X.]esteller über, solange er den Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] geltend macht.

(2) Die Interessen des [X.]estellers sind durch die ihm vor der Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte angemessen gewahrt: etwa Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 [X.]G[X.], Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 [X.]G[X.], Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, § 280 Abs. 2, § 286 [X.]G[X.], Rücktritt nach § 323 [X.]G[X.] oder Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 [X.]G[X.].

Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 [X.]G[X.] ist zwar anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 [X.]G[X.] verschuldensabhängig (§ 280 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.]). Eine den Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung liegt aber auch vor, wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.] verstreichen lässt (vgl. zum Kaufrecht: [X.], Urteil vom 29. April 2015 - [X.], NJW 2015, 2244 Rn. 12; Urteil vom 17. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 135 Rn. 11 ff.).

Der [X.]esteller hat hiernach die Wahl, ob er die Rechte aus dem [X.] oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 [X.]G[X.] geltend macht. Ein faktischer Zwang des [X.]estellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk besteht damit entgegen verbreiteter Meinung nicht. Im Übrigen wird der [X.]esteller, der eine Abnahme unter [X.] erklärt, über § 640 Abs. 2, § 641 Abs. 3 [X.]G[X.] geschützt.

4. Das [X.]erufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Abnahme ist nach den bisherigen Feststellungen nicht entbehrlich.

a) Der [X.]esteller kann allerdings in bestimmten Fällen berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 [X.]G[X.] ohne Abnahme geltend zu machen. Das ist zu bejahen, wenn der [X.]esteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der [X.]esteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des [X.], so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2006 - [X.] 146/04, [X.]Z 167, 345 Rn. 26; Urteil vom 10. Oktober 2002 - [X.] 315/01, [X.], 88, 89, juris Rn. 11 = NZ[X.]au 2003, 35; Urteil vom 16. Mai 2002 - [X.] 479/00, [X.], 1399, 1400, juris Rn. 13; jeweils m.w.[X.]). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest, dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Verlangt der [X.]esteller Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1, § 280 Abs. 1 [X.]G[X.], ist der Anspruch auf die Leistung nach § 281 Abs. 4 [X.]G[X.] ausgeschlossen. Nichts anderes gilt, wenn der [X.]esteller im Wege der Minderung nur noch eine Herabsetzung des [X.] erreichen will. Auch in diesem Fall geht es ihm nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und damit um die Erfüllung des Vertrags ([X.], Urteile vom 19. Januar 2017 - [X.] 235/15 und [X.] 301/13, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt).

b) [X.]) Verlangt dagegen der [X.]esteller nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 [X.]G[X.] einen Vorschuss für die zur [X.]eseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlischt der Erfüllungsanspruch des [X.]estellers nicht. Denn das Recht zur Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss lassen den Erfüllungsanspruch (§ 631 [X.]G[X.]) und den [X.] (§ 634 Nr. 1 [X.]G[X.]) unberührt. Der [X.]esteller ist berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den ([X.] geltend zu machen (vgl. [X.], [X.], 1961, 1962 f., juris Rn. 56 = NZ[X.]au 2012, 771; [X.]/[X.], [X.]G[X.], 76. Aufl., § 634 Rn. 4; [X.]/[X.]/Drossart, Privates [X.]aurecht, 2. Aufl., § 634 [X.]G[X.] Rn. 16, 45; [X.]/[X.], 2014, [X.]G[X.], § 634 Rn. 73).

bb) Ausnahmsweise kann die Forderung des [X.]estellers, ihm einen Vorschuss für die zur [X.]eseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu zahlen, zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der [X.]esteller den ([X.] aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann.

Das ist etwa der Fall, wenn der [X.]esteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In dieser Konstellation kann der [X.]esteller nicht mehr zum ([X.] gegen den Unternehmer zurückkehren.

Weil die verbleibenden Rechte des [X.]estellers damit ausschließlich auf Geld gerichtet sind, entsteht ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § 634 Nr. 2 bis 4 [X.]G[X.] ohne Abnahme geltend gemacht werden können (vgl. [X.], Urteile vom 19. Januar 2017 - [X.] 235/15 und [X.] 301/13, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt).

c) Nach den bisherigen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts liegt ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis nicht vor.

[X.]) Das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass kein Abrechnungsverhältnis vorliegt. Dies wird von der Revision nicht angegriffen; revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

bb) Den Feststellungen kann zudem nicht entnommen werden, ob das Verhalten des [X.]eklagten zu 2, insbesondere die Erklärung im Schreiben vom 30. Oktober 2008, so ausgelegt werden kann, dass er nicht nur die klägerseits konkret angebotenen Arbeiten, sondern endgültig weitere (Nach-) Erfüllungsarbeiten der Klägerin nicht mehr dulden werde.

III.

Die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts kann daher keinen [X.]estand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, auf die Rechtsauffassung des [X.] zu reagieren.

[X.]      

        

Halfmeier      

        

Jurgeleit

        

Graßnack      

        

[X.]orris      

        

Meta

VII ZR 193/15

19.01.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 16. Juli 2015, Az: 7 U 124/14, Urteil

§ 280 Abs 1 BGB, § 281 BGB, § 634 Nr 2 BGB, § 634 Nr 3 BGB, § 634 Nr 4 BGB, § 637 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VII ZR 193/15 (REWIS RS 2017, 17109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17109

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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