Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2003, Az. II ZR 135/01

II. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 334

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[X.] DES VOLKESURTEILII [X.]/01Verkündet am:8. Dezember 2003BoppelJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 985Zur faktischen Enteignung nicht landwirtschaftlichen Inventars im Zuge der sog.demokratischen Bodenreform.[X.], Urteil vom 8. Dezember 2003 - II [X.]/01 - [X.] Erfurt- 2 -Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 8. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden RichterDr. h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.]. [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] [X.] in [X.] vom 4. April 2001 auf-gehoben.Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der10. Zivilkammer des [X.] vom 29. März 2000 wirdzurückgewiesen.Die [X.] tragen auch die Kosten der Rechtsmittelverfah-ren.Von Rechts [X.]:Die [X.] nehmen die beklagte Stiftung auf Herausgabe zweierMöbelstücke in Anspruch. Es handelt sich dabei um einen [X.] und um einen [X.], den der Dichter [X.] von- 3 -[X.] geschenkt hatte. Beide Möbelstücke befinden sich in der [X.] (früher: [X.]), die von der [X.] wird.Die [X.] sind Erben ihres am 3. Oktober 1981 verstorbenen [X.], des [X.]en [X.].. Dieser hatte am 25. April 1933 mitseinem Onkel, [X.] Freiherr von [X.] - einem Urenkel [X.] von [X.]s -,einen Erbvertrag geschlossen. [X.] war 1933 Eigentümer [X.] und der darin befindlichen Möbelstücke, darunter die bei-den von den [X.] herausverlangten Schreibtische. Er war mit Eva von[X.] verheiratet. Nach dem Erbvertrag sollte das gesamte [X.] nach demTode des Freiherrn von [X.] auf den Vater der [X.] übergehen. DieWitwe von [X.] sollte ein lebenslanges Wohnrecht erhalten. Ihr sollte weitge-hend auch das Inventar des Schlosses zustehen, ausgenommen jedoch die"[X.]". Diese sollten im Schloß verbleiben. Falls sie ver-kauft werden müßten, sollten sie an das [X.] zur Aufnahme in [X.] veräußert werden.[X.] verstarb 1938. Das Schloß wurde 1946 im Zuge der Bo-denreform enteignet und dem [X.] als Goethe-Museum zu [X.] übertragen. 1947 wurde die Witwe des [X.], die zunächst nochim Schloß wohnen geblieben war, vom Schloß verwiesen. Sie verstarb im Jahre1968. Der Vater der [X.], [X.], hatte sich schon unmittel-bar nach [X.] in die westliche Besatzungszone begeben; später lebte [X.]. Die Schreibsekretäre sind im Schloß geblieben.Mit der Klage verlangen die [X.] von der Beklagten die Heraus-gabe der Möbelstücke. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] -fungsgericht hat ihr auf die Berufung der [X.] im wesentlichen entspro-chen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstin-stanzlichen Urteils.[X.] Das Berufungsgericht ist der Ansicht, eine Enteignung der beiden [X.] sei nicht erfolgt. Deshalb stehe den [X.] ein Herausgabean-spruch nach § 985 BGB zu. Aus dem Erbvertrag könne die Beklagte keinenAnspruch auf Überlassung der Gegenstände herleiten.I[X.] Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen [X.] des Berufungsgerichts sind die Möbel enteignet worden.1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend [X.], daß eine Enteignung der Möbel nicht schon kraft [X.] Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform des [X.] vom 10. September 1945 ([X.]. in [X.]/[X.], [X.] offene Vermögensfragen in der ehemaligen [X.], [X.]. 1992Rdn. 2.10.1) erfolgt ist. Denn nach Art. II Nr. 2 und 3 dieser Verordnung werdenmit dem Grundbesitz "sämtliche Gebäude, lebendes und totes Inventar sowiedas landwirtschaftliche Vermögen" enteignet. Unter den Begriff "Inventar" fälltlediglich das betriebliche Inventar des landwirtschaftlichen Unternehmens, nichtaber die dem persönlichen Gebrauch des Betriebsinhabers dienenden [X.] 5 -stände; die Wegnahme von persönlicher Habe war durch den Wortlaut der Be-stimmung nicht gedeckt (vgl. [X.], NJW 1996, 1146, 1147;[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 1VermG Rdn. 197; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 5 Rdn. 4; BT-Drucks. 12/910 S. 5). Bei der Beurteilung, ob eine Enteignungstattgefunden hat, ist deshalb zwischen der Enteignung des betrieblichen In-ventars des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Enteignung der per-sönlichen Habe zu differenzieren. Die Enteignung von nicht landwirtschaftli-chem Inventar vollzog sich nicht kraft Gesetzes, sondern bedurfte noch einesbesonderen Enteignungsaktes (vgl [X.] aaO; [X.] in [X.] u.a.aaO).2. Ein solcher Enteignungsakt hat entgegen der Ansicht des Berufungs-gerichts stattgefunden. Dafür reicht es aus, daß der bisherige Eigentümer [X.] hierauf gerichtete staatliche Maßnahme vollständig und endgültig aus sei-nem Eigentum verdrängt wurde, wobei der Enteignungsbegriff vornehmlich ineinem faktischen Sinne zu verstehen ist (vgl. [X.], Urt. v. 13. Februar 1997,[X.]E 104, 84, 87; Urt. v. 27. Februar 1997, [X.] 1997, 350 m.w.[X.]) Das Schloß, das seit dem Tode [X.]s [X.] W. vonS. gehörte, ist jedenfalls dadurch enteignet worden, daß es aufgrund [X.] der Landesverwaltung [X.] über die Bodenreform [X.] durch Urkunde vom 10. Oktober 1946 als Goethe-Museum[X.] dem [X.] zu dessen persönlichem Eigentum überge-ben wurde. Die Enteignung erfaßte auch die im Schloß befindlichen Schreibse-kretäre, die ohne Zweifel Teile der Ausstattung des dem [X.] über-eigneten Goethe-Museums [X.] [X.] 6 -Von einer Enteignung der im Schloß befindlichen [X.]- und damit auch der beiden Schreibmöbel - ging auch die [X.] [X.] zur Durchführung der Bodenreform aus. Sie teilte mit [X.] 7. Mai 1947 der auf Kreisebene zuständigen [X.] in R.mit, daß die [X.] "mit der Enteignung des Grundbesitzesdes [X.]. mit unter die Bodenreform gefallen" seien und [X.] "dem [X.] zu übereignen" waren.Eine weitere Bestätigung dafür, daß die Schreibsekretäre mit der Über-gabe des Schlosses an das [X.] enteignet wurden, ergibt sich ausdem Protokoll vom 14. März 1951 über die Übergabe von Gegenständen an [X.] [X.]. Darin sind diese beiden Möbelstücke neben ande-ren Gegenständen "als Eigentum der Goethestätte [X.] übergebenbzw. als zur Goethestätte gehörig bezeichnet" worden. Diese [X.] nur dahin verstanden werden, daß die [X.] seinerzeit- im Gegensatz zu anderen, der Witwe [X.] gehörenden und von [X.] die Museumsleitung R. vermieteten Gegenstände - bereits im Ei-gentum des Landes [X.] standen.Für eine bereits erfolgte Enteignung der Möbel spricht auch die - [X.] nicht berücksichtigte - gerade in der Anfangszeit nach 1945exzessiv betriebene [X.] der damaligen Behörden. Letztlich [X.] davon auszugehen, daß bedeutende Kulturgüter wie die Goethe-Schreibtische im Eigentum des [X.] der [X.], der bereits 1945 diesowjetische Besatzungszone verlassen hatte, geblieben sind. Aus der Enteig-nung des Schlosses zum Zwecke der Einrichtung eines [X.] die Enteignung der [X.] -b) Vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung weiterherangezogene Unterlagen können eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen.Insbesondere sind lediglich auf den Verordnungstext abstellende Gutachten [X.] [X.] und die Stellungnahme der Ver-waltung von Land- und Forstwirtschaft in der [X.] angesichts der unstreitigen[X.] der damaligen Behörden insoweit ungeeignet.Das Berufungsgericht beruft sich für seine Auffassung vergeblich auf dieEntscheidung des [X.] vom 21. Februar 1996 (NJW1996, 1146; rechtskräftig durch [X.] des Senats v. 10. März1997 - [X.]). Im dortigen Fall fehlte es an einem individuellen Zugriffsaktder Behörden auf die Gegenstände, da diese bereits Anfang 1945 - also nochlange vor Inkrafttreten bzw. Wirksamwerden der Bodenreform - vom [X.] weggeschafft worden waren. Im Gegensatz dazu waren im vorliegendenFall die Möbel nach dem Krieg ununterbrochen im Schloß und damit dem Zu-griff der Behörden [X.] -3. Der Vater der [X.] hat somit das Eigentum an den [X.] Enteignung verloren. Den [X.] als Erben steht deshalb ein Her-ausgabeanspruch nicht zu.[X.] [X.]

Meta

II ZR 135/01

08.12.2003

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2003, Az. II ZR 135/01 (REWIS RS 2003, 334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 334

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