Bundespatentgericht, Urteil vom 23.11.2010, Az. 3 Ni 11/09 (EU)

3. Senat | REWIS RS 2010, 1145

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 430 019

([X.] 590 10 192)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2010 unter Mitwirkung des [X.]s [X.] als Vorsitzenden, der [X.]in [X.]. [X.], dem [X.] [X.]. [X.] und den [X.]innen [X.] und [X.]. Dr. Münzberg

für Recht erkannt:

[X.] Die Klage wird abgewiesen.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

II[X.] [X.] ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 20. November 1990 beim [X.] angemeldeten, die Priorität der [X.] Anmeldung 39 39 376 vom 29. November 1989 in Anspruch nehmenden und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 0 430 019 (Streitpatent), das vom [X.] Patentamt unter der Nummer 590 10 192 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein „Transdermales therapeutisches System mit Buprenorphin als aktivem Bestandteil“ und umfasst 11 Patentansprüche. [X.] lautet:

2

Transdermales therapeutisches System in Form eines Pflasters zur Verabreichung von Buprenorphin an die Haut aus einer wirkstoffundurchlässigen Rückschicht, einer haftklebenden Reservoirschicht und einer wiederablösbaren Schutzschicht, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] - 90 Gew.-% Polymermaterial, 0,1 - 30 Gew.-% Weichmacher, 0,1 - 20 Gew.-% Buprenorphinbase oder eines ihrer pharmazeutisch akzeptablen Salze und 0,1 - 30 Gew.-% Lösungsmittel für die Wirkstoffbase enthält, und dass das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin in der Reservoirschicht eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ist.

3

Die Patentansprüche 2 bis 11 betreffen besondere Ausgestaltungen des transdermalen, therapeutischen Systems nach Patentanspruch 1.

4

Die Klägerin greift das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 und 4 bis 11 an und stützt ihre Nichtigkeitsklage auf den [X.] der fehlenden Patentfähigkeit, hilfsweise der mangelnden Ausführbarkeit bzw. unvollständiger [X.]. Sie stützt sich auf folgende Entgegenhaltungen:

5

[X.]: EP 0 171 742 [X.]

6

NiK4: Versuchsbericht der Patentinhaberin vom 9. Februar 1995

7

NiK5 EP 0 340 307 [X.]

8

[X.] 4 844 903

9

NiK7 [X.] , [X.] Adhesives, 2

[X.], [X.] (1989), S. 1 bis 11

[X.], [X.], 73 (1984), S. 1153 bis 1156

[X.] 4 590 190

[X.] EP 0 242 827 [X.]

[X.] Drugs and the Pharmaceutical Sciences, Vol. 35, [X.], Development Issues and Research Initiatives, ed. [X.], 1989, S. 293 bis 295

[X.] Drugs and the Pharmaceutical Sciences, Vol. 31, [X.], ed. [X.], 1987, [X.] bis 96

[X.] EP 0 255 485 [X.]

[X.] US 4 814 173

[X.] [X.]

[X.] EP 0 331 392 [X.]

Die Klägerin bestreitet die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber [X.], der klar die Lehre zu entnehmen sei, dass für die Hautpenetration eines in einem transdermalen therapeutischen Systems vorliegenden [X.]wie Buprenorphin eine spezielle Kombination aus Propylenglykol und einer Fettsäure wesentlich sei. Jedenfalls aber sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von [X.] nicht erfinderisch. Sie beruft sich außerdem auf die mangelnde Ausführbarkeit bzw. unvollständige [X.].

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auch den [X.] der unzulässigen Erweiterung des [X.] geltend gemacht. Sie bezieht sich insoweit auf Patentanspruch 5 hinsichtlich des Merkmals „Zusätze“ in Verbindung mit dem Merkmal [X.] von hydriertem Kolophonium“. Diese Kombination der Merkmale „Zusätze“ und [X.] von hydriertem Kolophonium“ finde sich nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 430 019 im Umfang seiner Ansprüche 1 und 4 bis 11 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1 bis 3 vom 7. Oktober 2010.

[X.] des [X.] lautet wie folgt:

1. Transdermales, therapeutisches System in Form eines Pflasters zur Verabreichung von Buprenorphin an die Haut aus einer wirkstoffundurchlässigen Rückschicht, einer haftklebenden Reservoirschicht und einer wiederablösbaren Schutzschicht, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] - 90 Gew.-% Polymermaterial, das als Polymere [X.] auf Basis von Styrol und 1,3 Dienen, Polyisobutylene oder Polymere auf Acrylat- und/oder Methacrylat-Basis und als Zusätze Polymethacrylate, [X.] von hydriertem Kolophonium oder Polyvinyle enthält, 0,1 - 30 Gew.-% Weichmacher aus der Gruppe höhere Alkohole, [X.] von Carbonsäuren, Diester von Dicarbonsäuren, Triglyceride und mehrwertige Alkohole, 0,1 - 20 Gew.-% Buprenorphinbase oder eines ihrer pharmazeutisch akzeptablen Salze und 0,1 - 30 Gew.-% Lösungsmittel für die Wirkstoffbase enthält, und dass das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin in der Reservoirschicht eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ist.

Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Ansprüchen 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 2 vom 7. Oktober 2010. Gegenüber dem Anspruch 1 des [X.] ist der Anspruch 1 dieses [X.] auf ein Polymermaterial, das [X.] auf Basis von Styrol und 1,3-Dienen enthält, beschränkt.

Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 3 vom 7. Oktober 2010. Gegenüber Hilfsantrag 2 ist das Polymermaterial gemäß Anspruch 1 zusätzlich noch durch Zusätze auf Basis von hydriertem Kolophonium charakterisiert.

Die Beklagte tritt der Auffassung der Klägerin entgegen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber [X.] neu und erfinderisch, was auch gegenüber dem weiteren genannten Stand der Technik gelte. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei ausführbar und das Streitpatent weise keinen Offenbarungsmangel auf.

Die Beklagte hält die nachträgliche Klagerweiterung bezüglich des [X.]s der unzulässigen Erweiterung des [X.] nicht für zulässig, aber auch in der Sache nicht für begründet, da eine Berichtigung vorliege, die im Einvernehmen mit dem Prüfer beim [X.] erfolgt sei, um einen offensichtlichen Fehler zu beseitigen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

[X.] ist zulässig, auch wenn das Patent zwischenzeitlich nach Rechtshängigkeit erloschen ist. [X.]ufgrund der Inanspruchnahme wegen Patentverletzung aus den streitbefangenen Patentansprüchen durch die Lizenznehmerin der Patentinhaberin besteht für die Klägerin ein eigenes rechtliches Interesse an der rückwirkenden Vernichtung des Streitpatents im angegriffenen Umfang und damit an der Fortführung der Klage (vgl. [X.], 749 - [X.]ufzeichnungsträger; [X.], 90 - Verpackungsmaschine; GRUR 1965, 231 - Zierfalten), welche im Hinblick auf die durch das Erlöschen des Patents nicht beseitigten Rechtswirkungen der Erteilung als Verwaltungsakt auf Nichtigerklärung und nicht auf Feststellung zu richten ist ([X.], 146 - Schraubennahtrohr; vgl. auch [X.] GRUR 2007, 283, 286 [X.]. 40 - zur abweichenden [X.]uffassung).

Die gegen den [X.] Teil des Streitpatents gerichtete und auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden [X.] und fehlenden Patentfähigkeit, [X.]rt. 138 [X.]bs. 1 lit. a, b EPÜ, [X.]rt. II § 6 [X.]bs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, gestützte Klage ist also zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.

I.

[X.] betrifft ein transdermales therapeutisches System, das als aktiven Bestandteil Buprenorphin enthält (Streitpatent [X.] 3 bis 5).

Buprenorphin ist ein partialsynthetisches Opiat, dessen Vorteil gegenüber anderen Verbindungen dieser Substanzklasse in einer höheren Wirksamkeit liegt. Dies bedeutet, dass Schmerzfreiheit bei Krebs- oder Tumorpatienten mit infauster Diagnose im Finalstadium mit Tagesdosen um 1 mg erreicht werden kann. Zwei erhebliche Probleme der Opiate löst Buprenorphin jedoch nicht, nämlich das Suchtpotential und die geringe Bioverfügbarkeit dieser Stoffe bei oraler Gabe. In jüngster Vergangenheit wird die These vertreten, dass zum Suchtpotential eines [X.]rzneistoffs die [X.]rzneiform beiträgt. Dies ist für stark wirksame [X.]nalgetika in der Therapie von extrem hohen Schmerzen leicht nachvollziehbar, da nach der [X.]pplikation der Blutspiegel des Schmerzmittels höher als erforderlich ist und Euphorien verursacht, dann aber rasch absinkt, wodurch sich der Patient nach der nächsten Dosis sehnt und iatrogen eine Sucht erzeugt wird. Eine Dauerinfusion wäre also bei stark wirksamen Opiaten, wie Buprenorphin, die [X.]rzneiform der Wahl, um konstante Blutspiegel zu gewährleisten, was aber in der häuslichen Pflege nicht möglich ist und oft zu Entzündungen an der Eintrittsstelle der Kanüle führt. [X.]uch eine orale Depotform ist für Buprenorphin wegen seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler [X.]pplikation nicht das geeignete [X.]rzneisystem, da stark überdosiert werden muss, um eine wünschenswerte Wirksamkeit zu erreichen.

[X.]lle Vorbehalte gegen eine Buprenorphin retardierend freisetzende [X.]rzneiform werden durch die Vorzüge der transdermalen Therapie-Systeme vermieden, da das Medikament nicht über Kanülen verabreicht werden muss und daher auch von medizinischen Laien appliziert werden kann. Gleichzeitig ist ständig eine [X.] sichergestellt, die jederzeit durch [X.]breißen des Systems unterbrochen werden kann. Dem steht jedoch entgegen, dass Buprenorphin durch sein hohes Molekulargewicht, seinen hohen Schmelzpunkt und seine schlechte Löslichkeit in gängigen organischen Lösungsmitteln und Wasser schlecht durch menschliche Haut penetriert, denn eine Diffusion, die Voraussetzung für die Penetration, erfordert gelöste Substanzen. Bis zum [X.]nmeldetag des Streitpatents ist es nicht gelungen, Buprenorphin transdermal in der erforderlichen Menge zur Resorption zu bringen (Streitpatent [X.] 6 bis 54).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die technische [X.]ufgabe zugrunde, die Bereitstellung von Buprenorphin oder eines seiner pharmazeutisch verträglichen Salze in Form eines transdermalen therapeutischen Systems, das Buprenorphin oder dessen pharmazeutisch verträglichen Salze über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden kontrolliert abgibt und gewährleistet, dass das Buprenorphin sich während der Lagerung des vorgefertigten transdermalen therapeutischen Systems nicht merklich zersetzt, und sicherstellt, dass das unzureichend hautgängige Buprenorphin im geforderten [X.]usmaß in vivo durch menschliche Haut penetriert, wobei der [X.]ufwand für das System minimiert sein soll (Streitpatent [X.] 17 bis 22).

Die [X.]ufgabe wird durch das transdermale therapeutische System gemäß [X.]nspruch 1 des [X.] gelöst.

[X.] weist folgende Merkmale auf:

[X.] therapeutisches System in Form eines Pflasters

B. zur Verabreichung von Buprenorphin an die Haut

[X.]. aus einer wirkstoffundurchlässigen Rückschicht,

D. einer wiederablösbaren Schutzschicht

E. und einer haftklebenden Reservoirschicht enthaltend

[X.]. 20 bis 90 Gew.-% Polymermaterial,

E2. 0,1 bis 30 Gew.-% Weichmacher,

E3. 0,1 bis 20 Gew.-% [X.] oder eines seiner pharmazeutisch akzeptablen Salze und

[X.]. 0,1 bis 30 Gew.-% Lösungsmittel für die Wirkstoffbase,

[X.]a. wobei das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin

[X.]b. eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ist.

Zuständiger Fachmann ist ein Pharmazeut oder [X.]hemiker mit abgeschlossenem Hochschulstudium, der sich auf die pharmazeutische Technologie spezialisiert hat, bereits einschlägige Berufserfahrung in dem zum [X.]nmeldezeitpunkt noch relativ jungen Gebiet der Entwicklung von Wirkstoffpflastern aufweist, und mit einem Polymerchemiker zusammenarbeitet. Bei den Kenntnissen und Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns ist sowohl zu berücksichtigen, dass er in einem noch relativ jungen Gebiet arbeitet, wie die Beklagte vorträgt, als auch, dass er den damals bereits umfänglichen Stand der Technik über [X.] und [X.] kennt, wie die Klägerin ausführt.

II.

1. Der erteilte und weiterhin geltende [X.]nspruch 1 des [X.] geht aus den ursprünglich beim [X.] eingereichte [X.]nsprüchen 1 und 10 i. V. m. S. 7 le. [X.]bs. bis S. 8 [X.]bs. 2 der Erstunterlagen hervor. Die [X.]nsprüche 2 bis 4 und 6 bis 11 entsprechen den ursprünglichen [X.]nsprüchen 11, 12, 5, 7 bis 9 sowie 3, 4 und 2. [X.]uch der [X.]nspruch 5 ist aus den Erstunterlagen ableitbar und enthält entgegen der Rechtsansicht der Klägerin, die - wegen zu bejahender Sachdienlichkeit der Klageänderung - die Klage insoweit gemäß § 99 [X.]bs. 1 [X.] i. V. m. § 263 ZPO zulässig in der mündlichen Verhandlung erweitert hat, keine unzulässige Erweiterung der [X.]nmeldung gemäß § 21 [X.]bs. 1 Nr. 4 [X.]. Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass der ursprüngliche [X.]nspruch 6, auf dem der erteilte und geltende [X.]nspruch 5 basiert, darauf gerichtet ist, dass das Polymermaterial „Polymere“ - und nicht Zusätze, gemäß dem geltenden [X.]nspruch 5 - „auf Basis von hydriertem Kolophonium, vorzugsweise seines Methyl- oder Glycerinesters, enthält“. Dies stellt aber keine unzulässige [X.]bänderung und Erweiterung der ursprünglichen Unterlagen dar, da es sich um eine Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers der Erstunterlagen handelt. Denn bei hydriertem Kolophonium und hydrierten Kolophoniumestern handelt es sich bekanntlich nicht um Polymere, sondern um hydrierte Harzsäuren, insbesondere aus [X.], bzw. deren Ester (vgl. [X.]. 1983, [X.], Stichwort: Kolophonium). [X.]uch in [X.] werden Kolophonium und dessen Derivate nicht als Polymere sondern als Bestandteil des Harzanteils beschrieben (S. 3 [X.]bs. 2). [X.]us diesem Grund wurde im nunmehr geltenden [X.]nspruch 5 und im entsprechenden [X.]bsatz auf [X.] 53 bis 54 der Begriff Polymere im Verlauf des Prüfungsverfahrens durch den Begriff Zusätze ersetzt.

[X.] ist auch ausführbar i. S. v. § 21 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.].

Nach den Merkmalen [X.], [X.]a und [X.]b des [X.]nspruchs 1 weist die Reservoirschicht ein Lösungsmittel für die Wirkstoffbase auf, wobei das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ist. Die [X.]ngaben, die der Fachmann zur [X.]usführung benötigt, also was unter einem Lösungsmittel für die Wirkstoffbase zu verstehen ist, und insbesondere welche Verbindungen als Lösungsmittel eingesetzt werden können, um die patentgemäße [X.]ufgabe zu lösen, müssen nicht im [X.]nspruch 1 enthalten sein. Es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift ergeben. Hierfür ist es auch nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des [X.]nspruchs 1 fallenden [X.]usgestaltungen ausgeführt werden können ([X.], 223, 225 [X.] - Kupplungsvorrichtung II; [X.] Urteil vom 11. Mai 2010 - [X.], 2. Leitsatz, [X.]. 28 bis 36 = [X.], 901 - Polymerisierbare Zementmischung). [X.]us dem Inhalt der Patentschrift ergibt sich für die einzusetzenden Lösungsmittel für die Wirkstoffbase, dass als Lösungsmittel für Buprenorphin in der Matrix solche mit mindestens einer sauren Gruppe in Frage kommen, wobei grundsätzlich alle Säuren in Frage kommen, die Buprenorphin in ausreichendem Maße lösen, ohne dass es zu einer vollständigen Salzbildung kommt, da in letzterem Falle nicht mehr mit einer Penetration durch die Haut gerechnet werden kann (Streitpatentschrift S. 4 Z. 15 bis 17). Der Fachmann erhält durch diese [X.]ngaben in der Streitpatentschrift ausreichend Hinweise, welche Verbindungen mit einer sauren Gruppe als Lösungsmittel für Buprenorphin in Frage kommen. Die Rolle des Lösungsmittels für die [X.] wird zusätzlich durch die Beispiele belegt, die zeigen, dass das im System verbleibende Lösungsmittel mit einer sauren Gruppe ein unverzichtbarer Bestandteil der Rezeptur ist. [X.]ls besonders geeignet werden dabei die [X.] hervorgehoben, wobei in den Beispielen die darunter fallenden Monomethylester der Glutar- bzw. [X.]dipinsäure eingesetzt werden, die hohe in-vitro-Penetrationsraten aufweisen (Streitpatentschrift S. 4 Z. 11 bis 17, Beispiel I mit Tabelle auf [X.]). Diese [X.]ngaben genügen zur ausführbaren [X.] einer Erfindung, da sie dem Fachmann mithin so viel an technischer Information vermittelten, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen ([X.] GRUR 2001, 831 - [X.]; [X.] [X.], 916 - Klammernahtgerät). Die ausführbare [X.] für [X.] mit der [X.]ezifizierung, dass das Lösungsmittel für Buprenorphin eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe gemäß Patentanspruch 1 ist, ist daher gegeben.

3. Der Gegenstand des erteilten und geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu.

haftklebende Reservoirschicht entsprechend Merkmal E des [X.]nspruchs 1 wird aber in [X.] damit nicht beschrieben und kann auch im Gegensatz zur [X.]uffassung der Klägerin nicht mitgelesen werden. Der Gegenstand des [X.]nspruchs 1 wird damit bereits deshalb von [X.] nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Dies gilt auch für die weiteren Entgegenhaltungen.

[X.] betrifft zwar ein [X.], das Buprenorphin als Wirkstoff enthalten kann. Der Wirkstoff wird jedoch nicht in eine haftklebende Reservoirschicht eingebracht, sondern in eine Matrix, die von einer haftklebenden druckempfindlichen Haftschicht umgeben ist (vgl. [X.]nsprüche 1 und 2 i. V. m. [X.]. 2 Z. 67 bis [X.]. 3 Z. 25 und [X.]). [X.]uch [X.] betrifft ein [X.], das Buprenorphin als Wirkstoff enthalten kann. Der Wirkstoff wird hier ebenfalls nicht in eine haftklebende Reservoirschicht eingebracht, sondern in [X.], die auf gleichem Niveau zu hautseitigen Hautadhäsionsoberflächenabschnitten liegen ([X.]nsprüche 1 und 15 i. V. m. S: 4 [X.]bs. 2 und 3).

[X.] offenbaren keine pharmazeutischen Zusammensetzungen, die Buprenorphin als Wirkstoff enthalten, und können bereits deshalb die Neuheit der Gegenstände der jeweiligen [X.]nsprüche 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen nicht in Frage stellen.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er unter Berücksichtigung der vorliegenden Dokumente für den hier angesprochenen Fachmann im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht nahegelegt war, [X.]rt. II § 6 [X.]bs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. [X.]rt. 138 [X.]bs. 1 lit. a) EPÜ und [X.]rt. 56 EPÜ.

Zur Lösung der [X.]ufgabe, ein [X.] in Form eines Pflasters zur Verabreichung von Buprenorphin mit den Merkmalen gemäß [X.]nspruch 1 bereitzustellen, wird sich der Fachmann im Stand der Technik an Druckschriften orientieren, bei denen die transdermale Verabreichung von Buprenorphin in Betracht gezogen wird. [X.] offenbart pharmazeutische Zusammensetzungen in der Hauptsache in Form einer Lotion, [X.]reme, Emulsion oder eines Gels zur transdermalen Verabreichung von Opioiden, worunter auch Buprenorphin genannt wird ([X.]nsprüche 1 und 2 i. V. m. S. 7 Z. 19 bis 26, [X.] bis 33 und [X.] 1 bis 5). Um die Penetration des [X.]durch die Haut zu ermöglichen bzw. zu verbessern, wird das Opioid zusammen mit einem Penetrationsverstärker ausgewählt aus mindestens einem gesättigten oder ungesättigtem [X.]lkohol oder einer ebensolchen Fettsäure mit 8-15 Kohlenstoffatomen, insbesondere Myristinsäure, und einem üblichen pharmazeutischen Träger eingesetzt ([X.]nsprüche 1 und 5). [X.]ls Träger wird ein nicht toxisches pharmazeutisch geeignetes Vehikel, das ein polares protisches Lösungsmittel mit einem Molekulargewicht von kleiner 600 umfasst, insbesondere Propylenglykol, eingesetzt ([X.]nsprüche 1, 6 und 7). Die Mengen an Vehikel liegen bei 30 bis 80 % und an Verstärker bei 1 bis 45, bevorzugt 2 bis 25 % ([X.]nsprüche 9 und 10, [X.]. [X.]). Besonders herausgestellt wird dabei eine Mischung von Propylenglykol als Träger zusammen mit dem [X.]lkohol oder der Säure ([X.]. [X.]). Um Gele zu erhalten, können der Zusammensetzung auch Polymere, wie Ethylcellulose, Hydroxypropylcellulose oder Ethylen/[X.] zugesetzt werden. Das Gel kann auch auf eine Rückschicht aufgebracht werden, um ein Pflaster bereitzustellen ([X.]0 [X.]bs. 1, [X.]. [X.]bs, Tabellen 4 und 5). Damit sind zwar die Merkmale [X.], B, [X.], und [X.] bis [X.] in [X.] bereits verwirklicht. Denn der Weichmacher gemäß Streitpatent kann Propylenglykol sein und das Lösungsmittel für den Wirkstoff ist eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ([X.] 9 bis 10 und 14). [X.] enthält aber keine [X.]nregung, ein [X.] in Form eines Pflasters zur Verabreichung von Opioiden durch die Haut bereitzustellen, bei dem entsprechend dem Gegenstand des [X.]nspruchs 1 des Streitpatents das Opioid in eine haftklebende Reservoirschicht gemäß Merkmal E zusammen mit den penetrationsfördernden Zusätzen einzubringen ist.. [X.]uch aus dem Zusatz des Ethylen/[X.]-Polymeren zur Gelbildung kann der Fachmann nicht ableiten, dass eine haftklebende Reservoirschicht, das das Opioid enthält, gebildet werden soll. Denn nach [X.], dem „Handbook of Pressure-Sensitive [X.]dhesive Technology” ist dazu ein haftklebender Zusatz erforderlich (S. 524 Tabelle). Nichts anderes ist [X.] zu entnehmen. [X.] beschreibt [X.] mit einer haftklebenden Reservoirschicht, die [X.]nesthetika als Wirkstoffe und eine Polymermatrix enthält, wobei unter anderem eine Matrix auf Basis von Ethylen/[X.] aufgezählt ist. Dabei werden haftklebende Zusätze beschrieben, die jedenfalls dann eingesetzt werden müssen, wenn die Matrix nicht selbst haftklebend ist, was nach [X.] bei einer Matrix auf Basis von Ethylen/[X.] der Fall ist ([X.]nspruch 1, [X.] 1 bis 4 und [X.] 17 bis 30).

Im gesamten Stand der Technik, das gilt insbesondere auch für [X.], wird innerhalb eines Beispiels kein konkretes transdermales therapeutisches System mit Buprenorphin beschrieben. In [X.] wird im Gegenteil dazu herausgestellt und bei einem Gel mit Naloxon als Wirkstoff belegt, dass häufig der Zusatz eines Polymers die Penetration des Wirkstoffs stark vermindert ([X.]2 Z. 32 bis 34 i. V. m. Tabelle 6 auf [X.]). Es wird also bereits für Naloxon mit einem Molekulargewicht 327 eine verminderte Penetration durch [X.] beschrieben. Dies ist aber um so mehr bei Buprenorphin zu erwarten, da Buprenorphin ein deutlich höheres Molekulargewicht von 467 aufweist. Buprenorphin kann nämlich auf Grund dieses hohen Molekulargewichts nur sehr schwer durch die Haut penetrieren, wie die Beklagte vorträgt und auch die Klägerin einräumt. Die Beklagte stützt sich dabei auf das gutachterlich zu wertende Dokument NiB1, woraus hervorgeht, dass nur Moleküle bis zu einer Molekulargewicht von 500 [X.] durch die menschliche Haut penetrieren können ([X.], [X.]bstract).

Die Fachwelt war darüber hinaus am [X.]nmeldetag des Streitpatents der [X.]uffassung, dass Buprenorphin zu einer Gruppe von Wirkstoffen zu rechnen ist, die mit haftklebenden Substanzen ungünstig reagieren oder die nicht durch eine Haut-Klebeschicht diffundieren. [X.]us [X.] sind nämlich [X.] bekannt, die um diese Nachteile zu vermeiden, [X.] mit Wirkstoffabgabeflächen für solche Wirkstoffe wie u. a. Buprenorphin und hautseitig angeordneten [X.] aufweisen ([X.]nsprüche 1 und 12 i. V. m. [X.] [X.]bs. 3 und S. 4 [X.]bs. 3, S. 8 [X.]bs. 2). [X.]uch bei den [X.]-Pflastern gemäß [X.] soll zwar unter anderem Buprenorphin als Wirkstoff ausgehend von einer [X.] mit einem Ethylen/[X.]-Polymeren und einer hydrophoben Substanz, die eine höhere Fettsäure sein kann, verabreicht werden. Dabei ist es jedoch wie bei [X.] erforderlich, dass die nicht selbst haftende direkt auf der Haut aufliegende Matrixschicht von einer druckempfindlichen Haftschicht umgeben wird (vgl. [X.] [X.]nsprüche 1 und 2 i. V. m. [X.]. 2 Z. 67 bis [X.]. 3 Z. 25 und [X.]). [X.] und [X.] können daher keine Veranlassung dazu liefern, sondern halten im Gegenteil den Fachmann davon ab, ein [X.] gemäß [X.]nspruch 1 bereitzustellen, bei dem Buprenorphin in einer selbst haftklebenden [X.] eingebracht ist.

Die restlichen Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr berücksichtigt. Sie enthalten bereits deshalb keinen Hinweis ein [X.] zur Verabreichung von Buprenorphin gemäß dem Gegenstand des [X.]nspruchs 1 bereitzustellen, bei dem Buprenorphin in einer haftklebenden Reservoirschicht enthalten ist, da Buprenorphin in diesen Druckschriften nicht in Betracht gezogen wird. [X.] beschreibt zwar [X.]-Pflaster, bei denen Wirkstoffe in eine haftklebende Reservoirschicht eingebracht sind, die auf einer undurchlässigen Rückschicht aufgebracht ist, und von einer wiederablösbaren Schutzschicht geschützt wird. Unter den dort aufgezählten Wirkstoffen werden aber nicht einmal Opioide aufgeführt ([X.]nspruch 1 i. V. m. S. 6 [X.]bs. 5 und S. 9 [X.]bs. 1 bis 4). Das gleiche gilt für NiK10. Dort werden neben anderen Darreichungsformen haftklebende Reservoirschichten, die Wirkstoffe, insbesondere Benzodiazepine, und Penetrationverstärker, wie höhere [X.]lkohole, und Lösungsmittel, wie u. a. Milchsäure, enthalten, offenbart ([X.]nspruch 1, [X.]. 2 Z. 58 bis [X.]. 3 Z. 9 und [X.]. 10 Z. 1 bis 18). [X.] betrifft ein [X.], bei dem ein Wirkstoff, wie u. a. narkotische [X.]nalgetika, ähnlich [X.] in einer [X.] eingebracht wird, die von einer haftklebenden Schicht umgeben ist. Einen Hinweis zur Lösung der [X.]ufgabe liefert auch diese Druckschrift nicht. Dies gilt auch für [X.] und [X.], die mögliche [X.]usgestaltungen von [X.]-Pflastern beschreiben, wobei in [X.] ein [X.]ufbau mit Rückschicht und Wirkstoff enthaltender haftklebender Schicht gezeigt ist ([X.] [X.]94 oben).

[X.] betreffen keine [X.]-Pflaster. [X.] befasst sich zwar mit der Verbesserung der Hautpermeation von narkotischen Schmerzmitteln durch Linolsäure und Polypropylenglykol ohne jedoch Buprenorphin aufzulisten ([X.], [X.]bstr., [X.] Tab. 2). Bei [X.] wird ähnlich [X.] die Verbesserung der Hautpermeation von lipophiolen Molekülen durch eine Fettsäure und ein Vehikel, wie Propylenglykol beschrieben ([X.]153, [X.]bstr.). [X.] betrifft transdermale Formulierungen für bevorzugt Narkotika, wie Fentanyl, Morphium, [X.] oder [X.], die zur Verbesserung der Hautpenetration Linolsäure und Propylenglykol enthalten ([X.]nsprüche 1 bis 3 i. V. m. [X.] Z. 8 bis 14). Die Bereitstellung eines [X.] gemäß dem Gegenstand des [X.]nspruchs 1 wird von diesen Druckschriften nicht angesprochen oder angeregt.

Nach alledem wird also der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

5. Der gemäß Hauptantrag verteidigte veröffentlichte Patentanspruch 1 hat daher Bestand. Mit ihm haben die darauf rückbezogenen, vorteilhafte [X.]usführungsformen des Patentanspruchs 1 betreffenden Patentansprüche 2 bis 11 ebenfalls Bestand.

III.

[X.] beruht auf § 84 [X.]bs. 2 Satz 2 1. Halbs. [X.] i. V. m. § 91 [X.]bs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 [X.]bs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Meta

3 Ni 11/09 (EU)

23.11.2010

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 23.11.2010, Az. 3 Ni 11/09 (EU) (REWIS RS 2010, 1145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1145

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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