Bundessozialgericht, Urteil vom 21.04.2015, Az. B 1 KR 11/15 R

1. Senat | REWIS RS 2015, 12343

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - Krankenhausvergütungen unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung - keine weitere zeitliche Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen - Verwirkung


Leitsatz

1. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung.

2. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verbietet, Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben hinaus zeitlich einzuschränken.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 770,02 [X.] festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Krankenhausvergütung.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses in [X.], das zur Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) Versicherter zugelassen ist. Zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung (§ 140d [X.]) kürzte die beklagte Krankenkasse ([X.]) von der [X.] abgerechnete Krankenhausvergütung für Behandlungen ihrer Versicherten um insgesamt 770,02 [X.]. Die Kürzungen erfolgten für zwei von der Beklagten zur Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH gemeldete Verträge, den Vertrag über neurochirurgische Leistungen [X.] ab 1.10.2005 und den [X.] ab 1.4.2005. Das [X.] hat die Beklagte auf die am 29.12.2009 erhobene Klage antragsgemäß verurteilt, der Klägerin 770,02 [X.] nebst Zinsen zu zahlen, da die Verträge keine integrierte Versorgung im Sinne des Gesetzes zum Gegenstand gehabt hätten (Urteil vom 10.5.2013). Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen: Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nach dem insoweit durch Schiedsstellenentscheidung geregelten Vertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 [X.]B V über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft [X.] eV und den [X.] Landesverbänden der [X.]n ([X.]) verjährt (§ 13 Abs 5 [X.]). Danach verjähren die Forderungen der Krankenhäuser sowie die Rückforderungsansprüche der [X.]n nach § 195 BGB in drei Jahren. Die Beklagte habe sich hierauf berufen (Urteil vom 13.6.2014).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 112 Abs 2 Nr 1 [X.]B V. Die Verjährungsregelung des [X.] sei wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Grundlage nichtig, das [X.]-Urteil zutreffend.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2013 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden [X.] ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des [X.] zum Bestehen des Vergütungsanspruchs der Klägerin, insbesondere zur Rechtmäßigkeit des Einbehalts zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung, nicht in der Sache umfassend über den Erfolg der Berufung gegen das SG-Urteil entscheiden.

8

Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um abschließend über den zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG; stRspr, vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9 mwN; [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 8, alle mwN) geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 770,02 [X.] nebst Zinsen zu entscheiden. Zwar ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass die Voraussetzungen der Vergütung für die stationäre Behandlung Versicherter der beklagten [X.] durch die Klägerin entsprechend ihrer Abrechnung im Jahr 2005 in dieser Höhe erfüllt waren. Es steht aber nicht fest, dass die Beklagte hiervon rechtmäßig 770,02 [X.] zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung einbehielt. Das [X.] hat nämlich - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - keine Feststellungen zur Erfüllung der Voraussetzungen des Einbehalts getroffen (dazu 1.). Entgegen der Auffassung des [X.] ist die streitige Restforderung der Klägerin nicht verjährt. Die Klägerin machte sie vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist klageweise geltend. Die vertragliche Abbedingung der vierjährigen Verjährungsfrist war nicht zulässig, sondern unwirksam. Die Restforderung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verwirkt (dazu 2.).

9

1. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 [X.] erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; [X.] [X.]-2500 § 109 [X.]7 Rd[X.] 9). Diese Voraussetzungen waren unstreitig auch in Höhe der geltend gemachten Restforderung der Klägerin erfüllt.

Es steht nicht fest, dass diese Forderung durch rechtmäßigen Einbehalt zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Höhe von 770,02 [X.] erlosch. [X.]n behalten von [X.] Mittel zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung ein, indem sie mit einem Gegenrecht aufrechnen. Allerdings berechtigen nur geschlossene Verträge, die bei überschlägiger sozialgerichtlicher Prüfung die Grundvoraussetzungen eines Vertrags über integrierte Versorgung erfüllen, [X.]n zum Mitteleinbehalt zwecks Anschubfinanzierung (vgl [X.], 78 = [X.]-2500 § 140d [X.]; dem folgend auch [X.] vom 25.11.2010 - [X.] KR 6/10 R - USK 2010-166). Es fehlt hierzu an Feststellungen des [X.].

2. Das [X.]-Urteil erweist sich auch nicht wegen des Eintritts der Verjährung oder Verwirkung der Forderung als richtig. Die Klägerin machte die Forderung vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am [X.] geltend (dazu a). Die vertragliche Verkürzung der vierjährigen Verjährungsfrist war nicht zulässig, sondern unwirksam (dazu b). Auch der Einwand der Verwirkung greift nicht ein (dazu c).

a) Die Verjährung der streitigen Vergütungsforderung für 2005 begann nach Ablauf des Jahres 2005. Sie beginnt nämlich entsprechend § 45 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wie dargelegt (vgl oben, II. 1.). Die Forderung verjährte erst in vier Jahren nach Verjährungsbeginn. Die Klägerin hat vor Eintritt der Verjährung im Dezember 2009 Klage erhoben und damit den Eintritt der Verjährung der Forderung gehemmt (§ 45 Abs 2 SGB I analog iVm § 204 Abs 1 [X.] 1 [X.]).

Die Rechtsprechung des [X.] geht einhellig davon aus, dass für Vergütungsforderungen der Leistungserbringer die kurze, sozialrechtliche vierjährige Verjährungsfrist gilt (vgl zB [X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 1; zustimmend [X.]E 95, 141 Rd[X.]6 = [X.]-2500 § 83 [X.] Rd[X.] 34; [X.] [X.]-1200 § 45 [X.] 4; [X.] [X.]-2500 § 302 [X.] 1 Rd[X.] 43; [X.] vom 1.7.2014 - [X.] KR 47/12 R - [X.] 2014, 497, Rd[X.] 9; zur entsprechenden Anwendung von Verjährungsvorschriften auf sozialrechtliche [X.] vgl [X.]E 97, 84 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]). Dies ist vereinbar mit dem Wortlaut des § 69 [X.] (hier anzuwenden idF durch Art 1 [X.] 45 [X.] vom 14.11.2003, [X.] 2190 mWv 1.1.2004). Es entspricht der Entwicklungsgeschichte, dem Regelungssystem und dem Regelungszweck.

Nach dem Wortlaut des § 69 S 2 [X.] werden die Rechtsbeziehungen der [X.]n und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 [X.] und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Die Regelung der Verjährung ergibt sich schon aus dem 4. Kapitel des [X.] selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien (vgl zB [X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 1 Rd[X.] 10 ff; [X.] [X.]-1200 § 45 [X.] 8 [X.]0). Denn das [X.] geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die ergänzende Regelung des § 69 [X.] [X.] greift insoweit nicht ein. Danach gelten ua für die Rechtsbeziehungen nach § 69 S 2 [X.] lediglich "im Übrigen" die Vorschriften des [X.] entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 [X.] "und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach" dem 4. Kapitel des [X.] vereinbar sind.

Der Gesetzgeber hat die zitierte ständige Rechtsprechung des [X.] nicht zum Anlass genommen, die gesetzlichen Regelungen zu ändern. Er wollte eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht herbeiführen (vgl auch [X.]E 115, 40 = [X.]-2500 § 302 [X.] 1, Rd[X.] 44; entsprechend generell für das öffentliche Recht BVerwGE 132, 324 Rd[X.] 11 f). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem der bürgerlich-rechtlichen Verjährung auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857 [X.] zu [X.] 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das [X.] ([X.] 3214) erlassen. Auch dort entschied sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gelten und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks 15/3653 S 10).

Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 69 [X.] das Leistungserbringungsrecht des 4. Kapitels im [X.] von der Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften ausnehmen, nicht aber die Verjährungsfristen ändern. Zivilgerichte hatten in der Nachfragetätigkeit der [X.]n und ihrer Verbände ein Auftreten als Unternehmen im Sinne des [X.] und des [X.] Wettbewerbs- und Kartellrechts gesehen. Deswegen hatten sie Festbetragsregelungen der Spitzenverbände der [X.]n nach den §§ 91 f, 35 f [X.] teilweise für wettbewerbswidrig erklärt. Der Gesetzgeber wirkte lediglich dieser Tendenz mit einem Bündel von neuen Vorschriften entgegen (vgl näher [X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 1 Rd[X.] 12).

b) Die Regelung des § 13 Abs 5 [X.], die vertraglich die vierjährige Verjährungsfrist [X.] soll, ist nicht zulässig, sondern unwirksam. Der ihr zugrunde liegende Schiedsspruch ist materiell rechtswidrig. Der Schiedsspruch ist anhand der für die Krankenhausbehandlung in der [X.] maßgeblichen Rechtsmaßstäbe zu überprüfen (dazu [X.]). Danach widerspricht die Regelung des § 13 Abs 5 [X.] dem Wirtschaftlichkeitsgebot, soweit sie Rückforderungsansprüche der [X.]n der dreijährigen Verjährung unterwirft. Die Teilnichtigkeit führt zur Gesamtnichtigkeit der Regelung (dazu bb).

[X.]) Der Schiedsspruch der [X.] nach § 114 [X.] unterliegt uneingeschränkt der Kontrolle seiner Vereinbarkeit mit den für die Krankenhausbehandlung in der [X.] geltenden unabdingbaren Rechtsmaßstäben. Er soll eine vertragliche Regelung ersetzen, die sicherstellen soll, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des [X.] entsprechen (§ 112 Abs 1 [X.]; vgl [X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.] 10, Rd[X.] 31; [X.]E 112, 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.] 32). Ausschließlich innerhalb dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen können die Verträge auf Landesebene - wie hier der [X.] - die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen regeln (§ 112 Abs 2 S 1 [X.] 1 Buchst a und b [X.]). Nur soweit diese Vertragskompetenz reicht, besteht ein Gestaltungsspielraum der [X.] (zur Möglichkeit der Verletzung durch untergesetzliche Normen vgl [X.]E 105, 1 = [X.]-2500 § 125 [X.] 5, Rd[X.]6 mwN).

bb) Dementsprechend steht die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zur Disposition der Vertragspartner und der Schiedsstelle. Das Regelungssystem des [X.] begründet Ansprüche nur auf eine erforderliche Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1, § 39 Abs 1 S 2 [X.]) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach objektiven Kriterien (vgl [X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.] 10, Rd[X.] 30 f; [X.] [X.]-2500 § 13 [X.]0 Rd[X.] 19 ff mwN). Die Krankenhausbehandlung muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nur unter diesen Voraussetzungen schuldet die [X.] dem Versicherten eine Krankenhausbehandlung und dem Leistungserbringer korrespondierend die vereinbarte Vergütung (§ 2 Abs 1 S 1, § 12 Abs 1 S 1, § 70 Abs 1 [X.]). Ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung setzt dementsprechend ua voraus, dass die Behandlung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich war und die Voraussetzungen der gesetzlichen und vertraglich vorgesehenen Vergütungsregelungen erfüllt sind (vgl § 109 Abs 4 [X.] iVm § 39 Abs 1 S 2 [X.]). Über die Erforderlichkeit der Behandlung entscheidet allein die [X.] und im Streitfall das Gericht, ohne dass beide an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden sind ([X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]0, 26 unter Bezugnahme auf [X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.] 10, Rd[X.]7 ff). Die [X.]n haben ggf erst durch eine Prüfung festzustellen, dass die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs erfüllt sind. Auch die Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser hat hieran nichts geändert ([X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]3; vgl zum Ganzen [X.]E 112, 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.] 33). Das Vertragsrecht des [X.] kann dementsprechend nicht dazu eingesetzt werden, den gesetzlichen Rahmen für die Überprüfung der Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit einzuschränken. Ähnlich wie im Vertragsarztrecht besteht auch im Bereich der Krankenhausbehandlung keine weitergehende Befugnis der Vertragspartner und an ihrer Stelle der [X.], Überprüfungsmöglichkeiten der [X.]n gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben hinaus zeitlich einzuschränken (vgl [X.]E 112, 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.] 37).

Die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben für die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen ergeben sich aus den Regelungen der Verjährung für Erstattungsansprüche, inzwischen ergänzt um die spezielle Ausschlussregelung des § 275 Abs 1c [X.]. Der Anspruch einer [X.] gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt einer vierjährigen Verjährung (stRspr, vgl zB [X.] vom 14.10.2014 - [X.] KR 27/13 R - Juris Rd[X.] 33, für [X.]E und [X.]-2500 § 109 [X.] 40 vorgesehen; [X.]E 112, 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 39; [X.]E 98, 142 = [X.]-2500 § 276 [X.] 1, Rd[X.]5). Dieser gesetzliche Rahmen steht nicht zur Disposition der Vertragspartner des § 112 [X.]. Vertragspartner und an ihrer Stelle die [X.] sind lediglich berechtigt, Modalitäten zur Abrechnung von Vertragsleistungen, zB Abrechnungsfristen und die Folgen bei Nichteinhaltung, durch Vereinbarung oder an ihrer Stelle durch Schiedsspruch zu regeln. Solche Regelungen halten die hieran gebundenen [X.]n und Krankenhäuser gleichermaßen dazu an, ihren Verpflichtungen nachzukommen (vgl Wahl in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2012, § 112 Rd[X.] 41 ff). Dazu gehören etwa Zahlungsfristen, Verrechnungsmodalitäten sowie Verzugszinsen bei Überschreitung des Zahlungsziels (vgl [X.]E 112, 156 = [X.]-2500 § 114 [X.] 1, Rd[X.] 35).

Die Regelungen des § 13 Abs 5 [X.] sind nichtig. Sie verstoßen gegen höherrangiges Recht, soweit sie den aufgezeigten Vorgaben zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots widersprechen. Sie schränken die gesetzlichen Möglichkeiten der Überprüfung der Krankenhausabrechnungen ein, indem sie die Rückforderungsansprüche der [X.]n der dreijährigen Verjährung gemäß § 195 [X.] unterwerfen. Die Teilnichtigkeit der Regelung der Verjährungsfrist - bezogen auf Rückforderungsansprüche der [X.]n - bewirkt auch die Nichtigkeit der Geltung der dreijährigen Verjährungsfrist für Forderungen der Krankenhäuser. Denn die Schiedsstelle hat die Einbeziehung beider Forderungsarten in die Verjährungsregelung im Sinne einer ausgewogenen Gesamtregelung konzipiert. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 [X.] ist die gesamte Regelung der Verjährung in § 13 Abs 5 [X.] nichtig, da die Verkürzung der Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche der [X.]n nichtig und nicht anzunehmen ist, dass die Schiedsstelle § 13 Abs 5 [X.] auch ohne den nichtigen Teil erlassen hätte.

c) Die Klägerin war nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) auch nicht - wie die Beklagte meint - daran gehindert, ihren Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten im Dezember 2009 klageweise geltend zu machen. Ihr restlicher Vergütungsanspruch ist nicht verwirkt.

Das [X.] passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl [X.] [X.]-2500 § 264 [X.] 4 Rd[X.]; [X.]E 112, 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 37 mwN), etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der [X.] erfolgt ([X.] [X.]-2500 § 109 [X.] 19; [X.] [X.]-2500 § 109 [X.]7). Um eine solche Nachforderung geht es indes nicht.

Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) ist auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete [X.] des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach [X.] und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat ([X.]), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr; vgl [X.]E 112, 141 = [X.]-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.] 37; [X.], 22 = [X.]-2400 § 7 [X.] 14, Rd[X.] 36; [X.] [X.]-2400 § 24 [X.] 5 Rd[X.] 31; [X.] [X.]-2600 § 243 [X.] 4 Rd[X.] 36; [X.] [X.]-4200 § 37 [X.] 1 Rd[X.]; [X.] [X.]-2400 § 4 [X.] 5 S 13; [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.]7; [X.]E 80, 41, 43 = [X.]-2200 § 1303 [X.] 6 S 17 f; [X.] vom 1.4.1993 - 1 RK 16/92 - [X.] 44, 478, 483 = Juris Rd[X.]3; [X.] [X.] 2200 § 520 [X.] 3 S 7; [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.]; [X.]E 47, 194, 196 = [X.] 2200 § 1399 [X.] 11 S 15; [X.] vom [X.] - 9 RV 238/71 - Juris Rd[X.]; vgl auch [X.], Vertrauensschutz in der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, in [X.] , Der [X.] des [X.], 2012, [X.] ff, 167 f).

An solchen die Verwirkung auslösenden Umständen fehlt es vorliegend. Der bloße Zeitablauf stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar (vgl auch [X.] vom selben Tag - [X.] KR 7/15 R - Rd[X.] 19, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Der Umstand, dass die Klägerin erst am 29.12.2009 Zahlungsklage erhoben hat, genügt deshalb nicht. Hierdurch unterscheidet sich die Verwirkung von der Verjährung (s ferner ergänzend zu den bereits oben genannten Entscheidungen [X.]E 51, 260, 262 f = [X.] 2200 § 730 [X.] S 4; [X.] vom 30.10.1969 - 8 RV 53/68 - USK 6983 [X.]45 = Juris Rd[X.]3; [X.]E 38, 187, 193 f = [X.] 2200 § 664 [X.] 1 S 8 f; [X.]E 34, 211, 214 = [X.] [X.] 14 zu § 242 [X.] Aa 7 RS; [X.]E 7, 199, 200 f; vgl auch [X.], 445, 446). Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl [X.] vom [X.] - USK 80292 S 1312 = Juris Rd[X.] 32; [X.]E 47, 194, 197 f = [X.] 2200 § 1399 [X.] 11 S 17; [X.]E 45, 38, 48 = [X.]100 § 40 [X.] S 55). Hierbei kann zu berücksichtigen sein, wie sich das Verhalten nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte darstellt (vgl dazu [X.], Der Grundsatz von [X.] und Glauben im Allgemeinen Verwaltungsrecht, 2006, [X.]; ebenso [X.], Mißbrauch von Rechten, selbstwidersprüchliches Verhalten und Verwirkung im öffentlichen Recht, 2000, S 221).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Es fehlt bereits an einem Verwirkungsverhalten. Die Klägerin gab der Beklagten keinen Anlass dafür, anzunehmen, dass sie ihre restliche Vergütungsforderung nicht mehr weiterverfolgen werde.

3. Das [X.] wird nunmehr die gebotenen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer rechtmäßigen Einbehaltung zwecks Anschubfinanzierung integrierter Versorgung zu treffen haben (vgl dazu grundlegend [X.], 78 = [X.]-2500 § 140d [X.]).

4. [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 11/15 R

21.04.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 10. Mai 2013, Az: S 86 KR 2161/09, Urteil

§ 12 Abs 1 SGB 5, § 69 S 2 SGB 5, § 70 Abs 1 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 5, § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst b SGB 5, § 114 SGB 5, § 140d Abs 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 45 Abs 1 SGB 1, § 45 Abs 2 SGB 1, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.04.2015, Az. B 1 KR 11/15 R (REWIS RS 2015, 12343)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12343

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 33/15 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhaus - Vergütung für Krankenhausbehandlung - Nachforderung bis zum Ablauf der vierjährigen sozialrechtlichen …


B 1 KR 10/19 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Krankenhaus - Schlussrechnung mit ins Auge springendem Korrekturbedarf - kein Eintritt der Verwirkung …


B 1 KR 10/15 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses - Anforderungen an eine formal ordnungsgemäße Abrechnung - …


B 1 KR 7/15 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhaus - Anspruch einer Krankenkasse auf Erstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Krankenhausvergütung - Krankenhaus …


B 1 KR 2/13 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhaus - Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung - Berechnung der DRG B68B - Kürzung um …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.