Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2013, Az. 5 StR 461/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 9157

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5 [X.]/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 9. Januar 2013
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat
in der Sitzung
vom 9.
Januar

2013, an der teilgenommen haben:

[X.],

[X.] Dr. Raum,

[X.]in [X.],

[X.] Dölp,
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin
beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin
Amtsrätin

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Dezember 2011 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verur-teilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der nähe-ren Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, dass es an einer ordnungs-gemäßen Feststellung des Abschlusses des [X.] gemäß §
249 Abs.
2
Satz
3
StPO fehle und die Protokolle von überwachten [X.], auf die das [X.] seine Überzeugung von Art und Um-fang der Tatbeteiligung des Angeklagten stützt,
sowie zwei
Gutachten über Menge und Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel
in den Fällen 3
und 7 der Urteilsgründe
somit nicht wirksam in die Hauptverhandlung eingeführt [X.] seien
(§ 261 StPO).

1
2
-
4
-
1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

[X.] vom 9. November 2011 ordnete die [X.] hinsichtlich zweier Gutachten über Menge und Wirkstoffgehalt sichergestellter Betäubungsmittel sowie mehrerer weiterer Urkunden das Selbstleseverfahren an. Ferner ordnete die Vorsitzende im Termin vom 16. November 2011 bezüglich einer Vielzahl von Wortprotokol-len überwachter Telefongespräche ebenfalls das Selbstleseverfahren an. Der Verteidiger des Beschwerdeführers erhob hiergegen Widerspruch und bean-tragte die Entscheidung des Gerichts. Nachdem die Vorsitzende die Selbst-leseanordnung im Termin vom 22. November 2011 um ein weiteres [X.] ergänzt hatte, begründete der Verteidiger seinen Widerspruch im Termin vom 28. November 2011. Am selben Hauptverhandlungstag wurden die Selbstleseanordnungen nebst Ergänzungen durch Gerichtsbeschluss bestätigt. Im Fortsetzungstermin vom 7. Dezember 2011 wurde [X.] Kenntnis genommen haben von den jeweiligen Selbstleseanordnungen und die Verteidiger, Angeklagten und Vertreterin der Staatsanwaltschaft Gele-Weitere Feststellungen
zur Kenntnis-nahme der in den Anordnungen bezeichneten Urkunden erfolgten
ebenso wenig wie eine Verlesung der Urkunden.
Deren Inhalt wurde lediglich hin-sichtlich einiger Telefonate durch
Abspielen
und Übersetzung durch den Sprachsachverständigen, im Übrigen aber
nicht auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt.

2. Eine Verletzung des §
261 StPO i.V.m. §
249 Abs.
2
Satz
1 und 3
StPO liegt nicht vor. Durch die protokollierte Feststellung der Vorsitzenden sind die von den Selbstleseanordnungen umfassten Urkunden wirksam zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden (vgl.
[X.], Beschlüsse vom 14. September 2010

3 [X.], NStZ-RR 2011, 20, und vom 20.
Juli 2010

3 [X.], [X.]R StPO §
249 Abs.
2 Selbstleseverfahren 6).
3
4
5
-
5
-
Allerdings ist ausweislich des Wortlauts des [X.] lediglich hinsichtlich der Selbstleseanordnungen, nicht aber des Wort-lauts der von diesen betroffenen Urkunden die Kenntnisnahme der
[X.] und die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die übrigen Verfahrensbeteilig-ten festgestellt worden. Eine von der Staatsanwaltschaft beantragte Proto-kollberichtigung ist nicht zustande gekommen, weil die Protokollführerin sich nicht an die Vorgänge in der Hauptverhandlung erinnern konnte. Damit bleibt hinsichtlich des Wortlauts der Feststellung der Vorsitzenden der [X.] maßgeblich. Neben der

hier ge-scheiterten

ordnungsgemäßen Protokollberichtigung kommt
eine freibe-weisliche

und damit an geringere Anforderungen als in dem die Verfah-renswahrheit sichernden Protokollberichtigungsverfahren geknüpfte

Aufklä-rung des tatgerichtlichen [X.] nicht in Betracht (vgl. [X.], [X.] vom 28. Januar 2010

5 [X.], [X.]St 55, 31, vom 22. [X.]

2 [X.], [X.], 267 mwN,
und
vom 30. Septem-ber
2009

2 StR 280/09, StV
2010, 225).
Ein Fall krasser Widersprüchlich-keit oder offenkundiger Fehler-
oder Lückenhaftigkeit
des Protokolls,
der [X.] unter Umständen eine Ausnahme zuließe (vgl. [X.]
aaO), liegt schon deshalb nicht vor, weil die inhaltliche Fehlerhaftigkeit der protokollierten Äu-ßerung nicht nur auf einen Protokollierungsfehler, sondern ebenso
auf ein Formulierungsversehen der Vorsitzenden zurückzuführen sein kann. Im letz-teren Fall würde das Protokoll indes die Vorgänge in der Hauptverhandlung zutreffend wiedergeben. Ein freibeweislicher Rückgriff auf die der Gegener-klärung der Staatsanwaltschaft beigefügten dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden und der Berichterstatterin scheidet in diesem Zusammenhang aus den vorgenannten Gründen aus.

Wenngleich somit davon auszugehen ist, dass die gemäß §
249 Abs.
2
Satz
3 StPO
in das Protokoll aufgenommene
Feststellung der [X.] ihrem Wortlaut nach nicht die Einhaltung der in
§
249 Abs.
2
StPO geregelten Verfahrensweise wiedergibt, liegt dennoch im Ergebnis ein ord-nungsgemäßer Abschluss des [X.] vor. Als gerichtliche 6
7
-
6
-
Prozesserklärung ist die protokollierte Feststellung der Vorsitzenden nach allgemeinen Regeln der Auslegung zugänglich, bei der es nicht allein auf den Wortlaut, sondern vor allem auf den erkennbar gemeinten Sinn ankommt
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2010

3 [X.], [X.]R StPO §
249 Abs.
2
Selbstleseverfahren 6, und vom 14. September 2010

3 [X.],
NStZ-RR 2011, 20; Urteil vom 11. Oktober 2012

1 [X.] Rn. 23 ff.;
Pfeiffer/[X.] in
KK,
StPO,
6. Aufl., Einleitung
Rn.
125, 128; Ro-xin/[X.], Strafverfahrensrecht, 27. Aufl.,
§
22 B II 1; vgl. ferner zur Auslegung des [X.]:
[X.], [X.] 2012, 386).

Danach war aber für alle Verfahrensbeteiligten klar ersichtlich, dass die Vorsitzende durch ihre in das Protokoll aufgenommene Erklärung die Kenntnisnahme der Berufsrichter und der Schöffen von den in den [X.] bezeichneten Urkunden und die entsprechende Gelegen-heit zur Kenntnisnahme der übrigen Verfahrensbeteiligten feststellen wollte. Dies folgt zum einen aus der prozessualen Sinnlosigkeit der Protokollierung einer
Kenntnisnahme von
Selbstleseanordnungen, die an früheren Haupt-verhandlungstagen
erfolgt und ihrerseits in das Protokoll aufgenommen [X.] waren, womit den diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen des §
249 Abs.
2
StPO Genüge getan ist und woraus sich im Übrigen bereits die Kenntnisnahme der Verfahrensbeteiligten von diesen Anordnungen ergibt. Zum anderen lässt
der bisherige Verfahrensablauf

die Anordnung des [X.] bezüglich zahlreicher Urkunden am 9. und 16. Novem-ber 2011 mit
Ergänzung
am 22.
November 2011 sowie die zeitgleiche Vertei-lung der diese Urkunden enthaltenden Ordner

erkennen, dass die [X.] im Termin vom 7. Dezember 2011
beabsichtigte, die von den [X.] erfassten Urkunden durch die Feststellung der Kenntnis-nahme der [X.] von den einzuführenden Urkunden bzw. der Gelegenheit zur Kenntnisnahme der übrigen Verfahrensbeteiligten zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen und somit das [X.].
Zudem liegt angesichts des
Wortlauts
der protokollierten Äußerung 8
-
7
-
jeweiligen Selbstleseanordnungen und die Verteidiger, Angeklagten und Ver-

ein Formulierungsversehen in Form einer Auslassung auf der Hand. Gemeint waren

für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich erkennbar

nicht die Selbstleseanordnungen, sondern die in den Selbstleseanordnungen be-zeichneten Urkunden.
Im Ergebnis fehlt es somit trotz des Formulierungs-
oder [X.] nicht an
einer ordnungsgemäßen Feststel-lung nach §
249 Abs.
2
Satz
3 StPO.

Basdorf Raum Schneider

Dölp Bellay

Meta

5 StR 461/12

09.01.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2013, Az. 5 StR 461/12 (REWIS RS 2013, 9157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9157

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5 StR 461/12

3 StR 131/10

3 StR 76/10

5 StR 169/09

2 StR 386/10

1 StR 213/10

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